Protokoll der Sitzung vom 23.09.2005

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS: Das ist eine Rechtsfrage!)

Eine Rechtsfrage, richtig, Herr Bartl. Sie haben gestern und auch heute gesagt, dass es für Sie unwahrscheinlich wichtig ist, dass die Akten – darauf legen Sie also großen Wert – dem Bewertungsausschuss und dem Plenum wichtiger sind als die eidesstattlichen Erklärungen der MfS-Mitarbeiter. Jetzt werde ich sehr konkret, Herr Bartl.

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS: Es geht um die Menschen!)

Richtig, dann sind wir beim Menschen. Dann sind wir bei dem Menschen Johannes Gerlach und bei dem Menschen Klaus Bartl. Der Mensch Johannes Gerlach war in der Wendezeit ein bisschen aktiv. Über den Menschen Johannes Gerlach wurde vom MfS jeden Tag ein Bericht geschrieben, mindestens ab September. Dieser Bericht, Herr Bartl, ging mindestens ab Mitte September, weil ich damals Ansprechpartner für das Neue Forum im Raum Chemnitz war, an den Genossen Bartl. Jeden Tag einer!

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die Berichte sind alle in meiner Akte. Ich habe Ihnen das nie zum Vorwurf gemacht. Ich habe auch nie erwartet, dass Sie sich für Ihre damalige Tätigkeit in irgendeiner Form bei mir entschuldigen. Ich finde es nur äußerst schwierig im Umgang, wenn Sie auf der einen Seite damals genau diese Papiere für Ihre Arbeit offensichtlich ohne Probleme benutzt haben und uns heute weismachen wollen, dass diese Papiere, weil sie in einem Unrechtssystem entstanden sind, was Sie nie geleugnet haben, heute keine Bedeutung mehr haben sollen. Das müssen Sie mir noch einmal erklären.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Gerlach?

Ja, natürlich.

Ändert das etwas an der Tatsache, dass es sich dann, wenn ich Akten vor mir liegen habe und wenn derjenige, der betroffen ist, sagt, ich will Menschen dagegensetzen, damit sie dazu etwas sagen können, gehört, den Menschen den Vorrang vor Akten zu geben?

Ich denke, meine Kollegin hat das sehr eindeutig gesagt. Wir haben die Menschen mit ihrer eidesstattlichen Erklärung sehr wohl in die Bewertung einbezogen – es lag ja vor –, und es war mein Motiv, warum ich zum Beispiel gegen Ihren Antrag gestimmt habe, als Sie verlangt haben, dass wir die drei oder vier Leute – oder ging es um zwei? – noch einmal vor dem Bewertungsausschuss hören. Weshalb sollen Menschen,

die eine eidesstattliche Erklärung abgeliefert haben, vor dem Bewertungsausschuss plötzlich etwas anderes sagen, wo doch der Bewertungsausschuss keine Möglichkeit hat – das wissen Sie als Jurist –, sie unter Eid zu stellen, als sie zukünftig weiter erzählen wollen?

Wir haben in der Form der Abwägung, und es war eine Abwägung, als Bewertungsausschuss – und ich habe uns nie als Gericht gesehen und mich schon gar nicht als Generalstaatsanwalt – das, was die Männer in ihrer eidesstattlichen Erklärung formuliert haben, genauso ernst genommen, wie das, was in den Akten steht. Für mich war es mindestens gleichwertig. Darin befindet sich ein großer Widerspruch, der bis heute nicht aufgeklärt wurde. Prof. Porsch hätte ihn relativ einfach aufklären können, aber dazu ist von ihm, von Herrn Hahn und auch von Ihnen, Herr Bartl, nicht ein Jota gesagt worden. Sie, Herr Bartl, haben nicht einmal gestern Abend auf meine Frage geantwortet; auch das ging nicht.

