Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden noch morgen auf die Einflussmöglichkeiten eines Landtages, was die Tage der Strukturfondsförderung betrifft, eingehen. Ich will dem nicht vorgreifen.
Ich will sehr deutlich sagen, mein Haus hat seine Aufgaben gemacht. Eine Vorlage ist bis zum Dezember letzten Jahres erarbeitet worden. Jetzt gibt es die Debatte in der Staatsregierung.
Aber eines, Frau Mattern, muss ich Ihnen einfach sagen, weil Sie jetzt felsenfest davon überzeugt waren, ich hätte
eine Aufteilung 80 zu 20 % bei EFRE vorgeschlagen. Frau Mattern, ich will Ihnen hier sehr deutlich sagen, dies habe ich nicht getan. Deshalb bitte ich Sie, dies nicht ständig zu wiederholen, denn durch Wiederholung wird es nicht wahrer.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Verlauf der Debatte stelle ich fest, dass wir hier die richtige Stelle getroffen haben.
Herr Brangs, dass sich Ihre Argumentation kaum von der der FDP unterscheidet, sollte Ihnen zu denken geben. Mir gibt es nicht zu denken.
Ich sehe mich dadurch in meiner Auffassung bestätigt. Ich bin auch gespannt, ob Sie bereit wären, Ihre Argumentation auf einer unserer zukünftigen wirtschaftspolitischen Konferenzen zu wiederholen.
Herr Kollege Pietzsch, es ist schon wirklich abenteuerlich. Im Ausschuss lehnen Sie unseren Antrag, eine Bilanz zu Hartz IV vorzulegen, ab und jetzt werfen Sie uns, die wir diesen Antrag gestellt haben, vor, wir würden hier inhaltliche Vorschläge machen, ohne dass wir eine Grundlage haben. Das ist doch wirklich verwegen. Dann hätten Sie im Ausschuss unserem Antrag zustimmen müssen. Und wenn hier irgendetwas wirr ist, dann sind es die Signale, die wir aus der Koalition bezüglich ESF bekommen. Von Ehekrediten, Ganztagsschulen und von der Wissenschaft war da zu lesen, nur allein in der ESFRichtlinie, die vor wenigen Wochen erlassen wurde, steht von all diesen Dingen nichts. Wo ist, bitte schön, bei Ehekrediten und Ganztagsschulen – diese in allen Ehren – der arbeitsmarktpolitische Ansatz zu erkennen? Das müssen Sie mir erklären.
Dass Arbeitsmarktpolitik Gedöns ist, da habe ich nur Ihren Parteifreund Schröder zitiert. Sie müssen Ihrem Koalitionspartner CDU und auch der FDP zuhören, denn genau diese Haltung kommt doch in deren Redebeiträgen zum Ausdruck.
Ich weiß auch nicht, Herr Jurk, auf welche Zahlen Sie sich beziehen. In der Statistik, die mir vorliegt, ist der Mitteleinsatz in Mecklenburg-Vorpommern besser als in Sachsen. Das sollte man in Richtung Herrn Holters auch einmal zur Kenntnis nehmen.
Meine Damen und Herren! Hektik kann ich hier nicht erkennen. Herr Jurk, Sie sind seit anderthalb Jahren im Amt. Hartz IV ist mit den Stimmen von SPD und CDU seit über einem Jahr in Kraft. Und selbst wenn Sie es in dieser Zeit nicht hinbekommen hätten, ein Arbeitsprogramm zu formulieren, dann stellen Sie doch einen Änderungsantrag und verlängern Ihre Frist, meinethalben. Aber dass Sie sich hier einem Arbeitsprogramm komplett verweigern, das ist wirklich ein Armutszeugnis.
Ja, wir wollen einen zweiten Arbeitsmarkt. Wir wollen aktive Arbeitsmarktpolitik. Es steht auch im Titel „unter den Bedingungen des SGB II“. Ein Gesetz, das Ihre Partei beschlossen hat. Das unterscheidet uns. Das ist im Übrigen auch gut so.
