Protokoll der Sitzung vom 09.12.2005

(Beifall des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Schließlich komme ich zu meinem Lieblingsthema – die Worte kann kaum jemand aussprechen –: Gemeinsame Veranstaltungen zum Thema „Gender Mainstreaming“.

(Heiterkeit bei der FDP)

Das ist das Ergebnis der „Initiative Mitteldeutschland“. Ich halte das für sehr, sehr dünn, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion ist mein Kollege Porsch dankenswerterweise schon eingegangen. Es ist wirklich so, dass nahezu zu jedem Punkt, den wir angefragt haben, eine ähnliche Formulierung gefunden worden ist. So steht dort zum Beispiel: „Umsetzung bisher nicht möglich“, „Bisher keine Einigung“, „Weiterhin Interesse am Projekt“, „Vorhaben zurückgestellt“, „Ergebnisse voraussichtlich in Kürze“. Wir werden heute hören, ob ein Dreivierteljahr nach dieser Anfrage tatsächlich Ergebnisse vorgelegt werden können.

Das Fazit ist ernüchternd. Ganz klar, im Bereich der Justiz sind gute Sachen gemacht worden. Dafür unser Lob, prima Sache! In diesem Bereich hat man die Zusammenarbeit auf die Reihe bekommen. Das ist ein Erfolg, den wir unterstützen. Was die Fusion der Landesversicherungsanstalten angeht, so sage ich Ihnen ehrlich: Da warte ich mal ab. Die Idee und der Weg sind gut.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Ich habe vorhin schon gesagt, dass „Fusion“ nicht „Addition“ heißt. Fusion heißt Einsparung bei allen. Wir müssen erst einmal sehen, ob in der Landesversicherungsanstalt gerade im Januar, wenn sich die LVA-Führung in Klausurtagung begibt, am Ende als Ergebnis tatsächlich Einsparungen stehen. Der Weg dahin ist erst einmal richtig. Dafür unseren Glückwunsch.

Zusammenarbeit bei Hochwasserschutz, dazu stand am 23.11.2005 ein spannender Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Es ist eben gerade beim Hochwasserschutz so, dass die Zusammenarbeit zwischen den Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt nach wie vor nicht funktioniert. Gerade wenn man entlang der Elbe schaut, ist es eben noch so, dass jeder selbst entscheidet, wie er seine Deiche baut und wie hoch er sie baut. Ich halte das für etwas problematisch. Nun bin ich kein Umweltfachmann, vielleicht kann uns die GRÜNE-Fraktion am Ende helfen. Aber das Wasser, das hier herunterkommt, muss irgendwo hin. Ich kann mir natürlich große Mauern hinstellen und das Wasser weiter nach unten schicken, irgendwo kommt es aber wieder hervor. Ich halte es gerade in diesem Bereich, wenn es um Hochwasserschutz geht, für unerlässlich, dass sich die Vertreter von Sachsen und Sachsen-Anhalt an einen Tisch setzen und beweisen, was Zusammenarbeit ist. Da ist bis heute nichts passiert, meine Damen und Herren.

Wir haben heute zum Beispiel über die Klimakonferenz in Montreal gesprochen. Herr Lichdi hat die Debatte hier geführt, egal, ob sie hierher gehört oder nicht. Es ist ein durchaus wichtiges Thema. Interessant ist nur: Wir reden hier darüber, wo die Welt nicht funktioniert, aber wir bekommen nicht einmal den Umweltschutz zwischen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gemeinsam gesteuert. Da kann man einmal sehen, wie schwer es sein wird, weltweit etwas Gemeinsames zu schaffen.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt positive Beispiele. Herr Milbradt hat im Mai 2003 etwas sehr Interessantes gesagt. Es stand in der „Sächsischen Zeitung“. Zur Beurteilung der „Initiative Mitteldeutschland“: „Eine so weitgehende Zusammenarbeit zwischen Ländern hat es in Deutschland noch nicht gegeben.“

Meine Damen und Herren! Das halte ich ernsthaft für eine Anmaßung, vor allen Dingen gegenüber den Ländern, die bewiesen haben, dass man eine Zusammenarbeit finden kann. Ich will nur erläutern, wie es andere Länder machen. In Berlin und Brandenburg gibt es bereits das Oberlandesgericht für beide.

