Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

Ein schneller Informationsaustausch ist damit gewährleistet.

Zweitens. Die Meldepflicht soll ausgeweitet werden. So müssen auch Lebensmittelunternehmen, denen unsichere Lebensmittel angeboten werden und die diese zurückweisen, gemeldet werden. Eine entsprechende Anregung will die Bundesregierung in der EU durchsetzen.

Drittens: Bund und Länder wollen, dass Transporte von Fleisch besser dokumentiert werden, um die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten und die Umdeklarierung von Lebensmitteln zu erschweren. Der Ausgang und der Empfang müssen künftig in einem Dokument zusammengefasst werden.

Viertens. Die Überwachungen sollen auf Kühl- und Lagerräume ausgedehnt werden, die an lebensmittelverarbeitende Betriebe angeschlossen sind.

Fünftens. Willenserklärung, die geltenden Strafrahmen bei Verstößen gegen die lebensmittel- und futtermittelrechtlichen Bestimmungen konsequenter auszuschöpfen.

Die Justizbehörden sollen dazu mit Fortbildungen sensibilisiert werden.

Sechstens. Ermittlungsbehörden sollen ihre Erkenntnisse an die Behörden weiterleiten, die für die Lebensmittelsicherheit verantwortlich sind. Die Justizministerkonferenz ist damit bereits beschäftigt.

Siebentens. Bildung von Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften in den Ländern.

Achtens. Das Bundesamt für Risikobewertung soll koordinierend mit den notwendigen Risikobewertungen beauftragt werden.

Neuntens. Bundesminister Horst Seehofer wird mit der Fleischwirtschaft und dem Handel darüber sprechen, wie die Wirtschaft ihre eigenen Kontrollen verbessern kann. Dazu werden auch die verbraucherpolitischen Sprecher der im Bundestag vertretenen Fraktionen eingeladen.

Schließlich soll und wird in diesen Tagen eine erste Gesprächsrunde mit den Vertretern der Länder stattfinden, um zu beraten, wie die Lebensmittelkontrollen verbessert werden und die überwachenden Behörden effektiver arbeiten können. Außerdem sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Lebensmittelwirtschaft, die Informationen über kriminelle Machenschaften weitergeben, besser geschützt werden. Um Preisdumping zu vermeiden, will Seehofer bei den Ministern der Länder für ein Verbot werben, Lebensmittel unter dem Einkaufspreis zu veräußern. Um künftig die Namen von Firmen nennen zu können, die Verstöße begangen haben, will der Minister schon sehr bald einen Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes vorlegen.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, dass dieses Programm die in unserem Antrag enthaltenen Aufträge an die Staatsregierung voll umfänglich beachtet und umsetzt. Daher werden wir mit großer Aufmerksamkeit und im Interesse aller Beteiligten darauf achten, dass diese Punkte entsprechend umgesetzt werden.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Es geht dabei sowohl um den Verbraucher als auch um den Unternehmer, aber auch um unsere Landwirte. Leidtragende des aktuellen Fleischskandals sind neben den Landwirten alle sich korrekt verhaltenden Unternehmen der Produktionskette.

(Zuruf von der CDU: Und die Verbraucher!)

Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verbesserung der Information für Bund und Länder bei Verstößen gegen das Lebensmittelrecht sind die richtige Konsequenz aus dem jüngsten Fleischskandal, um die aufgedeckten Mängel wirkungsvoller zu bekämpfen.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie sehr herzlich, dem Antrag der Fraktionen von CDU und SPD zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Für die SPD-Fraktion, bitte, Frau Dr. Deicke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Problem der Sicherheit von Lebensmitteln ist in den letzten Jahren sehr stark in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Immer wieder waren und sind Skandale an der Tagesordnung. Ich möchte nur an den jüngsten Fleischskandal erinnern.

Zu begrüßen ist in diesem Zusammenhang die Reaktion der Fleischbranche. Diese hat ihre Unterstützung im Kampf gegen den Handel mit verdorbenem Fleisch versprochen und zugesagt, die eigenen Kontrollen deutlich zu verbessern. Die staatliche Lebensmittelkontrolle kann jedoch nicht durch die Eigenüberwachung ersetzt werden. Sie ist nach wie vor notwendig. Das zeigen die im Jahresbericht 2004 zur amtlichen Lebensmittelüberwachung aufgelisteten Ergebnisse der Kontrollen und Untersuchungen.

Für Sachsen kann man, was den Umfang dieser Kontrollen angeht, recht zufrieden sein. Aber der Skandal um das so genannte Gammelfleisch, der auch an Sachsen nicht spurlos vorübergegangen ist, ist ein Warnsignal, darüber nachzudenken, was noch verbessert werden kann und muss.

