Protokoll der Sitzung vom 07.12.2005

Das ist die richtige Richtung, das ist der richtige Anfang; denn die Studiengebühren sind doch nur der Schlussstrich unter ein System sozialer Ungerechtigkeit. Dies stimmt auch. Die Debatte ist, wenn wir sie darauf beschränken, relativ provinziell. Wir müssen über das System als Ganzes sprechen. Sie haben 15 Jahre Bildungspolitik im Lande gemacht, und was haben Sie hervorgebracht? Ein gegliedertes Schulsystem, soziale Selektion und wieder soziale Eliten an den Hochschulen.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Auch unsere Arbeit ist teuer. Selbstverständlich haben innerhalb der Universitäten die Gremien – in diesem Fall Konzil, Senat und andere Gremien – das Recht, so lange zu diskutieren, bis sie die beste Lösung für die Hochschule gefunden haben, und dieses Recht müssen sie behalten. Wir stellen übrigens unsere eigene Gesellschaft infrage, wenn wir dieses System an den Hochschulen infrage stellen.

(Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt: Wir haben freien Zugang zu Kitas!)

Ja, Herr Ministerpräsident, Sie wissen ganz genau, dass Sie hier eine Tradition übernommen haben, die Sie nicht so leicht durchbrechen können. In dieser Frage sind die

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir möchten als Fraktion dazu beitragen, dass sich die Diskussion wieder etwas versachlicht. Ich glaube, es dürfte in diesem Haus Konsens herrschen, dass sich die Bildungschancen nicht zwischen dem Abitur und der Exmatrikulation entscheiden, sondern dass es insbesondere darauf ankommt, dass wir in die frühkindliche Bildung investieren. Dies erfolgt auch im Freistaat Sachsen.

Leute dickschädelig. Sie haben die Vorteile eines kostenlosen Vorschulsystems und eines kostenlosen Kindergartensystems lange genossen. Möglicherweise sogar zu lange, wenn man es sich am Ende womöglich nicht mehr leisten kann. Das kann schon sein.

Sie waren nicht konsequent. Wir haben das letzte Mal über die Kitas debattiert. Sie haben sich letztendlich gescheut, Kindern von arbeitslosen Eltern den gleichen Zugang zu den Kitas zu sichern wie anderen Kindern. Sie haben zurückgeschreckt vor der Konsequenz. Damit ist die Sache schon wieder sozial ungerecht geworden. Wenn das ein Angebot war, hier ernsthaft über Ihre gesamte Schul- und Vorschulpolitik nachzudenken, dann nehmen wir von der Linksfraktion dieses Angebot gern auf.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

In anderen Ländern, meine Damen und Herren, ist es ganz selbstverständlich, dass man als junger Mensch persönlich in seine eigene Bildung investiert. Wir können uns nicht davor verschließen, wie die Entwicklung im europäischen Raum oder in Amerika ist. Es kam vorhin in der Diskussion, dass Alexander von Humboldt 1810 die HumboldtUniversität aufgebaut hat. Das Modell ist ein Exportschlager geworden – und zwar nach Amerika. Leider lernen wir nicht von anderen Bildungssystemen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Sie haben natürlich Recht, dass im Wesentlichen die Universitäten, die Hochschulen und gebührenfreien Studien von denen bezahlt werden, die nicht studieren. Sie werden auch von denen bezahlt, die studiert haben. Insofern gebe ich schon etwas zurück. Wenn Sie davon ausgehen, dass dies alles die besser Verdienenden sind, was meistens stimmt, geben wir auch anteilsmäßig beträchtlich zurück. Da will ich mich gar nicht verweigern. Ich weiß schon, dass es gerade unter diesem System der sozialen Ungerechtigkeit ein Privileg war, studiert zu haben. Es soll kein Privileg sein, aber die Gesellschaft muss schon nachdenken. Dazu sind Sie aufgefordert als Ministerpräsident. Sie sind der Erste, der darüber nachdenken muss: Wie viel sind die Hochschulen der Gesellschaft wert? Wozu braucht die Gesellschaft diese Hochschulen? Ich brauche dazu nicht mehr viel zu sagen. Kollege Weiss hat es gesagt.

