Protokoll der Sitzung vom 06.10.2005

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Na, na, na!)

und ich möchte auch noch zu der Thematik Milchproduktion sprechen.

Mit einem Umsatzvolumen von 20 Milliarden Euro ist die Milchindustrie eine wichtige Branche der deutschen Wirtschaft. An mehr als 200 Standorten verarbeiten 120 überwiegend mittelständische Unternehmen mit insgesamt 40 000 Mitarbeitern täglich 75 000 Tonnen Milch zu hochwertigen Nahrungsmitteln. Eng damit verbunden ist die Existenz von mehr als 110 000 bäuerlichen Betrieben – und meist konventionell wirtschaftenden, Herr Weichert.

Aufgrund der Vielzahl von vor- und nachgelagerten Branchen ist die Milchindustrie zudem ein Garant für Wirtschaftsleistungen nicht nur im ländlichen Raum. Die sächsischen Bauern produzieren 1,5 Millionen Tonnen Milch, was einem Wert von über 400 Millionen Euro entspricht, und sie spielen sowohl in der Milchleistung als auch in der Milchqualität in Deutschland ganz vorn mit. Ich denke, dem gebührt unser Respekt.

(Beifall bei der CDU)

Die genannten Zahlen zeigen, dass wir hier und heute nicht über ein Randthema sprechen. Insbesondere für uns Landwirte sind die Milch sowie deren Verwertung und die Milchquotenpolitik von existenzieller Bedeutung. Mit dem Beschluss zur EU-Agrarreform sind tief greifende Veränderungen zu verzeichnen. Mit diesen Reformbeschlüssen erfolgte die Einleitung eines Paradigmenwechsels. So werden die bisher an die Produktion gebundenen, allgemein als Flächen- und Tierprämien bekannten Direktzahlungen erstmals im Jahr 2005 entkoppelt.

Ein wesentliches Ziel der Reformbeschlüsse ist, durch Preissenkungen den Überschuss an europäischen und damit auch deutschen Milchprodukten zu verringern und diese am Weltmarkt wettbewerbsfähiger zu machen.

Mit der Absenkung der Interventionspreise ist auch ein Sinken der Milchpreise zu erwarten. Dies führt zu einem erheblichen Anpassungsdruck in der Milcherzeugung. Die prognostizierte Absenkung der Milchpreise wird mit bis zu sechs Cent je Kilogramm Milch, bezogen auf das Niveau des Jahres 2002, kalkuliert. Durch die Milchprämie wird diese Absenkung nur mit geschätzten 65 % ausgeglichen, was nach Berechnung der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft etwa 2,45 Cent pro Kilogramm Milch bedeutet. Durch die Modulationsabzüge steigt dieser Betrag pro Kilogramm zugrunde gelegter Milchquote weiter auf 2,63 Cent an, womit den sächsischen Milcherzeugern letztendlich 40 Millionen Euro im Jahr verloren gehen. 40 Millionen Euro!

Damit werden die Milchproduzenten, unabhängig vom Wirtschaftsgebiet und der Rechtsform, dem stärksten Anpassungsdruck unterliegen und die höchsten Einkommensverluste aller Betriebsformen verkraften müssen. So liegen die hochgerechneten durchschnittlichen Einkommen trotz angenommener Leistungssteigerung bis in das Jahr 2013 unter dem für eine nachhaltige Entwicklung als Minimum zu fordernden Wert von 20 000 Euro pro Arbeitskraft – bei Wochenarbeitszeiten von oft 70 Stunden und mehr.

Dieser unbefriedigende Ausblick veranlasst die CDUFraktion des Sächsischen Landtages, sich dafür einzusetzen, dass die Rechtssicherheit der Milcherzeuger durch die Verabschiedung des Milchabgabengesetzes schnellstmöglich erreicht wird. Dabei ist zwingend der regionalen Differenziertheit der landwirtschaftlichen Strukturen mit vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen Rechnung zu tragen und sind einseitige Belastungen bestimmter Regionen, insbesondere der neuen Bundesländer, zu vermeiden.

Vor dem Hintergrund der noch nicht abschließend zu beurteilenden Auswirkungen der GAP-Reform und der mit dem deutschen Umsetzungsmodell verbundenen Entkopplung einschließlich der so genannten Milchprämie ist es aus unserer Sicht zwingend geboten, derartige Diskussionen zu beenden, die eine Änderung des deutschen Quotenrechts im Hinblick auf Saldierungen auf Molkereiebene und Regionalisierung auf Landesebene fordern.

Mir ist bewusst, dass auch innerhalb des Berufsstandes der sächsischen Landwirtschaft der zu gehende Weg sehr unterschiedlich diskutiert wird. Jedoch um alle Spekulationen und damit verbundene Unsicherheiten unserer Landwirte zu unterbinden, ist eine klare und schnelle Entscheidung im genannten Sinne notwendig. Darüber sollten wir durchaus diskutieren und mich hätte auch die Meinung der FDP dazu interessiert.