Letztlich zum Vorwurf der Dauersubvention: Sie haben hier großartig geschwärmt, was Kombilöhne denn für Stellen schaffen können. Bei Kombilöhnen tritt nämlich genau das Problem ein – wenn ich Herrn Fuß zitieren darf –, dass die Stellen dann wegfallen, wenn auch die Förderung wegfällt. Das haben Sie offensichtlich zur Kenntnis genommen und die großartige AG, die ein Konzept zu Kombilöhnen entwerfen sollte, hat ihre Arbeit erst einmal ausgesetzt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen! Sie kommen um die Erkenntnis nicht herum, 228 Millionen Euro wurden in Sachsen verschleudert. Das ist ein Skandal. Wir wollen das ändern. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung. Ich stelle die Drucksache 4/4253 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Kann ich die Gegenstimmen sehen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Konsequenzen aus dem Versagen der Rechtsaufsicht bei der Kontrolle der Zuweisungspraxis der LVA Sachsen von Reha-Patienten an Kliniken
Die Fraktionen können dazu Stellung nehmen. Wir beginnen in der ersten Runde mit der Staatsministerin Frau Orosz, danach CDU, SPD, Linksfraktion.PDS, NPD, FDP, GRÜNE und dann noch einmal die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile jetzt Frau Orosz das Wort.
Danke schön. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sie alle kennen die Presseberichte der letzten Wochen über die Vorkommnisse in der früheren LVA Sachsen. Sie fordern dazu rückhaltlose Aufklärung – mit Recht. Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Da ich in diesem Zusammenhang immer wieder höre, dass die Aufgabe und Verantwortung der Rechtsaufsicht hinterfragt wurde, lassen Sie mich zunächst skizzieren, welche Kompetenzen das Sozialministerium als Rechtsaufsicht besitzt.
Sozialversicherungsträger und damit auch die frühere LVA Sachsen sind als Selbstverwaltung nicht Teil der unmittelbaren Staatsverwaltung. Sie erfüllen ihre Aufgaben in eigener Verantwortung, sie haben das Recht der Selbstverwaltung. Im Kern der Rechtsaufsicht geht es um
die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht, das für den Versicherungsträger maßgebend ist. Die Aufsicht überwacht also die Einhaltung von Rechtsvorschriften und sie darf nur bei Rechtsverstößen tätig werden. Das, meine Damen und Herren, unterscheidet die Rechtsaufsicht von der so genannten Fachaufsicht, bei der auch die Zweckmäßigkeit des Handelns überprüft wird.
Rentenversicherungsträger unterliegen keiner gesetzlich vorgeschriebenen turnusmäßigen Prüfung der Geschäfts-, Rechnungs- und Betriebsführung. Das ist anders als zum Beispiel bei den Krankenkassen. Aufsicht und Selbstverwaltung stehen diesbezüglich in einem Spannungsverhältnis. Zum einen erfüllen die Versicherungsträger ihre Aufgaben in eigener Verantwortung. Damit sind sie grundsätzlich nicht an fachliche Ratschläge und Weisungen anderer Stellen gebunden. Zum anderen muss die Rechtsaufsicht bei ihrer Arbeit das Selbstverwaltungsrecht der Versicherungsträger beachten. Sie muss den Versicherungsträgern einen Beurteilungsspielraum zugestehen.
Wird ein Rechtsverstoß festgestellt, dann gibt das Gesetz detailliert vor, wie die Rechtsaufsicht auszuüben ist.
