Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Pecher, bitte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte gesagt, im zweiten Teil einmal zu schauen und die Scheinwerfer auf Fernlicht zu stellen. Frau Hermenau, da haben Sie natürlich Recht, man muss auch Aufgaben stellen und sagen: Was wollen wir tun und was muss getan werden?

Ich denke einmal, an erster Stelle steht – und das ist unbestritten – die konsequente Umsetzung der Funktionalreform. Hier dürfen keine halben Sachen gemacht werden. Wir brauchen Kommunalisierung. Wir brauchen starke Kommunen. Wir brauchen kurze Instanzenwege und nach Auffassung der SPD brauchen wir mit Sicherheit keine RPs.

(Beifall bei der SPD, der FDP und des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

Im Zuge dieser Debatte muss aber auch eine konsequente Aufgabenanalyse stattfinden. Als Erstes muss geschaut werden: Welche Aufgaben muss man machen und welche nicht? Erst danach kann man den Personalabbau und die Kosteneinsparung betrachten.

Ich fand gestern das Beispiel des Innenministers mit der Polizei sehr treffend. Müssen wir Zweit- und Drittligaspiele mit 200 bis 300 Beamten absichern? Das ist eine typische Aufgabe, bei der man darüber nachdenken kann: Brauchen wir die in Zukunft noch?

Nach dieser Aufgabenanalyse müssen wir konsequent den Stellenabbau vorantreiben. Wir müssen das Ziel, die 80 000 Stellen, erreichen. Aber wir werden, davon bin ich überzeugt, darüber hinausgehen müssen.

Wer sich das Fazit des Fortschrittsberichts auf Seite 66 ansieht, der wird mir zustimmen.

Wer sich die Themen Abwanderung, Investitionen und Infrastrukturlücke angeschaut hat, der wird mir zustimmen: Wir haben zwei Bereiche, in denen wir etwas tun müssen und tun können. Der eine ist das Thema Arbeitsplätze. Das ist klar. Der zweite – Frau Hermenau, das ist

das, was Sie angesprochen haben – ist der Bereich Bildung, Hochschule, Forschung. Wir müssen akzeptieren, dass die Investitionen in Bildung, Hochschule und Forschung Investitionen in junge Leute für Sachsen und letztlich Investitionen für Sachsen sind.

(Beifall bei der SPD, der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE, und des Abg. Holger Zastrow, FDP – Karl Nolle, SPD: Sehr wohl!)

Das heißt aber auch gleichzeitig, einen weiteren Schritt zu gehen. Wir müssen unsere Investitionen stärker bündeln und wir müssen sie bündeln in unseren Städten. Attraktive Städte strahlen weit ins Umland, bieten mehr Jobs, mehr Leben, mehr Kunst, mehr Bildung, mehr Kultur. Wo zieht denn unsere Jugend hin, wenn sie nach dem Westen geht? In die Ballungszentren, in die Städte.

Das müssen wir, denke ich, erreichen. Ich will das einmal sehr pauschal und auch ein bisschen kontrovers sagen: Wir brauchen in Sachsen weniger Dorferneuerung, wir brauchen in Sachsen mehr Stadtumbau.

(Heinz Lehmann, CDU: Das ist zwar Unsinn, aber...!)

Ich weiß, dass das so für manchen vom Land hart klingt. Aber wer sich die Infrastrukturlücken in dem Fortschrittsbericht anschaut, der wird sehr genau sehen, wo wir in Zukunft unsere Schwerpunkte setzen müssen.

Ich möchte auf noch etwas eingehen. Wir haben eine Vielzahl von Förderprogrammen in unserem Haushalt.

(Zuruf des Abg. Dr. Johannes Müller, NPD)

Ich glaube, wir werden in Zukunft stärker darauf sehen müssen, ob wir jedes Förderprogramm kofinanzieren können. Denn auch den einen Euro für die Drei-EuroFörderprogrammidee muss man erst einmal im Haushalt haben. Den kann man auch nicht kreditfinanzieren.