Die europäischen Vorgaben tragen dazu bei, die Sicherheit von Lebensmitteln weiter zu erhöhen. Das am 1. Januar 2006 in Kraft getretene neue Lebensmittelhygienerecht beinhaltet für die amtliche Lebensmittelkontrolle unter anderem die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems. Mit dem Aufbau eines solchen Systems wurde im Freistaat Sachsen bereits im Jahre 2004 begonnen. Damit wird die Lebensmittelüberwachung verständlicher, transparenter und vergleichbarer. Man darf aber nicht verschweigen, welche Probleme sich im Bereich der Lebensmittelkontrolle ergeben. Besonders macht sich hier der zunehmend global agierende Handel bemerkbar.

Auf einer Tagung der Bundesverbraucherzentrale zur Lebensmittelkontrolle, die vor einer Woche im Rahmen der Grünen Woche in Berlin stattgefunden hat, wurde die Studie „Schwachstellen bei den Lebensmittelkontrollen bei global gehandelten Lebensmitteln“ diskutiert. Es wurde deutlich, dass Warenströme, die über mehrere Länder mit unterschiedlichen Verpackungen und Etikettierungen abgewickelt werden, eine effektive Kontrolle erschweren.

Das nächste Problem sind die schwarzen Schafe, die keine schwarze Wolle geben. Hierzu kann man eine einfache Rechnung aufmachen. Für die Entsorgung von einer Tonne verdorbenem Putenfleisch in einer Tierkörperbeseitigungsanlage sind zirka 150,00 Euro zu berappen, dagegen belaufen sich die Einnahmen bei einem Weiterverkauf auf zirka 1 000 bis 1 200 Euro. Das ist ein Geschäft, das sich lohnt. Diesen rücksichtslosen Geschäftemachern muss man das Handwerk legen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch ein paar Worte zum Verbraucherinformationsgesetz verlieren.

Mittlerweile haben sich die Koalitionsfraktionen auf Bundesebene mit einem Antrag für dieses Gesetz stark gemacht. Auch Bundesminister Seehofer hat sich dafür ausgesprochen. Das Gesetz kann also schnell vorgelegt werden, da die Vorarbeiten bereits abgeschlossen sind.

Der Deutsche Bundestag hat bereits in den Jahren 2002 und 2005 unter Führung der SPD entsprechende Initiativen beschlossen, die zum damaligen Zeitpunkt an den Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat gescheitert sind. Das Verbraucherinformationsgesetz wird die Sanktionsmöglichkeiten gegen schwarze Schafe durch Auskunftsansprüche der Verbraucherinnen und Verbraucher stärken helfen. Außerdem wird die gesellschaftliche Kontrolle verbessert und die Systeme der Selbstkontrolle werden intensiviert.

Ferner möchte ich etwas zum Änderungsantrag der Linksfraktion.PDS sagen. Wir werden diesem Änderungsantrag nicht zustimmen,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Warum nicht?)

denn das käme aus unserer Sicht einem Misstrauensvotum gegenüber der Großen Koalition auf Bundesebene gleich. Daher plädiere ich für die Annahme unseres Antrages in der ursprünglichen Fassung.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Für die Linksfraktion.PDS spricht der Abg. Horst Wehner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu Punkt 1 des Antrages der Koalitionsfraktionen sprechen. Meine Kollegin Frau Caren Lay wird sich zu Punkt 2 äußern.

Meine Damen und Herren! Der Antrag der Koalitionsfraktionen fordert nichts als Selbstverständlichkeiten und suggeriert zugleich, dass es im Freistaat mit den Selbstverständlichkeiten wohl doch nicht so gut bestellt ist. Natürlich muss der Verbraucherschutz einen hohen Stellenwert einnehmen und natürlich müssen alle Maßnahmen getroffen werden, damit keine verdorbenen Lebensmittel in den Umlauf gelangen.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen! Wenn Sie Ihren Antrag ernst nehmen wollen – ich habe da so meine Zweifel, weil die Staatsregierung zu Beginn des Jahres auf die Kleine Anfrage meines Kollegen Dr. Pellmann mitteilte, dass sie im Bereich der Lebensmittelüberwachung keinen Handlungsbedarf sehe –, dann sorgen Sie auch für die erforderliche Personalausstattung im Bereich der Lebensmittelkontrolle und deren finanzielle Sicherstellung.

Wenn Sie also Ihren Antrag ernst nehmen wollen, dann sorgen Sie auch dafür, dass das Staatsministerium für Soziales schneller auf festgestellte Unterschiede zwischen

den Landkreisen und Kreisfreien Städten bei der Lebensmittelkontrolle reagiert. Dann sorgen Sie auch dafür, dass das Staatsministerium einen Bericht darüber vorlegt, wo die Hauptursachen bei Verstößen liegen und warum es in welchen Landkreisen und Kreisfreien Städten besonders viele Verstöße gibt, und dass die Bevölkerung regelmäßig informiert wird.

