Protokoll der Sitzung vom 06.10.2005

Doch wo liegen die Ursachen für diese katastrophale Lage? Die Ursachen dafür sind vielschichtiger Natur. Zum einen besteht eine Überproduktion, die bei fehlender Nachfrage zwangsläufig zur Preistreiberei führen muss. Eine logische Folge daraus ist, dass der Handel und die verarbeitende Industrie die bestehende Chance eines niedrigen Preisniveaus gnadenlos ausnutzen, um ihre Gewinne zu maximieren oder auf Kosten der erzeugenden Landwirte neue Marktanteile zu erobern. Wer die Preise für Milch in den so genannten Discountern kennt und beispielsweise bei dem Preis die vergleichbare Menge Mineralwasser kauft, muss eigentlich zu einem erschreckenden Ergebnis kommen.

Doch, meine Damen und Herren, all diese Ursachen basieren auf ein und demselben Grundübel. Es besteht darin, dass die inländische Politik bisher nicht in der Lage sein wollte, aktiv in den Markt einzugreifen. Die Sächsische Staatsregierung ist dabei keinen Deut besser als die Kollegen vom Bund. Der Freistaat Sachsen hat im vergangenen Jahr über 52 Millionen Euro Fördermittel an einen großen Molkereikonzern, dessen Namen ich an dieser Stelle nicht mehr zu nennen brauche, mit dem Ziel ausgereicht, Erlösvorteile für die sächsischen Milcherzeuger zu schaffen. An die ausgereichten Mittel wurden keinerlei Bedingungen zu möglichen Mindestpreisen oder Ähnlichem geknüpft, obwohl damit die Möglichkeit bestanden hätte, Druck auf die verarbeitende Industrie und indirekt auch auf den Handel auszuüben.

Da haben wir das Grundübel schon beim Namen genannt. Die derzeitige Politik ist nicht gewillt, entsprechend den vorhandenen Möglichkeiten den Handel und das verarbeitende Gewerbe zu beeinflussen, angemessene Preise für das Lebensmittel Milch an den Erzeuger zu zahlen. Wenn man den Handel dazu bringt, Milch nicht mehr zu verschleudern, bleiben den Molkereien genügend Spielräume, einen Teil des Erlöses an den Produzenten weiterzureichen.

Und, meine Damen und Herren, kommen Sie mir nicht mit dem Argument, der Staat dürfe nicht in den Markt eingreifen! Warum soll der Staat nicht in den Markt eingreifen können oder dürfen?

(Gottfried Teubner, CDU: Weil wir keinen Sozialismus mehr haben!)

Dafür stehen genügend Steuerungsinstrumente zur Verfügung. Der Staat kann das Überangebot regulieren, indem er auf nationaler Ebene eine Milchmarktregulierung herbeiführt. Dabei muss das Überangebot verschwinden und durch das ungeschriebene Gesetz von Angebot und Nachfrage würde sich ein angemessener Erzeugerpreis einstellen. Die kurzfristigen Erlösausfälle, die aus der plötzlichen Produktionsreduzierung resultieren, müssten vom Staat abgefedert werden, was erheblich preiswerter wäre, als dauerhaft eine Überproduktion bei kaputten Marktpreisen zu subventionieren. Die Bauern würden schließlich gern freiwillig weniger produzieren und auf Almosen in Form von Subventionen verzichten, wenn der Erlös für ihr Produkt ausreichend wäre.

Eine nationale Milchmarktpolitik, die allen Stufen vom Erzeuger bis zum Verbraucher gerecht wird, bedarf des notwendigen Außenschutzes. Um einen Ausweg aus der Milchmarktkrise mittels einer nationalen Milchmarktpolitik durchzusetzen, bedarf es, auch angesichts der von der EU geplanten Quotenerhöhung, die die derzeitige Situation noch verschärfen würde, endlich einer an nationalen Interessen orientierten Agrarpolitik und nicht einer weiteren Preisgabe sämtlicher Kompetenzen und Steuerungsinstrumente an die EU.

Die NPD-Fraktion steht ganz klar für eine Renationalisierung der Agrarpolitik und stellt sich gegen die weitere Liberalisierung der Märkte mit all ihren negativen Folgeerscheinungen für die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und dem gesamten ländlichen Raum. Unsere Fraktion wird sich beim Antrag der Koalition zu den benachteiligten Gebieten enthalten, da wir die Lösungsansätze für nicht weiterführend halten. Dem zweiten Antrag können wir unter Vorbehalt zustimmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der NPD)

Danke schön. Was die FDP-Fraktion über die Milchquote denkt, legt uns jetzt Herr Abg. Günther dar.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich diese zwei Anträge zum Anlass nehmen, Sie zu bitten, liebes Präsidium und diesen Landtag, in Zukunft die nächsten Sitzungen an zwei Tagen stattfinden zu lassen, die Tagesordnung bitte einzuschränken, damit wir nicht mehr wie jetzt über Berichtsanträge diskutieren. Lassen Sie uns hier gemeinsam arbeiten, lassen Sie uns gemeinsam Gesetze verabschieden und nicht über sinnlose Berichterstattungsanträge diskutieren. Bitte lassen Sie uns mehr und besser arbeiten!

