Protokoll der Sitzung vom 07.12.2005

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Meine Damen und Herren, deswegen regeln wir in unserem Gesetz zwei Dinge. Zum Ersten haben wir ein sächsi

sches Gewaltpräventions- und -opferschutzgesetz aufgelegt. Das Zweite ist: Wir ändern das Polizeigesetz zur Wegweisung von Tätern aus der häuslichen Wohnung und zur Regelung des Betretungsverbotes für regelmäßige Aufenthaltsorte.

Einiges zu dem ersten Punkt. Zur Verbesserung der Vorbeugung und zum Schutz vor häuslicher Gewalt streben wir Folgendes an: Wir sind der Auffassung – deswegen haben wir das in dem Gesetz festgeschrieben –, dass es um die Gewährung eines Rechtsanspruchs auf Information und Beratung für jede und jeden geht, die oder der von Gewalt bedroht oder betroffen ist. Jeder, der mit diesem Problem zu tun hat, muss wenigstens einen Rechtsanspruch auf Beratung und Information haben.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Das mag simpel klingen. Aber für viele ist das bis heute unklar. Viele Opfer brauchen Hilfestellungen bei der Suche nach Unterbringungs- und Betreuungsmöglichkeiten, bei der Aufklärung über ihre ureigensten Rechte. Dafür wollen wir eine solche Beratung geregelt wissen.

Zweitens. Wir brauchen für die Opfer ein ausreichendes Angebot an flächendeckender und wohnortnaher Beratung. Das ist sehr wichtig. Das muss eine Pflichtaufgabe des Staates und der Kommunen sein.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Diese Pflichtaufgabe ist in diesem Land neu zu regeln. Das heißt auch, bestimmte Mittel zur Verfügung zu stellen.

Drittens. Wir wollen, dass der sächsische Aktionsplan gegen häusliche Gewalt gesetzlich verankert wird. Wir wollen ferner, dass statt eines Lenkungsausschusses, der wenig Kompetenzen und nichts zu sagen hat, eine unabhängige Landesfachstelle eingerichtet wird.

(Interne Gespräche bei der NPD)

Das interessiert die Kollegen der NPD vermutlich gar nicht; das mag sein.

Es ist wichtig, dass man eine solche Fachstelle als beratendes Gremium für die Staatsregierung, für nachgeordnete Behörden und den Landtag hat, um häusliche Gewalt tatsächlich fachgerecht bekämpfen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Neben diesen präventiven Maßnahmen zur Verhütung von Gewalt und neben Interventionsmaßnahmen in Bezug auf Gewalt ändern wir auch das Polizeigesetz. Wir sagen, dass die Wegweisungsdauer von sieben Tagen nicht ausreicht, und wollen sie, wie in den meisten anderen Ländern, auf 14 Tage ausdehnen. Die Koalition sieht das zumindest auf dem Papier ähnlich. Ich will auch sagen, warum. Die Ausdehnung der Wegweisung auf 14 Tage ist deshalb notwendig, weil nach der Zeit, in der die Frauen – in der Regel sind es Frauen – Gewalterfahrungen gemacht haben, das eigene Leben geordnet werden muss, Behördengänge durchzuführen und verschiedenste Ämter aufzusuchen sind. Es sind Fragen zu klären wie: Wie geht

es mit mir weiter? Bleibe ich in der Wohnung? Ziehe ich aus? Gehe ich einen anderen Weg? Dafür ist Zeit nötig; das schafft man nicht in sieben Tagen, schon gar nicht, wenn das Wochenende dazwischen liegt. Insofern sind 14 Tage nicht viel, aber, so denke ich, doch ein wichtiger Schritt nach vorn, um den Frauen und den Kindern helfen zu können.

Man muss wissen, dass viele von Gewalt Betroffene schon eine Menge Anläufe gestartet haben, überhaupt die Polizei ins Haus zu lassen, weil sie Angst vor ihren Partnern haben und häufig unter deren „seelischer Kontrolle“ stehen. Nicht selten gehören Selbstmordgedanken, Panikattacken und körperliche Leiden dazu. Deshalb ist professionelle Beratung zwingend erforderlich.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Um dazu zu kommen, braucht man zunächst einmal Zeit. Man muss erst eine Beratung finden. Das alles ist nicht einfach.

Natürlich weiß ich, dass man in 14 Tagen nicht alles verändern kann. Das ist uns klar. Aber mancher Anlauf ist leichter zu realisieren.

Wichtig ist übrigens – auch dieser Punkt ist in unserem Gesetzentwurf enthalten –, dass die Polizei verpflichtet wird, auf Wunsch der Opfer erste Hilfsangebote zu machen und den Opfern zu sagen, wohin sie sich wenden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns ist bewusst: Allein mit Gesetzen kann man Gewalt im häuslichen Bereich nicht beikommen. Es bedarf der Kraft der gesamten Gesellschaft, Gewalt als Mittel der Konfliktlösung generell zu ächten. Die Opfer häuslicher Gewalt verdienen allerdings mehr als Mitleid. Sie brauchen konkrete Unterstützung, klar geregelte Rechte und den gesellschaftlichen Konsens darüber, dass häusliche Gewalt Menschenrechtsverletzung ist.

Wir bitten um die Überweisung an die Ausschüsse.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Verbesserung der Prävention und des Schutzes vor häuslicher Gewalt in Sachsen an den Innenausschuss – federführend –, den Haushalts- und Finanzausschuss, den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend und den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss zu überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung an diese Ausschüsse zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Gibt es gegenteilige Meinungen? – Eine. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Überweisung beschlossen.

