Protokoll der Sitzung vom 15.03.2006

Abschließend noch einige Worte zu den einzelnen Sachverhalten, die in den letzten Tagen und Wochen durch die Presse gegangen sind. Zunächst zu den Belegungszusagen. Die LVA Sachsen hat im Jahr 2002 für neun Kliniken Belegungszusagen über 15 Jahre erteilt. Mein Haus hat hiervon erst aus den jüngsten Presseveröffentlichungen erfahren. Solche Belegungszusagen über 15 Jahre sind in der Tat ungewöhnlich. Sie sind rechtlich aber nicht ausgeschlossen, jedoch begründungsbedürftig.

Wir haben die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland aufgefordert, Begründungen dafür zu liefern. Die endgültige Bewertung dessen steht noch aus.

Ein anderer Fall: Bad Gastein. Hier geht es um Vorwürfe der damaligen Betreiberin, der damalige Geschäftsführer der LVA habe im Juli 1998 die Einstellung der Belegung angekündigt und davon zeitgleich auch die Sparkasse in Salzburg unterrichtet, die daraufhin alle Darlehen fällig gestellt habe. Das habe zu ihrer Insolvenz geführt. Die Klinik wurde dann von der Johannes Bad AG weitergeführt.

Der damalige LVA-Geschäftsführer habe ferner – so der Vorwurf der damaligen Betreiberin – Einfluss auf die Besetzung des Verwaltungsleiters der Klinik ausgeübt und sei auch selbst Gast zu Vorzugskonditionen gewesen.

Die Vorgänge werden derzeit bei INES geprüft, der wir unsere Akten zur Belegung des Bärenhofs zur Verfügung gestellt haben.

Weitere Vorwürfe betreffen die Einrichtung in Brandis. Sie beziehen sich auf Vorgänge aus der ersten Hälfte der neunziger Jahre sowie die Vertragsgestaltung zwischen Klinik und Chefarzt. Mein Haus hat weder Kenntnis von Vorwürfen der Bestechlichkeit, noch kannte es den Inhalt der Verträge. Solche Vorgänge können bei einer Aufsichtsprüfung nicht festgestellt werden. Wir prüfen nur die LVA Sachsen, nicht aber die Kliniken, mit denen sie Vertragsbeziehungen hat.

Zum Thema der Einweisungssteuerung hat sich die Staatsregierung in der Ihnen vorliegenden Stellungnahme

zum Antrag der Linksfraktion.PDS umfassend geäußert. Um Wiederholungen zu vermeiden, darf ich an der Stelle darauf verweisen.

Meine Damen und Herren! Ich will ein Fazit ziehen. Etliche Sachverhalte, von denen die Medien berichtet haben, wurden von meinem Haus selbst festgestellt. Das Entscheidungsgremium der ehemaligen LVA Sachsen war der Vorstand. Die LVA Sachsen wurde vom Ministerium über sämtliche Prüfergebnisse jeweils im Detail informiert und der Vorstand entsprechend zur Stellungnahme aufgefordert. Das Ministerium hat sich regelmäßig über die Abarbeitung der Beanstandungen informiert und den entsprechenden Vollzug eingefordert. Vielfach sind in der Tat Verbesserungen durchgesetzt worden.

Derzeit prüft der Sächsische Rechnungshof das Sozialministerium im Hinblick darauf, ob das Ministerium seinen Aufsichtspflichten korrekt nachgekommen ist.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS)

Wir haben dem Rechnungshof dazu alle gewünschten Unterlagen zur Verfügung gestellt.

Meine Damen und Herren, es bleiben abzuwarten: das Ergebnis der noch laufenden Strafverfahren wegen der rechtswidrigen Zulagengewährung; die Ergebnisse der laufenden Disziplinarverfahren gegen die zwei Geschäftsführer der früheren LVA Sachsen; die Ergebnisse der von INES geführten Ermittlungen im Zusammenhang mit der Belegung von Reha-Einrichtungen und das Ergebnis der Prüfung durch den Sächsischen Rechnungshof.

