Protokoll der Sitzung vom 05.10.2005

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Herr Jurk, sowohl von dem Beauftragten als auch von dem Sächsischen Landesbeirat für die Belange von Menschen mit Behinderungen können Sie wesentliche Impulse für die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen erhalten, dessen bin ich mir sicher, nur Sie müssen es wollen. Also, packen Sie es endlich an!

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Leichsenring.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nun sicherlich nicht der gesundheitspolitische Sprecher unserer Fraktion, aber ich springe ein, weil es unserem Abg. Baier, der vorgesehen war, doch nicht so gut geht, dass er hier ans Pult treten kann. Sie wissen, dass er sehr lange krank war.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand ist davor gefeit, durch Krankheit oder Unfall seinen Arbeits

platz zu verlieren und von heute auf morgen aus seinem beruflichen Leben gerissen zu werden. Besonders schwierig ist es, einen beruflichen Wiedereinstieg zu finden, wenn als Folge eine lebenslange Behinderung zurückbleibt, bzw. als Mensch mit einer angeborenen schweren Behinderung überhaupt einen Einstieg ins Berufsleben zu finden. Insofern sollte es eine selbstverständliche sozialpolitische Aufgabe sein, die Eingliederung behinderter Menschen ins Arbeits- und Berufsleben zu fördern, sofern dies im Einzelfall möglich ist.

Wir haben die Zahlen gehört, dass die 5 % nicht erreicht werden. Dann ist natürlich die Frage nach dem Warum gestattet. Funktioniert es nicht, weil die vorhandenen Behinderten nicht in das Tätigkeitsprofil der Arbeitsplätze hineinpassen? Gibt es überhaupt genügend Behinderte, um überall diese Quote zu erfüllen? Das sind Fragen, auf deren Antwort ich hier noch warte. Ich will nicht hoffen, dass es betriebswirtschaftliche Aspekte sind, wobei es allerdings darauf schließen lässt, wenn man vergleicht, wie hoch die Behindertenquote im öffentlichen Dienst und wie hoch die Beschäftigungsquote der Behinderten in der Privatwirtschaft ist. Das lässt doch vermuten, dass es sich hier um betriebswirtschaftliche Überlegungen handelt. Dementsprechend könnte auch die Aussage der Sächsischen Staatsministerin für Soziales interpretiert werden, die „der Beschäftigungsquote der Behinderten im öffentlichen Dienst im Rahmen ihrer Möglichkeiten bereits umfänglich nachkommt“. Daran werden auch Quoten, schöne Worte und bunte Hochglanzbroschüren nichts ändern.

Wir sind uns sicherlich einig, dass die Behinderten ein Recht haben, am Erwerbsleben teilzunehmen. Aber ob hier Quoten immer der richtige Weg sind, weiß ich nicht. Uns lässt das zumindest zweifeln.

Unsere Fraktion vertritt die Ansicht, dass behinderte Menschen, gemessen an ihrer beruflichen Qualifikation, nirgendwo im Berufsleben benachteiligt werden dürfen. Wir weisen an dieser Stelle auch ausdrücklich darauf hin, dass selbstverständlich nicht alles nach betriebswirtschaftlichen Aspekten entschieden werden darf, denn es geht hier immerhin um Menschen. Insofern muss der öffentliche Dienst natürlich auch Vorreiter sein, denn in der Privatwirtschaft fließen die Steuergelder nicht so kontinuierlich wie im öffentlichen Dienst.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Frau Schütz, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Situation des sächsischen Arbeitsmarktes ist angespannt und schwierig. Viele Menschen haben keine Arbeit und die Angst vor Arbeitslosigkeit. Von dieser schwierigen Situation sind aber vor allem Menschen mit Behinderung betroffen.

Bundesweit betrug die Arbeitslosigkeit von Behinderten im Mai 2003 16,5 %, lag also zirka 50 % höher als die Arbeitslosenquote von nicht behinderten Menschen. Die Zunahme der Arbeitslosigkeit von 2004 zu 2005 bei Menschen mit Behinderungen stieg um mehr als 10 %.

