Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

(Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Was denken Sie denn, wer Sie hier in diesem Hohen Hause sind? Gott oder was? Ist das Ihre Vorstellung, wie Sie mit den Kommunen umgehen wollen?

Selbstverwaltung ist eine hohes Gut von Verfassungsrang, Herr Patt. Das wollte ich Ihnen nur noch einmal mit auf den Weg geben.

Dass das auch die SPD einmal so gesehen hat, dazu könnte ich Ihnen ein kleines Zitat von Frau Weihnert – die nicht da ist, von dieser Stelle auch gute Besserung für sie – oder Herrn Jurk, der sich ja immer gern als Vorkämpfer der Kommunen hingestellt und das Gängelband der Staatsregierung angegriffen hat, bringen: „Die SPD hat in den letzten Jahren sehr deutlich gemacht,“ – „hat“ ist Präteritum –„ dass wir das Gut der kommunalen Selbstverwaltung sehr hoch schätzen und wir erwarten auch, dass das nun auch einmal von der Staatsregierung anerkannt wird und solche Switchklauseln eben nicht eingeführt werden.“

Ich kann nur noch einmal sagen: Sie sind sich leider nicht treu geblieben. Sie haben versagt, als es darauf ankam, Verantwortung zu zeigen und Ihre vorherigen Aussagen auch Wirklichkeit werden zu lassen. Das tut mir Leid.

Ich bitte Sie noch einmal in sich zu gehen und diesem Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Das war das Schlusswort, meine Damen und Herren. Wir kommen zur Abstimmung. Ich stelle Ihnen zur Abstimmung die Drucksache 4/3214. Wer der Drucksache zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Und die Gegenprobe, bitte. – Und die Enthaltungen. – Frau Hermenau, ich bitte um Entschuldigung. Ich hätte Sie so verstehen müssen, dass Sie punktweise Abstimmung wollten.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Es ist ihr Antrag!)

Die Abstimmung ist vorbei. Bitte.

Herr Präsident! Das war ein Angebot an die Linksfraktion.PDS. Sie hat das nicht aufgegriffen. Dann wurde über den Antrag in Gänze abgestimmt und er abgelehnt.

Ich danke Ihnen. Die Abstimmung ist gelaufen. Mit übergroßer Mehrheit und keinen Enthaltungen ist diesem Antrag nicht gefolgt worden.

Meine Damen und Herren, damit ist der Tagesordnungspunkt 8 beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 9

Freiheitsrechte von Frauen sichern – Zwangsverheiratungen verhindern

Drucksache 4/3270, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Hierzu nehmen die Fraktionen wie folgt Stellung: Die CDU, es folgt dann die SPD, die Linksfraktion.PDS usw. Es beginnt die CDU-Fraktion, Herr Abg. Schiemann.

Meine Damen und Herren, es gibt noch ein Novum. Es wird auch die Ausländerbeauftragte Frau Friederike de Haas sprechen. – Herr Schiemann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst mit zwei Zitaten, die mit Ankündigungen für Bücher erschienen sind, beginnen.

„Ferda ist Türkin, aber sie ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Ihre Freundin Elke sagt, Ferda sei eine deutsche Türkin, denn sie spricht beide Sprachen und fühlt sich in Deutschland und in der Türkei wohl. Kurz vor den Sommerferien, die sie wie jedes Jahr in der Türkei verbringen werden, sagt Ferdas Vater: ‚Wenn wir nach Hause fahren in die Türkei, können wir uns nach einem Verlobten für dich umsehen.’ Damit ist Ferda nicht einverstanden. Keinesfalls will sie einfach verheiratet werden wie ihre ältere Schwester und niemand soll über sie bestimmen. Sie ist 15 und möchte nach der Schule unbedingt weiterlernen. Das zu akzeptieren fällt dem Vater schwer. Doch Ferda, die manchmal selbst nicht weiß, wohin sie gehört, wird ihr Leben trotz aller Vorurteile und Traditionen selbst in die Hand nehmen. Sie muss vor ihrer Familie in Deutschland in eine andere Stadt fliehen.“

