Protokoll der Sitzung vom 09.12.2005

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Nach meiner Beobachtung war aber sehr wenig davon zu spüren, hierfür einen potenten Hauptsponsor zu finden, um für die TMGS ein kalkulierbares finanzielles Risiko zu begrenzen.

In Bezug auf den zwischen der TMGS und dem Wirtschaftsministerium – auch das sprach Frau Windisch schon an – geschlossenen Dienstleistungsvertrag hat die Linksfraktion.PDS zumindest die Erwartung, dass der vereinbarte Zuschuss bis 2007 nicht durch Kürzungen verringert wird. Herr Staatsminister Jurk, Sie können ja nachher gleich die Gelegenheit nutzen und dies vor den Abgeordneten verbindlich zusagen.

Falls Sie das nicht können, sollten sie wenigstens die in Turin geplante – ich nenne sie mal so – Nobelherberge beerdigen, damit die Gelder wieder für andere Marketingprojekte der sächsischen Tourismusregion zur Verfügung stehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die Entwicklung der Gästeankünfte und Übernachtungen in Sachsen betrifft, müssen wir wohl zur Kenntnis nehmen, dass die steile Aufwärtsentwicklung der letzten zwei Jahre so nicht mehr fortgeschrieben werden kann. Damit zeichnet sich aber auch ab, dass die Zielstellung der TMGS, für die nächsten Jahre Steigerungsraten von jährlich 3 % mehr Gästen und 2,5 % mehr Übernachtungen zu erreichen, kaum zu schaffen sein wird. Es ist ein hochgestecktes Ziel. Da Sachsen ein klassisches Kurz- und Zweiturlaubsland ist, wird durch die weiter zurückgehende Kaufkraft, vor allem infolge der Erhöhung der Mehrwertsteuer, die Sache noch zusätzlich erschwert. Deshalb wird man sich wohl sehr bemühen müssen, von der Entwicklung der Energie- und anderer Betriebskosten für die Tourismuswirtschaft ganz zu schweigen.

Das kann nach meinem Dafürhalten auch eine noch so positive Entwicklung der Zunahme der ausländischen Gästezahlen nicht ausgleichen. Dazu ist das Ausgangsniveau viel zu niedrig. Dennoch bleibt es im touristischen Marketing für Sachsen wichtig, weiter auf attraktive Kurzreiseangebote zu setzen. Hier liegen die Potenziale, die wir konsequent ausbauen müssen. Immerhin haben wir zurzeit einen Marktanteil von 5,4 % im bundesweiten Vergleich.

Die Anzahl von Reisewilligen aus anderen Bundesländern wird quantitativ kaum noch wesentlich zu steigern sein. Dieser Wahrheit müssen wir uns stellen. Der Inlandsmarkt ist aber mit einem Gästeanteil von 95 % die tragende Säule der sächsischen Tourismuswirtschaft. Deshalb ist es wichtig, dass das Landesmarketing konsequent auf neue Kunden orientiert bleibt. Im Inland muss es in Zukunft noch besser gelingen, die Markenstrategie an den potenziellen Sachsenurlaubern auszurichten. Das ist nichts Neues, aber ich denke, unter dem Aspekt müssen wir uns das noch einmal verstärkt anschauen.

Dafür brauchen wir mit Sicherheit auch neue Ideen, insbesondere bei den Bürgerinnen und Bürgern in den alten Bundesländern, um sie für das Reiseland Sachsen begeistern zu können. Die Kernfrage für das Inlandsmarketing wird also sein, wie wir es erreichen, dass weit mehr als bisher reiseinteressierte Bürger aus den westlichen Bundesländern, die bisher noch nie Sachsen gesehen haben, unsere Tourismusregion besuchen.

Zwar können wir uns immer noch als Kulturreiseland Nummer 1 für Deutschland im Marketing darstellen. Aber ich weise einmal darauf hin, dass es mittlerweile schon Untersuchungen gibt, die darlegen, dass die Bundeshauptstadt Berlin dabei ist, uns diesen Rang nach und nach abzulaufen. Bei vielen ist Berlin schon ein beliebtes, lohnenswertes Kulturreiseland. Ich denke, wir müssen uns gerade im Marketing darum bemühen, dass wir uns mit

unseren Produkten, die schon angesprochen worden sind, nämlich der Produktlinie Kunst und Kultur – und ich zähle auch einmal die Produktlinie Städtetourismus dazu – durch innovative Angebote wirksam in Szene setzen.

