Die Frau kommt im NPD-Parteiprogramm lediglich als Trägerin des biologischen Erbes für ein gesundes Volk vor. Das ist der Geist freiheitsverachtender Ideologen, gegen den zu kämpfen Sie vorheucheln.
Doch zurück zum Antrag. Da gibt es die juristische Dimension. Die Bundesratsinitiative habe ich schon erwähnt. Ich denke, wir sind da auf einem guten Weg. Mich wundert, dass beide Anträge nicht auf die im August dieses Jahres im Bundesrat beschlossene Gesetzesinitiative eingehen. Es ist im Bundesrat beschlossen, dass es im Bundestag als Gesetzesinitiative vorzulegen ist.
Zweitens hat der Antrag eine soziale Dimension, denn die meist schlecht ausgebildeten Jungen haben die geringste Chance auf dem ohnehin engen Arbeitsmarkt. Damit haben sie jede Menge Zeit, ihre Schwestern rundum zu bewachen. Über diese einzige Aufgabe definieren sie sich dann. Auf Kosten der Schwächeren, der Frauen, verschaffen sie sich Ansehen in ihrem Milieu.
Am kompliziertesten ist aber die kulturelle Dimension. Viele, vor allem muslimische Migranten leben in abgeschlossenen Milieus. Sie kennen die deutsche Gesellschaft häufig nicht, weil sie die Berührung mit ihr vermeiden und sie teilweise auch verachten. Sie glauben, Miniröcke und bauchfreie Tops stünden für eine gänzlich gesetzlose Welt ohne jede Regeln.
Das Hauptproblem ist der mangelhafte Zugang zum Bildungssystem. Die deutsche Umwelt bleibt ihnen viel zu lange verschlossen, weil die Eltern die Sprache nicht sprechen und Werte und Normen vermittelt werden, bevor die Kinder in der Schule mit unserer Sprache und unserer Wirklichkeit in Berührung kommen. Hier hilft nicht, wie im vierten Spiegelstrich des Koalitionsantrages gefordert, die Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Wen müssen wir aufklären, die massenmedial reichlich verschreckte Mehrheitsgesellschaft oder die Betroffenen?
Ein wichtiger Ansatzpunkt ist die Arbeit mit Jugendlichen, die nicht gewalttätig sind und deshalb kaum auffallen, mit Jugendlichen, die die westlichen Freiheiten nutzen wollen, ohne zu wissen, wie sie das unter der harten Kontrolle ihrer eigenen Community machen sollen, mit Jugendlichen, die sich vielleicht in Schulklassen und Cliquen oder in ihren Familien nicht offen zu äußern wagen.
Ein Beispiel. In Berlin-Neukölln haben sich zwei junge türkischstämmige Männer für eine Postkartenaktion fotografieren lassen, und das, obwohl sie damit rechnen mussten, bedroht zu werden und auch schon zweimal dafür verprügelt wurden. Auf der Karte steht: „Ehre ist, für die Freiheit meiner Schwester zu kämpfen!“ Wenn wir diese jungen Männer nicht unterstützen, wenn wir die muslimischen Frauen nicht vor Rechtlosigkeit schützen, bringen wir uns selbst in Gefahr, auch weil die rechtsradi
kalen Totengräber unserer Demokratie auf so etwas ja nur warten. Nichts nützt ihnen und ihrer Ideologie mehr als die sozialen und kulturellen Konflikte in unserer Gesellschaft.
Wir unterstützen den Koalitionsantrag und auch den Antrag der Linksfraktion.PDS. Wir halten diesen für den konkreteren und weiterführenden Antrag.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Freiheitsrechte von Frauen sichern, Zwangsverheiratungen verhindern – der Antrag beschreibt eine Selbstverständlichkeit für eine aufgeklärte freiheitlichdemokratische Gesellschaft. Niemand wird im Grundrechtsstaat Bundesrepublik Deutschland ernstlich die persönliche Freiheit des Individuums, die Freiheit der Frau, ihr Leben unabhängig und selbstbestimmt nach eigenem Entwurf zu gestalten, infrage stellen. Dennoch zeichnet die Realität bisweilen ein anderes Bild.
Im Zuge der Einwanderung und damit einhergehender kultureller Unterschiedlichkeit steht fest: In Deutschland finden Zwangsverheiratungen statt; Frauen, die hier leben oder hierher kommen, werden oftmals noch minderjährig gegen ihren Willen in die Ehe gezwungen. Zudem sind Übergriffe auf Frauen, Einschüchterungen, psychischer wie physischer Druck und familiäre Ausgrenzungen zu beklagen, die nichts anderes zum Ziel haben, als vermeintlich traditionelle und kulturelle Norm- und Wertvorstellungen der betroffenen Gemeinschaften zu verteidigen.