Mit der Zunahme der Arbeitslosigkeit geht die Einschränkung der Mittel durch die Bundesagentur für Arbeit für die Eingliederung besonders benachteiligter Personengruppen einher. Diese Zahlen der Bundesagentur für den Monat März sind dabei erschreckend. Sie verringerte nämlich die Leistungen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 56 %. Wie wir dem heutigen „Pressespiegel“ entnehmen durften, wurde bis Ende August dieses Jahres nur ein Viertel der Gelder für die Integration für Menschen mit Behinderungen abgerufen. Die Bundesagentur betont dabei, dass sie gleichzeitig die Dauer und die Höhe des Eingliederungszuschusses reduziert hat. Diese Handlungsweise vor dem Hintergrund der derzeitigen Arbeitsmarktsituation ist in besonderer Weise schädlich, da gerade diese benachteiligten Personengruppen geringere Chancen angesichts der Tatsache haben, dass sich auf ausgeschriebene Stellen in der Regel mehrere hundert Menschen bewerben.

In Sachsen leben derzeit etwa 275 000 schwerbehinderte Menschen, die unter den gegenwärtigen Bedingungen eine Zukunft suchen. Besonders problematisch sehen wir dabei die Beschäftigungsstruktur der Menschen mit Behinderungen. Menschen mit Behinderungen sind vorwiegend in der öffentlichen Verwaltung, im Erziehungs- und Gesundheitswesen beschäftigt. Durch den allgemeinen Einstellungsstopp in der öffentlichen Verwaltung, die Gesundheitsreform und den bereits vom Geburtenrückgang betroffenen Erziehungsbereich wird sich in Zukunft eine Reduktion der Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen dort ergeben, wo sie derzeit hauptsächlich beschäftigt sind. Es ist infolgedessen besonders wichtig, in der freien Wirtschaft mehr Beschäftigungsmöglichkeiten zu akquirieren bzw. die Möglichkeit der Bereitstellung aufzuzeigen.

Wir unterstützen daher die Informationskampagne, wie hier in der Stellungnahme und im Antrag vorgeschlagen wurde, sehen aber gleichzeitig auch die Notwendigkeit der Weiterentwicklung der Instrumente zur Förderung von Menschen mit Behinderungen.

Besondere Bedeutung kommt dabei natürlich der öffentlichen Verwaltung zu. Wenn man nun mal das gesetzliche Ziel von 5 % nicht erreicht hat – und 4,2 % sind deutlich darunter –, dann muss man das so deutlich sagen. Es ist natürlich erfreulich, dass wir im aktuellen Behindertenbericht der Bundesregierung im Vergleich zum Jahr 2002 den letzten Platz gemeinsam mit Brandenburg im bundesweiten Vergleich verlassen haben. Dies kann aber in keiner Weise zufrieden stellen. Der Bund hat sich die Zielmarke von 6 % gestellt und erzielt sogar nach neuesten Aussagen 7,1 % Beschäftigungsquote. Wir haben also in Sachsen noch große Anstrengungen zu unternehmen, vor allem in den Landesverwaltungen, um dem gesetzli

chen Ziel bzw. dem vernünftigen Ziel, das der Bund sich gesetzt hat, nachzukommen.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen der Staatsregierung sind unserer Meinung nach die richtigen Ansatzpunkte, reichen aber noch nicht aus. Wir sehen eine verstärkte Vernetzung der Landesbehörden im Bereich der Integration von Behinderten weiterhin als notwendig an. Weiterhin sehen wir als notwendig an, die Ausbildung von Behinderten in der öffentlichen Verwaltung zu erhöhen. Leider sind dazu in der Stellungnahme zum Antrag „Maßnahmen zur Integration von Menschen mit Behinderungen in den öffentlichen Dienst“ keine Zahlen genannt. Ich denke, auch hierbei sollte man sich eine Zielquote setzen.

Insgesamt unterstützen wir beide Anträge und werden die weitere Beschäftigung von Behinderten unterstützend begleiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile das Wort der Fraktion GRÜNE. Frau Herrmann, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Letzte in der Runde der Abgeordneten zum Thema zu sprechen hat den Nachteil, dass schon sehr viel gesagt wurde. Ich verweise insbesondere darauf, was Herr Prof. Schneider gesagt hat. Die Intention, die sich in seiner Rede ausgedrückt hat, tragen wir als GRÜNE so mit.