Dem Anliegen der Koalition, sich von der Staatsregierung berichten zu lassen, stehen wir selbstverständlich aufgeschlossen gegenüber. Wer wollte da etwas dagegen haben? Ich will aber darauf hinweisen, dass wir uns im nächsten Jahr in diesem Hohen Hause mit dem ersten Bericht zur Umsetzung der Grundzüge der sächsischen Tourismuspolitik beschäftigen werden. Dieses Thema ist wesentlich umfassender als das im Antrag der Koalition benannte Marketing. Wir haben im Parlament auch noch eine Menge Hausaufgaben zu machen. Es wäre schön, wenn wir dabei im Interesse der Tourismuswirtschaft die Anzahl der Eigentore möglichst gering halten können.

Ich will hier nur an unsere letzte Sitzung im Wirtschaftsausschuss erinnern. Die Koalition hatte unseren Antrag zum Reiten im Wald, zum Reittourismus, abgelehnt, obwohl sie vorher wie die Staatsregierung umfänglich unserem Anliegen zugestimmt hatte. Sie haben es abgelehnt – und dann auch noch mit der Begründung, dass man gerade dabei sei, einen gleichlautenden Antrag vorzubereiten.

Ich finde, wir sollten als demokratische Parteien im Hohen Hause im Interesse der davon betroffenen sächsischen Tourismusunternehmen nicht so miteinander umgehen, und weil Weihnachten ist, würde ich mir wünschen, dass ich das noch erlebe.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Für die NPDFraktion spricht Herr Abg. Leichsenring.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass Sachsen eine der beliebtesten deutschen Tourismusregionen ist, und zwar unabhängig von den wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, ist in diesem Haus, denke ich, eine Binsenweisheit. Der Mix aus Kultur und Landschaft, den unsere Heimat für Touristen und Erholungssuchende aus aller Welt bietet, ist einzigartig. Die Menschen kommen gern in den Freistaat. Wer einmal hier war, der kommt häufig wieder. Das kann ich selbst als auch in der Tourismusbranche Tätiger bestätigen.

Die belegen im Übrigen ebenfalls die Zahlen der einschlägigen Tourismus- und Gastronomieverbände. Denn erst im Februar dieses Jahres wartete der Landestourismusverband Sachsen mit der Erfolgsmeldung auf, dass der Freistaat im zurückliegenden Jahr die bundesweit zweithöchsten Zuwachsraten an Übernachtungen aufweisen konnte.

2004 war für die sächsischen Beherbergungsbetriebe ein Erfolgsjahr. Wenn man den vorliegenden Zahlen glauben kann, hat auch 2005 das Zeug zu einem ausgesprochen guten Jahrgang. Wenn die Zuwachsrate mit 0,5 % bei den Übernachtungen zunächst einmal ziemlich klein klingt, so

ist sie doch vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Situation positiv zu bewerten.

Meine Damen und Herren! Es ist zweifellos eine gute Sache, wenn man sich überlegt, wie man den sächsischen Tourismus noch weiter fördern kann. Zweifellos ist es auch ein richtiges Signal, wenn das in einen Koalitionsvertrag hineingeschrieben wird, wie das zu Beginn dieser Legislatur hier im Freistaat geschehen ist. Wir werden dem Auskunftsbegehren der Regierungsfraktionen deshalb ohne Probleme zustimmen können. Es ist ein Berichtsantrag, also problemlos. Das ist klar.

Unabhängig davon ist meine Fraktion allerdings der Ansicht, dass man des Guten manchmal auch etwas zu viel tun kann, vor allem dann, wenn falsche, ja geradezu scheinheilige Akzente gesetzt und an anderer Stelle dafür die Hausaufgaben nicht gemacht werden.

Da stößt man in der Koalitionsvereinbarung auf diesen Passus, der heute auch hier schon genannt wurde und der sich auch in dem Antrag wiederfindet, demzufolge die Attraktivität der sächsischen Urlaubsregionen auch von einem – ich zitiere – "toleranten und weltoffenen Klima abhängt". Ja, wer will denn das bestreiten? – Aber wir haben im zurückliegenden Jahr hinreichend oft erfahren dürfen, dass mit solchen scheinheiligen Formulierungen nichts anderes bezweckt wird als Stimmung gegen Gruppen zu machen, die man nicht mag,

(Zuruf der Abg. Dr. Simone Raatz, SPD)

insbesondere die nationale Opposition, der dann wieder unterstellt wird, sie sei schuld, wenn es kein tolerantes und weltoffenes Klima im Freistaat gebe.

