Protokoll der Sitzung vom 05.10.2005

Für die Linksfraktion.PDS Herr Abg. Scheel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schowtka, Ihr Beitrag hatte einen hohen Unterhaltungswert. Ich danke Ihnen dafür.

Ich hätte erwartet, dass Sie der FDP dafür danken, dass sie der Koalition auf die Sprünge hilft; denn so, wie es aussieht, lesen auch Sie Ihre Koalitionsvereinbarung nicht richtig – zumindest schlafen Sie nicht mit ihr unter dem Bett –, sodass Sie vielleicht den einen oder anderen Aspekt vergessen.

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Wenn Sie so vehement darauf bestehen, einen großen Wurf hinzubekommen – dazu hatten wir bereits eine kleine Debatte –, dann möchte ich Sie fragen, wie lange die Bürger, die jetzt möglicherweise rückwirkend ihre Beiträge zahlen müssen, darauf warten sollen. Es gibt hier also ein drängendes Problem.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Ich möchte Ihnen gern die drei Problemlagen, die mit den Straßenausbaubeiträgen zusammenhängen, darlegen.

(Zuruf des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Herr Bandmann, ich verstehe Sie so schlecht.

(Volker Bandmann, CDU: Die PDS gibt immer Geld aus, das sie selbst nicht hat, und macht Versprechungen, für die sie nicht zuständig ist!)

Ich weiß zwar nicht, was Ihre Unterstellung, die jeder Grundlage entbehrt,

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

mit dem Thema zu tun hat, aber ich nehme Ihren Zwischenruf einfach zur Kenntnis.

Das erste Problem stellt sich im Zusammenhang mit den Beteiligungen; darauf ist schon hingewiesen worden. Es geht doch nicht, dass der Staat den Bürger nicht mitreden lässt, wenn es darum geht, ihm Leistungen zur Verfügung zu stellen, zum Beispiel eine Straße, an der sein Haus liegt, wenn ihm gleichzeitig gesagt wird: Für das, was wir dir dort hinstellen, die Parkbuchten und die schönen kleinen Ziegelsteine, musst du, lieber Bürger, einen gewissen Anteil zahlen! – An erster Stelle steht deshalb die Forderung, den Bürgern Beteiligungsrechte einzuräumen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie zum Beispiel

beim Bau von Parkbuchten mitreden und mitentscheiden können. Da reden wir dann über Standards.

(Volker Bandmann, CDU: Das wird im Gemeinderat beschlossen!)

Auch ich weiß, dass es Mitwirkungsrechte gibt; sie sind definitiv aber nicht ausreichend. Das wissen auch Sie. Die Debatte wurde gegen Ende der vergangenen Legislaturperiode schon einmal geführt. Wenn Sie nachlesen wollen: Es handelte sich um die Drucksache 3/6589, Gesetzentwurf der PDS-Fraktion. Hier ist auch dieses Thema aufgenommen worden.

Das zweite Problem betrifft die Beitragserhebung. Auch der Freistaat hat relativ schnell erkannt, dass er den Kommunen das Recht einräumen muss, Beiträge zu erheben. An dieser Stelle tritt ein grundsätzliches Problem auf: Wenn ich Beiträge umlege, muss ich auf die Belastungsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger achten. Dieser Grundsatz wird aber ausgehebelt. Wir nehmen der kommunalen Ebene Stück für Stück die Möglichkeit der souveränen Entscheidung über diese Beiträge weg. Dies geschieht über die Haushaltssatzung, indem die Genehmigungsbehörden dafür sorgen, dass Beiträge erhoben werden müssen, und indem sie sogar den Beitragssatz festlegen. Das kann nicht im Sinne der Sache sein, weil die Belastungsfähigkeit der Bürger wohl keine Rolle mehr spielt. Das geht also nicht.

Die Rückwirkungsproblematik ist am drängendsten. Deshalb ist es wichtig, sich dieser Thematik zu widmen. Wenn wir jetzt anfangen, die Probleme, die in den neunziger Jahren gelöst werden mussten – damals gab es einen enormen Investitionsbedarf –, auf dem Rücken der Bürger abzuladen, und zwar rückwirkend, weil es Haushaltsnotlagen gibt, dann stimmt irgendetwas im Staate Dänemark nicht mehr.

(Volker Bandmann, CDU: Wegen der SED war der Investitionsbedarf in den neunziger Jahren so hoch!)

Ich verweise noch einmal auf das, was ich soeben schon erklärt habe: Der Gesetzentwurf unserer Fraktion aus der vergangenen Legislaturperiode hat versucht, die drei von mir genannten Probleme – Beteiligung, optionale Beitragserhebung durch die Kommunen, Rückwirkungsverbot – aufzunehmen. Damals ist leider keine Mehrheit dafür zustande gekommen.