Ich möchte deshalb mit einem Zitat anfangen, um einen anderen Einstieg zu wählen. Und zwar hat Elias Canetti in seinem Buch „Die Blendung“ geschrieben: „Blindheit ist eine Waffe gegen Zeit und Raum“. Haben wir, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, jemals die Tatsache einer so wesentlichen Beeinträchtigung wie Blindheit unter einem solchen Blickwinkel sehen können? Kann denn ein Handicap positive Aspekte haben? Wenn ja, wäre das eine Entdeckungsreise für uns „normale“ Menschen, etwa nach dem Motto bei einem Sehbehindertentag: „Ich sehe so, wie du nicht siehst“? Dann wäre es doch möglich, dass in jeder Form von Behinderung auch Potenziale versteckt sind, die wir als Normale gar nicht mehr erkennen, die aber eine Bereicherung für uns alle sein können. Wenn wir aufhörten, unsere Gesellschaft in „normale“ Menschen und Menschen mit Behinderungen aufzuteilen, dann erschlössen sich für uns vielleicht noch ganz andere Möglichkeiten, an die wir heute gar nicht denken.

Wir könnten einfach mit Richard von Weizsäcker sagen: „Es ist normal, verschieden zu sein.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, unter diesem Ansatz wäre es völlig normal, dass neben uns Menschen leben und arbeiten, die nicht so gut laufen können wie wir oder nicht so gut singen. Ich gebe zu, ein unmusikalischer Mensch hat es in unserer Gesellschaft weitaus weniger schwer als ein Mensch, der nicht so gut laufen kann wie wir.

Da bekommt man ein Gefühl dafür, was Nachteilsausgleich bedeutet. Was ist eigentlich Nachteilsausgleich?

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Für die Verbesserung der Beschäftigtensituation schwerbehinderter Menschen gelten über die bekannte rechtliche Grundlage hinaus für alle Verantwortungsträger drei einfache, aber meiner Ansicht nach wichtige Grundsätze. Zum Ersten braucht man den festen Willen, etwas verändern zu wollen, zum Zweiten muss man den Anfang machen und zum Dritten muss man auf das Ziel, über alle Schwierigkeiten hinweg, stetig zugehen.

Schade, dass wir oft Krücken brauchen, um die Normalität im Alltag Wirklichkeit werden zu lassen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen, wie Stellenpool usw., sind solche Krücken. Wir meinen, sie funktionieren im Moment außerordentlich gut, wenn man den Anstieg der Beschäftigungsquote betrachtet, auch wenn wir im Vergleich der Länder noch keinen vorderen Platz einnehmen und sicher noch weitere Anstrengungen vonnöten sind.

Herr Wehner hat die Beschäftigungsquote angesprochen. Warum 5 %? Wir hatten schon einmal 5 %. Darüber sollten wir diskutieren.

Meine Damen und Herren, Menschen mit Behinderung haben besondere Kompetenzen. Sie haben lernen müssen, mit ihrer Behinderung umzugehen und auch damit, wie ihre Umgebung mit ihnen umgeht. Daraus haben sie meist eine hohe soziale und sehr oft auch eine hohe fachliche Kompetenz erwerben können. Arbeitgeber wären schlecht beraten, diese Kompetenzen nicht zu nutzen.

Wir sind der Meinung, dass wir unterschiedliche Maßnahmen brauchen. Der Weg der individuellen Integration, also die Aufnahme eines regulären Beschäftigungsverhältnisses, ist einer. Denkbar sind verschiedene Varianten, zum Beispiel die Ausgliederung aus Werkstätten in Form von Catering- oder Reinigungsfirmen, die ihre Aufträge im öffentlichen Bereich bekommen. Arbeitsprozesse der unterschiedlichsten Form können so für Menschen mit Behinderungen zugänglich gemacht werden. Wir möchten die Staatsregierung bitten, den Blick ganz besonders auf diese Aspekte zu richten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die Staatsregierung arbeitet nach wie vor, meine Damen und Herren, sehr aktiv daran, das Ziel, die gesetzliche Quote von 5 % in der Landesverwaltung zu erreichen. 1994 lag die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung gerade einmal bei 2,6 %. Mit dem Jahr 2004 sind wir, wie heute schon erwähnt, kurz vor dem Ziel angekommen. 4 900 schwerbehinderte Menschen waren beim Freistaat beschäftigt. Das sind, wie gesagt, 4,5 %. Damit haben wir deutlich aufgeholt. Sicherlich, die gesetzlich geforderten 5 % haben wir damit nicht erreicht – das ist uns klar –, aber wir bemühen uns, mit umfangreichen Maßnahmen diese Zielstellung in Kürze zu erreichen.