Zu dem Thema Studiengebühren, das ja auch ein Thema der Aktuellen Debatte gewesen ist: Ich glaube nicht, dass die Einführung von Studiengebühren zum jetzigen Zeitpunkt dazu führen wird, dass wir bessere Universitäten und Fachhochschulen erreichen. Ich selbst halte ehrenamtlich Vorlesungen an Universitäten und Berufsakademien und weiß aus eigener Erfahrung, was die jungen Leute an den Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien wollen: eine gute Ausbildung, mit der sie auf dem Arbeitsmarkt bestehen können.

Ich hatte es vorhin in meiner ersten Rede erwähnt: Entscheidend wird sein, dass wir den Wissenschafts- und Forschungsstandort Sachsen verbessern, denn letztendlich hängt es davon ab, ob wir unser Wohlstandsniveau weiter beibehalten und vielleicht sogar aufholen können. Deswegen bietet die FDP-Fraktion ausdrücklich an, bei der Neufassung und Reform der sächsischen Hochschullandschaft mitzuarbeiten.

Natürlich sind die Hochschulen keine Professorenrepublik mehr. Aber ich muss Ihnen sagen, schauen Sie sich Ihre Hochschulgesetze an, die Sie seit 1990 gemacht haben. Damals schaute die Professorenrepublik durch alle Nähte. Es war nie Politik der Staatsregierung, Drittelparität zuzulassen. Es war immer Politik der Staatsregierung, die Professorenautorität vor alles andere zu stellen, auch vor die Betroffenenautorität. Wenn Sie daran ernsthaft etwas ändern wollen, bin ich sehr bereit. Demokratie kostet nicht nur Geld, Demokratie kostet auch Zeit. Aber es hat mit schnellen oder langsamen Entscheidungen nichts zu tun, ob ein Konzil mal fünf oder sieben Stunden diskutiert. Dazu muss man sich einfach die Zeit nehmen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion der GRÜNEN hat sich Herr Dr. Gerstenberg gemeldet; bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, ich habe mich vorhin ein wenig gewundert: Sie hatten eine Zwischenfrage, auf die ich geantwortet hatte, zitiert und ich wollte dazu eine Zwischenfrage stellen. Dass das verwehrt wird, hat mich sehr verwundert. Ich habe hier als eher zurückhaltender Mensch gelernt, dass Zwischenfragen zu einer lebendigen Debatte beitragen. Für Zwischenrufe soll dies genauso gelten. Ich denke, auch das sollte weiterhin möglich sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Wer das Konzil abschafft, schafft Demokratie an den Hochschulen ab. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich nehme Ihren Beitrag als Angebot und bin gespannt, wie das hier weitergehen wird.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Gibt es weiteren Redebedarf? – Die FDP-Fraktion; Herr Dr. Schmalfuß, bitte.

In der Sache kann ich Ihnen in einem wichtigen Punkt Zustimmung signalisieren. Unsere Fraktion ist aufs Höchste daran interessiert, dass die Bildungsdebatte hier in Sachsen und im Sächsischen Landtag weitergeführt wird. Sie haben einen ganz wichtigen Punkt angesprochen. Auch wir sehen es so, dass sich Bildungswege sehr frühzeitig entscheiden – Bildungswege in Abhängigkeit von der sozialen Herkunft. Deshalb ist es wichtig, dass wir in diese frühen Phasen investieren und dass die frühkindliche Bildung ausgebaut wird.

