Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

Sie von der Koalition sagen: Ja, wir wollen aber, dass die Kommunen mehr investieren, die Bauleute müssen beschäftigt werden. Das haben wir gerade in der Argumentation gehört. Wir sagen: Ganz so einfach ist es nicht.

Die Investitionen in der Kommune bzw. die investiven Schlüsselzuweisungen sind vor allem die infrastrukturelle Grundversorgung. Das sind Stadterneuerung, Straßenbau, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Altenheime, Pflegeheime, Abfallbehandlung, Brand- und Katastrophenschutz.

Es sind zum großen Teil demografierelevante Bereiche. Die Planungen stammen zum Teil aus fünf, sechs oder sieben Jahren Vorlauf. Es ist ein Problem, wenn man die Chance nicht nutzt, eine Denkpause einzulegen und zu sagen: Ja, wir setzen das im Moment aus, es werden nicht mehr investive Mittel ausgereicht als im kommunalen Finanzausgleich geplant sind, sondern wir überlegen noch einmal, ob das wirklich alles demografiefest und bedarfsorientiert ist, was in den Kommunen an Investitionen geplant ist.

Klaus von Dohnanyi hat im letzten Jahr völlig zu Recht festgestellt, dass eigentlich die Infrastrukturlücke im Osten in dem Sinne nicht mehr besteht. Ich kann das nachvollziehen. Ich finde es schwierig, wenn man einen Zwang zum Auf- und Ausbau neuer Infrastrukturen über die investiven Schlüsselzuweisungen hat, die ja für nichts anderes ausgegeben werden können, bei berechtigten Zweifeln daran, ob diese bestehende Infrastrukturlücke vor dem demografischen Hintergrund überhaupt noch existiert.

Ich mache es plastisch: Es sind noch Sachen in einer Größe geplant, obwohl bei schwindender Einwohnerzahl trotzdem jedes Jahr der Unterhalt dieser Baumaßnahmen finanziert werden muss. Wenn Sie eine Straße haben, müssen Sie aller paar Jahre nach harten Wintern den Straßenbelag erneuern. Das muss im Prinzip alles mitbezahlt werden. Es geht nach Einwohnerschlüsseln. Wenn von Jahr zu Jahr weniger Leute in der Kommune wohnen, haben wir pro Kopf mehr dafür auszugeben als vorher, damit die Straße gut erhalten bleibt.

Deswegen muss man überprüfen, ob es sinnvoll ist, wie die kommunalen Investitionen aussehen. Da ist mir eine Denkpause gerade recht. Ich könnte mich dem sehr gut anschließen und sagen, wir setzen die Switchklausel erst einmal aus.

Erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Nein. Danke.

Der kommunale Finanzausgleich und der Anteil aus den SoBEZs, aus dem Soli II werden nicht bedarfsorientiert vergeben, sondern auf der Basis einer einwohner- und finanzkraftbezogenen Datenerhebung gemäß der Schlüsselzuweisungen im kommunalen Finanzausgleich. Das ist Gießkannenförderung. Das ist keine zielgenaue investive Förderung. Damit haben wir ein Problem.

Die projektscharfe Bestimmung der Infrastrukturlücke wäre interessant. Wenn wir Sachsen insgesamt projektscharf nachschauen, wo wirklich Infrastrukturlücken geschlossen werden müssen, so wäre das eine spannende Debatte, auf die wir uns einlassen würden.

Eine Denkpause bei der Switchklausel-I-Aussetzung wäre vernünftig. Die Veränderung der Altersstruktur müsste mit durchdacht werden, ebenso der regional sehr unterschiedliche Bevölkerungsrückgang. Dann kann man eine Art Rahmenplan entwickeln und zum Beispiel auch andere Aufgaben wie Wärmedämmung den Kommunen übertragen. Wir sind da offen. Vielleicht ist es das Finanzministerium auch, das weiß ich aber nicht. Vielleicht können Sie dann dazu etwas sagen.

Es ist im heute Morgen schon diskutierten Fortschrittsbericht 2004 auf Seite 75 festgehalten worden, dass die Kommunen ihre Überschüsse aus der laufenden Rechnung 2.3 und 2.4 nicht investiert, sondern zur Schuldentilgung verwendet oder Haushaltsüberschüssen zugeführt haben. Also gibt es offensichtlich keinen dramatischen kommunalen Investitionsbedarf. Das sollte man berücksichtigen.