Die angesprochene Informationskampagne halten wir für außerordentlich sinnvoll. Es wäre zu überlegen, die Informationsveranstaltung, die am Beginn dieser Kampagne stehen soll, zu einer jährlich wiederkehrenden Veranstaltung an einem bestimmten Tag zu machen und damit eine landesweite Aktion zu haben, die auf die Belange von Menschen mit Behinderung hinweist.

(Beifall der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Desgleichen möchte ich die Kritik von Herrn Wehner aufgreifen, der gesagt hat, dass der Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung immer noch nicht installiert ist. Wir möchten das SMS ausdrücklich darum bitten, an der Stelle ein bisschen Druck zu machen.

Ich möchte an der Stelle darauf hinweisen, dass im Jahr 2004 dennoch im Bereich des Landwirtschaftsministeriums 15 und im Bereich des Kultusministeriums sogar 97 schwerbehinderte Menschen eingestellt werden konnten. Im Geschäftsbereich des Innenministeriums stieg die Zahl schwerbehinderter Beschäftigter sogar um 80 gegenüber dem Vorjahr. Das ist ein Plus von 13 %.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zum Schluss aus einer Studie zitieren, vom SMS in Auftrag gegeben, die die Lebenswelten behinderter Kinder und Jugendlicher in Sachsen beleuchtet hat. Dort werden unter anderem Eltern von behinderten Kindern nach hilfreichen Erlebnissen befragt. Eine Antwort lautet: Hilfreich sind Menschen, die den Umstand der Behinderung als normal ansehen und sich natürlich bewegen. Da haben wir auf den verschiedensten Feldern, auf die wir hier Einfluss nehmen können, unter anderem im Bereich Bildung, noch viel zu tun. In der gleichen Studie steht als größter Wunsch von behinderten Jugendlichen, „dass in meinem Leben alles so verläuft, wie ich es mir wünsche: Gesundheit und viel Lebenslust“. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist so was von normal.

Wer behauptet, die Verbesserung der Quote sei nur statistischer Effekt des Stellenabbaus, der irrt, meine Damen und Herren; denn wir haben 2004 trotz Personalabbaus 264 schwerbehinderte Menschen mehr beschäftigt als im Jahr zuvor und sogar über 1 600 mehr als 1994. Daraus schöpfe ich die Zuversicht, dass wir die Fünf-ProzentZielmarke schon bald erreichen werden.

Bei der Einstellung schwerbehinderter Menschen haben sich der Stellenpool und das sich dahinter verbergende System von Sperrstellen besonders bewährt. Wir konnten den damit geplanten jährlichen Zuwachs von 3,5 % noch überbieten. So stieg die Zahl der schwerbehinderten Beschäftigten 2003 um 5 % und 2004 um knapp 6 %. Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich denke, das bezeugt nicht nur den festen Willen der Staatsregierung, die Beschäftigungssituation behinderter Menschen beim

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Bitte, Frau Staatsministerin Orosz.

Freistaat zu verbessern, sondern der öffentliche Dienst hat damit auch den Anfang gemacht, eine Signalwirkung in Richtung sächsische Wirtschaft zu organisieren.

Auch bei den privaten Arbeitgebern stieg die Beschäftigungsquote – von 2,5 % im Jahr 2000 auf 2,9 % zu Anfang vorigen Jahres. Dieses Engagement der Wirtschaft ist erfreulich, gerade in den vergangenen, konjunkturell sehr schwierigen Jahren. Diesem Einsatz gebührt auch von dieser Stelle ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Ich hoffe, dass die Wirtschaft dieses Engagement auch künftig fortsetzt und die Beschäftigungssituation behinderter Menschen nachhaltig verbessert. Zu diesen Vorhaben, meine Damen und Herren, wird die Sächsische Staatsregierung weiter unterstützen und damit auch als Partner für Wirtschaftsunternehmen zur Verfügung stehen. Einen großen Anteil leistet dabei das Integrationsamt mit umfassenden Veranstaltungen und Beiträgen. Es berät zu den rechtlichen Aspekten der Einstellung, und es informiert zu den vielen finanziellen und beratenden Hilfen, die der Freistaat zur Einrichtung dieser Arbeitsplätze leistet.