Protokoll der Sitzung vom 23.09.2005

Insofern meinen wir, dass wir nicht prinzipiell gegen private Pflegedienste sind, damit das hier klar ist. Aber es kann nicht sein, dass dieser Sektor immer mehr zunimmt, auch deshalb, weil die kommunalen Träger ihre Einrichtungen aus haushalterischen Gründen mehr und mehr verkaufen müssen, zumal – auch das will ich sagen – diese Privatisierung auch dazu führt, dass es immer mehr zu einer Zersplitterung der Landschaft kommt. Der so genannte Wettbewerb hat dazu geführt, dass auch in den Verhandlungen zu den Pflegesätzen nach dem Grundsatz „Teile und herrsche“ verfahren wird. Wir haben eben nicht die ausreichenden Pflegesätze, die nötig wären. Das liegt auch an dieser Zersplitterung. Wenn man

mit weniger Stimmen in die Pflegesatzverhandlungen gehen könnte, würde man bekanntlich mehr erreichen.

Auch das will ich sagen und ich hoffe, dass das bei der Fachtagung, die ich sehr befürworte, auch mit diskutiert wird: Wir müssen über einen angemesseneren und höheren Personalschlüssel nachdenken. Nach meinem Dafürhalten reicht die gegenwärtige Empfehlung nicht aus.

Eine ganz kurze Bemerkung. Natürlich sind wir für eine solidarische Bürgerversicherung – ich sage das noch einmal –, gemeinsam, wie ich inzwischen höre, auch mit anderen. Ich freue mich, dass sich die GRÜNEN schon auf die Oppositionsrolle eingestellt haben. Für mich ist die kapitalgedeckte Versicherung ein viel zu großes Risiko. Darüber könnte man lange Vorträge halten. Hinzu kommt, dass sich manche – und nicht wenige – im Prinzip immer weniger die entsprechenden Einzahlungen leisten können. Dagegen sollten wir sein.

Ich habe ganz bewusst darum gebeten, dass wir heute dennoch über unseren Antrag abstimmen. Darin hat mich auch die Frau Staatsministerin bestärkt. Ich habe heute bewusst und ganz explizit nicht von einem aktuellen Pflegenotstand in Sachsen gesprochen. Genau deshalb hat die Debatte dazu beigetragen, dass wir in diesen möglicherweise nicht in Zukunft hinsteuern.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zur Abstimmung. Ich stelle Ihnen die Drucksache 4/1572 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Die Gegenstimmen. – Danke schön. Bei einer großen Anzahl von Stimmen dafür und einigen Enthaltungen ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

Erhalt des Richard-Wagner-Museums in Graupa aus Mitteln des sächsischen Landeshaushalts

Drucksache 4/2803, Antrag der Fraktion der NPD

Hierzu nehmen die Fraktionen Stellung. Die Einreicherin hat zuerst das Wort. Es folgen CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Bitte, Herr Dr. Müller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der eine oder andere von Ihnen wird sich vielleicht gewundert haben, dass wir diesen Antrag hier einbringen. Zum einen scheint es ja auch wohlfeil zu sagen, Richard-Wagner-Museum in Graupa – was hat das denn mit sächsischer Landespolitik zu tun? Graupa ist eine kommunale Angelegenheit, das soll auch bei der

Gemeinde bleiben. Zum anderen vermittelte ein Artikel der „Sächsischen Zeitung“ vom 10.09.2005 den Eindruck, dass bereits eine wirkliche Lösung für dieses Museum gefunden sei. Ich sehe das nicht so. So einfach scheint es insgesamt aber auch nicht und so leicht wollen wir es uns und vor allem Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen, auch nicht machen.

In Graupa gibt es dieses – im Übrigen auch sehr sehenswerte – Wagner-Museum seit 1907. Richard Wagner ist ja auch nicht irgendwer, sondern sein Schaffen ist ein bedeutender – und zwar auch ein bedeutender sächsischer

Bestandteil des deutschen und des Weltkulturerbes. Aber allein die Tatsache, dass wir diesen Antrag hier im Haus überhaupt einbringen und zur Diskussion stellen müssen, zeigt schon, dass das Bewusstsein darüber anscheinend selbst bei der politischen Elite im Freistaat nur noch sehr gering ausgeprägt ist. Glauben Sie mir, ich stünde auch hier vorne, wenn es um das Lessing-Museum in Kamenz, das Karl-May-Museum in Radebeul, das Göschenhaus in Grimma oder andere Stätten sächsischen Kulturlebens ginge.

Wagner, der zweifellos einer der prominentesten Sachsen ist und sich heute noch weltweiter Bekanntheit erfreut, hat im Sommer 1846 ein paar Monate in diesem Bauernhaus im Schäfer’schen Gut zugebracht und dort große Teile seiner Lohengrin-Partitur zu Papier gebracht. Das ist der Grund, warum es dort dieses Museum gibt. Dieses liegt etwa auf der gleichen Linie wie das ebenfalls Wagner gewidmete Museum in Triebschen bei Luzern, wo er ebenfalls eine Zeit lang gelebt hat, oder das WagnerMuseum in Eisenach.