Paragraf 89 des IV. Buches Sozialgesetzbuch nennt dafür zwei Mittel: zunächst die Beratung und dann die Verpflichtung. Die Beratung ist dabei mehr als ein bloßer Hinweis. Die Aufsichtsbehörde soll in einen klärenden Dialog mit dem Versicherungsträger eintreten. Wird die Rechtsverletzung vom Versicherungsträger daraufhin nicht behoben, kann die Aufsichtsbehörde ihn im folgenden Schritt dazu verpflichten. Ein solcher Verpflichtungsbescheid setzt voraus, dass eine Beratung stattgefunden hat und dass der Versicherungsträger eine angemessene Frist zur Behebung der Rechtsverletzung eingeräumt bekommen hat. Die Kann-Bestimmung bedeutet wiederum, dass der Aufsicht ein Ermessen eingeräumt ist, ob sie einen Verpflichtungsbescheid erlässt oder nicht. Wenn sie dies tut, dann muss sie im Bescheid darlegen, aus welchen Gründen sie ihr Ermessen in diesem Sinne ausgeübt hat. Ich erwähne das deshalb explizit, weil Verpflichtungsbescheide der Aufsicht von den Sozialgerichten schon oft genug mit der Begründung wieder aufgehoben worden sind, die Aufsichtsbehörde habe das Abwägen zwischen Für und Wider nicht ausreichend dargelegt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was heißt das im Alltag? Im Durchschnitt ist inzwischen an jedem Tag ein Schreiben des Sozialministeriums an die LVA Sachsen gegangen. Dies gilt auch für die Rentenversicherung Mitteldeutschland. In jedem dieser Schreiben wird mit konkreten Hinweisen die Überprüfung von Entscheidungen verlangt, die sich möglicherweise zum Nachteil für die Bürgerinnen und Bürger auswirken. Das Recht des Einzelnen, das Recht der Bürgerinnen und Bürger, hat dabei für uns höchste Priorität.
Deshalb gibt es in diesem Leistungsbereich eine hohe Kontrolldichte. Wenn sich Bürgerinnen und Bürger nicht unmittelbar an uns wenden, erfahren wir von Rechtsverletzungen regelmäßig nur bei den eigens angeordneten Aufsichtsprüfungen, also hinterher, wenn der Rechtsverstoß möglicherweise bereits eingetreten ist. Häufig lässt sich dieser nicht mehr beheben. Die Aufsichtsbehörde kann lediglich in einem Beratungsgespräch oder mit einem Beratungsschreiben das vergangene Handeln rügen, und sie kann für künftige Fälle ein rechtmäßiges Handeln des Versicherungsträgers unter rechtzeitiger Einbeziehung der Aufsichtsbehörde anmahnen. Verspricht der Versicherungsträger, sich künftig rechtmäßig zu verhalten, hat es damit in der Regel sein Bewenden. Der Bundesgesetzgeber hat diese von mir geschilderte Rechtslage im IV. Buch Sozialgesetzbuch ausdrücklich so gewollt. Sie ist mit dem Selbstverwaltungsrecht eng verbunden.
Lassen Sie mich zusammenfassen. Mit den gegebenen aufsichtsrechtlichen Befugnissen kann die Aufsicht weder flächendeckend prüfen noch bis in den letzten Winkel des Handelns des Versicherungsträgers vordringen. Wir können nur in einigen abgegrenzten Bereichen präventiv tätig sein, nämlich dort, wo der Versicherungsträger verpflichtet ist, vor einer Entscheidung die Aufsichtsbehörde einzubeziehen, beispielsweise, wenn er die Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen nachweisen und er die
dazu gefassten Beschlüsse genehmigen lassen muss. Das ist aber nur bei einzelnen, im Gesetz genau festgelegten Tatbeständen der Fall, beispielsweise vor bestimmten Vermögensdispositionen, wie dem Erwerb von Grundstücken, oder bei Baumaßnahmen.
Ich komme nun zu der Frage, was das Sozialministerium im Rahmen seiner Aufsicht über die LVA Sachsen tatsächlich getan hat. Das Sozialministerium hat die LVA Sachsen bislang viermal geprüft. Gegenwärtig läuft die fünfte Aufsichtsprüfung. Das Landesprüfungsamt für Sozialversicherung war jeweils mehrere Wochen in der LVA Sachsen, hat dort örtliche Erhebungen angestellt und die Ergebnisse anschließend ausgewertet. Im Einzelnen sieht das wie folgt aus:
Die erste Prüfung war 1994/95. Es wurde die gesamte Geschäfts- und Rechnungsführung seit 1991 geprüft. In einem 374 Seiten umfassenden Prüfbericht wurden zahlreiche Beanstandungen festgehalten. In der Konsequenz kam es zur bereits bekannten Trennung vom Geschäftsführer wegen des Vorwurfs grober Pflichtverletzung und zu zahlreichen Änderungen bei Verwaltungsabläufen. In dieser Prüfung waren die in der Aufbauphase begangenen Fehler und Unregelmäßigkeiten beanstandet worden.