Ich nenne Ihnen noch einmal einige Fakten, weil auch der Vorwurf kam, dass wir das im Schweinsgalopp durchgezogen hätten – es ist nicht Schweinsgalopp gesagt worden –, aber sozusagen mit massivem Druck durchgezogen hätten. Ich gebe Ihnen noch einmal ganz wenige Fakten zur Kenntnis, damit diejenigen, die nur Ihre Aussage gehört haben, sozusagen ein paar Fakten dagegengesetzt erfahren.

Der Landtag hat am 19.01.2005 mit dem Beschluss Drucksache 4/0469 dem Bewertungsausschuss die Arbeit ermöglicht. Nachdem die ersten Briefe der Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit der DDR beim Präsidenten eingetroffen waren, hat der Bewertungsausschuss seit dem 17.05.2005 bisher elfmal getagt. Die vor dem 19.09.2004, dem Tag der Landtagswahl, eingegangenen Unterlagen der Bundesbeauftragten wurden dem Präsidenten ungeöffnet wieder zurückgegeben, da der Bewertungsausschuss für diese Unterlagen keine Berechtigung zur Befassung hatte bzw. hat.

Zu den verschiedenen vorliegenden Auskünften der Bundesbeauftragten wurde und wird jeweils individuell beraten und abgestimmt, wenn der Bewertungsausschuss es für notwendig hielt und hält.

Zum vorliegenden Antrag wäre dann zu sagen: Die ersten Unterlagen erreichten den Landtag am 4. Juni 2005. Nach einer ersten Sichtung schrieb der Bewertungsausschuss am 7. Juni einen Brief an die Bundesbeauftragte. Die Antwort erreichte den Bewertungsausschuss am 30.06. Als Reaktion auf diesen Brief wurde die Bundesbeauftragte nochmals vom Bewertungsausschuss um einige weitere Details gebeten.

Am 14.06. wird der Erörterungstermin auf den Nachmittag des 05.07.2005 festgelegt. Der Abg. Prof. Dr. Porsch und mit ihm sein Anwalt hatten ausreichend Gelegenheit, die Akten zu studieren und dem Bewertungsausschuss Rede und Antwort zu stehen. Dass sein Anwalt dies wegen – vorsichtig formuliert – Ungeduld und anderer dienstlicher Verpflichtungen nicht so wahrnahm, liegt

einzig an der Arbeitsorganisation des Anwaltes und nicht an uns.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: 40 Minuten!)

Seine diesbezügliche Pressemitteilung ist tendenziell und so nicht richtig.

Wenn Sie schon diese 40 Minuten bringen, dann bin ich gern bereit, Ihnen das hier einmal im Detail zu schildern, damit Sie auch einmal wissen, wie man mit Pressemitteilungen hantieren kann. Ich hatte keine Chance, als Ausschusssprecher darauf zu reagieren.

13:00 Uhr war der Bewertungsausschuss einberufen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Früh war eine Akteneinsicht des Rechtsanwalts; mit Ihnen oder ohne Sie, Herr Prof. Porsch, das weiß ich jetzt nicht mehr so genau.

13:00 Uhr habe ich Sie und Ihren Anwalt gebeten, – –

(Prof. Dr. Porsch, Linksfraktion.PDS: Fünf Minuten!)

Moment, um 15 Minuten. Das habe ich auch dem Bewertungsausschuss so mitgeteilt. Sollten Sie fünf Minuten verstanden haben, dann habe ich so gemurmelt, dass es schlecht zu verstehen war.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Ich hatte Sie gebeten, ob Sie eine Tasse Kaffee trinken können, weil Sie schon früh eine Akte oder ein Schriftstück eingesehen hatten, das der Bewertungsausschuss noch nicht kannte. Ich hatte die Bitte an Sie, dass ich das dem Bewertungsausschuss noch zur Kenntnis geben kann. Das haben Sie akzeptiert.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Richtig!)

Dann gab es im Bewertungsausschuss darüber eine Diskussion, die von mir in den Zeitplan, als ich Ihnen diese 15 Minuten genannt hatte, so nicht eingeplant war.