Wir müssen natürlich sicherstellen, dass im Zuge der FAG-Debatte die Investitionen in den Kommunen hochgefahren werden. Darin, Frau Hermenau, muss ich Ihnen widersprechen. Wenn Sie sich das genau ansehen, ist die Nichteinhaltung dieser Zuwendungsmittel in erster Linie dem schlechten und niedrigen Investitionsniveau der Kommunen geschuldet und nicht den paar Millionen, die wir für die Verschuldung aufgenommen haben.

(Beifall des Staatsministers Dr. Horst Metz)

Das können Sie eins zu eins zusammenrechnen, vor allen Dingen, wenn Sie sich die vorhergehenden Fristen einmal anschauen.

Einnahmenerhöhung bei den Kommunen, FAG-Debatte, Investstärken, aber – ich weiß, sehr kontrovers zu diskutieren – wir müssen auch an das Thema Bemessungsgrundlage für Grundsteuern, einheitlich in Sachsen, aber auch in der Bundesrepublik Deutschland heran.

Last, but not least: Wir müssen auch das sächsische Beteiligungsportfolio einmal auf den Prüfstand stellen.

Wir müssen uns ansehen: Wo engagiert sich der Freistaat Sachsen? In welchen Unternehmen? Da muss letztendlich etwas herauskommen. Wirtschaftliche Beteiligung dient nicht nur dazu, Image und sonst was zu erhöhen. Es muss auch letztendlich einmal irgendwo etwas herauskommen. Das muss, denke ich, auf den Prüfstand.

Mein Fazit ist – und da beziehe ich mich auf Herrn Hähle –: Wir müssen in diesem Parlament – und da gebe ich Ihnen vollkommen Recht – weniger über Zuckermarkt, weniger über Feinstaub, vielleicht weniger über Angellektüre reden. Ich denke einmal, wir müssen darüber reden, was im Fortschrittsbericht steht. Dort stehen die Wahrheiten drin. Das müssen wir hier debattieren.

Bitte zum Schluss kommen.

Ich finde, wir sollten es anpacken.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der FDP und des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Herr Weckesser, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beginne einmal bei Herrn Albrecht. Das mit dem Weihrauch war ein schöner Einstieg. Ich hatte dies fast erwartet. Wenn Sie es nicht gebracht hätten, hätte ich es getan. Wenn man sich über mehrere Jahre mit der Problematik, die hinter diesem Fortschrittsbericht steht, beschäftigt und einmal Revue passieren lässt, was hier an Anträgen und Aktuellen Debatten stattgefunden hat – wir haben erst vor kurzem eine ähnliche Debatte hier gehabt –, sage ich: Irgendwann ist man es einfach leid, sich immer wieder das Gleiche anzuhören und die gleichen Entgegnungen zu bringen.

Selbstverständlich auch aus meiner Sicht ist unser Problem die Seriosität, die Glaubwürdigkeit dessen, was wir hier vortragen, worüber wir reden, was wir für wichtig genug halten, dass es die Öffentlichkeit erfahren soll. Mein Problem ist: Es glaubt doch tatsächlich niemand da draußen im Land, dass wir hier das demografische Problem lösen können. Das erwartet, glaube ich, auch niemand von uns.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Nicht, solange wir hier drin sitzen!)

Herr Hähle, ich sage es einmal so: Zumindest wir beide auch dann nicht, wenn wir nicht mehr hier drin sitzen.

Deshalb sollten wir auch gar nicht so tun, als könnten wir es schaffen. Genau dort bin ich bei dem, was mich eigentlich bewegt. Das heutige Thema heißt „Fortschrittsbericht“. Frau Mattern hat dazu ziemlich deutliche Worte gefunden. Es geht nicht um Fortschritt, sondern es geht um Konstatieren, dass die Probleme sehr viel größer sind, als wir es alle miteinander erwartet haben.