(Volker Bandmann, CDU: Länderfusion gescheitert! Die Bürger haben es abgelehnt!)

Herr Bandmann, wir sind noch gar nicht so weit, unsere Bürger zu fragen. Ich traue mich nicht, das zu tun. Trauen Sie sich? Ich bin gespannt.

(Lachen bei der FDP)

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg wurde zusammengelegt. Finanzgericht und Landesarbeitsgericht werden ab 2007 zusammengelegt. Auch die Zusammenarbeit eines Statistischen Landesamtes ist für mich als Laien eine einfache Nummer. Das dürfte nicht so kompliziert sein, ist es aber offensichtlich. Das Statistische Landesamt Nord gibt es inzwischen. Das heißt, Hamburg und Schleswig-Holstein arbeiten dort zusammen. Also, wenn es um Zusammenarbeit geht, ist Sachsen keinesfalls ein Vorbild, sondern hängt ziemlich weit hinterher.

Zum Schluss: Mein Kollege Robert Clemen hat vorhin etwas Schönes angefangen; ich will es fortsetzen. Er hat nämlich das Zitate-Ratespiel erfunden. Ich möchte zum Abschluss der Runde noch ein Zitat mitgeben und Sie fragen, von wem es sein könnte. Es ist ein längeres Zitat, klingt aber gut. Ich lese es einmal vor.

"Ihre ‚Initiative Mitteldeutschland’ ist mangels Substanz implodiert. Fragt man nach den Ergebnissen der groß angekündigten Initiative, dann erntet man wortreiches Schweigen. Einzig der Versand von Textbausteinen per E-Mail zwischen den Landesregierungen hat geklappt. Andere Ergebnisse sind nicht zu verzeichnen. Behörden wurden nicht zusammengelegt, Kosten wurden nicht gesenkt und die Angebote an die Bürger nicht verbessert. Lang ist die Liste ihrer Ankündigungsflops und alles blieb doch beim Alten.

In der vergangenen Legislaturperiode wurde von der CDU kein einziges heißes Eisen angefasst, keine strukturpolitische Reform von Bedeutung in Angriff genommen, und um solche zugegebenermaßen nicht immer einfache unpopuläre Entscheidungen hat sich die Staatsregierung fünf Jahre lang herumgemogelt."

Wer war es?

(Antje Hermenau, GRÜNE: Thomas Jurk!)

Thomas Jurk, genau, Frau Hermenau, Sie haben heute schon zum zweiten Mal gewonnen!

Meine Frage an Herrn Jurk – er ist gerade nicht da –, also an die SPD: Was hat sich eigentlich gegenüber der damaligen Aussage von Herrn Jurk geändert? – Nur dass Sie auf der Regierungsbank sitzen und nicht mehr in den Reihen Ihrer Fraktion? Was hat sich daran geändert?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Die Zeiten!)

Ich sage Ihnen ehrlich, für mich ist die „Initiative Mitteldeutschland“ nach wie vor leider eine große Luftnummer. Ich halte es ähnlich wie Herr Porsch für dramatisch, es ist nicht witzig. Wir haben heute Morgen über Finanzen, über den Staatshaushalt und darüber gesprochen, dass von einem Steuer-Euro 68 Cent nur dazu da sind, unseren eigenen Apparat, uns selbst und die Verwaltung zu finanzieren und am Leben zu erhalten. Das sind Ergebnisse, die uns ganz eindeutig die Pflicht auferlegen, mit anderen Ländern zusammenzuarbeiten und die Arbeit nicht doppelt zu machen. Hier gibt es eine Menge Hausaufgaben für die Staatsregierung. Wir werden aufpassen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Frau Hermenau beendet die erste Runde der Fraktionen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Das ist ja heute eine launige Debatte zu dem Thema. Es hat mich schon amüsiert zu sehen, dass es die SPD zum Jahreswechsel 2003/2004 war, die eine Große Anfrage zum Thema stellte, es zirka ein Jahr später die PDS war, die im Oktober 2004 einen Antrag einreichte, den wir heute, ein weiteres Jahr später, nämlich im Dezember 2005, behandeln. Man muss wirklich sagen, wie Herr Bolick meinte: Gut Ding will Weile haben – zumindest im Dreieck von SPD, CDU und PDS. Deswegen schlage ich vor, wir öffnen einmal die Horizonte und schauen jenseits dieser Nabelschau im Sächsischen Landtag trotzdem in die Region, die Sie Mitteldeutschland nennen: Was passiert dort – und zwar außerhalb des Gipfeltreffens der drei Ministerpräsidenten?