Wir wollen hier gar nicht von den touristischen Aspekten sprechen. Das ginge an der Sache eher vorbei. Wir wollen aber davon sprechen, dass es hier um ein museales Kleinod von überregionaler Bedeutung geht, weil Richard Wagner eben nicht irgendwer war, sondern einer der bedeutendsten und – man kann das sehen, wie man will – sicherlich auch einer der wirkmächtigsten deutschen Künstler überhaupt gewesen ist. Ohne ihn wäre unsere kulturelle, geistesgeschichtliche Hinterlassenschaft nicht das, was sie jetzt ist.

Vor diesem Hintergrund fänden wir es ausgesprochen schäbig, wenn die Erinnerung an Wagner in Graupa – hier bei uns um die Ecke – in ein paar Jahren vielleicht nicht mehr in angemessener Weise gepflegt werden könnte, weil das angeblich der Hausschimmel in diesem Haus unmöglich macht.

Dieser Verdacht drängt sich durchaus auf. Erstens sind 1,3 Millionen Euro, die nach aktueller Lage der Dinge für die Sanierung des Museumsgebäudes gebraucht werden, kein Pappenstiel – insbesondere nicht für die Kommune – und zweitens ist Wagner eben doch ein etwas heikles Erbe – jedenfalls für politisch überkorrekte Zeitgenossen –, sodass es sich geradezu anbietet, Wagner zumindest in Graupa auf dem Umweg über fehlende Geldmittel ganz bequem zu entsorgen.

Meine Damen und Herren, genau das wollen wir verhindern; genau deshalb halten wir es für unsere Pflicht, dass sich der Landtag das Anliegen des Museumserhaltes in Graupa zu Eigen macht und sicherstellt, dass die bei der Kommune fehlenden Mittel dann eben aus Mitteln des Landeshaushaltes zugeschossen werden, damit das Museum in Graupa auch wirklich zum Museumsjubiläum 2007 und möglichst nicht erst bis 2009 oder im schlimmsten Fall gar nicht mehr am alten Ort für die Öffentlichkeit zugängig ist.

Noch einmal: Meine Fraktion hält es für ein Gebot unserer Selbstachtung als gewählte Interessenvertreter der

Bürgerinnen und Bürger Sachsens, dass sich dieses Hohe Haus in angemessener Weise an einer Aktion zum Schutz des heimischen Kulturerbes beteiligt.

(Allgemeine Unruhe)

Es wäre doch wirklich ein fatales Signal, wenn wir es im Freistaat nicht fertig brächten, den Erinnerungsort für einen genialen Sohn unseres Landes zugänglich zu halten. Geben Sie sich einen Ruck, meine Damen und Herren! Setzen Sie ein Zeichen, dass es der Sächsische Landtag ernst meint mit dem Anspruch Sachsens, eine deutsche Kulturlandschaft von Rang zu sein. Unterstützen Sie bitte unseren Antrag.

(Beifall bei der NPD und des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

Die CDUFraktion; Herr Abg. Heitmann, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen, die parlamentarischen Spiegelregeln ermöglichen es, dass gelegentlich der Blick der Abgeordneten und damit der Öffentlichkeit nicht nur auf das Große und Allgemeine, sondern auch auf das Kleine und Besondere gerichtet wird. Ohne Zweifel ist das Richard-Wagner-Museum in Graupa eine kleine Besonderheit,

(Beifall des Abg. Dr. Johannes Müller, NPD)

ein kulturelles Kleinod, das Beachtung verdient und das der Pflege, Erhaltung und Weiterentwicklung bedarf.

Das ehemals Schäfer’sche Gut in Graupa ist eine der wenigen authentischen Wagner-Gedächtnisstätten in Deutschland – davon gibt es nämlich nicht viele; in Eisenach zum Beispiel ist es kein authentischer Ort, sondern nur eine Wagner-Sammlung in der Reuter-Villa.

1846, und zwar genau vom 15. Mai bis zum 20. Juli, hielt sich der Dresdner Hofkapellmeister hier auf, um sich – wie er schrieb – von einem „widerlich verbrachten Winter“ mit Misserfolgen und finanziellen Schwierigkeiten zu erholen. Am 21. Mai schreibt er an Karl Gaillard in Berlin – ich zitiere –: „Gott sei Lob, ich bin auf dem Lande, drei Stunden von Dresden, in der reizendsten Gegend vor der sächsischen Schweiz, und fange wieder an, als Mensch u. Künstler aufzuathmen! …“

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der NPD)

„Nun hoffe ich alle Erlabung meines Gemüthes und meiner Gesundheit von meinem Bauern-Leben. Ich wohne in einem gänzlich unentweihten Dorfe, – ich bin der erste Städter der sich hier eingemiethet hat … Ich laufe, liege im Walde, lese, esse und trinke, und suche das Musikmachen gänzlich zu vergessen.“ – So weit das Zitat.