Wir können Tagesordnungspunkt 6 beenden.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 7

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer „Stiftung Sächsische Behindertenselbsthilfe – Otto Perl“

Drucksache 4/3545, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums zu einer allgemeinen Aussprache vor. Daher spricht nur die Einreicherin, die Staatsregierung. Frau Ministerin Orosz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Freistaat Sachsen hat im Jahre 1993 die „Stiftung Sächsische Behindertenselbsthilfe – Otto Perl“ als rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts errichtet. Ziel der Stiftung ist es, die Selbsthilfe von Menschen mit Behinderungen zu unterstützen und auch durch finanzielle Hilfe zu fördern.

Zu den wichtigsten Leistungen der Stiftung gehören die Hilfe für Menschen mit Behinderungen durch einmalige Geldleistungen zur Überwindung persönlicher Notlagen sowie die Förderung des Erlernens der Gebärdensprache und des Einsatzes von Dolmetschern für Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen. Hierfür unterstützt die Stiftung unter anderem die Landesdolmetscherzentrale in Zwickau und finanziert einen Ausbildungsgang zum Gebärdensprachdolmetscher an der Westsächsischen Hochschule, ebenfalls in Zwickau. Weiterhin gehören dazu die Förderung von drei Beratungsstellen für barrierefreies Bauen in Chemnitz, Dresden und Leipzig, die Förderung von Vorhaben der Erwachsenenbildung für schwer geistig und mehrfach behinderte Menschen und die Unterstützung von Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung. Darüber hinaus fördert die Stiftung zum Beispiel das Landeshilfsmittelzentrum des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Sachsen e. V.

Meine Damen und Herren! Die Otto-Perl-Stiftung hat sich damit zu einer wichtigen Institution im Freistaat Sachsen entwickelt, die seit nunmehr zwölf Jahren Menschen mit Behinderungen bei der Bewältigung ihres Alltags konkret hilft. In den letzten drei Jahren hat die Stiftung Leistungen in Höhe von jeweils etwa einer Million Euro pro Jahr ausgereicht.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird das Gesetz zur Errichtung der Stiftung erstmals inhaltlich geändert. Kernstück der Novellierung ist dabei der neu gefasste § 10 des Gesetzes zur Errichtung einer „Stiftung Sächsische Behindertenselbsthilfe – Otto Perl“. Damit soll der Stiftung ermöglicht werden, künftig die Erledigung ihrer Geschäfte selbst zu übernehmen oder diese auf einen Dritten, zum Beispiel die “Stiftung Hilfe für Familien, Mutter und Kind“, zu übertragen. Anlass dieser Novellierung war der Jahresbericht des Sächsischen Rechnungshofes 2002. Darin – wenn ich daran erinnern darf – kritisierte der Rechnungshof unter anderem die vollständige

Wahrnehmung nahezu sämtlicher Stiftungsaufgaben durch das Landesamt für Familie und Soziales. Der Sächsische Rechnungshof empfahl uns, zur Wahrung der Eigenständigkeit der Stiftung die Geschäftsstelle aus dem Geschäftsbereich des SMS auszugliedern. Dem soll mit der Neufassung von § 10 des Gesetzes auch für die OttoPerl-Stiftung Rechnung getragen werden. Zugleich wird damit einem entsprechenden Auftrag des Haushalts- und Finanzausschusses des 3. Sächsischen Landtages entsprochen.

Die Ausgliederung der Geschäftsstelle aus dem Geschäftsbereich des Sozialministeriums bedeutet aber nicht, dass sich der Freistaat aus der Finanzierung der Personal- und Sachausgaben vollständig zurückzieht. Der Freistaat Sachsen wird sich auch weiterhin an den Verwaltungskosten der Stiftung beteiligen. Das ist in dem neu gefassten § 10 des Gesetzes ausdrücklich vorgesehen.

Gestatten Sie mir aber eine Anmerkung. Angesichts eines Stiftungsvermögens von mehr als 17 Millionen Euro halte ich es für vertretbar, wenn im Gesetz nicht mehr die Vollfinanzierung der Verwaltungskosten der Stiftung durch den Staat garantiert wird.

Die zweite wichtige Änderung stellt die Aufnahme des Beauftragten der Staatsregierung für Belange von Menschen mit Behinderung in den Stiftungsrat dar.

Schließlich sieht der Gesetzentwurf noch eine Änderung des Gesetzes zur Errichtung der Sondervermögensausgleichsabgabe nach dem Schwerbehindertengesetz vor. Es handelt sich dabei aber lediglich um Änderungen redaktioneller Art, die aufgrund der Ablösung des Schwerbehindertengesetzes durch das IX. Buch Sozialgesetzbuch erforderlich geworden sind.

Meine Damen und Herren, ich bitte, den vorgelegten Gesetzentwurf zur Beratung an die Ausschüsse zu überweisen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das wollen wir dann auch tun. Das Präsidium schlägt Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, vor, den Entwurf zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer „Stiftung Sächsischer Behindertenselbsthilfe – Otto Perl“ an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend – federführend – und an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist

nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? – Es gibt auch keine Stimmenthaltungen. Damit ist die Überweisung beschlossen und Tagesordnungspunkt 7 beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

1. Lesung des Entwurfs Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Wahlen zum Sächsischen Landtag

Drucksache 4/3549, Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die Einreicherin, die Linksfraktion.PDS. Herr Abg. Bartl, bitte.