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS, steht am Mikrofon.)

Ja, bitte.

Jawohl, eine Zwischenfrage. Herr Abg. Prof. Porsch, bitte.

Herr Abgeordneter, ist Ihnen bekannt, dass nach Landesverfassung der Landtag nicht nur die Stätte der Gesetzgebung ist, sondern auch der politischen Willensbildung? Vielleicht gehören Berichtsanträge auch dazu, wenn Sie die Dinge aufgreifen, die den Menschen auf den Nägeln brennen. Deswegen gehören auch Berichtsanträge zu unserer Arbeit.

Wie war Ihre Frage?

Ob Ihnen das bekannt ist.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Herr Hatzsch hat es zugelassen, da war es eine Frage.)

Herr Porsch, Vorsicht!

Ich möchte in diesem Landtag wirklich etwas tun, etwas für die Menschen erreichen. Da ist es relativ, wie lange wir über gewisse Themen reden. Wenn am Ende nichts dabei herauskommt, ist es den Menschen egal, was wir hier machen. Die Menschen werden uns sehr genau zuhören, worüber wir reden und ob wir unsere Aufgabe als Abgeordnete erfüllen oder nur zum Selbstzweck hier sitzen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich will es auch kurz machen. Dem Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD zur Reform der Einstufung benachteiligter Gebiete in der Landwirtschaft wird die FDPFraktion so zustimmen, wie Sie ihn eingereicht haben. Den Änderungsantrag der Linksfraktion.PDS lehnen wir ab, weil eine exakte Abschätzung der Wirkungen eines Vorschlages der EU-Kommission zum Förderprogramm des ELER nicht wirklich realistisch ist und die Entwicklung zu den Abgrenzungskriterien der Neuregelungen künftig benachteiligter Gebiete – mit Verlaub – nicht Aufgabe der Sächsischen Staatsregierung ist. Wir werden diesen Antrag ablehnen. Beim Antrag zur Milchquote werden wir uns enthalten. Herr Paul, nirgendwo anders

regelt der Staat so viel wie bei der Milchquote. Von Liberalisierung kann man überhaupt nicht sprechen. Wir müssen langsam anfangen, die europäische Landwirtschaftspolitik grundlegend zu reformieren und zu liberalisieren. Deswegen werden wir uns zum Milchquotenantrag enthalten.

Danke schön.

(Beifall des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Danke schön. – Den Abschluss in der ersten Runde macht Herr Weichert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese beiden Anträge haben bei mir einige Verwunderung ausgelöst. Mir fehlt zuerst der Hinweis auf die finanziellen Auswirkungen, denn wenn Sie schon die Staatsregierung auffordern, sich für die Landwirte zu engagieren, was ich auf jeden Fall begrüße, sollten Sie auch sagen, welche finanziellen Auswirkungen solches Engagement hat und wer diese Kosten tragen soll.

Des Weiteren habe ich mich über die Begründung des Milchquotenantrages gewundert. Dort heißt es, dass eine verlässliche Politik auf Bundesebene derzeit nicht gegeben ist. Dieser Antrag datiert vom Juni dieses Jahres. Nun muss ich die Kolleginnen und Kollegen von der SPDFraktion fragen, wie ich eine solche Formulierung zu verstehen habe. Ist das eine neue Form von Selbstkasteiung? Sind Sie wirklich der Auffassung, dass die Bundesregierung keine verlässliche Politik betrieben hat? Haben Sie das mit Herrn Thalheim abgesprochen?

Meine Damen und Herren, die Landwirtschafts- und Verbraucherpolitik unter Rot-Grün hat neue Schwerpunkte gesetzt. Meine Fraktion steht dazu.

Zu den Anträgen im Einzelnen. Zunächst zur Reform der Einstufung benachteiligter Gebiete. Vielleicht ist es Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, entgangen, aber das Arbeitspapier der EU-Kommission vom Februar 2005, welches konkrete Kriterien zur Neuabgrenzung für die benachteiligten Gebiete ab 2007 vorsah, ist vom Tisch. Nach diesem Papier war mit einer erheblichen Verringerung der benachteiligten Gebiete in Sachsen zu rechnen.