Meine Damen und Herren, in welchem Zusammenhang stehen nun die beiden unter einem Tagesordnungspunkt behandelten Anträge „Reform der Einstufung benachteiligter Gebiete“ und „Auswirkungen der Milchquotenpolitik“? – Beide Themen sind Teil der schleichenden Einkommensrückgänge im ländlichen Raum, wie unter anderem aufgrund der erhöhten Anforderungen im Zu

sammenhang mit der Einführung von Cross Compliance, des fast völligen Abbaus der Gas-/Öl-Steuererstattung, der Absenkung, teilweise auch Aufhebung von Interventionspreisen, des Auslaufens oder zumindest der deutlichen Absenkung von Förderrichtlinien, des stetigen Anstiegs von Energie- und Betriebsmittelpreisen und nicht zuletzt der bereits erwähnten Preiskriege im Lebensmitteleinzelhandel.

Betrachtet man jedes dieser Probleme isoliert, kann man möglicherweise Mittel und Wege finden, um die Einnahmenverluste zu kompensieren. Es ist jedoch die Gesamtheit der Sachverhalte, die dazu noch in kürzester Zeit auftreten und zu einem dramatischen Rückgang an Wertschöpfung im gesamten ländlichen Raum führen.

Meine Damen und Herren, dabei kann die Politik nicht tatenlos zusehen. Aber auch jeder Verbraucher kann etwas dagegen tun, und wenn es nur täglich ein Glas frischer sächsischer Milch ist.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. – Weiterer Rednerbedarf seitens der Fraktionen? – Ich stelle das nicht fest. Dann Herr Staatsminister Tillich, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beide Anträge berühren grundsätzliche Bereiche der europäischen Agrarpolitik, und mit den jetzigen Reformbeschlüssen zur gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union erfolgt ein einschneidender Paradigmenwechsel in der europäischen Landwirtschaft.

So werden die allgemein als Flächen- und Tierprämien bekannten Direktzahlungen ab diesem Jahr nicht mehr an die einzelnen Produkte und Produktmengen gekoppelt, sondern jeder Landwirt erhält eine Grundentschädigung für seine an die Einhaltung von Umweltauflagen gebundene landwirtschaftliche Tätigkeit, unabhängig davon, wie viel er produziert.

Die Milchproduktion, so ist es von vielen Vorrednern gesagt worden, ist unabhängig vom Wirtschaftsgebiet und der Rechtsform am stärksten von der Agrarreform betroffen. Bereits heute ist die wirtschaftliche Situation in der Milcherzeugung in Sachsen und in Deutschland generell unbefriedigend. Die Sächsische Staatsregierung wird deshalb alle Initiativen, die mit wirtschaftlich positiven Effekten für die Milchviehhaltung verbunden sind, unterstützen und alle Vorschläge der Länder oder von Teilen des Berufsstandes, die zur Einschränkung bei sächsischen Milcherzeugern bzw. zu Wettbewerbsverzerrungen führen, ablehnen.

Die Sächsische Staatsregierung vertritt den Standpunkt, dass gegenwärtig keine Änderung des deutschen Quotenrechtes im Hinblick auf die Saldierung und Regionalisierung vorgenommen werden darf. Das ist gerade vor dem Hintergrund zwingend notwendig, dass die GAP-Reform

noch in der Umsetzung ist, die Entkopplung erstmals in diesem Jahre erfolgt und die Erhöhung der Milchquote und das Abschmelzen der betriebsindividuellen Beiträge vor uns liegen.

Ich glaube, alle derartigen Diskussionen, so wie es gerade auch Herr Schmidt sagte, müssen beendet werden, um die sich aus den Spekulationen ergebenden Unsicherheiten für unsere Milcherzeuger zu vermeiden. Sachsen wird bei der Erarbeitung und Verabschiedung des Milchabgabengesetzes, meine Damen und Herren, das aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich geworden ist, ganz entschieden auf einen Status quo bei der bewährten Regelung zur Saldierung und zur Regionalisierung drängen. Nach bisherigen Informationen soll das förmliche Verfahren nach der Konstituierung des Bundestages eingeleitet werden.

Ergebnis unserer bisherigen Politik sind stabile Strukturen in der sächsischen Milchwirtschaft. Die Zukunft unserer sächsischen Milchwirtschaft liegt bei der bestehenden guten Mischung von kleinen, auf Spezialitäten ausgerichteten Unternehmen, bis zu Unternehmen mit einer breiten Produktpalette, wie die Sachsenmilch, die allesamt in der Lage sind, sich dem künftigen Wettbewerb zu stellen. Die Milchwirtschaft braucht aber gesunde und wettbewerbsfähige Milchproduzenten, die nicht durch weitere Gesetzesverschärfungen in ihrer Entwicklung eingeschränkt werden. Denn wir brauchen in Sachsen auch in Zukunft Milch produzierende Betriebe. Damit erhalten wir letztendlich die Beschäftigung im ländlichen Raum. Ich glaube, das ist insgesamt Konsens in diesem Hohen Haus.