Die Punkte 2 und 3 Ihres Antrages hingegen lehne ich ab, und zwar nicht nur ich allein, sondern die ganze Fraktion. Das geht doch nicht! Da wollen Sie doch wieder genau dort angreifen, wo Sie schon den Pakt zum kommunalen Finanzausgleich angegriffen haben. Sie wollen im Prinzip den Gleichmäßigkeitsgrundsatz aushebeln. Das halte ich für absolut nicht in Ordnung und für nicht gerechtfertigt. Wir werden natürlich dagegen stimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Es geht in der Switchklausel II über den eigentlichen vertikalen Gleichmäßigkeitsgrundsatz hinaus, weil er auch die Ausgabenseite berücksichtigt. Das steht aber trotzdem im Geiste des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes, ermöglicht ein zeitnahes Nachjustieren und wirkt übrigens in beide Richtungen, was ich ganz und gar für gerechtfertigt halte. Das müsste also auch im Interesse der Kommunen sein, wenn die Beteiligung an höheren Ländereinnahmen einmal zur Debatte stünde. Da es nun um höhere kommunale Eingaben geht, soll das auf einmal nicht mehr gelten. Man kann nicht einen Gleichmäßigkeitsgrundsatz vereinbaren, aber immer dann, wenn es einem passt, möchte man ihn aussetzen. Das geht überhaupt nicht.

Auch die Kommunen müssen sich an den Risiken des Landes beteiligen. Das ist eine Frage der Verhältniswahrung. Wenn Sie darauf abheben, dass die Kommunen mehr Planungssicherheit brauchen, so denke ich, dass sie die dem Grunde nach schon haben, gerade durch die langfristige Berechenbarkeit des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes. Aber man kann keine hundertprozentige Planungssicherheit gewähren. Das hat übrigens auch die Planwirtschaft nicht hinbekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war die erste Runde der Fraktionen. Gibt es weiteren Aussprachebedarf? – Ich sehe niemanden.

Herr Staatsminister Dr. Metz, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mich kurz fassen. Wesentliche Dinge, die ich für sehr konstruktiv halte, sind dargelegt worden, insbesondere von Herrn Pecher und von Prof. Bolick, aber auch von Frau Hermenau.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Und von Herrn Scheel!)

Wir behandeln zum wiederholten Male die so genannten Switchklauseln im kommunalen Finanzausgleich. Nebenbei bemerkt, beide Klauseln hat der Landtag per Gesetz im April dieses Jahres beschlossen. Wir diskutieren dank der Linkspartei hier wieder über unsere eigenen Beschlüsse von vor gut sechs Monaten.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ihre!)

Da stellt sich die Frage, ob das Sinn macht, meine Damen und Herren. Ich jedenfalls habe keine neuen Argumente seitens der Opposition gehört. Diese waren uns alle aus der Diskussion bekannt, die wir Anfang dieses Jahres geführt haben.

Meine Damen und Herren, worum geht es eigentlich? Die erste Klausel regelt den Fall, dass sich die kommunalen Steuereinnahmen günstiger entwickeln, als auf der Basis der November-Steuerschätzung 2004 zu erwarten war.

Das Finanzministerium kann dann – jetzt kommt der Passus – nach Anhörung des FAG-Beirats – in diesem FAG-Beirat sind natürlich auch die Spitzenverbände vertreten – den Anteil der investiven Zweckzuweisungen an der Gesamt-FAG-Masse während des Ausgleichsjahres anheben, und zwar – darüber ist hier noch nicht gesprochen worden – bis zu insgesamt 45 Millionen Euro für alle kreisangehörigen Gemeinden und bis zu 55 Millionen Euro für die Kreisfreien Städte.

Herr Scheel sprach mich direkt an und erwartete von mir heute eine Aussage darüber, ob wir das tun werden oder ob wir es nicht tun werden. Herr Scheel, natürlich auf der Basis der Mehreinnahmen der Kommunen. Ich sage es deutlich: Ich habe bisher keine Entscheidung darüber getroffen, deswegen kann ich Sie heute darüber nicht informieren. Wenn ich darüber eine Entscheidung getroffen haben werde, werde ich natürlich das Parlament darüber informieren.

Wir haben im Einvernehmen mit den kommunalen Landesverbänden beschlossen, die Zuweisungsinvestitionen in den Jahren 2005 und 2006, wie Sie wissen, abzusenken. Mir ist diese Entscheidung sehr schwer gefallen. Auch dieses habe ich vor dem Landtag deutlich gemacht.

Wir haben die allgemeinen Deckungsmittel der Kommunen damals geschont – Herr Pecher wies darauf hin – und den Kommunen Spielräume für die Budgetgestaltung gelassen. Allerdings – darüber haben wir heute Morgen diskutiert – konnte die kommunale Familie gemeinsam mit dem Freistaat Sachsen erstmals nicht die zweckgemäße Verwendung der Solidarpaktmittel für Infrastruktur im Jahre 2004 komplett nachweisen.