Nun, das Musikmachen hat er dann nicht vergessen; wesentliche Skizzen zu seiner Oper „Lohengrin“ sind in Graupa entstanden. Es wurde schon gesagt: 1907 wurde

das damals so genannte Lohengrin-Haus eröffnet, 1945 gingen seine Exponate in den Kriegswirren verloren. Aber obgleich Wagner zwar eine der bedeutendsten, aber auch eine der widersprüchlichsten Künstlerpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts war und obgleich Karl Marx kein Wagner-Freund war – über die ersten Bayreuther Festspiele schrieb er an Engels vom – ich zitiere – „Bayreuther Narrenfest des Staatsmusikanten Wagner“ –, öffnete das Wagner-Museum trotzdem bereits 1952 wieder und wurde 1982 einer großen Rekonstruktion und Neuordnung unterzogen. Wagners Beteiligung an den revolutionären Unruhen von 1849 in Dresden tat gewiss das ihre dazu.

Man muss kein Verehrer Wagners und kein besonderer Liebhaber seiner Musik sein, um den Ort seines Wirkens in Graupa zu schätzen und zu mögen. Denn neben dem Gedenken an und den Informationen über Wagner bereichert das Museum seit Jahrzehnten durch regelmäßige musikalische Veranstaltungen, Kunstausstellungen, Lesungen und Gespräche die Region und bindet einen beachtlichen Besucherstamm an sich.

Nun muss das ehemalige Schäfer’sche Haus – heute der Stadt Pirna gehörig – rekonstruiert werden. Schädlings- und Hausschwammbefall haben die Standsicherheit unterminiert. Nach dem 3. Oktober dieses Jahres zieht das Museum in die zirka 100 Meter entfernt liegende alte Schule in Graupa; im November wird dort eine reduzierte Ausstellung von Dr. Christian Mühne, dem verdienstvollen Leiter des Museums, eröffnet. Die Rekonstruktion soll zirka 1,2 Millionen Euro kosten.

Wie mir der zuständige Bürgermeister Lange aus Pirna mitteilte, sind in Zusammenarbeit von Stadt, Landkreis und Kulturraum Wege der Finanzierung gefunden, die auch Kofinanzierungsmittel des Freistaates einbeziehen. Bei der Erschließung weiterer Fördermittel, möglicherweise aus dem Programm Interreg IIIa, wird der Freistaat die Stadt Pirna unterstützen.

Inzwischen wird mit der Landesstelle für Museumswesen die neue Dauerausstellung konzipiert; sie wird zirka 40 000 bis 50 000 Euro kosten. Dieser Betrag kann bis zu 80 % staatlich gefördert werden.

Darüber hinaus wird eine touristische Konzeption erarbeitet, die das Graupaer Wagner-Museum in die kulturellen Stätten zwischen Dresden und der Sächsischen Schweiz einfügt.

Fazit, meine Damen und Herren: Das Wagner-Museum in Graupa und seine weitere Entwicklung sind auf einem guten Wege. Er wird von allen Beteiligten – bis hin zum Ministerium – wohlwollend begleitet; die Finanzierung kann im Rahmen der bestehenden Strukturen gesichert werden. Spätestens 2009 – vielleicht aber auch schon eher – können die Arbeiten abgeschlossen sein. Es bedarf also des vorliegenden Antrages nicht.

Aber vielleicht ist es ja nicht so schlecht, wenn wir hier gelegentlich – ich betone: gelegentlich – auch über das Kleine und Besondere in unserem Lande sprechen;

jedenfalls dann, wenn es kulturelle Kleinodien wie das Graupaer Museum sind.

(Beifall bei der CDU)

Die PDS-Fraktion; Herr Dr. Hahn, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will für die demokratischen Oppositionsfraktionen in aller Kürze zum Antrag der NPD zum Erhalt des Richard-WagnerMuseums in Graupa im Landkreis Sächsische Schweiz Stellung nehmen. – Ich kann im Übrigen in vielen Punkten dem zustimmen, was Herr Heitmann eben dargestellt hat. Auch wir sind der Auffassung, dass das Museum erhalten bleiben sollte.

Ob die notwendige Finanzierung allerdings allein aus Landesmitteln erfolgen kann, ist zumindest fraglich.

Eine Vorbemerkung kann ich mir allerdings dennoch nicht verkneifen: Es ist schon ziemlich unerträglich, wenn die NPD versucht, Musik von Richard Wagner für ihre politischen Zwecke zu missbrauchen – wie wir es zuletzt am 13. Februar hier in Dresden erleben mussten –; und dass sie sich nun auch noch als Museumsretter aufspielt, ist im höchsten Maße unglaubwürdig.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)