Auch in Deutschland gibt es so genannte Ehrenmorde, die ich viel treffender als Schandmorde zu bezeichnen wage.
Die Motivation ist vielschichtig. Da ist die Unterhaltssicherung der Töchter, die Furcht vor abnehmendem familiärem Einfluss oder auch drohender Gesichtsverlust vor Freunden und Bekannten, falls Töchter Freundschaften mit jungen Männern eingehen. Dies ist für einige Familien aus insbesondere patriarchalisch geprägten Gesellschaften Antrieb genug, gegen ihre Töchter Zwang auszuüben. Viele beugen sich diesem Zwang. Aber es gibt immer mehr, die es nicht mehr tun, und sie bezahlen es auf schreckliche und furchtbare Art und Weise.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das deutsche Grundgesetz und die in ihm zum Ausdruck kommenden Wert- und Moralvorstellungen verbieten
Ehezwang und schützen die Freiheit der Person. Das Grundgesetz stellt unabdingbar fest: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Zwangsheirat und Gewalt gegen Frauen sind Verbrechen, sind Menschenrechtsverletzungen, die von den Vereinten Nationen zu einer modernen Form der Sklaverei erklärt wurden.
Wir dürfen deshalb nicht der Gefahr unterliegen, den Kampf gegen Zwangsheirat und Gewalt gegen Frauen als Einmischung in vermeintlich religiöse Traditionen und kulturelle Eigenheiten gering zu schätzen oder – wie wir es lange in Fragen ehelicher Gewalt hielten – das Problem als Familienangelegenheit und Eingriff in die Privatsphäre abzutun.
Im Gegenteil: Die Wertschätzung kultureller Vielfalt, wie wir sie auch für ein weltoffenes Land Sachsen und Deutschland ausdrücklich wollen, darf uns nicht daran hindern, diese offenkundigen Missstände auch in aller Öffentlichkeit anzuprangern und ihnen wirksam entgegenzutreten.
Denn eines muss jedem vernünftig denkenden Menschen klar sein: Die Grenzen kultureller Vielfalt sind bei eklatanter Verletzung grundlegender Menschenrechte zu ziehen. Diese Verletzung ist kriminell – nicht die kulturelle Vielfalt.
Der Antrag der Koalition dient diesem Ziel. Sicherlich ist es wichtig, die Täter zu verfolgen und zu bestrafen, und es ist gut, dass der Antrag dies an erste Stelle setzt.
Genauso wichtig ist es aber, den Betroffenen unsere Hilfe angedeihen zu lassen. Unter dem Gesichtspunkt, dass Mädchen und Frauen Opfer von Gewalt und Zwangsehen sind – egal, ob sie hier aufgewachsen sind oder hierher geholt werden –: Wenn wir diesen Mädchen und Frauen helfen wollen, dann brauchen sie Beratung und einen sicheren Zufluchtsort. In einer großen Anzahl von Fällen hilft darüber hinaus eine gesicherte Aufenthaltsperspektive, um sie nicht den mit dem kulturellen Tabubruch verbundenen Gefahren auszusetzen.
Was wir hiermit tun, ist nicht zuletzt zielführende Integrationspolitik, die es den jungen Frauen ermöglicht, ein persönlich und wirtschaftlich eigenständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen.
Integration aber ist keine Einbahnstraße. Deshalb sind auch wir gefordert, uns entsprechend zu öffnen. Ich erachte es für unerlässlich, sich den drängenden Problemlagen wie der Zwangsehe und Gewalt gegen Frauen im Migrationsbereich nicht zu verschließen,
auch wenn wir in Sachsen dazu kaum verlässliche Zahlen haben, die wir wahrscheinlich auch nicht bekommen werden, weil kaum jemand der Befragten – aus Angst vor Offenlegung, dass sie anders denken – auf bestimmte Fragen antworten wird. Es gibt eine einzige Studie, die ich kenne – in Berlin, wo immerhin vier Millionen Türkinnen und Türken leben – und in der sich nur 130 bereit erklärt haben, überhaupt zu antworten.
Es ist unsere Pflicht und Aufgabe, zuwandernde Mädchen und junge Frauen, die bei uns leben und sich zu integrieren suchen, tatkräftig zu schützen – sie auch vor denen zu schützen, die in ihrer Ablehnung unserer Gesellschaftsordnung ihren schlechten Einfluss durch Druck und Drohung auf sie ausüben.
