Äußerungen, dass man sich mit den neuen Maßnahmen, die Frau von der Leyen vorschlägt, einen Beschäftigungseffekt in den alten Bundesländern erhofft, mögen in den alten Bundesländern in Deutschland zutreffen. Bei uns steht das eigentlich nicht zur Debatte.
Wir haben auch in dem Kita-Gesetz Schwerpunkte gesetzt, die uns nicht nur lieb, sondern auch teuer sind. Im Bereich des Schulvorbereitungsjahres ist es ja so, dass wir hier etwas zusätzlich für Bildung ausgeben, sie auch gebührenfrei ist, denn die Kosten trägt allein das Land. Das scheinen Sie immer zu verdrängen.
Wir haben im letzten Jahr hier Ihr Gesetz zum Rechtsanspruch von null bis zwölf Jahren diskutiert und abgelehnt. Jetzt fordern Sie die kosten- oder gebührenfreie Bildung und Erziehung.
Wir haben vorgestern über Ihren Entwurf des Schulgesetzes diskutiert, was das kosten würde. Herr Weckesser hat mehr Geld für den Stadtumbau Ost verlangt. Und jetzt diese Forderung. Ich weiß, dass wir das alles bei der Haushaltsdebatte wieder auf den Tisch bekommen werden und Sie einen alternativen Haushalt, der eigentlich ein virtueller Haushalt ist, hier wieder zur Debatte stellen.
Wir haben uns von unserem Ziel nicht verabschiedet, das letzte Kindergartenjahr gebührenfrei zu stellen. Schrittweise werden wir uns auch mit diesem Thema beschäftigen. Die Haushaltsverhandlungen stehen ja ins Haus.
Wenn wir über die Beteiligung des Bundes sprechen – auch das sprechen Sie ja in Ihrem Antrag an –, dann sollten wir vielleicht zunächst über Änderungen des SGB VIII diskutieren, zum Beispiel beim Thema Rechtsanspruch. Die direkte Beteiligung des Bundes kann man leicht fordern. Dass verfassungsrechtliche Grundsätze dem im Moment entgegenstehen, wird verschwiegen. In der Föderalismusdiskussion geht es ja eher in die andere Richtung, mehr Verantwortung den Ländern zu übertragen. Also auch hier ist so schnell nicht daran zu denken, die Verfassung zu ändern.
Mein Vorschlag an alle – ich meine damit die Kommunen und als Land: Signale nach Berlin zu senden. Wir sollten gemeinsam diesen Berg besteigen, aber seriös und nicht mit Schnellschussanträgen, nur weil dieser in die Presselandschaft passt.
(Beifall bei der SPD und der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das steht im Stufenplan!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im vorliegenden Antrag wird die derzeitige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen mit den Sätzen zitiert: „Habt den Mut zu neuen Prioritäten! Senkt die Kita-Gebühren oder besser, schafft sie ganz ab!“
Dem können wir nur zustimmen, denn es geht hier für die BRD um neue, aber im Grunde selbstverständliche Prioritäten. Dazu gehört die Erkenntnis, dass es ohne eigene Kinder nicht geht. In diesem Land ist dieser Vorgang fast schon als revolutionär zu bezeichnen.
Es ist doch eine einfache Erkenntnis, dass ohne ausreichenden Nachwuchs an künftigen Steuerzahlern der Bankrott droht. Dieser Nachwuchs wird natürlich minimiert und damit auch die Zukunftsaussichten der Gemeinschaft, wenn die Erwerbstätigen durch die Verhältnisse insgesamt gezwungen werden, zwischen beruflichem Fortkommen einerseits und Familie mit Kindern andererseits zu wählen. Die Folge ist der soziale Niedergang in der BRD, der sich unter anderem auch dadurch ausdrückt, dass nur in 25 % der Haushalte Kinder leben.
Das Normale, die Familie mit Kindern, ist damit nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme. Alle Probleme zusammenbrechender Haushalte innerhalb eines bankrotten Systems haben damit ihre Ursache in einer kinderfeindlichen und kinderarmen Gesellschaft. Aber so schön und effektvoll einzelne Äußerungen wie die der Frau von der Leyen auch sein mögen – es müssen ganz schnell Taten folgen. Daran kann man allerdings nur schwer glauben, solange die etablierte Politik, die die jahrzehntelange Misswirtschaft zu verantworten hat, über Mehrheiten verfügt – auch wenn sie gerade nicht anwesend sind.
