Protokoll der Sitzung vom 11.11.2005

Meine Damen und Herren, meine Redezeit erlaubt es nicht, die anderen Probleme, die im Rahmen der Ansiedlung des Biomassezentrums in Leipzig eine Rolle gespielt haben, in der nötigen Breite zu erläutern. Bei den Betriebskosten ging es um einen Eigenanteil in Höhe von zirka 300 000 Euro. Das sind zirka 20 % der Gesamtkosten. Hier in Dresden sind mehrere Forschungseinrichtungen ansässig, bei denen es nie eine Frage war, dass das Land seinen Eigenanteil erbringt. Bei Ansiedlungen in Leipzig erwachsen aus solchen Selbstverständlichkeiten Probleme.

Ich appelliere an die SPD, ihrem Parteifreund Wolfgang Tiefensee auf dem Weg nach Berlin keine Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Ich appelliere an die Koalition, in dieser Sache nicht die sächsischen Interessen aufs Spiel zu setzen. Sehen Sie sich bitte unseren Antrag an! Wir fordern vom Land keinen unangemessenen, sondern wir fordern einen üblichen, einen angemessenen Beitrag.

Wenn Sie Punkt 3 unseres Antrags hier und heute nicht befürworten, senden wir ein Signal nach Berlin, das heißt, wir wollen uns nicht angemessen beteiligen.

Ähnlich verhält es sich bei den Punkten 4 und 5 unseres Antrages.

Wir fordern Selbstverständlichkeiten, und zwar eine innersächsische Verständigung in Fragen des Personals und bei der Immobilie. Ist denn das zu viel verlangt? Das kann man doch gar nicht ablehnen! Wir fordern nichts weiter als das Mindestmaß, das Länder bei der Ansiedlung einer Forschungseinrichtung üblicherweise in der Bundesrepublik erbringen. Gegen diese Forderung kann man nicht stimmen, es sei denn, man verzichtet darauf, sächsische Interessen wahrzunehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Noch in diesem Monat wird das Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft neu besetzt.

Wie man hörte, spielt auch die Frage der Ansiedlung des Biomasse-Forschungszentrums in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD wieder eine Rolle. Mit Frau Merkel für Greifswald und Herrn Platzeck für Cottbus streiten zwei Parteivorsitzende um die Forschungseinrichtung, die Sachsen und Leipzig versprochen wurde.

Meine Damen und Herren, vielleicht ist heute die letzte Chance, sich noch einmal für die Ansiedlung in Leipzig einzusetzen. Stimmen Sie daher allen fünf von uns angeführten Punkten zu! Lassen Sie uns heute den kleinkarierten Streit beenden, der bisher der Ansiedlung im Wege stand. Heben Sie Ihre Hand an der richtigen Stelle für eine wichtige Bereicherung der Forschungslandschaft in Sachsen. Die Ansiedlung des Deutschen BiomasseForschungszentrums in Leipzig hat in der Bundesrepublik in der Person von Frau Künast eine sehr engagierte Verfechterin. Ob diese Unterstützung unter Leitung von Herrn Seehofer immer noch gegeben ist, darf bezweifelt werden. Deshalb, meine Damen und Herren, stimmen Sie unserem Antrag in allen Punkten zu! Es wäre das erste eindeutige Signal in dieser Sache, das aus Sachsen kommt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Herr Clemen spricht für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Seit nunmehr zwei Jahren laufen die offiziellen Verhandlungen zur Errichtung eines Biomasse-Forschungszentrums in Leipzig. Ich bin seit über vier Jahren in die Diskussion mit Professor – damals noch Doktor – Kaltschmidt involviert und kenne diese Ideen von Beginn an. Auf Initiative des Institutes für Energetik und Umwelt gGmbH aus Leipzig wurde ein erstes Ideenpapier im Jahr 2003 vorgelegt. Eine Anhörung im Landtag zur verstärkten Nutzung nachwachsender Rohstoffe fand im Januar 2004 statt. Grundlage der Anhörung war der Antrag der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag mit dem Titel „Energetische Nutzung von Biomasse“. Daran nahm auch Herr Prof. Kaltschmidt als Leiter des genannten Institutes teil. Er stellte damals die Idee des Forschungszentrums vor. – So weit zunächst zur Geschichte.