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Die Staatsregierung war sich auch nicht zu schade, dieses dubiose Programm für ein demokratisches und weltoffenes Sachsen mit zwei Millionen Euro Steuergeldern jährlich auszupolstern, einer Summe, die sehr stattlich ist und über die sich sicherlich auch die Tourismusbranche sehr gefreut hätte. Ich hätte befürwortet, man hätte die komplette Summe in die Tourismusförderung eingestellt. Da wäre sie wenigstens sinnvoll angelegt. Aber das scheint mir auch der springende Punkt zu sein.

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Ein ums andere Mal wird dann doch Geld verpulvert für Abseitiges und Nebensächliches, anstatt es dort hineinzupacken, wo es wirklich gebraucht würde.

Es geht in der Begründung dieses Antrages bzw. überhaupt in diesem Antrag um Marketingmaßnahmen im Ausland. Das ist vollkommen in Ordnung, treibt manchmal aber auch seltsame Blüten, wenn man ein bisschen tiefer hineinschaut. So gibt es zum Beispiel ein Informationspapier des Londoner Goethe-Instituts, das zusammen mit dem Freistaat Sachsen, der Sächsischen Kulturstiftung und Marketing im laufenden Jahr ein Projekt unter dem viel sagenden Titel "D Saxony UK 2005" durchgeführt hat.

Darin kann man lesen: „Im Rahmen eines Sommerfestes werden konkrete Kostproben der hedonistischen Besonderheiten dieser Region zu erleben sein.“ – Wenn man im Brockhaus unter "Hedonismus" nachschaut, dann findet man – ich zitiere –: "Für den Hedonisten heißt es, dass Sinnenlust und das Genießen höchstes Ziel des Lebens ist." Sinnenlust und das Genießen höchstes Ziel des Lebens! Das scheint mir angesichts der Lebenssituation vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger in diesem Land etwas zynisch zu sein.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Ja, das ist genauso daneben, wie wenn ständig und penetrant immer wiederholt wird, dass sich Touristen zum Beispiel in der Sächsischen Schweiz vor lauter Rechtsextremisten nicht auf die Straße trauen können.

Nein, meine Damen und Herren, die Probleme liegen woanders. Benannt hat sie auch der Saisonbericht Sachsentourismus der sächsischen Industrie- und Handelskammern zum Winterhalbjahr 2004/2005. Dort heißt es – ich darf zitieren: "Die allgemeine Wirtschaftslage und die zum Teil hohen Kreditbelastungen beschränken die Investitionsmöglichkeiten. So liegt der Anteil investitionsbereiter Beherbergungsunternehmen in Sachsen bei etwa 37 %, während fast 50 % definitiv keine Investitionen vorgesehen haben."

Das ist doch das, was Bände spricht. Dem sächsischen Tourismus hilft eben nicht nur eine kostenintensive Evaluierung und Anpassung des Landesmarketingplanes, wie Sie das in Ihrem Antrag formulieren, es helfen auch positive ökonomische Rahmendaten bei den touristischen Leistungserbringern; von der Infrastruktur, die in weiten Teilen Sachsens nicht sehr berauschend ist, um das einmal milde auszudrücken, gar nicht zu sprechen. In diesem Punkt haben sowohl die jetzige Regierungskoalition als auch die Vorgängerregierung über viele Jahre hinweg geschlafen. Aus diesem Grund bitte ich Sie, auch in diesem Punkt endlich Ihre Hausaufgaben zu machen.

Wie gesagt, wir werden dem Antrag zustimmen, es ist ein Berichtsantrag. Wir haben heute selbst noch einen Antrag und sind guter Hoffnung, dass Sie dann auch unserem Berichtsantrag vielleicht zustimmen können.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Herr Günther spricht für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke der Regierungskoalition für diesen Antrag zur Tourismuskonzeption, denn bei diesem Thema und bei den Schlagworten, die Sie sowohl im Antrag als auch in der Begründung verwendet haben, fällt mir spontan eine Vielzahl von Problemen ein, die es jetzt in Angriff zu nehmen gilt.

