Protokoll der Sitzung vom 09.12.2005

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Frau Windisch, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Pressemitteilung der GRÜNE-Fraktion aus dieser Woche titelte: „Sachsens Klimapolitik ist unverändert schwarz“. Wohl wahr, Herr Lichdi! Die Erfolge der sächsischen Klimaschutzpolitik, die wir uns von Ihnen nicht kleinreden lassen, sind auf konsequente CDU-Politik seit 1990 zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen zurückzuführen.

(Beifall des Abg. Robert Clemen, CDU)

Für die Umsetzung der anspruchsvollen Ziele zur weiteren Reduzierung von CO2 und anderen Treibhausgasen hat die CDU sowohl auf Landes- als auch – jetzt – auf Bundesebene weitestgehend Übereinstimmung mit dem Koalitionspartner SPD erreicht.

Herr Lichdi, laut Ihrer Pressemitteilung wissen Sie schon jetzt, dass die Beschlüsse von Montreal nicht weit genug gehen werden. Damit diskreditieren Sie – das muss man so sagen – das ehrliche Bemühen der 10 000 Teilnehmer auf der Klimakonferenz, die heute in die entscheidende Abschlussphase geht.

Eine ganze Portion Selbstüberschätzung der kleinsten Fraktion hier im Hause ist da schon mit im Spiel. Ich schätze wirklich unseren Freistaat sehr, die ihm innewohnende Kraft und den Erfinderreichtum seiner Menschen. Aber von hier aus die Beschlüsse von Montreal kritisieren oder gar beeinflussen zu wollen, das ist mehr als Größenwahnsinn.

Nun sollten wir zu den Fakten reden. Vor wenigen Wochen ist der sächsische Klimaschutzbericht veröffentlicht

worden. Ausführlich und transparent ist Rechenschaft über die Umsetzung des im Juli 2001 beschlossenen Klimaschutzprogramms abgelegt worden. Die sächsischen Bemühungen zur Reduzierung der Emission klimaschädlicher Treibhausgase können aber nicht losgelöst von den nationalen Zielen und diese wiederum von den Verpflichtungen der Staaten der Europäischen Union betrachtet werden.

Sachsen hat für den Zeitraum 2005 bis 2010 gegenüber dem Bezugsjahr 1998 zwei wesentliche Ziele formuliert:

1. Die Reduzierung der jährlichen CO2-Emissionen in den vier Bereichen Verkehr, private Haushalte, Kleinverbraucher und Industrie um insgesamt 2,5 Millionen Tonnen – Sie haben es selbst schon bestätigt –; dieses Reduktionsziel, das bis 2010 gestellt worden ist, ist bereits 2003 mit 1,2 Millionen Tonnen übererfüllt worden.

2. Die Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien auf 5 % des Endenergieverbrauches bzw. auf 4,6 Gigawattstunden; Resultat bis heute: Die Nutzung der erneuerbaren Energien kann in Sachsen als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden. Sie wurde seit 1998 mehr als verdoppelt. Damit werden jährlich CO2-Emissionen von fast zwei Millionen Tonnen vermieden, die bei der Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen entstanden wären. Das heißt, wenn der Anteil erneuerbarer Energien 2004 bei 3,3 % liegt, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Zielvorgabe 5 % erreichbar ist, insbesondere durch den weiteren Ausbau der Biomassenutzung. – So weit zu den Fakten.

Natürlich kann ich nicht unwidersprochen lassen, was Sie zu den Großfeuerungsanlagen gesagt haben. Diese müssen wir schon einmal genauer betrachten. Sicher ist richtig, dass sie Sachsens größte CO2-Emittenten sind. Richtig ist auch, dass seit der Inbetriebnahme der Kraftwerke Boxberg IV und Lippendorf im Jahr 2000 die Emissionen gleich geblieben bzw. wieder leicht angestiegen sind. Aber – das muss man dazusagen – Sachsens neue Kraftwerke sind technisch weltweit führend, verdrängen mit ihrem hohen Wirkungsgrad Strom vom Markt, der mit älteren Dreckschleudern gewonnen wird.

