Protokoll der Sitzung vom 08.12.2005

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Schiemann, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, dass mein Vorredner gerade

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: … die Wahrheit gesagt hat!)

die kriminellen Handlungen in der Wirtschaft, aktuell in der Lebensmittelindustrie, die öffentlich gemacht worden sind, mit dem von seiner Fraktion eingebrachten Gesetzentwurf in Verbindung gebracht hat. Das verwundert mich ein wenig. Eines will ich für die CDU-Fraktion deutlich sagen: Kriminelles Handeln in der Wirtschaft muss auf das Schärfste bekämpft werden. Das ist selbstredend.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Kriminelles Handeln in der Lebensmittelwirtschaft muss völlig unterbunden werden. Es geht um die Gesundheit der Menschen, die hier wohnen. Es darf nicht sein, dass kriminelle Leute aus der Lebensmittelwirtschaft noch nicht einmal öffentlich gemacht werden können. Ich kann das nicht verstehen. Die müssen vom Markt verschwinden! Wer die Menschen betrügt, der muss vom Markt verschwinden!

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS und des Abg. Jürgen Schön, NPD – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, Herr Präsident, ich gestatte keine Zwischenfrage. – Zu meinem Vorredner muss ich sagen: Das hat wenig mit Ihrem Gesetzentwurf zu tun.

(Beifall bei der Staatsregierung)

Ihr Gesetzentwurf ist nicht aus aktuellen Gründen entstanden. Herr Dr. Friedrich, Sie haben Kritik an dem Verfahren, das Sie angewendet haben, geschickt umgangen. Am Schluss Ihrer Rede haben Sie zugegeben, dass Sie einen Änderungsantrag eingebracht haben. Das ist richtig.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wir sind lernfähig!)

Herr Dr. Hahn, Sie sind Lehrer. Konzentrieren Sie sich auf die Schule! Überlassen Sie es Herrn Dr. Friedrich, sich um die Verwaltung zu kümmern!

Der Änderungsantrag ist lesbarer – da haben Sie Recht –, weil dadurch der Gesetzentwurf in Gänze noch einmal dem Hohen Haus vorlegt wird und jeder die Gelegenheit hat, sich den Gesetzentwurf heute noch einmal anzuschauen. Dennoch ist es vom Verfahren her nicht ganz so einfach gewesen. Im Rechtsausschuss haben wir über einen sehr umfangreichen Änderungskatalog diskutiert. Zur Sitzung haben Sie nochmals einen Änderungsantrag eingebracht. Heute bringen Sie in einer sehr umfangreichen Form, vielleicht auch in Reaktion auf die Sitzung des Rechtsausschusses, einen weiteren Änderungsantrag ein.

Lassen Sie mich jetzt die Position der CDU-Fraktion vertreten. Sie haben darzulegen versucht, wie Sie uns bewerten. Sie müssen mir aber zugestehen, dass ich die Position der CDU-Fraktion gern selbst vertreten möchte.

Gestatten Sie mir zunächst, den Mitarbeitern in der Verwaltung von dieser Stelle aus Danke zu sagen. Die Mitarbeiter der sächsischen Verwaltung haben – auch wenn das für Sie, Herr Lichdi, sehr kompliziert zu sein scheint – entscheidend zur Entwicklung in unserem Land beigetragen. So werden seit 15 Jahren Investitionen in Sachsen von ihnen entscheidend begleitet. Ein Dankeschön gehört auch einmal der sächsischen Verwaltung, der Verwaltung bei uns zu Hause.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Beifall der Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP, und Johannes Lichdi, GRÜNE – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Es geht um Informationen!)

Einige schimpfen ständig über die Verwaltung. Das haben wir auch im Verfahren erlebt. Ich hätte mir gewünscht, dass jemand aus der Wirtschaft geklatscht hätte; denn sie hätte sich im Freistaat Sachsen nicht so entwickeln können, wenn die Verwaltung nicht schnell und unkompliziert Entscheidungen getroffen hätte. Das gehört zur Wahrheit dazu. Investitionen im wirtschaftlichen Bereich sind immer von der Verwaltung begleitet worden. Diejenigen, die ständig auf die Verwaltung schimpfen, sollten sich fragen, ob sie durch die ständig neue Übertragung von Aufgaben an die Verwaltung diese nicht überlasten. Ich betone das auch im Hinblick auf Verwaltungsverfahrensveränderungen oder Reformen, wie immer man es nennen mag.