Insofern waren wir sehr froh darüber, dass sich die neue Koalition durchgerungen hat, in ihren Koalitionsvertrag einen wunderschönen Passus aufzunehmen, in dem anscheinend genau diese Flexibilität eine Rolle spielen soll. Ferner ist die Rückwirkung als Problem erkannt worden; damit sollte sie entfallen.

Umso problematischer und trauriger ist es natürlich, dass bis heute nichts geschehen ist. Das müssen wir einfach festhalten. Ich würde mich sehr freuen, wenn der vorliegende Antrag der Koalition ein wenig auf die Sprünge

helfen würde. Noch einmal: Sie müssten sich eigentlich bei der FDP bedanken!

(Martin Dulig, SPD: Dafür brauchen wir die FDP nicht!)

Ich habe nur ein Problem mit dem Antrag: Er ist ein reiner Berichtsantrag. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn initiativ nach vorn gegangen und die Frage, wie wir das Problem lösen, aufgeworfen worden wäre. Ich kann noch einmal auf den von uns vorgelegten Gesetzentwurf verweisen; denn die Sachlage, wenn auch die Dimension vielleicht nicht in Gänze, ist klar: Hier muss Abhilfe geschaffen werden.

Ich kann Ihnen jetzt schon versichern – ich freue mich auf eine sehr interessante und anregende Debatte –, dass wir unseren Gesetzentwurf in leicht veränderter Fassung wieder einbringen werden, um dieses Problem zu lösen. Wir wollen nicht darauf warten, dass im Himmel Jahrmarkt ist und sich die Staatsregierung irgendwann dazu durchringt, große Würfe zu produzieren. Wir werden uns aus diesem Grunde enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Für die SPDFraktion Frau Abg. Weihnert, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man muss es, wenn man über Straßenausbaubeiträge diskutiert, immer wieder in Erinnerung rufen, auch wenn viele es bereits benannt haben: Die Gemeinden sind gemäß § 73 Abs. 2 Sächsische Gemeindeordnung gehalten, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben die erforderlichen Einnahmen zu beschaffen. Die Gemeinden sind derzeit in der Entscheidung, ob und inwieweit sie Ausbaubeiträge erheben, keinesfalls freier; denn die Sächsische Gemeindeordnung gibt eine klare Rangfolge vor. Aus § 73 folgt zwingend, dass ein Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen unzulässig ist, solange Steuern erhoben werden und Kreditverpflichtungen bestehen. Herr Morlok, Sie sagten es bereits: Ein unterstelltes Ermessen der Kommunen wäre insoweit auf null gestellt. Sie können nämlich nicht anders handeln; sie müssen die gesetzliche Grundlage einhalten.

Gleichwohl hat die Kommune gemäß § 73 Abs. 3 Sächsische Gemeindeordnung auf die wirtschaftlichen Kräfte der Abgabepflichtigen Rücksicht zu nehmen. Anders gesagt: Die momentan noch gültige Vorgabe des Gesetzes bedeutet, dass eine Gemeinde nicht nach freiem Ermessen darüber entscheiden kann, ob sie Straßenausbaubeiträge erhebt. Sie hat lediglich entsprechend § 28 des Sächsischen KAG bei der Beitragsbemessung neben dem Vorteil für den Grundstücksbesitzer bzw. für das Grundstück auch das öffentliche Interesse angemessen zu berücksichtigen.

Die Eckwerte sind sicherlich noch allgemein bekannt, ich brauche sie nur kurz anzureißen: Bei überwiegendem

Allerdings lassen Sie mich auch eines klarstellen. Beiträge sind im gewissen Maße sozialpolitisch wünschenswert und notwendig. Sie sind, richtig angewandt, der Ausgleich für wirtschaftliche Vorteile, die Grundstückseigentümer durchaus haben. Diese dürfen nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden, da ansonsten Vorteile von Einzelnen zulasten des allgemeinen Haushalts gehen.

Anliegerverkehr liegen 25 %, bei überwiegend innerörtlichem Durchgangsverkehr 50 % und bei überwiegend örtlichem Durchgangsverkehr 75 % öffentliches Interesse vor. Entsprechend werden Steuer- oder Kreditmittel dazugegeben.

Leider kam es – auch das ist bereits betont worden – durch den erheblichen Nachholbedarf beim notwendigen Aufbau der Infrastruktur in vielen Gemeinden zum Zusammentreffen mehrerer beitragspflichtiger Maßnahmen innerhalb kürzester Zeit. Keiner kann wohl so gut nachvollziehen wie die Menschen in den neuen Bundesländern, dass gerade in der Infrastruktur bis in die kleinsten Gemeinden hinein in den letzten Jahren Erhebliches geleistet werden musste, um dort vernünftige Lebensbedingungen zu ermöglichen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich wünschte mir schon, dass wir auch Gelder für sozialpolitisch wünschenswerte Aufgaben haben, und diese sind nun einmal Kitas oder Schulen und auch Jugendklubs, Altenheime und andere Dinge, die wir benötigen. Wer keinerlei Beiträge will, sollte grundsätzlich für die Abschaffung von Kommunalabgaben plädieren. Wir als SPD-Fraktion wollen das nicht. Allerdings möchte ich noch einmal betonen: Die Betroffenen sind bereits bei der Planung zu beteiligen und sollen auch über das Ob und das Wie eine Straße ausgebaut werden soll, einbezogen werden. Sie müssen vorher wissen, welche Kosten auf sie zukommen und wie sich diese zusammensetzen.

