Protokoll der Sitzung vom 07.12.2005

Erstens. Da ist zunächst eine ausführliche Beschreibung des Status quo: Welche ÖPNV-Leistungen werden wo zu welchem Preis bereitgestellt und wie werden diese Leistungen vom Bürger angenommen?

Zweitens sollten wir durchaus einen Blick in andere Bundesländer werfen, um einschätzen zu können, wie wir bei Angebot, Kosten und Nachfrage liegen.

Zum Dritten erwarte ich von dieser Konzeption klare Prioritäten, wie auch bei rückläufigen Zuschüssen ein attraktiver Personennahverkehr gewährleistet werden kann. Staatsminister Jurk hat eine Möglichkeit bereits angedeutet, nämlich, auf nur gering ausgelastete Eisenbahnstrecken zu verzichten und auf diesen Verbindungen Busse einzusetzen. Dies ist uns auch in Gesprächen mit den Zweckverbänden als eine vernünftige und sinnvolle Alternative immer wieder genannt worden.

Sicher gibt es eine ganze Reihe von Vorschlägen, auch unter erschwerten Rahmenbedingungen das angestrebte Ziel zu erreichen. Prozessoptimierung nennt man so etwas im Wirtschaftsleben, und ich denke, dies kann für ÖPNV und SPNV auch in Anspruch genommen werden.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Herr Lichdi, bitte.

Offensichtlich wissen Sie da schon mehr als das Haus. Können Sie mitteilen, welche Strecken Ihrer Ansicht nach so wenig ausgelastet sind, dass sie „streichbar“ wären?

Das soll untersucht werden. Dazu wollen wir Angaben haben.

Ich appelliere daher an die Staatsregierung, sich möglichst bald zusammen mit den Zweckverbänden und den sie tragenden Kommunen auf ein Konzept zu verständigen. Vielleicht hat die aus Berlin hierher geschwappte Debatte dazu einen gewissen Beschleunigungseffekt gebracht. Sachsen hat in der Vergangenheit überdurchschnittlich viel in den ÖPNV investiert. Das wissen Sie auch, Herr Lichdi. Wir haben uns vorige Woche mit der Gruppe Bauen gerade in Leipzig einiges angesehen. Denken Sie an die S-Bahnnetze in Leipzig und Dresden, die modernen Straßenbahnen und Busse in Land und Stadt, Umsteigebahnhöfe, moderne Haltestellen usw. usf.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Seien Sie versichert, dass wir als CDU-Fraktion alles daransetzen werden, auch künftig ein breites Angebot an öffentlichem Personennahverkehr zu erhalten. Gerade in Zeiten drastisch steigender Energiepreise ist das auf jeden Fall ein unverzichtbares Vorhaben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Dr. Simone Raatz, SPD)

Die SPD-Fraktion, bitte; Frau Dr. Raatz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Frau Runge hat, wie mein Kollege Prof. Bolick bereits darlegte, ein Horrorszenario entworfen und zum Beispiel mit Zahlen von einem Verlust von 6 000 Arbeitsplätzen agiert. Man fragt sich: Woher stammen die Zahlen und woher stammt die Information über die verschiedenen Kürzungen?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gibt es jetzt schon eine Frage, bevor ich überhaupt richtig losgelegt habe? – Bitte.

Bitte, Herr Lichdi.

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Ist Ihnen bekannt, dass die Zahl 6 000 von der Gewerkschaft Transnet in den Raum gestellt wurde? Ich ging bisher eigentlich davon aus, dass es noch einen gewissen Kontakt zwischen der Gewerkschaft und der SPD gibt. – Vielen Dank.

Das war keine Zwischenfrage.

Die Frage dahinter habe ich nicht verstanden; ich gehe aber gleich darauf ein. Es ist prinzipiell so, Herr Lichdi: Die Informationen, die Sie hier vom Deutschen Landkreistag vorgetragen haben, stammen sicher daher, dass von einer Revision der Regionalisierungsmittel 2007 gesprochen wird – und das nicht

erst seit heute, sondern seit vielen Jahren –, und es ist klar, dass es eine Revision der Regionalisierungsmittel geben wird, und zwar im Jahr 2007. Daraus abzuleiten, es finde eine Kürzung statt, ist zu kurz gegriffen, und das muss man auch nicht herbeireden. Darum geht es doch im Moment.