An diesem Maßstab, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss sich natürlich auch der Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS messen lassen. Artikel 1 begehrt die Veränderung der Sächsischen Verfassung. Artikel 34 ist in einem konsensualen Prozess gemeinsam erarbeitet worden. Dabei hat sich der Verfassungsgeber auf die Daten des Umweltschutzes konzentriert. Sie wollen mit Ihrem Gesetzentwurf die Verfassung völlig verändern und damit die Verwaltung sehr stark belasten. Ich frage Sie: Wird der Gesetzentwurf den Prüfmaßstäben gerecht?

Ich will zunächst auf die bereits bestehende Gesetzeslage hinweisen. Es wird vergessen, dass wir eine solche im Freistaat Sachsen haben. Sie ermöglicht den Zugang des sächsischen Bürgers zu Verwaltungsinformationen. Die sächsischen Bürger haben demnach bereits ausreichende Informationsansprüche.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Leider nicht!)

Wir brauchen uns nicht immer in irgendeine Ecke drängen zu lassen, so als ob in Sachsen alles vermodert wäre, nur weil das eine Fraktion öffentlich behauptet.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Günther Schneider, CDU)

Der Bürger im Freistaat Sachsen hat Informationsmöglichkeiten. Ich weise speziell auf die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes hin, das laut § 1 des Sächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes auch für die Verwaltungstätigkeit der Behörden des Freistaates Sachsen gilt. Es gilt auch für die sächsischen Kommunen. § 29 normiert ein Akteneinsichtsrecht für Beteiligte und damit für alle Personen, die ihre rechtlichen Interessen geltend machen oder verteidigen wollen. Die Bürger im Freistaat Sachsen sind demnach alles andere als rechtlos gestellt. Hinzu kommt das Anhörungsrecht Beteiligter entsprechend § 28. Die Linksfraktion.PDS dagegen will, dass jeder Bürger grundsätzlich, auch wenn er kein rechtliches Interesse an dem Fall hat, Zugang zu den Akten der Verwaltung erhält.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich gestatte die Zwischenfrage nicht.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Vielen Dank!)

Der Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS steht dem Ruf nach schlanker Verwaltung und schnellen, unbürokratischen Entscheidungen entgegen. So berichtete in der öffentlichen Anhörung ein Sachverständiger aus Brandenburg von einem Verfahren, in dem 20 Aktenordner auf Ausschlusstatbestände, dass heißt auf schutzwürdige Belange, geprüft werden mussten. Mehrere Mitarbeiter hätten dafür mehrere Tage gebraucht. Ich habe erhebliche Zweifel, ob die durch den Prüfungsaufwand länger werdenden Entscheidungsprozesse und der entstehende personelle Mehraufwand den sächsischen Bürgern und der Gesellschaft etwas bringen würden.

Das Gesetz ist auch hinsichtlich des Schutzes Betroffener unzulänglich. In der Anhörung haben wir erfahren, dass in Ländern mit derartigen Gesetzen wirtschaftliche Konkurrenten auf der Grundlage eines solchen Gesetzes erlangte Informationen nicht selten für ihre eigenen wirtschaftlichen Zwecke nutzen oder missbrauchen. Das Recht auf Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse wird geschwächt. Jeder Geschäftsmann müsste künftig zur Überzeugung der öffentlichen Verwaltung darlegen können, weshalb gerade seine Daten schützenswert sind und nicht an einen Antragsteller offenbart werden dürfen. Da könnte ich auch von den Wirtschaftspolitikern Beifall erwarten, da es für die Wirtschaft natürlich eine zusätzliche Belastung darstellt,

(Beifall bei der CDU)

wenn Geschäftsgeheimnisse über diesen Umweg an Dritte gelangen.

Wichtig ist insbesondere auch, dass bei Vorhaben, die bisherigen Regelungen zu erweitern, immer der weitreichende Datenschutz in der Sächsischen Verfassung

berücksichtigt werden muss. Die Datenschutzregelungen im Freistaat Sachsen sind natürlich sehr weit gefächert, weil wir uns im Zuge der Fassungsberatung für einen Datenschutz bereits in der Verfassung entschieden haben. Ich glaube, es wäre falsch zu sagen, dass der Datenschutz ausufert, aber es wäre auch falsch zu sagen, dass wir den Datenschutz hier im Freistaat Sachsen nicht brauchen. Wir brauchen ihn und er ist ausreichend zum Schutz der Betroffenen geregelt. Der Datenschutz im Freistaat gewährleistet die Bürgerrechte. Hier ist ein angemessener Ausgleich der Interessen aber dennoch notwendig, den wir mit diesem Gesetz nicht erfüllt sehen.