Es ist doch einzig und allein Ihre Politik, die die Hauptverantwortung dafür trägt, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer noch nicht erreicht wurde. Je größer die Karrierechancen sind, umso teurer kommen uns Kinder zu stehen, wenn sie zum Verzicht auf diese Karriere zwingen. Das betrifft im Regelfall natürlich nur die Frauen, während eigene Kinder für Männer kein Karrierehindernis darstellen.
Die Statistik belegt die Folgen dieses Missverhältnisses. Über 40 % aller Hochschulabsolventinnen – wir haben das schon mehrmals gehört – bleiben kinderlos. Unter den Frauen mit Hauptschulabschluss gibt es nicht einmal halb so viele Kinderlose. Eine Politik, die es erwerbstätigen
Frauen ermöglicht, Kinder zu bekommen, ohne auf Karriere und Einkommen von vornherein zu verzichten, ist nicht nur familienfreundlich und gerecht, sondern auch Geburten fördernd. Der Staat muss daher, wenn er seiner Rolle gerecht werden soll, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen, wozu ganz zweifellos das Recht auf eine kostenlose Kinderbetreuung gehört. Bestehende finanzielle Anreize wie Erziehungsgeld und Kindergeld allein können das Problem des Kindermangels nicht lösen, es sei denn, man macht die Kindererziehung zum Beruf, wie wir auch kürzlich mit unserem Antrag zur Einführung eines Müttergehaltes anregten, denn das muss man sich einmal vor Augen führen: In der BRD verfügen Paare mit Kind durchschnittlich über 63 % des Einkommens, das vergleichbare Paare ohne Kinder haben.
Länder wie Schweden und Frankreich beweisen ja durchaus, dass eine Kombination aus finanziellen Fördermaßnahmen und einer flächendeckenden kostenlosen Kinderbetreuung in der Lage ist, für sehr viel mehr Nachwuchs als in der BRD zu sorgen.
In dem Maße also, wie es gelingt, Familie und Beruf zu vereinbaren, werden auch in Deutschland die Geburtenzahlen wieder steigen, und ein familienfreundlicheres Klima wird entstehen. Da ist uns Nationalen natürlich sehr viel wichtiger, Schulausbildung und Kinderbetreuung wirklich kostenfrei zu stellen, als in diesem Zusammenhang über Steuerfreibeträge zu diskutieren. Diese kommen dann den Deutschen, die aufgrund ihres geringen Einkommens keine Steuern mehr bezahlen, sowieso nicht zugute.
Meine Damen und Herren! Dem vorliegenden Antrag werden wir natürlich zustimmen, ebenso dem Änderungsantrag der GRÜNEN. Ich möchte noch auf Folgendes hinweisen: Da unser kürzlich eingebrachter Antrag auf Festschreibung der Erstattungsbeiträge der örtlichen Träger der Jugendhilfe ein Schritt in die gleiche Richtung ist, werden wir dann auch sehr genau Ihre Reaktion im Ausschuss im Auge behalten.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kinder, Familien, steuerliche Absetzbarkeit, kostenlose Kindertageseinrichtungen – mühsam haben sich die Koalitionsfraktionen aus CDU und SPD dem Thema auf Bundesebene genähert. Ob nun die ehemaligen Bundesfamilienministerinnen Frau Rita Süssmuth oder Frau Renate Schmidt oder der aktuellste Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung und der Sachverständigenrat – überall wird ein wichtiges Ziel
auch im Hinblick auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie genannt: der kostenlose Kindergartenplatz. Durch die Äußerungen der CDU-Bundesfamilienministerin Frau von der Leyen gewinnt dieses Thema jetzt jedoch an Aktualität und auch Qualität.
Die CDU in Rheinland-Pfalz macht den kostenlosen KitaBesuch zum Thema im dortigen Landtagswahlkampf, und auch unsere sächsische CDU-Sozialministerin Frau Orosz hat sich, wenn auch sehr verhalten, aber dennoch für eine kostenlose Kindertagesstätte ausgesprochen.
Wir als sächsische FDP sind grundsätzlich für den kostenlosen Kindergarten. Dabei teilen wir die Ansicht von Frau Staatsministerin Orosz, dass eine stufenweise Einführung richtig ist. Wir als sächsische FDP haben im letzten Bundestagswahlkampf „Kostenlose Kitas für alle!“ plakatiert. Wir haben es im Bundestagswahlkampf plakatiert, weil wir uns natürlich darüber im Klaren sind, dass eine generelle Kostenfreiheit nicht allein durch den Freistaat Sachsen getragen werden kann.