Warum führen wir diese Debatte? Dabei gehe ich auf die Dinge ein, die auch hier erwähnt wurden. Es gab am 22.11. dieses Jahres eine Pressemitteilung. In dieser stand, die Koalition in Berlin habe sich auf eine Verminderung der Regionalisierungsmittel um 350 Millionen Euro geeinigt. – Wie kommt man auf diese Summe? Wo hat man sich geeinigt? Fragt man bei der Koalition in Berlin nach, sagen alle: Kein Mensch hat das geäußert. Woher stammt diese Summe? Wenn man diese Zahl in den Raum stellt, wären das für Sachsen theoretisch etwa 25 Millionen Euro, die im nächsten Jahr weniger zur Verfügung stehen würden.

Die Allianz Pro Schiene hat noch andere Zahlen, es wurde gerade von Herrn Lichdi gesagt. Die erwarteten prozentualen Kürzungen der Regionalisierungsmittel sollen 2007 15 % und bis 2009 sogar 30 % betragen. Dies würde für Sachsen einen jährlichen Verlust von 75 Millionen Euro bedeuten. Wir haben also jetzt eine Spanne von 25 bis 75 Millionen Euro, und niemand kann einem sagen, welche Zahl stimmt und woher diese Informationen kommen. Jeder macht irgendetwas daraus, so wie Sie im Endeffekt zu dem Schluss gelangen, das koste auf jeden Fall 6 000 Arbeitsplätze. Dabei würde mich interessieren: Haben Sie hierfür die 25 Millionen Euro und die 75 Millionen Euro genommen?

Ich denke, dass es schade ist, wenn wir uns hier im Landtag nur auf Pressemitteilungen beziehen und keine anderen Fakten zur Verfügung haben, um eine Aktuelle Debatte zu führen; auch wenn in den Mitteilungen zum Teil Wahrheit, aber teilweise auch nicht unbedingt sachlich Fundiertes steht. Hier bin ich auch ein wenig von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN enttäuscht. Von der Linksfraktion.PDS sind wir so etwas gewöhnt: ein bisschen populistisch sein und auch einmal ein Horrorszenario aufzeigen. Von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bin ich bisher anderes gewohnt, darum höre ich jetzt von Herrn Lichdi bestimmt eine Antwort darauf.

Herr Lichdi, bitte eine Zwischenfrage, keine Antwort.

Frau Kollegin Raatz, ist Ihnen die „Sächsische Zeitung“ vom 24.11. mit folgendem Zitat bekannt: „2006 soll dieser Betrag laut Steffen Kampeter, dem haushaltspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, um 5 % oder 350 Millionen Euro“ – die Zahl, die Sie nannten – „gekürzt werden.“? In demselben Artikel heißt es weiter unten: „Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) lehnt das Vorhaben vehement ab.“ – Ist Ihnen das bekannt?

Wollen Sie mir hier tatsächlich allen Ernstes erzählen, dass es reine Spekulationen sind, wenn Ihr stellvertreten

der Parteivorsitzender es für nötig befindet, sich vehement dagegen zu stellen, und wenn sich Herr Kampeter in der Presse, ohne dass es bisher widerrufen wurde – jedenfalls nach meiner Kenntnis –, dazu äußert? – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Nach meinem Kenntnisstand ist es so, wie Sie es soeben dargestellt haben. Diese Zahlen – ich habe sie auch genannt – sind von irgendjemandem irgendwo in einer Diskussion geäußert worden. Sie haben keine fundierte Grundlage und es ist Spekulation. Über Spekulationen spreche ich in solch einer Debatte nicht sehr gern. Deshalb schauen wir uns jetzt die Fakten an.

Der Berliner Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD enthält keine Aussagen über mögliche Kürzungen der Bundeszuschüsse für den öffentlichen Personennahverkehr. Das ist erst einmal Fakt. Vielmehr stellt der Koalitionsvertrag klar, dass der ÖPNV weiterhin mit einem ausreichenden Finanzierungsbetrag auf hohem Niveau gefördert wird – eine Aussage, an der wir uns orientieren werden und müssen. Im Übrigen bedarf ein solcher Beschluss – nämlich die Kürzung der Regionalisierungsmittel – der Zustimmung des Bundesrates. Mich wundert Ihre Aussage, Frau Runge, dass alle Ministerpräsidenten dieser Kürzung zugestimmt hätten.