(Beifall bei der CDU)

Die Kraftwerksbetreiber unternehmen große Anstrengungen – das muss auch an dieser Stelle gewürdigt werden –, mit neuer Technik und größtem Kostenaufwand die Abgabe klimaschädlicher Stoffe weiter zu reduzieren. Genannt sei hier beispielhaft, dass Vattenfall 2008 die weltweit erste 30-Megawatt-Pilotanlage für ein CO2freies Braunkohlenkraftwerk am Standort Schwarze Pumpe in Betrieb nehmen und dafür 40 Millionen Euro investieren will. Ziel ist, nach mehreren Zwischenstufen und technischer Erprobung ein kommerzielles Großkraftwerk von 1 000 Megawatt Ende des nächsten Jahrzehnts errichten zu können.

Fakt ist aber auch: Braunkohlenkraftwerke garantieren gerade in wenig industrialisierten Gegenden wie der Lausitz und im Südraum von Leipzig mehreren tausend Menschen auf lange Zeit Arbeit und Einkommen. Sie

müssten den Menschen dort schon erklären, dass Sie deren Arbeitsplätze zur Disposition stellen wollen.

Herr Lichdi, Sie haben konstruiert, erneuerbare Energie versus Braunkohle. Ich denke, es müsste auch Ihnen klar sein, dass nach heutigem Stand und auf absehbare Zeit eine Grundlastfähigkeit durch erneuerbare Energien in Sachsen nicht zu schaffen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Bitte zum Schluss kommen.

Dann setze ich im nächsten Redebeitrag fort.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Frau Kagelmann, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Seit fast zwei Wochen verhandeln in Montreal Diplomaten aus 165 Ländern über die Umsetzung des Kyoto-I-Protokolls und ein Nachfolgeabkommen, denn Kyoto I läuft 2012 aus.

Diese Woche schalteten sich die Umweltminister der Vertragsländer in die Verhandlungen in Montreal ein. Worum geht es dort genau?

Es wird beraten, ob Kyoto II ab 2012 im Wesentlichen nach dem Modell des laufenden Kyoto I-Abkommens oder nach der weicheren Klimarahmenkonvention gestaltet wird. Die Linksfraktion.PDS hält nur Ersteres für geeignet, konkrete und kontrollierbare Verpflichtungen zu ermöglichen.

Nun sollen wir hier, an dieser Stelle, über das debattieren, was beim angekündigten Thema hinter dem nach Kyoto II gesetzten Doppelpunkt steht, nämlich über die aktuellen Weichenstellungen in der sächsischen Energie- und Klimapolitik. Es tut mir Leid, das heißt, wir reden hier wieder einmal über die Auswirkungen ungelegter Eier.

Ich kann mir die Sinnhaftigkeit dieser Debatte beim besten Willen nicht erschließen, auch wenn ich zugebe, Frau Hermenau, dass ich die Ernsthaftigkeit des Themas nicht unterschätze und dass ich weite Teile Ihrer Lageeinschätzung uneingeschränkt teile.

Nun zu der Frage, was Montreal bisher gebracht hat. Eine der zwei Aufgaben der Klimakonferenz ist bereits abgearbeitet, die so genannten Marrakesh-Accords zum Kyoto-IProtokoll sind nun völkerrechtlich verbindlich. In diesen sind beispielsweise Details der Unterstützung für den Klimaschutz in den Entwicklungsländern und für die Erfüllungskontrolle des Kyoto-Protokolls geregelt. Allein Saudi-Arabien stellt sich bei der Erfüllungskontrolle derzeit noch quer und mit der Blockade dieses großen Erdölexporteurs liegt leider auch der Erfüllungskontrollausschuss auf Eis. Er könnte Klimasünder dazu verpflich

ten, in der zweiten Verpflichtungsperiode von 2013 bis 2017 das 1,3-Fache der bis dahin zu viel ausgestoßenen Emissionen zu vermeiden. Von dieser Dimension, Frau Hermenau, sind die Probleme, um die es in Montreal geht. Keine Frage, dieses Thema ist hoch aktuell und spannend. Allerdings: Die Auswirkungen für Sachsen sind doch sicherlich bescheiden und im Moment überhaupt noch nicht einschätzbar.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Wir reden über Boxberg!)