Im Übrigen: An diesem Wochenende findet in der Nähe von Dresden eine Hochzeit statt. Ein Türke, der hier in Dresden lebt, heiratet eine Frau aus der Türkei. Auf die an den Vater des Bräutigams gerichtete Frage, wer die Braut denn ausgewählt habe – sein Sohn oder er selbst –, lachte der Vater und meinte, sein Sohn habe dies getan, aber früher sei dies anders gewesen.
Danke schön. – Ich weiß von den Fraktionen, dass noch Aussprachebedarf besteht. Frau Dr. Schwarz, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die rechtlichen Fragen und deren Wirkungen sind bereits erörtert worden und die eine Seite der Medaille. Hierbei handelt es sich fast ausschließlich um Bundesrecht, und ich bin schon damit zufrieden, dass dieses Problem auch in den Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielt und wir zu erwarten haben, dass rechtliche Fragen geklärt werden.
Aber dass dies eben nur die eine Seite der Medaille ist, ist bei all meinen Vorrednerinnen und Vorrednern deutlich geworden, und diese rechtliche Wertung reicht eben nicht aus. Deswegen ist es mir und meiner Fraktion so wichtig, dass auch die flankierenden Maßnahmen in unserem Antrag verankert sind. Der im Koalitionsvertrag festgeschriebene Landesaktionsplan gegen häusliche Gewalt bietet hier eine konkrete Möglichkeit, sich dieses Themas anzunehmen. Deswegen bin ich froh, dass wir das in unserem Koalitionsvertrag haben, dass es bereits im Sozialausschuss debattiert wurde, dass wir im nächsten Jahr die konkrete Ausgestaltung dieses Landesaktionsplanes diskutieren werden und dabei auch berücksichtigen, dass dieses Thema eine Rolle spielen wird und wir mit der Unterstützung der Ausländerbeauftragten rechnen können.
Denn die Maßnahmen außerhalb des Strafrechts sind zwingend notwendig. Wir wissen nicht, wie viele Betroffene es in Sachsen gibt. Wir wissen, dass es in diesem
Bereich eine große Dunkelziffer gibt, aber jeder Fall ist – sicherlich nicht nur nach meiner Ansicht – ein Verstoß gegen die Menschenrechte.
Es handelt sich dann um eine Zwangsehe, wenn mindestens einer der zukünftigen Ehepartner durch die Anwendung von körperlicher, aber gerade auch psychischer Gewalt zur Ehe gezwungen wird. Betroffene junge Männer haben aufgrund ihrer Geschlechterrolle mehr Handlungsspielräume, mit dieser Situation umzugehen. Junge Mädchen dagegen haben wenige Chancen, sich zur Wehr zu setzen. Wenn sie dies tun – indem sie zum Beispiel ein Mädchen- oder Frauenschutzhaus bei uns aufsuchen oder sich Außenstehenden anvertrauen –, dann müssen sie befürchten, damit die in ihrer Ehre gekränkte Familie zu verlieren, verachtet, ausgestoßen, ja, vielleicht sogar getötet zu werden.
Zwangsverheiratete Frauen müssen lebenslange Gewaltanwendungen psychischer und physischer Art erdulden. Deswegen schlagen wir in unserem Antrag vor, mehr für Präventionsmaßnahmen und Hilfsangebote für Betroffene zu tun.
Ich unterstütze ganz deutlich das, was Kollegin Schütz gesagt hat: Die Öffentlichkeit muss informiert und sensibilisiert werden. Auch den Schulen kommt hier eine Schlüsselrolle zu. Nicht wegschauen, helfen, auf Hilfsangebote aufmerksam machen und soziale Kompetenzen entwickeln – dies können wichtige Maßnahmen sein.
Zwangsheirat, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht nur ein Phänomen des islamischen Kulturkreises. Es sind auch Fälle aus anderen religiösen und ethnischen Kreisen bekannt – aus Süditalien, Griechenland; von meiner Kollegin Herrmann wurde hier schon einiges angesprochen –, und wenn wir in unsere eigene Geschichte schauen,
ist dieses Phänomen durchaus Realität gewesen. Wir lernen daraus – direkt aus unserer Geschichte –, dass Bildung, Bildung und nochmals Bildung, insbesondere auch der Mädchen, Chancengleichheit, Gleichberechtigung und Emanzipation helfen können, dies zu überwinden.
Deshalb ist es gut, dass wir uns heute dieses Themas annehmen und über Parteigrenzen hinweg darüber verständigen.