Ein zweites Beispiel: „Saineb ist 28 Jahre alt, Mutter von drei Kindern und lebt seit zwölf Jahren in Hamburg. Sie versorgt den Haushalt ihrer Großfamilie und spricht kein Wort deutsch. Die Wohnung verlässt sie nur zum Koranunterricht. Sie ist eine Importgälin, eine Importbraut, eine moderne Sklavin. Tausende junger türkischer Frauen werden jedes Jahr durch arrangierte Ehen nach Deutschland gebracht. Die demokratischen Grundrechte gelten für sie nicht und niemand interessiert sich für ihr Schicksal. Die türkisch-muslimische Gemeinde redet von kulturellen Traditionen, beruft sich auf Glaubensfreiheit und grenzt sich von der deutschen Gesellschaft ab. Und findet dafür Verständnis bei den liberalen Deutschen, die eher bereit sind, ihre eigene Verfassung zu ignorieren, als sich den Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit machen zu lassen.“ Ende des Zitats.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es muss endlich Schluss sein mit dem Wegschauen und dem liberalistischen

Schönreden dieses Themas. Menschenhandel, Zwangsprostitution,

(Beifall der Abg. Rita Henke, CDU)

Zwangsverheiratungen und Ehrenmorde sind in Deutschland leider keine Fremdworte mehr. Sie sind kriminelles, menschenverachtendes Handeln und müssen auf das Äußerste verfolgt und bestraft werden.

(Beifall bei der CDU, des Abg. Enrico Bräunig, SPD, und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Eine Studie der Bundesregierung hat ergeben, dass türkische Einwanderinnen deutlich häufiger als der Durchschnitt der weiblichen Bevölkerung Deutschlands körperliche oder sexuelle Gewalt erleben.

Während 40 % der eingewanderten Frauen angaben, seit dem 16. Lebensjahr körperliche und sexuelle Gewalt erfahren zu haben, waren es bei Frauen türkischer Herkunft 49 % – fast die Hälfte aller Frauen, die befragt worden sind. Bei Verheirateten anderer Nationalität sind es 25 % und bei türkischen Einwanderinnen 39 %, die in der Partnerschaft sexuelle Gewalt erleben bzw. von körperlicher Gewalt bedroht sind.

(Kristin Schütz, FDP, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich gestatte jetzt keine Zwischenfrage.

Gewalt, Prügel und Missachtung der Würde der Frau können weder mit dem religiösen Hinweis auf den Islam noch mit einer Kulturtradition begründet werden. Männer, die ihren Frauen mit Gewalt begegnen, sind Kriminelle, egal, ob sie deutsch oder türkisch sprechen.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS und der SPD)

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gilt auch für die „ehemaligen“ Ausländer mit deutschem Pass.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Artikel 1 Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Durch Zwangsverheiratung wird das Recht der Frauen und Männer auf selbstbestimmte Heirat, persönliche Freiheit und körperliche

Unversehrtheit und Menschenwürde verletzt. Von Zwangsheirat sind zu 80 % Frauen und zu 20 % Männer betroffen. Zwangsheirat ist eindeutig rechtswidrig. Gegen die Eheschließungsfreiheit laut Artikel 6 Grundgesetz wird ebenfalls verstoßen. Neben der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ und der „Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten“ wird das Recht auf freie Eheschließung und selbstbestimmte Partnerwahl garantiert. Warum toleriert deutsches staatliches Handeln die Missachtung dieser Grundrechte? Warum missachten viele Bürger, die nach Deutschland eingewandert sind, dieses Grundgesetz, das für alle gilt? Warum stellen sie das Recht des Vaters über das Kindeswohl der jungen Zwangsverheirateten?

Von Zwangsheirat sind in Deutschland vor allem minderjährige Mädchen betroffen. Der Altersunterschied der 15- bis 16-jährigen Mädchen und ihrer Männer ist oft enorm. Das Brautgeld steigt besonders bei älteren Männern auf mehrere tausend Euro. Ist das nach deutschem Rechtsverständnis nicht auch schon Menschenhandel? Für die betroffenen Mädchen gibt es kaum einen Ausweg. Sie müssen ihre Schulausbildung abbrechen; denn sie haben sich dann nur noch um das Wohl des Ehemannes zu kümmern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte es nicht zu glauben gewagt, welch riesige Probleme durch die nun auch in Deutschland entstandenen Parallelgesellschaften möglich geworden sind und wie lax viele über die Probleme der Migranten hinwegschauen.