Ich frage Sie aber, weshalb wir so etwas nur in Aktuellen Debatten debattieren und weshalb wir es nicht in Gesetze gießen und umsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Wir in diesem Sächsischen Landtag haben in der letzten Plenarwoche ein Kita-Gesetz verabschiedet. Sie hatten die Möglichkeit, die Zugangskriterien der Vergangenheit angehören zu lassen. Das kostet natürlich Geld. Aber wenn man nicht nur debattieren will, wenn man Gesetze machen will, wenn man die Gesellschaft und die Probleme in der Gesellschaft verändern will, dann muss man dieses Geld investieren. Ich frage mich, wieso Sie eine solche Neiddebatte zwischen den schlechter Verdienenden und den besser Verdienenden ins Leben rufen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Natürlich haben Akademiker eher die Chance, ein besseres Gehalt zu haben, als Leute mit einer einfachen Ausbildung. Im Durchschnitt sind es 150 %. Sie zahlen aber höhere Steuern auf Basis dieses Gehaltes. Sie leisten mit ihrer Arbeit den Beitrag, den diese Gesellschaft insgesamt braucht. Ich frage Sie auch: Wieso ist es denn so, dass die Semperoper und das Schauspielhaus von denjenigen mitfinanziert werden, die nicht ins Theater gehen? Wieso ist es denn so, dass Verkehrswege von denjenigen mitfinanziert werden, die kein Auto fahren? Doch ganz einfach deshalb, weil Kultur, Mobilität ebenso wie Bildung, von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse sind und deshalb ein gemeinsam finanziertes Anliegen darstellen. Das kann man nicht persönlich rückrechnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn es so ist, dass die schulischen Bildungschancen, die vorschulische Situation schon sehr unterschiedlich sind, dass wir in dieser frühen Phase einen Ausgleich schaffen müssen, dass wir dort Verbesserungen herbeiführen müssen, dann frage ich Sie: Wieso wollen Sie auf diese Benachteiligung von Kindern, die aus bildungsfernen

Schichten und einfachen Familien kommen, noch eins draufsetzen, indem Sie beim Eingang in das Studium Studiengebühren erheben? Diese Logik erschließt sich mir nicht.

Herr Dr. Gerstenberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Gerstenberg, Sie erwähnten, dass auch die Semperoper im Großen und Ganzen von der Allgemeinheit finanziert wird. Ist Ihnen bewusst, dass man für Eintrittskarten trotzdem etwas bezahlen muss?

Ist Ihnen bewusst, dass die Gelder für diese Eintrittskarten die Kosten nicht annähernd decken? Ansonsten müssen wir gemeinsam in den Landeshaushalt schauen.

(Widerspruch bei der CDU)

Die Frage, die ich vorhin eigentlich stellen wollte, bezieht sich auf die Zwischenfrage von Herrn Herbst. Es ist so, dass Arbeiterkinder in einigen anderen Ländern deutlich bessere Studienmöglichkeiten und damit einen höheren Anteil an den Studierenden haben als in Deutschland. Hängt dies nicht vielleicht maßgeblich damit zusammen, dass in solchen Ländern wie in den USA, in Großbritannien und in Frankreich völlig andere Stipendienmöglichkeiten existieren? Ist es dann nicht so, dass derjenige, der hier Studiengebühren einführen will, von Anfang an über die Einführung von Stipendien sprechen muss? Es verwundert mich zutiefst, dass ich dies in der ganzen Debatte vonseiten der CDU kein einziges Mal gehört habe. Das ist ein Defizit, was wir in der weiteren Debatte noch klären sollten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich kann im Moment keinen Bedarf an weiterer Diskussion erkennen. Wir schließen die Aktuelle Debatte ab und damit auch den Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde.

Angesichts der fortgeschrittenen Zeit schlage ich Ihnen vor, an dieser Stelle in die Mittagspause einzutreten. Wir treffen uns 14 Uhr zu den nächsten Tagesordnungspunkten hier wieder.

(Unterbrechung von 13:01 Uhr bis 14:04 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Weiterbildung in den Gesundheitsfachberufen und Altenpflegeberufen im Freistaat Sachsen

Drucksache 4/3409, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Die Staatsregierung bringt ein. Frau Staatsministerin Orosz, bitte.