Protokoll der Sitzung vom 08.12.2005

Ich will Ihnen nur noch drei Dinge mit auf den Weg geben. Der Standpunkt der Linksfraktion.PDS wird ganz klar bleiben, dass wir darauf beharren, dass die 2,5 Milliarden Euro Nettoentlastung, die für die Kommunen versprochen waren, auch wirklich eintreten. Unsere Bundestagsfraktion hat auch einen Antrag mit ins Verfah

ren gebracht, dass die 34,4 %, die vom Deutschen Landkreistag gefordert wurden, auch eintreten. Die 29,1 % sind eindeutig zu wenig. Wir werden weiterhin dazu stehen, dass die tatsächlichen Be- und Entlastungen zur Grundlage für die finanziellen Zuweisungen an die Kommunen genommen werden.

Vielen Dank. Bis dahin.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die SPD-Fraktion ist an der Reihe. – Sie hat keinen Redebedarf. Ich erteile der NPD-Fraktion das Wort. Herr Abg. Leichsenring.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde einen anderen Weg gehen als der Abg. Scheel, der alles noch einmal wiederholt hat, was schon gesagt wurde.

(Widerspruch des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Das werde ich auch so beibehalten, Herr Prof. Porsch, natürlich nur mit Ihrer Genehmigung.

Der Antrag ist schon einmal im Dresdner Stadtrat beraten worden, wie wir heute herausgefunden haben. Wir haben also alle Argumente dafür und dagegen gehört: die Sache mit den unterschiedlichen Durchschnittsmieten, mit der asymmetrischen Hartz-IV-Empfängerstruktur und auch mit den unterschiedlichen Anteilen, was die Sozialhilfeempfänger, die Arbeitslosenhilfeempfänger und die Größe der Bedarfsgemeinschaften betrifft. Ich denke, die Argumente sind ausgetauscht und man braucht nicht lange über dieses Thema zu debattieren.

Grundsätzlich gilt für meine Fraktion allerdings, dass die Hartz-Gesetze an sich nicht durch das Drehen an diversen kleinen Minischräubchen verbessert werden können. Sie sind trotz aller marginalen Änderungen nach wie vor der größte sozialreformerische Flop in der Geschichte der Bundesrepublik. Wir sind damit derselben Meinung wie Thomas Straubhaar, der Präsident des Hamburger Weltwirtschaftsarchivs, der unlängst in den „Lübecker Nachrichten“ äußerte, dass sich Hartz IV als falscher und beinahe schon zynischer Weg erwiesen habe, da damit Arbeitslosigkeit bestraft, aber keine neuen Stellen geschaffen würden. Deshalb, meine Damen und Herren – wir haben es oft genug gesagt und gefordert –, muss Hartz IV als solches weg.

Dem Antrag können wir zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Da schau her!)

Die FDP-Fraktion ist an der Reihe. Frau Schütz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ersetzt durch

einen von ihr selbst gestellten Änderungsantrag, sieht neben der Berichtsgabe zu unterschiedlichen Mietniveaus im Freistaat Sachsen unter Punkt 2 vor, dass bei der Weitergabe der Wohngeldeinsparungen des Landes und der Weiterleitung der Hartz-IV-SoBEZs an die sächsischen Kommunen deren tatsächlich gezahlten Unterkunftskosten berücksichtigt werden sollen.

Die Rechtsverordnung sieht, wie gesagt, bisher nur die durchschnittlichen Unterkunftskosten vor. Zu diesem Thema sind die Zahlen mittlerweile insoweit bekannt, die durchschnittlichen Ausgaben für die Kosten der Unterkunft im Freistaat rund 240 Euro pro Monat betragen. In den größeren Städten unseres Freistaates sind sie jedoch wesentlich höher, zum Beispiel in Dresden mit rund 300 Euro, in Görlitz mit zirka 260 bis 270 Euro.

Der bestehende Auszahlungsmechanismus des Finanzministeriums benachteiligt somit die großen Städte im Lande. Hier wird sozusagen über die Hintertür politisch lieb Kind mit dem ländlichen Raum gemacht. Aus welchem Grund auch immer. Dies passiert, wie Sie wissen, nicht zum ersten Mal. Im Rahmen der Diskussion zum Finanzausgleichsgesetz 2005/2006 hatten wir im Frühjahr bereits eine ähnliche Diskussion. Da gab es ein wissenschaftliches Gutachten, das eindeutige Aussagen zum Anpassungsbedarf des Hauptansatzes der sieben Kreisfreien Städte machte. Während das Gutachten insgesamt umgesetzt wurde, sollte es jedoch in dem einen Punkt plötzlich nicht mehr gelten.