Seitdem hat sich vieles getan. Seit drei Jahren, nachdem die ersten Gedanken dazu öffentlich wurden, nimmt das Forschungszentrum Gestalt an. Dennoch ist der Aufbau noch immer nicht abgeschlossen. Wenn man jedoch bedenkt, welch hoher organisatorischer und administrativer Aufwand damit verbunden ist, ist es nicht verwunderlich. Insbesondere muss für das Forschungszentrum ein klares inhaltliches und finanzielles Konzept vorliegen. Da, meine Damen und Herren, war es nicht zuletzt die Bundesregierung, die immer wieder unterschiedliche Vorstellungen darüber entwickelt hat, in welcher Trägerstruktur dieses Zentrum entwickelt werden und wer in

welcher Form an dem Biomasse-Forschungszentrum beteiligt werden sollte.

Angesichts der Haushaltslage wäre es geradezu absurd, wenn sich der Bund und der Freistaat Sachsen in diesem Zusammenhang auf ein Experiment ohne klare Rahmenbedingungen einlassen würden. Dies war im Juli dieses Jahres so und ist bis heute so geblieben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU-Fraktion des Sächsischen Landtags bekennt sich zu diesem Forschungsinstitut. Wir sehen in der Nutzung von Biomasse und insbesondere nachwachsender Rohstoffe eine Technologie, die in Zukunft einen steigenden Anteil am Primärenergieverbrauch wetterunabhängig zur Energie- und Stromversorgung leisten wird. Obwohl auch in den kommenden Jahrzehnten die heutige Struktur der Stromversorgung mit Großkraftwerken Organisationsprinzip der Stromwirtschaft im Freistaat Sachsen bleiben wird, ist es der weitere Ausbau dezentraler Versorgungsstrukturen auf der Grundlage von Biomasse, den wir vorantreiben wollen.

Nachwachsende Rohstoffe zeichnen sich insbesondere durch ihre Unendlichkeit und einen weitgehend geschlossenen CO2-Kreislauf aus. Sie liefern damit einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige und umweltgerechte Energiewirtschaft. Dabei gilt es jedoch, die Effizienz der Nutzung der heimischen nachwachsenden Rohstoffe weiter zu steigern. Insoweit sind neben der Koordinierung und Vernetzung der betroffenen Politikbereiche vor allem die förderpolitischen Instrumente für die Forschung zu überprüfen. Dies fordert die CDU-Fraktion und die Koalition.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dabei geht es uns zugleich um die intensive Anwendung der Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschungen für weitere Einsatzmöglichkeiten nachwachsender Rohstoffe. Das Deutsche Biomasse-Forschungsinstitut kann hierzu einen unvorstellbar wichtigen Beitrag leisten. Leipzig gewinnt zusätzlich an Attraktivität und unser Freistaat könnte als Forschungsstandort einen weiteren Prestigegewinn verzeichnen. Dies wollen wir und dafür werden wir uns einsetzen.

Leider führten die politischen Verhältnisse, insbesondere die vorgezogene Bundestagswahl, dazu, dass sich die Ansiedlung des Biomasse-Forschungsinstitutes weiterhin verzögert. Wie Sie sich vielleicht erinnern können, sehr geehrter Herr Kollege Weichert, fand im Juli dieses Jahres im Sächsischen Landtag ein Gespräch zwischen dem damaligen Staatssekretär Thalheim, Herrn Staatsminister Tillich und Frau Staatsministerin Ludwig zu jenem Thema statt. Sie hatten einen Dringlichen Antrag gestellt, den Sie infolge der Gesprächsergebnisse wieder zurückgezogen haben. Damals wurde gesagt, dass die Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und der Sächsischen Staatsregierung zu den Einzelheiten der Ansiedlung des Deutschen Biomasse-Forschungszentrums in Leipzig intensiv weitergeführt werden, eine abschließende Ent

scheidung aber nicht vor Herbst getroffen werden kann. Gleichzeitig wurde von der Bundesregierung versichert, dass ein Standortwechsel, wie er von Ihnen auch heute im vorliegenden Antrag wieder angedeutet wird, nicht zur Debatte steht. Falls Sie dazu mehr Kenntnisse haben sollten, dann bitte ich Sie, das deutlich kund zu tun und uns auch zu sagen, woher diese Kenntnisse kommen. Ich hoffe allerdings, dass das nur unbegründete Spekulationen sind und uns keine nachvollziehbaren Gründe bekannt werden, warum die Bundesregierung von einer Ansiedlung des Biomasse-Forschungszentrums am Standort Leipzig wieder abrücken sollte.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Merkel!)