Erst letztes Wochenende gab es Rückrufaktionen, nachzulesen in der „Bild am Sonntag“ vom 22.01. Die Firma Frigeo warnte vor ihren Zitro-Cola-Lutschern. 300 kg Lollis waren mit einem erhöhten Säuregehalt hergestellt worden. Bei dem Verzehr dieser Lollis drohen Verätzungen an Mund und Lippen. Die Kaufland-Fleischwaren SB-GmbH warnte vor ihren Hackfleischpackungen von Purland. In Gehacktem mit dem Verbrauchsdatum 21. Januar waren Kolibakterien entdeckt worden.

Was zeigt uns das? Die Skandale aus der Fleischwirtschaft Ende vergangenen Jahres können sich wiederholen. In der Bundesrepublik werden jährlich 200 000 Lebensmittelinfektionen registriert. Hierbei handelt es sich allerdings nur um die Spitze des Eisbergs, da es auf dem Weg der Registraturen natürlich allerhand Informationsverluste gibt. Nach den Ermittlungen des Robert-Koch-Instituts werden in den neuen Bundesländern in den letzten Jahren bei den Salmonellosen und bei den Campylobacteriosen die meisten Erkrankungen in den neuen Bundesländern gemeldet. Woran wird das wohl liegen?

Das Sächsische Staatsministerium schätzt ein, dass die amtliche Lebensmittelüberwachung des Freistaates Sachsen ihre Aufgaben auf hohem Niveau zuverlässig erfüllt. Meine Vorredner haben dazu ausgeführt, im Jahr 2004 seien 81 % der zirka 60 000 erfassten Lebensmittelbetriebe amtlich kontrolliert worden. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 58 %. Ich möchte das Ergebnis nicht kleinreden. Sachsen nimmt damit unter den Bundesländern immerhin den fünften Platz ein. Können wir aber damit zufrieden sein? Ich meine nein. Ziel muss es sein, alle Lebensmittelbetriebe amtlich zu kontrollieren. Insofern sind 81 % eben nicht ausreichend.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Übrigens, bei den im Jahr 2004 durchgeführten 28 969 Lebensmitteluntersuchungen hat es 4 315 Beanstandungen gegeben. Hier belegt Sachsen einen neunten Platz. Bei der Anzahl der Lebensmittelkontrolleure ist Sachsen Schlusslicht gemeinsam mit MecklenburgVorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Hier liegen wahrscheinlich Ursachen für den Spitzenplatz bei den gemeldeten Erkrankungen.

Im Freistaat Sachsen selbst ist auffällig, dass die Unterschiede von Kontrollen zu festgestellten Verstößen von 1,2 % in Aue-Schwarzenberg bis zu 51,3 % in Riesa-Großenhain reichen. Es wäre aufschlussreich zu erfahren, wie diese Unterschiede zwischen den Landkreisen und Kreisfreien Städten zustande kommen. Entweder sind die einen zu gründlich und die anderen zu nachlässig

oder es gibt objektive Gründe, die im Verhalten der einzelnen Lebensmittelbetriebe liegen. Wir wissen es nicht.

Wie auch immer – eine Reaktion aus dem Staatsministerium für Soziales ist längst überfällig. Vielleicht erfahren wir heute schon erste Ergebnisse. Die Linksfraktion schlägt vor, dass die Staatsregierung bei der Lebensmittelüberwachung in enger Zusammenarbeit mit den anderen Bundesländern Standards für ein einheitliches Kontrollniveau festlegt. Auch bedarf es klarer Regelungen, wie häufig und in welchen Abständen die Untersuchungen in den Lebensmittelobjekten durchzuführen sind.

Meine Damen und Herren, von den 248 Sollstellen der Lebensmittelkontrolleure im Freistaat Sachsen sind nur 197 besetzt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

Von den 28 Landkreisen und Kreisfreien Städten im Freistaat erfüllen gerade sieben die geforderte Stellenzahl. Natürlich obliegt es den Landkreisen und Kreisfreien Städten, ihre Ämter im Rahmen ihrer Selbstverwaltung zu besetzen. Meine Damen und Herren und Frau Orosz, die Empfehlungen und das Drängen der Staatsregierung, alle freien Stellen möglichst zu besetzen – so wie Sie es Dr. Pellmann beschrieben haben – reicht meines Erachtens nicht aus. Sorgen Sie dafür, dass in allen Landkreisen und Kreisfreien Städten die Pflichtaufgaben der Lebensmittelüberwachung und -kontrolle erfüllt werden; denn es geht um das Wohl der Menschen in unserem Land und nicht nur der Produzenten – um deren höchstes Gut: ihre Gesundheit.