Die Europäische Kommission beabsichtigte mit Beginn der neuen Förderperiode ab 2007 eine komplette Neufestlegung bzw. Neuabgrenzung der benachteiligten Gebiete. Ich habe mich mehrfach in Berlin und in Brüssel gegen diese Vorschläge – und heute kann ich sagen: mit Erfolg – gewehrt. Damit halten wir auch unsere Zusage in der Koalitionsvereinbarung hinsichtlich der Sicherung der Ausgleichszulage bis 2009 ein.

Das Problem, das ist richtig, ist nicht aufgeschoben und erst recht nicht aufgehoben. Der Europäische Rechnungshof, meine Damen und Herren von der NPD, mahnt eine Neufestlegung bzw. Einführung von EU-weit gültigen und zu gewährleistenden Kriterien für die Ausweisung der Gebietskulisse für benachteiligte Gebiete an; allein darum geht es. Daran werden wir auch nicht vorbeikommen. Wir müssen die bis 2009 zur Verfügung stehende Zeit konstruktiv nutzen, um entsprechende Kriterien EU-weit zu etablieren. Nur so kann die Ausgleichszulage langfristig mindestens über die gesamte Förderperiode bis 2013 gesichert werden. Das ist mein Ziel.

Deutschland verfügt bereits über Kriterien, die den Vorgaben des EU-Rechnungshofes entsprechen. Dieses System hat sich bewährt. Daher arbeiten wir daran, dieses System bei der EU-weiten Neuausrichtung mit zu verankern oder die Anerkennung unseres Systems im Zuge der Subsidiarität zu erhalten.

Frau Altmann, es ist in der Tat richtig – Sie haben das Stichwort gegeben –, Sie sind zwei Jahre an dieser Stelle zurück. Wir arbeiten seit langem schon konstruktiv und aktiv mit der Europäischen Kommission an diesen Vorschlägen. Deswegen, glaube ich, ist es richtig zu sagen: Wenn Sie jetzt erst ausschlafen, kommen Sie zu spät. Deshalb hat sich auch Ihr Antrag erledigt.

Sozioökonomische Parameter sollen nach dem Willen der Europäischen Kommission bei der Neuabgrenzung keine Rolle mehr spielen. Mit der Reform der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik werden nur noch – –

(Elke Altmann, Linksfraktion.PDS, steht am Mikrofon.)

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Später.

natürliche Beeinträchtigungen, die zu Einkommensnachteilen führen, ausgeglichen. Diesem Aspekt wird letztendlich auch Deutschland Rechnung tragen müssen. Ich werde mich dennoch dafür einsetzen, dass diese Gesichtspunkte, soweit es irgendwie möglich ist, bei den dann dafür infrage kommenden Instrumentarien Berücksichtigung finden.

Ungeachtet dessen müssen wir aufgrund der Beschlüsse zur EU-Agrarreform Anpassungen bei der Gewährung der Ausgleichszulage vornehmen. Ab dem kommenden Jahr soll deshalb nach den Beschlüssen der PLANAK die Ausgleichszulage nur noch an aktive Landwirte ausgereicht werden. Diejenigen, die lediglich eine Minderbewirtschaftung oder Mindestbewirtschaftung durchführen, müssen dann ausgeschlossen werden.

Meine Damen und Herren! Unsere Landwirtschaft stellt sich den neuen Herausforderungen. Die Sächsische Staatsregierung wird die Landwirte auf ihrem schwierigen Weg hin zur Öffnung der Agrarmärkte begleiten.

(Beifall des Abg. Gottfried Teubner, CDU)

Mein Ziel ist es, der sächsischen Landwirtschaft auch in Zukunft einen festen Platz in unserer Gesellschaft zu sichern.

Jetzt zu Herrn Weichert.

Ich erinnere noch einmal – –

– Ja, ich weiß, ich komme noch auf Frau Altmann zurück.

Gut.

Herr Weichert, es ist interessant, wenn Ökobetriebe es schaffen, zehn Jahre alte Kühe mit der gleichen Leistung zu züchten bzw. zu halten. Der Vorwurf

des Dopings bei den konventionellen Landwirtschaftsbetrieben erschließt sich mir nicht.

(Zuruf des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Aber womöglich sind diese Kühe gedopt. Denn es widerspricht jeglicher wissenschaftlicher Praxis. Aber vielleicht ist das auch das „grüne Verständnis von Landwirtschaft“.

Zum Kollegen Günther muss ich sagen: Landwirtschaftsbetriebe sind auch Unternehmen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir über deren Probleme heute Nachmittag diskutieren, dann tun wir das letztendlich auch in der Verantwortung gegenüber diesen Unternehmen. Deswegen halte ich zumindest Ihre Bemerkung bezüglich der Tagesordnung gerade bei diesem Tagesordnungspunkt für etwas unangemessen.