Ich kann mir in keiner Weise vorstellen, dass einer, der ganz bei Trost ist, dieser Kürzung zustimmen würde, ohne dass ein Grund vorliegen würde, und dass er sagt: Ich muss diesen Beschluss tätigen, sonst passiert dies oder jenes! Das kenne ich nicht. Ich habe im Gegenteil die Information, dass fast alle Bundesländer sich dahin gehend positioniert haben – auch unser Staatsminister Herr Jurk; er wird dies sicher hier darlegen –, dass sie solch einem Beschluss nicht zustimmen werden. Das ist meine Information. Ich habe mich mit dem Staatsminister im Vorfeld noch einmal unterhalten – an solchen Fakten orientiere ich mich. Wie gesagt, zu berücksichtigen ist auch, dass der Bund die Regionalisierungsmittel bis 2006 festgeschrieben hat. Das heißt, 2006 passiert nichts.

Natürlich – es stimmt und das habe ich auch schon gesagt – erfolgt 2007 die planmäßige Revision der Regionalisierungsmittel; das ist so. Was dabei herauskommt, werden wir sehen. Auf diesen Zeitpunkt müssen wir nun unser Augenmerk richten und erreichen, dass bei uns in Sachsen weiterhin ein attraktiver ÖPNV gewährleistet wird. Die diesbezügliche Position der SPD ist klar. Die Länder sind im Zuge der Bahnreform mit Regionalisierungsmitteln ausgestattet worden. Das heißt, mit der Übertragung von Aufgaben von der Bundes- auf die Länderebene erfolgte auch die Übertragung der Finanzmittel. Damit bestellen die Länder nun die Verkehrsleistung, die sie für einen attraktiven ÖPNV für notwendig erachten. So ist es.

Für uns zählt der ÖPNV zur Daseinsvorsorge und er muss entsprechend finanziell ausgestattet sein. Die Finanzierungsverantwortung für diese Verkehre liegt letztendlich beim Bund. Daher erhalten wir diese Mittel. Unstrittig ist,

dass durch eine weitere Optimierung des ÖPNVAngebotes finanzielle Mittel eingespart werden können. Beispielsweise – Herr Prof. Bolick ist kurz darauf eingegangen – können sicherlich schwach nachgefragte SPNVLeistungen durch kostengünstigere Busleistungen ersetzt werden. Es kam die Frage von Herrn Lichdi: Welche Strecken sind das? Diese Frage ist sicherlich berechtigt.

Es war in einer Veranstaltung vor einigen Monaten davon die Rede, eine Obergrenze von 1 000 zu befördernden Personen pro Tag festzulegen. Ich glaube, daran macht sich fest, welche Strecken da nicht hineinfallen. Trotzdem muss man schauen, wie viel vorher investiert wurde. Sind es Strecken, die der Landesregierung wichtig sind? Dazu gehört – was wir einfordern und was wir sicherlich Anfang des nächsten Jahres vorgelegt bekommen – eine ordentliche SPNV-/ÖPNV-Konzeption, in der genau festgelegt sein muss, welche Strecken für Sachsen wichtig sind, welche Strecken weiter ausgebaut werden und wo wir uns bemühen müssen, dass mehr Leute hinzukommen. Es kann uns alle nicht zufrieden stimmen, wenn wir irgendwo an Bahnschranken stehen, wo Züge vorbeifahren, in denen niemand sitzt. Das geht nicht. Wer soll das bezahlen? Das eine oder andere muss kritisch unter die Lupe genommen werden.

Zuversichtlich stimmt mich, dass zum kommenden Fahrplanwechsel am 11. Dezember 2005 die Trassenpreise für die Nutzung der Schiene um durchschnittlich 0,6 % gesenkt werden. Ich denke, dass in diesem Bereich eine effektivere Mittelverwendung, auch in anderen Bereichen noch, möglich sein wird.

Nicht zulassen können wir jedoch – hierin gebe ich den Antragstellern Recht –, dass ab dem Jahr 2007, wenn die Revision erfolgen soll, mögliche Mittelkürzungen umgelegt werden sollten durch Fahrpreiserhöhungen, Ausdünnen von Fahrplänen etc. – all das, was Frau Runge dargestellt hat, was passieren könnte, wenn dies und jenes geschieht. Dem müssen wir mit einer ordentlichen Verkehrs- und Finanzpolitik entgegentreten.