Da gibt es zum Beispiel das Regionalmarketing Mitteldeutschland, eine Wirtschaftsinitiative, seit 2001. Da gibt es das Regionalforum Mitteldeutschland und auch das Verkehrsforum Mitteldeutschland seit 1997. Da gibt es den Verband für Sicherheit in der Wirtschaft Mitteldeutschland seit 2003, gemeint ist Gesundheitssicherheit, Arbeitssicherheit, Brandschutzsicherheit usw. Der mitteldeutsche Genossenschaftsverband existiert, der mitteldeutsche Film- und Fernsehproduzentenverband, die Föderation evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland. Die Diakonie Mitteldeutschland hat sich zu Beginn 2005 zusammengetan. Es gibt einen mitteldeutschen Presseclub zu Leipzig e. V. seit zirka 2001 und eine Fernsehakademie Mitteldeutschland e. V. Ich habe bestimmt noch ein paar weitere vergessen.

Was heißt das? Das heißt, dass längst Kooperationen in allen Lebensbereichen stattfinden, und zwar trotz (!) der Gipfeltreffen dreier CDU-Ministerpräsidenten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Insofern ist das Medienspektakel auch nicht wirklich wichtig, aber genauso unwichtig ist dieses Rechenschaftsberichtswesen, das Sie von der Linksfraktion.PDS hier einführen wollen. Vielleicht aber auch nicht?

Ich glaube, dass wir alle bisher einen Punkt übersehen haben, der vielleicht ganz wichtig ist, damit sich die Drei abstimmen: Das ist zum Beispiel das gemeinsame Vorgehen im Bundesrat. Dass die drei Ministerpräsidenten natürlich nicht gern in einer Presseerklärung erläutern, wie sie taktisch im Bundesrat vorzugehen gedenken, ist klar. Deswegen erhalten wir dann nichts sagende Erklärungen, zum Beispiel die Erfurter Erklärungen vom April dieses Jahres, in denen „Ablenkungsmanöver“ in einigen Fachbereichen beschlossen werden. Aber im Kern muss es doch darum gehen – das kann ich ihnen nicht einmal verdenken –, dass man zum Beispiel bei der Förderpolitik

versucht, im Bundesrat gemeinsam aufzutreten. Da haben die drei getrennten Bundesländer Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt so viel mehr Stimmen, als wenn sie ein Staat wären. Das muss man bedenken.

Nun haben wir einmal die Debatte und wir sollten daraus etwas machen. Ich habe gerade gesagt, Misstrauen entgegenzubringen ist sicher eher unangebracht. Deshalb finden wir den Kontroll- und Disziplinierungsversuch untauglich. Aber auch die Erfurter Erklärung, zum Beispiel, die letzte Verlautbarung vom April dieses Jahres, ist hinreichend dünn, in der es zum Beispiel heißt, dass die aus der demografischen Entwicklung erforderlichen Maßnahmen abzustimmen und die unvermeidbaren Veränderungen und Einschnitte vorzunehmen seien. Nichts Konkretes wurde bisher gehört. Aber Einschnitte und Veränderungen will vielleicht auch keiner und keiner will darüber etwas Konkretes sagen. Vielleicht hat sich auch Herr Milbradt gegenüber Herrn Althaus und Herrn Böhmer nicht durchsetzen können. Wo ist aber dann die übergreifende Raum- und Verkehrsplanung, auf die es zum Beispiel sehr ankäme, wenn man über Demografie spricht?