Zum Schlagwort "Evaluierung des Marketingplanes": Spätestens hier ist mir – selbstverständlich – der Koalitionsvertrag in den Sinn gekommen. Ich nehme an, dass bei diesem Punkt die Überarbeitung bzw. Anpassung der Tourismuskonzeption vom April 2004 gemeint ist. Da in der entsprechenden Vorlage Meilensteine in der Tourismusstrategie der Staatsregierung mit erforderlichen Arbeitsschritten vorgegeben worden sind, würde mich besonders deren Stand interessieren.

Zum Schlagwort "Tourismusmarketing im Ausland": Herr Jurk reiste in diesem Jahr nach Japan, um Sachsen zu repräsentieren. Gehen wir einmal davon aus, dass diese Reise eine Auswirkung auf das Tourismusverhalten der Jungfraujoch- und Neuschwanstein-gierigen Japaner zum Ergebnis hatte. Das hat es ja gehabt. Und zwar konnte in Sachsen – ich zitiere die TMGS – "in diesem Jahr die Zahl der ausländischen Gäste um 3,8 % gesteigert werden." Vor allen Dingen mehr Reisende aus Japan, Italien, den USA und den Niederlanden und Österreich sind zu uns gekommen.

Herr Jurk, ich würde Ihnen empfehlen, doch einmal die alten Bundesländer zu besuchen. Denn von dort sind in diesem Jahr weniger Gäste zu uns gekommen als nötig wären, um uns hier besser aufzustellen.

(Staatsminister Thomas Jurk: Erst mal sollten die alten Bundesländer zu uns kommen. Das erzähle ich Ihnen auch mal!)

Ja. Aber wenn es Auswirkungen hatte, dass Sie nach Japan gefahren sind – was positiv ist –, sollten Sie das machen.

Das Problem ist, dass wir, wie meine Vorredner schon angedeutet haben, zu wenige Gäste aus den alten Bundesländern anziehen. Dorthin sollten wir unsere Intention bewegen.

Zum Schlagwort "Tourismus als Wirtschaftsfaktor": Das Theater zu den Ladenöffnungszeiten an Adventssonntagen sollte hier nicht als beispielgebend gelten.

(Beifall bei der FDP)

Verstehen kann ich es nicht, da ja wohl klar sein dürfte, dass gerade der Einzelhandel und der Tourismus in Kombination einen wichtigen Wirtschaftsfaktor darstellen. Das lässt sich auch anhand von Zahlen unwiderlegbar beweisen. Allein der touristische Bruttoumsatz im Einzelhandel beläuft sich auf 2,316 Milliarden Euro. Somit leistet die sächsische Tourismuswirtschaft immerhin einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt. Allein der Tagesreiseverkehr hat im Jahr 2004 einen Beitrag von 3,3 % zum sächsischen Volkseinkommen geleistet.

Fakt ist auch, dass allein der Tourismus im Einzelhandel – nur im Einzelhandel! – einen Beschäftigungseffekt von 15 900 Beschäftigten mit sich bringt. Ein relevanter Punkt, der bei jeder politischen Entscheidung, die wir hier im Landtag treffen, berücksichtigt werden muss.

Zum Schlagwort "Vielfalt und Attraktivität": Meines Erachtens schließt Vielfalt, besonders hier in Sachsen, auch den Landtourismus ein. Leider kommt dieser manchmal zu kurz. Das wird klar, wenn man sich die Attraktivität Sachsens hinsichtlich des Reittourismus anschaut. Herr Tischendorf hat schon darauf hingewiesen. Allein von einem Slogan und einem Internetportal "Sachsen mit Pferd" entstehen noch keine ausgewiesenen und vor allem keine ausgeschilderten Reitwege, auf denen ich den Reittouristen antreffen kann.

Gerade deswegen ist die FDP-Fraktion sehr an einer sachgerechten und objektiven Überarbeitung des Landesmarketingkonzeptes interessiert, damit Ziele und Handlungsfelder für die Zukunft aufgezeigt werden. Der Wirtschaftsfaktor Tourismus ist zu bedeutend, als dass wir uns dieses Themas hier nicht annehmen sollten.