Sehr geehrte Abgeordnete! Damit möchte ich zum Abschluss kommen. Fakt ist, dass die Regionalisierungsmittel für 2006 festgeschrieben sind. Wir müssen aufpassen, dass die anstehende Revision der Regionalisierungsmittel ab dem Jahr 2007 nicht zulasten der Bundesländer – also auch nicht zulasten unseres Freistaates – geht.

Wichtig ist aber: Zweckentfremdung der Regionalisierungsmittel wie zum Beispiel die Verwendung für Schülerverkehr sollte durch die betroffenen Bundesländer abgestellt werden. Herr Lichdi, Sie sind darauf eingegangen. Es stimmt. Ich weiß es auch nicht mehr: War es 2000, war es 2001? Da haben wir es deutlich gemacht. Im vorletzten Doppelhaushalt haben wir festgestellt, dass dort eine Zweckentfremdung erfolgte. Diese Zweckentfremdung erfolgte im letzten Doppelhaushalt nicht. In diesem sieht es wieder etwas anders aus. Schauen Sie sich die Haushalte einmal an. Diesbezüglich ist eine kleine Bewegung drin. Diese Dinge müssen wir in Sachsen noch einmal analysieren, damit wir dann bei der Revision noch

gut dastehen und sagen können: Wo wollt ihr uns noch etwas streichen? Wir haben die Verantwortung für die Verkehre übernommen, wir betreiben die Verkehre, wir bestellen die Verkehre. Dafür erhalten wir entsprechendes Geld.

Wenn der Bund nach der Revision wirklich entscheidend eingreifen würde, wäre ich der Meinung, er soll die Aufgabe zurücknehmen. Dann muss er die Bestellung übernehmen. Denn wir als Länder haben die Aufgabe vom Bund erhalten und im Endeffekt sind dazu die entsprechenden Mittel notwendig. Ich denke, im Großen und Ganzen gehen wir in Sachsen damit sehr verantwortungsvoll um.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die NPDFraktion. Herr Abg. Delle, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Diskussion wundert mich doch ein bisschen. Wenn der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion etwas sagt, denke ich doch, dass man dies für bare Münze nehmen darf; denn einfach aus der Nase ziehen würde er sich so etwas nicht. Wenn es im Augenblick noch nicht hundertprozentig feststeht, dass solch eine Regionalisierungsmittelkürzung kommen wird, möchte ich daran erinnern, dass die CDU im Bundestagswahlkampf von 2 % Mehrwertsteuererhöhung gesprochen hat, die SPD ein halbes Jahr davon gesprochen hat, überhaupt keine Mehrwertsteuererhöhung zu machen, und heraus kamen dabei 3 %. – So viel zum Thema Glaubwürdigkeit der Aussagen in Berlin und natürlich hier im Hause. Ich möchte deshalb einfach so tun, als ob es beschlossen wäre, und hellseherisch ein paar Worte dazu sagen.

Bereits bei der Debatte über den Doppelhaushalt, in der die Diskussion über mehr Ausgewogenheit in diversen Verkehrsträgern geführt und ebenfalls von den Antragstellern eine Ausweitung des SPNV und ÖPNV gefordert und finanziell entsprechend umgesetzt werden sollte, stimmte zumindest hinsichtlich eines Änderungsantrages im Einzelplan 07 die NPD-Fraktion mit einer der Antragstellerinnen; und so darf es Sie nicht verwundern, wenn wir, obwohl wir heute gehört haben, es sei nichts in Planung, den Anträgen zustimmen werden.

Meine Damen und Herren! In der „Lausitzer Rundschau“ vom 29.11.2005 wird der Chef des Zentralen Verkehrsverbundes Oberlausitz-Niederschlesien ZVON, Herr Georg Janetzky, zu den Plänen der Berliner Koalition – er scheint auch etwas gehört zu haben entgegen den Beteuerungen des Ministers Jurk usw. – mit den Worten zitiert: „Wenn die Mittel bis 2009 tatsächlich um 30 % zurückgefahren werden sollten, dann können wir den Regionalverkehr dicht machen.“ Das heißt, Janetzky hält die notwendigen Tariferhöhungen für derart ausgeschlossen und nicht umsetzbar, dass er – ich möchte es bewusst krass