Nunmehr sieht die ELER-Verordnung eine Neudefinition der benachteiligten Gebiete erst ab Januar 2010 vor. Selbst die Linksfraktion.PDS hat es erkannt und einen unterstützungswürdigen Änderungsantrag eingereicht. Wir haben also genügend Zeit, Vorschläge für entsprechende Abgrenzungskriterien bis dahin zu erarbeiten. Da in Sachsen 34 % der landwirtschaftlichen Gebiete derzeit im Sinne der Verordnung als benachteiligt eingestuft sind, sollten wir entweder den Landwirten jetzt schon sagen, dass Veränderungen ab 2010 anstehen, oder die Staatsregierung müsste kundtun, wie es in der Landwirtschaftspolitik generell weitergehen soll. Wir können nicht einerseits die Finanzmittel fraktionsübergreifend deckeln, neue Mitgliedsländer partizipieren lassen und uns dann – wie

Sie das jetzt tun – gegen die Änderung einsetzen. Das ist nicht ehrlich.

Bei Ihrem Antrag „Auswirkungen der Milchquotenpolitik“ stellt sich für mich die Frage: Was verstehen Sie unter entwicklungsfähigen Milchviehbetrieben? – Ich vermute, Sie stellen hier auf große spezialisierte Betriebe ab, in denen die Kühe auf Hochleistung getrimmt sind. Das sind aber genau die Betriebe, die wesentlich dazu beitragen, dass wir einen Butterberg und einen Milchsee zu verwalten haben, nachzulesen übrigens im zweiten Absatz der Begründung Ihres Antrages. Diese so genannten Turbokühe haben eine um 30 bis 40 % höhere Milchleistung. Mit der alleinigen Zucht auf Milchertrag einher geht ein extremes Ansteigen der zuchtbedingten Erkrankungen an Klauen, Gliedmaßen und Eutern. Das wiederum bedingt einen höheren Einsatz von Antibiotika im Kuhstall.

Kühe mit hoher Lebensleistung – und solche finden Sie in der Hauptsache in Ökobetrieben – geben über zehn Jahre und länger Milch; Turbokühe treten dagegen nach nur zwei bis drei Jahren den Weg zum Schlachthof an. Entwicklungsfähig in unserem Sinn ist eine solche auf Hochleistung und Tierverbrauch getrimmte Landwirtschaft nicht. Mit natürlichen Mitteln sind solche Steigerungen, wie wir sie in der sächsischen Landwirtschaft erleben, auch nicht zu erreichen. 1990 gab eine sächsische Kuh im Durchschnitt 4 395 kg pro Jahr. Mittlerweile liegen wir bei 8 115 kg pro Jahr und Kuh. Das ist eine Steigerung von über 85 % innerhalb von 15 Jahren. Im Sport würden Sie so etwas nur mit Doping erreichen,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Bei Kühen auch!)

und die Frage stellt sich hier schon, ob das in den Ställen nicht auch der Fall ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein weiterer Aspekt: Anfang des Jahres haben Sie hier einen Antrag eingebracht, in dem von der Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe die Rede war. Auch in diesem Sinne kann von Entwicklungsfähigkeit wohl nicht die Rede sein, denn sächsisches Gras und sächsisches Heu bekommen diese Kühe nicht zu fressen. Turboleistung braucht Turbofutter und das beziehen die Landwirte zumeist in Form von Soja aus den USA oder aus Brasilien.

(Thomas Schmidt, CDU: Keine Ahnung!)

Mit regionalen Wirtschaftskreisläufen hat jedenfalls eine so verstandene Landwirtschaft nichts am Hut.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Frage, wie viel Gentechnik bei den Kühen auf dem Speiseplan stand, lasse ich hier mal weg.

Meine Damen und Herren! Über kurz oder lang stehen wir in der EU-Agrarpolitik vor der Frage, welche Form der Landwirtschaft wir wollen. Wir, meine Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, setzen auf ökologische

und gesunde Produkte aus regionalem Wirtschaftskreislauf.

Deshalb werden wir den Antrag zur Milchquote ablehnen.

Bei dem Antrag über die Reform der Einstufung benachteiligter Gebiete werden wir uns der Stimme enthalten; da hat sich ja der Sachstand inzwischen geändert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Das war die erste Runde der Fraktionen. Gibt es an dieser Stelle weiteren Aussprachebedarf? – Jawohl. Bitte schön, Herr Abg. Schmidt, CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem mein Vorredner wieder einmal versucht hat – wie man es so oft aus der grünen Ecke hört –, die konventionelle sächsische Landwirtschaft schlechtzureden und mit Ideologie Bilder zu bringen, die einfach falsch sind, möchten wir jetzt wieder zur sachlichen Ebene zurückkehren