Die aktuellen Weichenstellungen in Sachsen, Frau Hermenau, werden die Diplomaten in Montreal kaum interessieren. Die wenigsten werden überhaupt wissen, wo Sachsen liegt. Frau Hermenau, das wird Sie schmerzen, aber es ist so.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Wir reden über Boxberg!)

Wir reden im Sächsischen Landtag, Frau Hermenau. Genau das ist mein Problem an Ihrer Aktuellen Debatte. Einen solchen Spagat zwischen Kyoto II und den Anforderungen an die sächsische Energie- und Klimapolitik, den Sie uns hier vorführen, kann keiner aushalten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Liebe Kollegin! Würden Sie zugestehen, dass in Montreal über den weltweiten Klimaschutz verhandelt wird, dass dort global gedacht wird und dass es in dieser unserer Debatte darum gehen soll, welchen Beitrag Sachsen in den nächsten Jahren dazu leisten kann?

Herr Dr. Gerstenberg! Würden Sie mir zugestehen, dass dazu aber erst einmal die dort angereisten Diplomaten bis zum Ende diskutieren müssen, damit wir dann einschätzen können, welche Auswirkungen die dort erzielten Ergebnisse auf Sachsen haben?

(Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE: Wir werden dort kaum mehr Emissionen beschließen!)

Herr Dr. Gerstenberg, das ist ja gerade das Problem: Wir werden dort gar nichts beschließen.

Am 3. November 2005 – um wieder zum Thema zu kommen – fand in Freiberg das 7. Fachsymposium „Umwelt und Raumnutzung“ des Landesamtes für Umwelt und Geologie zum Thema „Erneuerbare Energien im ländlichen Raum“ statt. Frau Hermenau, Sie hätten dabei sein sollen. Dort hätten Sie interessante Beobachtungen machen können. In der LfUG, der Landesanstalt für Landwirtschaft, und anderswo in sächsischen Behörden sind in Sachen Klimaschutz sehr kluge, engagierte Menschen tätig. Das sind für uns die Kompetenzzentren, von

denen wir hoffen, dass sie recht schnell impulsgebend in die Staatsministerien und die Staatskanzlei hineinwirken, denn dort klemmt die Säge.

Wir sind mit der Energie- und Klimapolitik der Staatsregierung keineswegs zufrieden. Ich kann Sie beruhigen. Deshalb hatten wir uns im letzten Jahr für die Fortschreibung des Energieprogramms 2004 eingesetzt, obwohl die Druckerschwärze noch nicht einmal trocken war. Wir von der Linksfraktion.PDS wollen auch, dass die einseitige Orientierung auf Braunkohle aufgegeben und den erneuerbaren Energien im Energiemix die Bedeutung zugemessen wird, die sie verdienen.

Bitte zum Schluss kommen.

Wir werden Herrn Staatsminister Jurk an sein Versprechen vor diesem Hohen Hause erinnern. Wir haben verkehrspolitisch andere Prioritäten als Straßenbeton, wie sie die Staatsregierung hat.

(Staatsminister Thomas Jurk: Das stimmt doch nicht!)

Frau Kagelmann, bitte zum Schluss kommen!

Ich muss jetzt einiges weglassen. Ich hätte noch viel zu sagen.

Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir in dieser Debatte zu mehr Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit miteinander kommen. Das Klima werden wir nicht austricksen, aber die Schalthebel, Frau Hermenau, in Sachsen sind andere, als Sie sie hier benennen.