In der Ausschussberatung zeigte sich auch, dass der Einreicher auf die Fragen, welche Kosten mit dem Gesetzentwurf verbunden sind und wie diese ausgeglichen werden sollen, keine Antwort hatte.

Herr Dr. Friedrich, jetzt muss ich Ihnen deutlich sagen: Sie gehören auch zu denjenigen, die bei Gesetzentwürfen nach den Kosten fragen, was ich als völlig legitim ansehe. Aber Sie müssen sich natürlich auch gefallen lassen, dass, wenn ein Gesetz von Ihnen eingebracht wird, andere Mitglieder des Ausschusses die gleiche Frage stellen. Im Übrigen stellen wir die Fragen auch, wenn die Staatsregierung Gesetzentwürfe einbringt und es zu Mehrkosten kommt.

Ich meine, wenn Mehrkosten durch Gesetze produziert werden, dann ist es unser aller Anliegen, danach zu fragen, ob man Mehrkosten vermeiden kann oder ob ein Gesetz überhaupt notwendig ist. Wenn es darum geht, Mehrkosten an die Kommunen weiterzureichen, dann ist es doch auch aufgrund der verfassungsrechtlichen und von uns ja akzeptierten Normen notwendig nachzufragen, ob es bei den kommunalen Verwaltungen zu Mehrausgaben kommen wird.

Das ist eine legitime Frage, die wir leider nicht beantwortet bekommen haben. Deshalb können wir diesen Gesetzentwurf im Interesse der Kommunen, aber auch des Freistaates nur ablehnen. Artikel 85 der Sächsischen Verfassung fordert den Finanzausgleich, der den Kommunen zu zahlen ist, wenn Ausgaben zur Mehrbelastung führen. Diese entstehen nicht zuletzt, wie auch vom Sächsischen Städte- und Gemeindetag vorgetragen wurde, durch Rechtsmittelverfahren. Jedoch konnte die Linksfraktion.PDS konkrete Angaben zur Höhe und zur Deckung wie auch zur Haushaltswahrheit und zur Haushaltsklarheit, Herr Kollege Bartl, nicht machen. Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit gehören – die Finanzpolitiker werden die Frage stellen – einfach dazu, wenn man in einem Gesetzentwurf mehr Ausgaben bringt, dass man natürlich auch Deckungsvorschläge macht.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Im Haushaltsplan!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte keine Zwischenfrage.

Deckung zu diesen zusätzlichen Kosten konnte die Linksfraktion.PDS nicht machen. Der Verweis auf den Ausgleich im Rahmen des kommunalen Finanzausgleiches im § 24 – jetzt im Änderungsantrag im § 25 – des Gesetzentwurfes bzw. Änderungsantrages genügt uns als CDU-Fraktion nicht, überhaupt nicht, weil die verfassungsrechtlichen Ansprüche, die auch die kommunale Seite stellen kann, damit einfach nicht erfüllt sind.

Unabhängig davon ist nicht einzusehen, warum für Amtshandlungen, die auf der Grundlage des vorgelegten Gesetzes, insbesondere wenn kein rechtliches Interesse an der Information besteht, keine Gebühren erhoben werden können, also kein Kostenausgleich letztlich auch für den Antragsteller erbracht werden kann.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage, Herr Präsident!

Generell nicht?

Zusammenfassend denke ich, dass der durch den Gesetzentwurf entstehende bürokratische Aufwand und der Nutzen für den sächsischen Bürger in keinem ausgewogenen Verhältnis stehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will noch eines deutlich machen: Schauen Sie sich doch einmal die Ergebnisse in den anderen deutschen Ländern an, die ein solches Gesetz haben. Sie können sich die Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen anschauen. Tun Sie das besonders unter den kritischen Aspekten. Ich meine, wenn man Gesetze einführt, ist es sicherlich so, dass man prüfen muss, wie Gesetze wirken. Aus dem Datenschutzbericht in Nordrhein-Westfalen gingen auch die kritischen Ansätze hervor. Da ist nicht alles so goldig, wie Sie es hier mit Ihrem Gesetz dem Hohen Haus weismachen wollen, wie Sie es darstellen.

Die finanzielle Komponente spielt eine Rolle, die Rechtsfragen spielen eine Rolle. Sie haben ja auch in Ihrem Änderungsantrag nachgebessert, dass Sie im § 24 jetzt die Fragen der Einschränkung von Grundrechten zitieren. Das bringt aber keine abschließende Verbesserung für Ihren Gesetzentwurf.