Die Begründung Ihres Antrages ist für uns nicht stichhaltig. Mir ist keine Äußerung von Frau Merkel bekannt, Herr Lichdi, die in irgendeiner Weise dahin geht, dass das Biomasse-Forschungszentrum nicht nach Leipzig kommen sollte. Falls Sie diese Äußerungen in irgendeiner Weise dokumentieren können, bitte ich Sie, das vorzutragen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich nicht an Spekulationen, die durch verschiedene Leute in die Gegend getragen werden, beteiligen. Ich bin mir aber sicher, dass die derzeit unbefriedigende Situation ganz sicher auch daran liegt, dass wir im September eine Bundestagswahl hatten. Jedenfalls ist seit Juli, dem letzten Gespräch, nicht viel passiert. Ein belastbares Finanzierungs- und Wirtschaftskonzept liegt nach wie vor nicht vor und inhaltlich ist mir auch nichts Neues bekannt. Aus diesem Grund werden sich die Koalition und die von ihr gestellte Staatsregierung bei allen weiteren Zusagen zunächst zurückhalten. Gleichwohl aber sind wir der Meinung, dass das Zentrum nach Leipzig kommen soll und kommen muss. Hierzu gibt es für uns keine Alternative. Zudem sollten wir auf jeden Fall abwarten, bis es wieder einen zuständigen Minister auf Bundesebene gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte daher um punktweise Abstimmung über den vorliegenden Antrag. Die Koalition wird den Punkten 1 und 2 zustimmen, die Punkte 3 bis 5 jedoch ablehnen. Insbesondere letzterer Punkt erscheint mir völlig abwegig, da meiner Meinung nach bisher keinerlei Debatten über Möckern geführt wurden. Insofern kann Möckern auch nicht zu einer Belastung der Verhandlungen führen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. – Die Linksfraktion.PDS hat zwar niemanden gemeldet, aber Herrn Pellmann als Leipziger lässt das keine Ruhe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist völlig klar, dass die Linksfraktion.PDS in dieser Debatte, noch dazu, wo es um eine zukunftsträchtige technologische Ansiedlung geht, das Wort nehmen wird. Ich reihe

mich gern in den Chor der bisher aus Leipzig erschienenen Redner ein.

Zu dieser Sache sei zunächst so viel vorangestellt und deutlich gesagt: Ja, wir haben gegenwärtig noch keine klare Situation, wie es mit der Ansiedlung des Zentrums in Leipzig weitergehen soll. Genau deshalb halten wir den Antrag der Bündnisgrünen für hilfreich. Er stellt darauf ab, dass wir nach einem Dreivierteljahr sozusagen die Warnsignale in diesem Landtag aufleuchten lassen wollen und nach Berlin die Botschaft senden: Zusagen – ganz gleich, von welcher Regierung oder Ministerin sie geäußert wurden – müssen von der neuen Regierung eingehalten werden.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sehr richtig!)

Ich füge bewusst hinzu, dass ich gar nicht so skeptisch bin, was Herrn Seehofer betrifft. Wir wissen ja noch gar nicht, ob er Minister wird. Die Bayern sind immer ein bisschen unschlüssig, was die Besetzung von Ministerposten betrifft. Also warten wir erst einmal ab. Was er zum Teil auf sozialpolitischem Gebiet fordert und anregt, lässt mich hoffen, dass er auch hier eine nach vorn weisende soziale Entscheidung treffen wird.

Dennoch meine ich, wir sollten eines auch deutlich machen. Natürlich brauchen wir in Sachsen zukunftsweisende Spitzentechnologien. Sie werden es mir nicht verübeln zu sagen: Wenn sie denn in Leipzig angesiedelt werden, freue ich mich natürlich besonders. Denn das kann ich der Staatsregierung nicht ersparen: Leipzig ist nun gerade in den letzten Jahren von dem Schleifen wichtiger Institutionen nicht verschont worden.