Ursache dafür war zu einem Teil auch die nachlassende Investitionstätigkeit der Kommunen. Ich glaube, dass wir alle gut beraten sind, wenn wir uns anstrengen, die Vorgaben des Solidarpakts zu erfüllen und uns dafür Handlungsoptionen – nicht mehr sind diese Switchklauseln – offen zu halten.

Herr Dr. Friedrich, ich erinnere mich gut daran, Sie haben im März dieses Jahres den Kommunen das Vertrauen ausgesprochen, dass diese ihre Mehreinnahmen nicht einfach verfrühstücken, sondern – ich habe es im Protokoll nachgelesen, so haben Sie sich damals artikuliert – die kommunale Investitionskraft stärken würden. Nur leider, Herr Dr. Friedrich, ist das nicht eingetreten.

So haben Sie die Forderung nach der Abschaffung der Switchklausel I begründet. Allerdings zeigt die aktuelle Datenlage, dass die kommunalen Steuern auch im ersten Halbjahr 2005 stark angestiegen sind, hingegen aber die Investitionen im ersten Halbjahr 2005 nicht weiter gestiegen, sondern im Gegenteil deutlich zurückgegangen sind.

Eine Frage von Herrn Scheel.

Bitte.

Vielen Dank. – Stimmen Sie mit mir überein, dass für die mangelnde Bereitschaft, die Mehreinnahmen für Investitionen zur Verfügung zu stellen, vielleicht auch die Unsicherheit auf der Ausgabenseite mit verantwortlich sein kann? Also Hartz IV und die ganzen Sonderausgaben, die sich daraus ergeben.

Ich erkenne die Schwierigkeiten, die gegenwärtig die Kommunen haben, im Ergebnis der Hartz-IV-Gesetzgebung die Dinge zu regeln. Dessen bin ich mir wohl bewusst. Wir werden auch diesen Aspekt, wenn wir eine Entscheidung treffen sollten, Herr Scheel, berücksichtigen.

Im Übrigen ist die kommunale Planungs- und Prognosesicherheit entgegen Ihrer Behauptung Ihrer Linksfraktion.PDS durch die Switchklauseln der Kommunen nicht gefährdet, da nur die Steuermehreinnahmen der Kommunen für Investitionen gebunden werden können. Das heißt, die bei der Aufstellung des FAG angenommene Höhe der allgemeinen Deckungsmittel der Kommunen bleibt selbstverständlich vollkommen unberührt. Nur darüber, was mehr kommt, kann man Entscheidungen treffen.

Dieses wollte ich Ihnen in aller Kürze noch einmal sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Insofern bitte ich wie Anfang dieses Jahres die Entscheidung zu treffen und den Antrag der Linksfraktion.PDS abzulehnen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Besteht noch Wunsch zur allgemeinen Aussprache? – Nein. Herr Scheel, das Schlusswort. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte erst einmal eine kleine Richtigstellung hier vornehmen. Von Herrn Pecher wurde gesagt, dass Chemnitz einen ausgeglichenen Haushalt hätte. Ich würde Sie bitten, die Kleinen Anfragen, die gelegentlich in den Fraktionsgeschäftsstellen eingehen, einfach mal zu lesen. Für Chemnitz steht dort von der Staatsregierung aufgeschrieben eine Höhe des Fehlbetrages in Euro von 18 339 016

(Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

und des geplanten vollständigen Jahresausgleichs 2009. Das ist nicht wirklich uralt, das ist von Mitte dieses Jahres.

(Lachen des Abg. Mario Pecher, SPD)

Na ja, ich möchte Sie nur einmal darauf hinweisen, dass Sie das vielleicht zur Kenntnis nehmen sollten. Sie kommen auch aus Zwickau.

(Mario Pecher, SPD: Richtig!)

Sie müssten ja wissen, was dort gerade los ist, was mit den Haushaltssicherungskonzepten passiert ist.

(Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD)

Ich will das nur noch einmal klarstellen.

Für das Protokoll hätte ich ganz gern noch einmal die Äußerung von Herrn Patt von der CDU deutlich mit hineingeschrieben. Das war seine Aussage: „weil sie es verjubelt haben“. Das ist für mich eine Einstellung zur kommunalen Selbstverwaltung, die ich hanebüchen finde. Das hat mich wirklich – verärgert ist vielleicht das falsche Wort – ehrlich betroffen gemacht, wie manche Leute hier von den Kommunen und ihren Selbstvertretungskörperschaften reden.

(Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)