Zur Begründung hieß es damals, die Zahlen seien noch nicht belastbar. Die schwache Datenbasis ist aktuell aber eben auch das Hauptproblem bei Hartz IV. Insofern ist es schon sehr verwunderlich, dass erneut Pflöcke zulasten der großen Städte eingeschlagen werden. Wie beim Finanzausgleichsgesetz ist auch die Begründung der Staatsregierung zur Nettobelastungsermittlungsverordnung sehr dünn. Da heißt es in der schriftlichen Stellungnahme zum Antrag der GRÜNEN, dass – ich zitiere – „in den Ballungsräumen in der Regel auch stärkere Entlastungswirkungen durch die Hartz-IV-Reform eintreten, da hier mehr Sozialhilfeempfänger leben als im ländlichen Raum“.

Diese Aussage dürfte wohl kaum mit den Oberbürgermeistern der großen Städte in unserem Freistaat abgestimmt sein. Sie widerspricht auch der Beantwortung der Kleinen Anfrage des Kollegen Dr. Friedrich. Frau Staatsministerin Orosz nennt darin hochgerechnet für das gesamte Jahr 2005 vorläufige Zahlen einer Sondererhebung des Sächsischen Landkreistages und des Sächsischen Städte- und Gemeindetages zu den finanziellen Auswirkungen von Hartz IV. Danach stehen vor Sonderentlastungen, über deren Verteilung wir heute hier sprechen, die großen Verlierer auf kommunaler Seite schon heute fest.

Die Zahlen, die vielleicht interessant sind: Für Dresden ergibt sich damit ein Minusbetrag von 25,8 Millionen Euro, Chemnitz steht mit 22,7 Millionen Euro zur Debatte, Leipzig immer noch mit 22,2 Millionen Euro und auch

Görlitz – das sei an dieser Stelle gesagt – mit 9,1 Millionen Euro.

Es sind also doch die Ballungsräume, die die Verlierer von Hartz IV sind. Diese Unwucht dürfte mit der bestehenden Verordnung der Staatsregierung noch verschärft werden. In der Stellungnahme der Staatsregierung heißt es weiter – ich zitiere –, dass „das Ministerium der Finanzen und das Sozialministerium prüfen, ob sich im weiteren Verlauf vertiefte Erkenntnisse ergeben, inwieweit die Höhe der Kosten der Unterkunft je Bedarfsgemeinschaft selbst steuerbar ist“.

Die Steuerungsfunktion ist in der Tat der entscheidende Punkt der Verordnung. Wenn man, wie die Antragsteller, die tatsächlichen Unterkunftskosten ansetzen würde, bestünde zunächst keine Anreizwirkung, die Ausgaben der Kosten der Unterkunft tatsächlich zu senken. Andererseits geht auch die Verordnung der Staatsregierung etwas blauäugig an die Sache heran. Wenn, wie zum Beispiel in Dresden – Herr Rohwer hat das Beispiel genannt –, die Unterkunftskosten 300 Euro pro Monat und Bedarfsgemeinschaft betragen, das Land jedoch, wie gesagt, nur 240 Euro ersetzt, könnte man zum Beispiel in Dresden nach der Denkweise der Staatsregierung theoretisch die Angemessenheitsgrenze von derzeit 4,35 Euro je Quadratmeter senken. Das wären, nach dem einfachen Dreisatz gerechnet, rund 3,50 Euro je Quadratmeter.

Wo dieser Wohnraum für 3,50 Euro in Dresden allerdings zu finden sein soll, bleibt dabei schleierhaft. Es passt zudem auch nicht in die Förderkulisse des Freistaates, die im Rahmen des Stadtumbaus Ost Bundes- und Landesmittel zur Verfügung stellt, um gerade in den großen Städten billigen Plattenwohnraum, vorrangig in den Randlagen, abzureißen.

Das sind die Probleme dabei. Der Sonderlastenausgleich ist eben nur ein Baustein des gesamten Hartz-IVKomplexes. Zu diesem Komplex gibt es aber immer noch keine statistisch abgesicherten Daten. Diese sollten, bereits unterteilt nach den einzelnen Kommunen, von der Staatsregierung aufgrund eines Antrages unserer Fraktion, dem das letzte Plenum auch zugestimmt hat, geliefert werden. Der Berichtsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird diese Datenbasis jetzt offensichtlich noch ergänzen. Wir werden also dem Schnellschuss der Staatsregierung mit einer fundierten Datenerhebung eine weitere Diskussionsgrundlage geben.