13:35 Uhr, exakt, habe ich den Bewertungsausschuss verlassen, um Sie in den Raum hineinzuholen. Da waren sie beide nicht mehr da.

(Zurufe von der CDU: Ach nein!)

Dann habe ich bei Ihnen – – Kleinen Moment, damit die 40 Minuten klar werden, ich lasse mir nicht unterstellen, dass wir bestimmte Dinge hingetrickst hätten.

(Beifall bei der CDU)

13:35 Uhr bin ich dann zum Telefon gegangen und habe bei Ihnen oben angerufen. Da wurde mir mitgeteilt, dass der Anwalt gegangen sei, weil er nicht so viel Zeit hat. Dann sind Sie im Nachhinein durch Angehörige des

Bewertungsausschusses doch noch gebeten worden, ob Sie als Person kommen wollen.

So viel zu den 40 Minuten und so viel zu den Behinderungen des Rechtsanwaltes Diestel durch den Bewertungsausschuss.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN – Zurufe von der Linksfraktion.PDS)

Und früh, wenn Sie das auch noch so im Detail wissen wollen, war 09:00 Uhr mit Ihnen zur Akteneinsicht ausgemacht worden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Schlüsselproblem!)

Es gab ein Problem mit den Schlüsseln bzw. es muss immer ein Sicherheitsbeauftragter des Landtages dabei sein, weil keiner von uns allein an diesen Schrank, in dem die Akten liegen, darf. Deshalb hat sich das Ganze, wenn ich es recht weiß, um 45 Minuten verzögert.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das war das erste Mal!)

Das heißt, Ihnen wurden an diesem Tag einmal 45 Minuten und einmal 35 Minuten Wartezeit zugemutet. Das war alles, was der Bewertungsausschuss dem Rechtsanwalt und Ihnen als Abgeordneten zugemutet hat; nicht mehr und auch nicht weniger. Das noch einmal zur Klarstellung.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Was war unverzüglich?)

Jedenfalls haben Sie dann keinen Gebrauch davon gemacht, und – die Details muss ich weglassen – am 10.08.2005 hat der Bewertungsausschuss weitere eingetroffene Unterlagen geöffnet, aus denen uns dann – was Sie ja vorher auch schon gesagt haben – zum ersten Mal zugänglich wurde, dass über Sie eine Akte aus den sechziger Jahren angelegt worden sei. Der Bewertungsausschuss hat gesagt, dass das – weil es darin um ganz andere Dinge geht, und zwar als Sie sich – –; ich lasse das weg – für die Bewertung keine Rolle spielt, nicht relevant ist. Das haben wir Ihnen, Ihrem Anwalt schriftlich mitgeteilt.

Dann hat sich der Bewertungsausschuss in seiner Sitzung am 22.08. ausführlich und abschließend mit den Unterlagen, und zwar mit allen Unterlagen, die uns vorlagen, beschäftigt und beschlossen, dem Landtag eine Empfehlung auf Aberkennung des Mandats vorzulegen. Am 30.08. wurde der Wortlaut der Ihnen vorliegenden Empfehlung erarbeitet und beschlossen.

Jetzt noch einmal zu dem Vorwurf der Wahl. Ich habe es mir nicht genau in meinem Kalender notiert. Aber ich bin mir sicher, dass wir vor der Sommerpause – und ich glaube, es war im Sitzungssaal 2 – als Bewertungsausschuss alle Termine bis einschließlich August dort drüben festgelegt haben, wann und wie wir uns treffen wollten. Da war nicht meine erste Frage: Wann ist denn Wahl? Wann zitieren wir denn den Herrn Prof. Porsch mal her? Sondern da ging es schlicht und einfach darum: Bitte, wer

hat am Montag, dem X., Zeit? Wer hat am Dienstag, dem Y., Zeit, und wer am Mittwoch, dem Z.? So sind wir den Kalender durchgegangen und haben die Termine gefunden. Da war von Wahl und ähnlichen Dingen überhaupt keine Rede. Das lasse ich mir nicht unterstellen!