Die Äußerungen von Frau Bundesfamilienministerin von der Leyen, die Verantwortung für die Beitragsfreiheit allein den Kommunen und den Bundesländern zuzuschieben, dieser formale Verweis zeigt, wie weit sich der Bund mittlerweile von dem Finanzproblem vor Ort entfernt hat. Im vergangenen Jahr war es Bundesminister Clement, der den Bundeszuschuss für die Kosten der Unterkunft von den Kommunen vor Ort zurückhaben wollte. Jetzt ist es Frau von der Leyen, die von den Kommunen und Bundesländern die Kompensierung ihrer Einnahmen aus KitaBeiträgen verlangt. Das sind in Sachsen immerhin rund 175 Millionen Euro im Jahr.
Nach Meinung unserer FDP-Fraktion ist dies nicht nur falsch, sondern für den Freistaat Sachsen und unsere Kommunen ein Hohn und eine Beleidigung.
Sachsen verfügt über eines der besten Angebote an Kindertageseinrichtungen in Deutschland. Es geht hier also nicht ums Wollen, sondern ums Können. Bei den Kommunen jedenfalls besteht derzeit kein weiterer Finanzspielraum.
Aufgrund der schwierigen sozialen Lage vor Ort werden jetzt schon viele Kita-Beiträge ermäßigt und ganz erlassen. In Görlitz – ein kleiner Ausflug sei gestattet – übernimmt das Jugendamt jetzt schon allein aus der Nichtzumutbarkeit der finanziellen Belastung für die Eltern für zirka 35 % aller Kinder die Kita-Beiträge, und es kommen noch einmal zirka 20 % Mindereinnahmen aus KitaBeiträgen für Geschwisterkinder dazu.
Sächsische Kommunen leisten enorm viel für die Kinderbetreuung, mehr als die meisten Kommunen in den alten Bundesländern.
Es liegt nach Meinung unserer FDP immer noch eine falsche Schwerpunktsetzung für unsere Zukunft in Deutschland vor. Dies zeigt vor allem der Bundeshaushalt. Die Bundesregierung fühlt sich derzeit für alles
Mögliche zuständig und subventioniert fast alle Bereiche des täglichen Lebens. Allein der Bund gab 2005 direkte Finanzhilfe in Höhe von 1,65 Milliarden Euro für die Förderung der Steinkohle aus, 500 Millionen Euro für Wohnungsbauprämien und noch einmal 200 Millionen Euro für den Wohnungsbau zur Kohlendioxidminderung. Durch Bundesgesetzgebung werden zahlreiche Steuerbefreiungen, Vergünstigungen, direkte und indirekte Subventionen, wie zum Beispiel auch für Windkraftanlagen, die allerdings der Steuerzahler und der Verbraucher selber zahlen, geregelt.
Ausgerechnet diese Bundesregierung hat für die Kinderbetreuung kein Geld? Diese Bundesregierung bedient sich eines formalen Verweises an die Kommunen und die Länder? Diese Bundesregierung kann sich nur zu einer Anrechnung von Betreuungskosten auf die Steuer durchringen, die dann auch noch in ihrer geplanten Ausgestaltung nur für Betreuungs-, aber nicht für die Bildungsfunktion der Kindertageseinrichtungen steht? Dies ist familienpolitische Steinzeit!
Die Bundesregierung muss endlich Prioritäten setzen. Für uns, die sächsische FDP, haben kostenlose Kindergartenplätze oberste Priorität.
Aber vor einem dürfen wir natürlich nicht die Augen verschließen: Die Kindertageseinrichtungen, auch die kostenlosen Kindertageseinrichtungen sind kein Allheilmittel für unser gesellschaftliches Problem. Die FDP unterstützt daher den Antrag der Linksfraktion.PDS gerade im Punkt 3 in vollem Umfang. Auch die Ergänzung der GRÜNEN ist sinnvoll, greift aber im Hinblick auf den Ursprungsantrag der Linksfraktion.PDS nach unserer Meinung zu kurz.
Die erste Bewährungsprobe für uns wird jetzt der Doppelhaushalt 2007/2008 sein. Dort müssen wir als Parlamentarier das Geld bereitstellen, um mit einem kostenlosen Schulvorbereitungsjahr hier in Sachsen die Grundlage für die kostenlose Kita zu stellen und damit auch ein Signal für unsere Kinder und Familien in Sachsen zu setzen.