Aufgrund des ersetzenden Änderungsantrages stimmen wir dem Antrag daher zu.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Ich frage, ob von der Staatsregierung jemand sprechen möchte. – Herr Staatsminister Dr. Metz, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Drei Punkte möchte ich anmerken.

Als Erstes zu Herrn Scheel: Herr Scheel, Sie haben richtigerweise die Ausführungen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN korrigiert. Aber ich muss leider feststellen: Ich muss auch Sie korrigieren. – Sie hatten die Wohngeldentlastung des Landes angesprochen. Wir haben 50 Millionen Euro in diesem Jahr an die Kommunen gegeben. Wie Sie wissen, sind wir durch Bundesrecht gesetzlich verpflichtet, bis zum 31.12.2007 diese Wohngeldentlastung weiterzugeben. Dazu fassen wir allerdings morgen einen Beschluss. Man muss ja nicht alles auf einmal tun, man kann es auch portionsweise tun. Das will ich zu Ihren Ausführungen anmerken. Insofern geht den Kommunen kein Geld verloren, sondern die Kommunen bekommen selbstverständlich das Geld, um das der Freistaat entlastet worden ist.

Das Zweite, was ich sagen möchte: Herr Rohwer hat hier Ausführungen gemacht, dass heute der Koalitionsausschuss der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion den Beschluss gefasst hat, dass die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft mit dem für 2005 geltenden Prozentsatz von 29,1 % – das hinterfragten Sie auch etwas, Herr Scheel – für 2006 verlängert wird. Sie stellten das noch etwas infrage, ich will das ganz klar sagen.

Der dritte Punkt, den ich anmerken möchte: Ich gebe meine Rede zu Protokoll. – Danke sehr.

(Beifall bei der CDU und den Abg. Martin Dulig, SPD, und Torsten Herbst, FDP)

Es gab noch Redebedarf bei der Linksfraktion.PDS. Frau Abg. Dr. Ernst.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das war natürlich keine Antwort, was wir vom Finanzminister erhalten haben. Aber es scheint ihn auch nicht sonderlich zu interessieren.

(Staatsminister Dr. Horst Metz: Doch!)

Ich spreche als Stadträtin von Dresden und will Ihnen einmal sagen, was mich hier nervt. Zum einen: Dass die Fraktion der GRÜNEN tatsächlich einen so wichtigen Antrag zurückgenommen hat,

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

ist wirklich sehr schlimm – was Sie im Stadtrat nicht gemacht haben.

Das Zweite, was ich Ihnen sagen wollte: Wir haben im Stadtrat einstimmig einen Antrag beschlossen.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Das war ja unser Antrag im Stadtrat.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Ja, natürlich. Frau Hermenau, Sie haben ein Problem. Okay. – Wir haben im Stadtrat einen einstimmigen Beschluss gefasst – hören Sie doch erst mal zu! – mit der CDU und mit der FDP,

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den anderen Fraktionen auch. Dieser einstimmige Beschluss beinhaltet eine Forderung: dass die Landeshauptstadt aufgefordert ist, sich an die Staatsregierung zu wenden, was sie auch tut, dass sie diese Nettobelastungsermittlungsverordnung so, wie sie ist, zurücknimmt und eine überarbeitete Fassung auf den Tisch kommt. Ich denke, das ist auch wirklich wichtig. Es gibt in Dresden für 3,50 Euro pro Quadratmeter Durchschnittsmiete keine Wohnung. Man soll mir eine solche zeigen. Man muss nur einmal in den Mietspiegel schauen. Die findet man nicht.

Wir haben eine Minusbelastung in Dresden von 20 Millionen aufgrund der fehlenden Finanzierung aus dem Land – 20 Millionen, die wir jetzt als Dresdner aus der Gewerbesteuererhöhung und aus dem Sozialamt heraus tätigen. Das sind Mittel, die wir zusätzlich einstellen müssen, nur weil das Land nicht entsprechend zahlt.

Ich will Ihnen sagen, was wir noch beschlossen haben; vielleicht interessiert Sie das. Wir haben in Dresden zwei Möglichkeiten: Entweder senken wir die Kosten der Unterkunft – das kann man machen, natürlich zulasten der Betroffenen – oder wir verschulden uns weiter bzw. kürzen in Bereichen, die uns ganz wichtig sind, und das sind sehr viele. Alle Kommunen, denke ich, sind schon anderweitig in einer schwierigen Situation.