Welche Schlüsse ziehen wir daraus? Ein Beispiel: Schauen Sie sich doch die anderen Fortschrittsberichte an! Sie werden staunen; denn das, was Sachsen tut, tun die anderen auch. Jedes Land schreibt in seinen Fortschrittsbericht, warum es das Beste ist. Gut, es gibt auch Punkte, in denen wir tatsächlich unstrittig gut sind. Über diese möchte ich jedoch nicht reden, sie sind vor allem nicht das zentrale Thema. Wenn also Herr Pecher hier ein solch glühendes Bekenntnis zur Nullverschuldung ausruft: Ja, das höre ich gern, ich bin auch dabei.

(Heinz Lehmann, CDU: Im nächsten Haushalt! – Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Ich denke nur, solange ich mich im Landtag mit dem Thema beschäftige, ist es kein Streitthema mehr, oder?

Wir haben beschlossen – sagen wir einmal: die Mehrheit hat zugestimmt, wir haben abgelehnt –,

(Allgemeine Heiterkeit)

dass wir für 2007/2008 bereits mindestens einen großen Block Luftnummern gebucht haben, nämlich dass dann die Kommunen die geborgten Millionen aus dem – -

(Zuruf: FAG!)

Dass sie diese „Bugwelle“ dann zurückzahlen, genau zu dem Zeitpunkt, an dem die Einnahmen des Freistaates insgesamt sinken werden, und zwar definitiv, das wissen wir alle miteinander. Sie haben mich nicht überzeugen können, aber Sie haben mich überstimmt. Das ist in Ordnung, damit kann ich leben. Nur: Dies ganz zu vergessen, das funktioniert nicht.

Damit bin ich auch gleich auf Herrn Zastrow eingegangen. Wie gesagt, nicht die Haushaltsdisziplin ist heute das Thema der Aktuellen Debatte, sondern der Fortschrittsbericht, und damit ist es schon etwas schwierig. Herr Dr. Rößler, selbstverständlich kann man 2004 – und der Bericht tut dies, jedenfalls im verbalen Teil – als einen einmaligen Ausrutscher darstellen. Dagegen hätte ich erst einmal nichts. Mein Problem zeigt im gleichen Bericht die Kurve, der grafische Verlauf über viele Jahre. Da stelle ich fest, was mich beunruhigt: Diese Kurve geht seit 1999 Jahr für Jahr kontinuierlich bergab. Das ist der Punkt. Dazu sagt der Bericht im verbalen Teil nichts, aber es ist wenigstens enthalten – in Ordnung. Darüber müssten wir reden. Wie können wir versuchen, dies aufzufangen oder umzukehren?

Wenn man dann in die sinkenden Kurven hineinschaut, dann ist darin der kleine Block „Kommunale Investitionen“ enthalten, und diese sinken auch, ebenfalls kontinuierlich im gleichen Zeitraum. Das ist unser eigentliches Problem.

Zum Schluss noch eine Geschichte. Ich habe einmal herausgesucht: Wenn es diese Fortschrittsberichte gibt, dann gibt es traditionell eine Stellungnahme der Bundesregierung. Von Eichel erwarte ich es nicht mehr, ich nehme an, er überlässt dies seinem Nachfolger. Das ist aber egal. Dann geht das ganze Paket „Fortschrittsberichte

plus Stellungnahme“ in den Finanzplanungsrat. Dort wird noch einmal darüber geredet, und zum Schluss gibt es eine Art Beschluss. Was hat dieses Gremium vor fast genau einem Jahr, am 18.11.2004, aufgeschrieben? Kann sich noch jemand daran erinnern? – Dann lese ich es Ihnen vor: „Im Finanzplanungsrat wurden die Fortschrittsberichte Aufbau Ost der neuen Länder und Berlins für 2003 vorgelegt und erörtert. Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich dazu, das Defizit im Jahre 2005 auf 2,9 % des Bruttoinlandsproduktes zurückzuführen.“

Wo leben wir heute, meine Damen und Herren, wenn wir nicht anfangen, diese Dinge ernst zu nehmen?! Allen Ernstes wurden 2,9 % beschlossen, und mir ist nicht bekannt, dass irgendjemand heftig dagegen opponiert hätte.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wird von der SPD noch das Wort gewünscht? – FDP? – Herr Zastrow, bitte.