Was ist mit Mitteldeutschland gemeint: Das Ballungsgebiet Halle–Leipzig ist gemeint, wenn man es wirtschaftlich betrachtet, mit Verbindungen nach Magdeburg und Jena, nach meiner Wahrnehmung. Aber wissen Sie, Sachsen ist da in Schwierigkeiten. Es hat nämlich zwei Pole in zwei europäischen Regionen. Das eine ist das beschriebene „MDR-Land“, das ich gerade skizziert habe. Das andere ist die Region Ostsachsen, Niederschlesien und Nordböhmen. Hier müsste eigentlich auch eine Art Gipfeltreffen stattfinden und etwas mehr herauskommen als die Erfurter Erklärung, in der zum Beispiel auch etwas zur Kulturhauptstadt Görlitz enthalten ist. Für die Kulturhauptstadt Görlitz 2010 haben Sie sich ausgesprochen, aber Sie haben vergessen, Zgorzelec mit hineinzuschreiben. Was heißt das? Das heißt, dass dort die Perspektive bei dem Mitteldeutschlandtreffen auch nur auf Mitteldeutschland liegt. Man hat überhaupt nicht begriffen, dass man die Euro-Region, in der Sachsen liegt, auch bedenken muss. – Herr Schiemann nickt. Er versteht sofort, was ich meine.

Ich wünschte mir, wir würden so etwas vertiefend diskutieren, wie Sachsen beiden Anforderungen gerecht werden könnte, anstatt immer nur auf das Ballungszentrum Leipzig-Halle zu blicken. Ich glaube, wir machen da einen großen Fehler.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weitere Gegenstände der Diskussion können natürlich gemeinsame Positionen zur Förderpolitik sein, um gegenseitige Konkurrenz zu minimieren, denn im Prinzip ist die ganze Region in einem Wettbewerb mit anderen europäischen Regionen. Darüber sollte man sich klar sein. Das kann ich akzeptieren. Von Raumplanung und Verkehrspolitik habe ich gesprochen. Bei gemeinsamer Familienpolitik bin ich zurückhaltender, nachdem die Thüringer mit ihrem Müttergeld voranmarschiert sind. Mir ist die

Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich wichtiger als die Hausfrauenprämie in Thüringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich gehe davon aus, dass die Opportunitätskosten, die entstehen, wenn man Kinder großzieht, durch eine Beschäftigungsmöglichkeit für die Frau viel besser zu bewältigen sind als durch solche Hausfrauenprämien. Wenn die Linksfraktion.PDS Wert darauf legt, dass die GRÜNEN ihrem Antrag zumindest teilweise zustimmen, dann bitte ich um punktweise Abstimmung, denn wir werden den Punkten 1 und 2 zustimmen und die Punkte 3 und 4 ablehnen.

Zum Disziplinierungsverfahren habe ich das meinige gesagt. Ich wünsche uns allen noch eine gedeihliche Debatte zu diesem Thema. Vielleicht greifen wir die Frage mit den zwei Regionen wirklich auf. Ich denke, darin liegt ein Schlüssel für Sachsens Zukunft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war die erste Runde der Fraktionen. Hat sich weiterer Aussprachebedarf ergeben? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich die Staatsregierung. Herr Staatsminister Winkler.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Jetzt kommen die großen Erfolge!)

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zunächst die Gemeinsamkeiten herausgreifen, die ich glaube in der Debatte und in sonstigen Gesprächen erkannt zu haben. Wir sind uns fraktions- und parteiübergreifend einig, dass in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Mitteldeutschland eine der innovativsten und leistungsfähigsten Wirtschaftsregionen Deutschlands war und dass wir alle gemeinsam das Ziel haben müssen, dass sich Deutschland wieder an diese Stelle bewegt und wir als mitteldeutsche Region diesen Platz ganz vorn wieder einnehmen.

Was sich in den letzten Monaten abgezeichnet hat, ist auch heute wieder in der Debatte deutlich geworden. Ich bin fast dankbar für die Beiträge einzelner Redner. Ich sage es noch einmal klar: Wir haben wenigstens begonnen, uns Gedanken zu machen und zusammenzuarbeiten. Das war am 5. Juni 2002 so, als die drei Ministerpräsidenten von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beschlossen haben, die länderübergreifende Zusammenarbeit auszubauen. Das war auch später bei dem Treffen in Gera so, wo es den 17-Punkte-Katalog gab. Ich stimme Frau Hermenau zu, dass wir ein politisches Ziel vorgegeben haben, um privaten Leistungsträgern der Gesellschaft, wie Vereinen und Verbänden, die Chance zu geben, das nachzunutzen und gleichzuziehen. Das ist auch geschehen. Frau Hermenau hat einige Beispiele genannt.