Ich erinnere Sie an die Schließung des Landwirtschaftsmuseums in Markkleeberg. Ich erinnere Sie an das, was auch Kollege Weichert schon zu den landwirtschaftlichen Versuchseinrichtungen gesagt hat. Da werden für viel Geld in Dresden bzw. in Pillnitz neue Investitionen geplant und sozusagen die traditionsreichsten Stätten agrarwissenschaftlicher Forschung in Sachsen geschlossen. Das tragen wir – das wissen Sie – nicht mit.

Ich erinnere Sie auch daran, was sozusagen die Enthauptung der Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen betrifft. Insofern wäre es nur recht und billig, wenn sich das gesamte Haus dafür einsetzt, dass Leipzig diese Institution bekommt und dass der Freistaat selbstverständlich, wie das üblich ist, entsprechende Fördermittel im Sinne der Komplementärfinanzierung ausreicht, damit auch erkennbar ist: Ja, der Freistaat Sachsen will es ebenfalls und er wartet nicht nur auf die Segnungen aus Berlin, ganz gleich unter welchem Minister sie künftig erfolgen sollten.

Insofern, das sage ich gleich an dieser Stelle, lehnen wir den Änderungsantrag der FDP-Fraktion ab.

Wir werden allen Punkten im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen,

(Beifall bei den GRÜNEN)

wenngleich wir – aber das ist nur marginal – anmerken möchten, dass manche Resolutionscharakter tragen. Uns kommt es nicht darauf an, uns geht es um die Botschaft, und darin stimmen wir mit Ihnen überein.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und bei den GRÜNEN)

Für die SPDFraktion Herr Abg. Gerlach. – Er war auch schon einmal in Leipzig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es muss auch einem Nicht-Leipziger erlaubt sein, zu diesem Thema zu reden. Das versuche ich hier.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Natürlich, und da sollten wir uns überhaupt keine Illusionen machen: Wenn durch neue technologische Entwicklungen – und die ganze Energieerzeugung durch Biomasse in der Form, wie sie sich heute darstellt, ist eine neue Entwicklung – Entscheidungen gefällt werden, die besagen, wir brauchen eine neue Einrichtung, die auch Spitzentechnologie und Spitzenwissen erfordert und Neues kreiert, dann sind natürlich Interessen im Vorfeld im Spiel, wo sehr individuelle Forderungen gestellt werden, teilweise derjenigen, die Interesse haben, dort zu arbeiten, vielleicht auch Leitungsfunktionen zu übernehmen, wo örtliche Interessen vorgetragen werden usw. usf. Das alles hat sich bei diesem Institut, das noch gar nicht da ist, abgespielt. Und das ist auch nicht schlimm, weil das das Tägliche ist.

Herr Weichert, Sie möchten, dass wir als Landtag ein klares Signal setzen. Das klare Signal hat mein Vorredner von der CDU schon ganz deutlich gegeben. Wir stimmen dem Antrag in der Form zu, wie er es mit der kleinen Einschränkung gesagt hat. Dass Sie natürlich als Antragseinreicher der Meinung sind, dass man überhaupt nicht gegen irgendwelche Forderungen von Ihnen sein kann, vielleicht im ganzen Leben, das ist Ihr gutes Recht, auch als freier Abgeordneter. Aber anderen sollten Sie das Recht geben, dass diese vielleicht das eine oder andere Bedenken zu dem einen oder anderen Punkt haben.

Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Die Botschaft von uns auch als Koalition ist deutlich: Wir wollen dieses Institut in Sachsen. Wir wollen es, so wie es ursprünglich zugesagt wurde, auch nach Leipzig. Mit diesem klaren Signal sollte der Landtag heute seinen Beschluss fassen.

Ich möchte am Schluss noch eines machen, das werden Sie mir sicherlich zubilligen. Ich möchte im Zusammenhang mit der ganzen Vorgeschichte einen Abgeordneten besonders erwähnen, der inzwischen seine politische Laufbahn beendet hat, der aus meiner Sicht einer von den sehr fleißigen Abgeordneten des Deutschen Bundestages war: Herr Dr. Thalheim, der sich, was dieses Institut

betrifft, sehr ins Zeug gelegt hatte. Das wollte ich an dieser Stelle gern noch loswerden.

Ich bedanke mich bei Ihnen.