Zwangsverheiratungen gibt es in drei unterschiedlichen Formen. Ich zitiere: „In Deutschland lebende Einwanderer aus der Türkei holen sich Mädchen und junge Frauen aus dem Heimatland, um sie hier zu heiraten. Es ist stets das Ergebnis von Vereinbarungen zwischen der in Deutschland lebenden Familie des Mädchens und der Familie des Mannes im Ausland. Meistens kennen sich die Familien schon lange, weil sie entweder zum selben Verwandtschaftskreis gehören oder aber aus demselben Dorf stammen. Die Frauen, da sie weder die deutsche Kultur noch Sprache kennen noch jemanden haben, der sie unterstützt, bleiben letztendlich dieser Situation völlig schutzlos ausgeliefert.“

Eine weitere Form der Zwangsheirat ist die der Ferienverheiratung. „Ausländische Mädchen werden in ihrer Heimat, wo sie üblicherweise die Ferien verbringen, verlobt und dann verheiratet, ohne vorher darüber informiert zu sein. Das eigentliche Ziel der Ferien wurde durch die Familie nicht bekannt gemacht. Die Mädchen bleiben dann gegen ihren Willen im Ausland und werden als Arbeitskraft, als billige Sklavin benutzt.“

Eine dritte Form der Zwangsheirat ist die „Verheiratung für ein Einwanderungsticket. Das bedeutet, dass eine Frau mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland ebenfalls während eines Urlaubes in ihrem Heimatland von ihrer Familie einem noch im Ausland lebenden Mann versprochen wird. In diesem Fall ist die Frau ein Mittel zur legalen Einwanderung des Mannes im Rahmen des

Ehegattennachzuges. Wie immer wurde die Vereinbarung zwischen den beiden Familien getroffen, ohne dass die Frau davon in Kenntnis gesetzt wurde.“ – So Zitate aus Schreiben der Bundesregierung.

Diese Form der Einwanderung wird oft zwischen nahen Verwandten des Mädchens benutzt. Das Mädchen wird zum Beispiel mit einem Vetter verheiratet, und danach gibt es über die Familienzusammenführung die legale Einwanderung. Die Zwangsheirat und die so genannten Ehrenmorde gehören nicht zu einer kulturellen Tradition eines Volkes in der Mitte Europas. Sie gehören auch nicht zur kulturellen Tradition im traditionellen Islam. Sie haben dort traditionell aus dem Mittelalter überlebt, haben jedoch mit dem traditionellen Islam an und für sich nichts zu tun.

Es kann in dieser Frage nicht um familiäre Bräuche oder angebliche Besonderheiten gehen. Es geht in Wahrheit um Machterhaltung aus dem Mittelalter, gleichzeitig um Ablehnung der demokratischen Gesellschaft. Deshalb muss das Strafrecht ein klares Zeichen gegen das gesetzwidrige Handeln setzen. Ich warne aber: Das Strafrecht allein wird dieses Problem der in Deutschland entstandenen Parallelgesellschaften nicht lösen.

Aber auch in der Parallelgesellschaft hat sich jeder an das in Deutschland geltende Recht und Gesetz zu halten. Väter, die ihre Töchter zwangsverheiraten, machen sich strafbar und müssen geächtet werden. Junge Männer, für die es eine Frage der Ehre ist, ihre Frauen zu schlagen oder ihre Schwestern zu züchtigen, zu prügeln oder gar zu töten, dürfen wir nicht dulden.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Die Würde von minderjährigen Mädchen und Frauen darf nicht länger mit Füßen getreten werden. Wir dürfen dieses kriminelle Handeln in den deutschen Ländern nicht mehr dulden. Dem Rechtsbruch muss Einhalt geboten werden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.