Allerdings ist – das zeigt mir auch die Erfahrung – so manche Beitragserhebung kritisch zu hinterfragen. Nach schwierigen Anfangsjahren – diese waren häufig von rückwirkend berechneten und unverständlichen Beitragsbescheiden, mangelnder Bürgerbeteiligung und uneinheitlichem Vorgehen der Gemeinden gekennzeichnet – hat sich die Handhabung vor Ort etwas gebessert. Viele Bürger sind durchaus bereit, Straßenausbaubeiträge zu zahlen, wenn sie wissen, wofür sie bezahlen und wie sich diese Kosten zusammensetzen. Das jüngste Beispiel aus Grimma allerdings zeigt deutlich, dass noch allerhand Defizite bestehen. Sicherlich hat der eine oder andere von Ihnen die „LVZ“ vom Freitag gelesen, wo unter anderem gesagt wird: „Grimma berechnet erste Straßenausbaubeiträge!“ Darin heißt es: „Die Betroffenen machen keinen Hehl daraus, dass sie die Straßenausbaubeiträge als ungerechte Abzocke empfinden.“ Weiter heißt es: „Ihrer Meinung nach gehörten Zahlungsfristen als auch die Einstufung von Straßen und selbst die Satzung auf den Prüfstand.“

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Für alle Ausbauten, die wir dort haben, müssen in einer Satzung mehrere Möglichkeiten für den Bürger gegeben sein, wie zum Beispiel die Stundung, die Ratenzahlung, die Verrentung oder – auch das ist notwendig – dass die Gemeinde zur Vermeidung unbilliger Härten ganz oder teilweise von der Erhebung der Beiträge absehen kann. Ja, genau deswegen – die Gemeinden hatten und haben keinen gesetzlichen Spielraum – sind sie verpflichtet, Straßenausbaubeitragssatzungen zu erlassen und entsprechende Beiträge zu erheben. Nicht selten – auch das wurde benannt – hängt die Genehmigung eines kommunalen Haushaltes davon ab, ob eine entsprechende Satzung existiert. Dennoch, wer kommunale Selbstverwaltung will, soll und muss diese auch zulassen.

Bitte, Herr Lichdi.

Frau Kollegin Weihnert, stimmen Sie mir zu, dass in der sächsischen Rechtsordnung keinerlei Anspruch von Bürgerinnen und Bürgern besteht, tatsächlich vor einer Ausbaumaßnahme angehört zu werden, geschweige denn, dass die Bürgerinnen und Bürger auch darüber entscheiden können?

Aufgabe der Gemeinden selbst ist es, gemeinsam mit den Anliegern zu entscheiden,

Das ist korrekt. Deshalb wollen wir auch, dass das Gesetz novelliert wird, wobei, Herr Kollege, die Kommunen durchaus vor Ort die Möglichkeit haben, die Bürger mit einzubinden.

Ich möchte mich aber noch einmal auf die von mir benannten Punkte beziehen. Wenn man sich die Satzungen in den unterschiedlichen Gemeinden anschaut, so ist Beitragsrecht dann auch sozial gestaltbar. Deshalb befürworten wir den Antrag der FDP. Allerdings erwarten wir von der Staatsregierung eine komplexe gesetzgeberische Vorlage, weil wir nicht nur in diesem einen Punkt diese gesetzliche Änderung haben möchten. Deshalb würden wir dem Punkt 5 nicht zustimmen, sondern wollen einen Änderungsantrag einbringen. Es ist nicht gegeben, wenn

(Beifall bei der CDU)

welche Straße und in welchem Umfang ausgebaut wird. Hier wünschte ich mir ein höheres Maß an Einbindung der Bürger vor Ort.

Meine Damen und Herren! Gerade wegen dieser Problemlage haben wir als Fraktion ganz bewusst darauf gedrungen, dass dieser Passus in den Koalitionsvertrag aufgenommen wird. Herr Morlok war schon so freundlich, die wesentlichen Teile hervorzuheben. Der Antrag, den Sie gestellt haben, ist ja im Wesentlichen auch Teil des Koalitionsvertrages, mit dem wir mehr Flexibilität bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ermöglichen möchten. Dies möchte ich noch einmal betonen.