1998/99 erfolgte eine Prüfung der Bereiche Rente, Rehabilitation, Beiträge und Regress. Dieser Prüfbericht umfasste 203 Seiten nebst 40 Seiten Anlagen und beinhaltete 34 detaillierte Vorschläge. Diese reichten von einfachen formalen Änderungen über Vorschläge zur Neustrukturierung, zum Beispiel Zusammenlegung von Referaten, Reduzierung von Geschäftsstellen bis hin zu Beanstandungen von Reha-Maßnahmen im Ausland. Das Beispiel Österreich ist bekannt. Die Vorschläge wurden größtenteils umgesetzt. Die Anzahl der Geschäftsstellen wurde erheblich reduziert. Die Beanstandung wegen der Auslandskuren erledigte sich für die Zukunft, da das Recht ab 01.07.2001 diesbezüglich geändert worden ist und seitdem Kuren im Ausland zulässig wurden.
1999 wurde der Bereich der IT-Infrastruktur geprüft. Auch hier gab es einen 105 Seiten umfassenden Prüfbericht mit zahlreichen Beanstandungen. So hatte die Geschäftsführung ohne Vorstandsbeschluss eine Systemänderung vollzogen. Die fehlenden Beschlüsse wurden nachgeholt. In den anderen Punkten wurde nach umfangreichem Schriftwechsel und Ankündigung von Umsetzungsschritten durch die LVA die Prüfung für erledigt erklärt.
2001 fand nochmals eine umfassende Prüfung statt. Schwerpunkte waren damals Personal und Verwaltung, Finanzen und Vermögen sowie der sozialmedizinische Dienst. Im Rahmen dieser Prüfung wurden zum Beispiel die zu Unrecht gewährten Zulagen für Geschäftsführer aufgedeckt. Die betreffenden Geschäftsführer haben die ungerechtfertigt erhaltenen Zulagen zurückgezahlt. Dieser Vorgang ist Gegenstand des derzeit vor dem Amtsgericht Leipzig laufenden Gerichtsverfahrens. Ferner wurde in diesem Bericht auch die Gründung der Ahlbeck GmbH
sowie die unbegründeten Honorarzahlungen an den Projektsteuerer beanstandet. Insgesamt waren in dem 205 Seiten umfassenden Prüfbericht 76 Beanstandungen festgehalten.
Derzeit werden von der Staatsanwaltschaft Dresden strafrechtlich relevante Sachverhalte geprüft, die bei den Prüfungen bekannt geworden waren. Nach dem Ergebnis wird das Ministerium ebenfalls entscheiden, ob weitere disziplinarrechtliche Verfahren erforderlich sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesen intensiven Prüfungen und der Prüfdichte liegt Sachsen im oberen Bereich der Länderaufsichten. Manche Länder, wissen wir, prüfen seit Jahrzehnten nicht. Manche Länder weisen zwar zahlenmäßig Prüfungen aus, sie beschränken diese aber auf ganz enge Prüfgebiete. Wir wissen zum Beispiel: Thüringen hat einmal geprüft, Sachsen-Anhalt noch nie.
Abschließend noch einige Worte zu den einzelnen Sachverhalten, die in den letzten Tagen und Wochen durch die Presse gegangen sind. Zunächst zu den Belegungszusagen. Die LVA Sachsen hat im Jahr 2002 für neun Kliniken Belegungszusagen über 15 Jahre erteilt. Mein Haus hat hiervon erst aus den jüngsten Presseveröffentlichungen erfahren. Solche Belegungszusagen über 15 Jahre sind in der Tat ungewöhnlich. Sie sind rechtlich aber nicht ausgeschlossen, jedoch begründungsbedürftig.