Wir werden diese Ergebnisse offen kommunizieren und alle erforderlichen Maßnahmen im Interesse der Beitragszahler einleiten. Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland gibt, wie wir alle wissen, nicht ihr eigenes Geld aus, sondern die Beiträge, die von den Versicherten und den Arbeitgebern aufgebracht werden.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Genauso ist es!)

Wir werden auch künftig im Rahmen unserer Möglichkeiten dafür sorgen, Herr Dr. Hahn, dass sie das wirtschaftlich und sparsam tut. Unabhängig davon – und jetzt sollten Sie vielleicht einmal zuhören – prüfen wir eine Änderung des Aufsichtsrechts. § 77 des IV. Buches SGB müsste verändert werden. Die Jahresrechnung sollte nicht mehr wie bisher von der eigenen Innenrevision oder einem vom Vorstand bestellten Prüfer geprüft werden, sondern von einem sachverständigen externen Prüfer, Wirtschaftsprüfer oder Prüfdienst.

Außerdem ist zu überlegen, ob das Gesetz auch für die Prüfungen bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung zeitliche Vorgaben machen sollte, die bisher, wie gesagt, nicht existieren.

Diese Änderungen können wir nur über eine Bundesratsinitiative einleiten und dafür brauchen wir bekanntermaßen Mehrheiten.

Ähnliche Vorstöße gab es bereits im Jahr 2001 und im Jahr 2004. Damals sind wir jedoch an den fehlenden Mehrheiten gescheitert. Ich hoffe dieses Mal auf ein anderes Ergebnis. Letztlich liegt das aber weder in der Hand der Sächsischen Staatsregierung noch des Sächsischen Landtags. Aufsichtsrecht ist Bundesrecht. Wir brauchen die Unterstützung der anderen Bundesländer und letztlich eine Mehrheit im Bundestag.

Ich habe inzwischen schon mit meinen B-LänderKollegen die Diskussion um dieses Thema begonnen. Wir brauchen die Mehrheit, um diese Vorschläge durchzubringen. Vom Ergebnis der Vorabstimmungen mit meinen Kolleginnen und Kollegen werden wir unser weiteres Vorgehen abhängig machen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Es spricht nun für die CDU-Fraktion Frau Abg. Nicolaus.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen haben einen umfangreichen Berichtsantrag eingebracht,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wo ist die Antwort?)

um das Thema offensiv anzugehen. Es geht darum, gerade diese Vorfälle aufzuklären, um ähnliche für die Zukunft zu verhindern. Die Staatsministerin hat umfassend ausgeführt, welche Möglichkeiten die Rechtsaufsicht hat, welche die Selbstkontrolle der Rentenversicherung und damit der LVA hat. Die Staatsministerin hat deutlich gemacht, dass die gegen das Sozialministerium als Rechtsaufsicht erhobenen Vorwürfe, bewusst weggeschaut oder eine nicht zu überbietende Nachlässigkeit an den Tag gelegt zu haben, unbegründet sind.

Das Sozialministerium hat die frühere LVA Sachsen viermal intensiv geprüft. Die fünfte Prüfung ist vor einem Monat begonnen worden. Allerdings kann auch eine Prüfung Geschehenes nicht ungeschehen machen. Fehlerhaftes Verwaltungshandeln lässt sich oft nicht mehr oder nur unter unverhältnismäßig hohen Kosten wieder rückgängig machen. Hier könnte man dann sicherlich der Aufsicht nicht vorhalten, versagt zu haben.

Es fällt auf, dass in den Presseveröffentlichungen nicht konkret gesagt worden ist, wo das Sozialministerium als Rechtsaufsicht versagt hätte, wo das Sozialministerium im speziellen Fall seine rechtsaufsichtliche Pflicht verletzt hätte.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das sagen wir Ihnen dann!)

Sie wissen aber viel, Herr Dr. Hahn. Sie haben wohl schon hineingeschaut? Sie haben wohl Akteneinsicht gehabt?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Nein, er kann es sich denken!)

Vermutungen, Mutmaßungen, Nebel!

Auch die Kolleginnen und Kollegen aus diesem Hohen Haus – das sind wir doch schon bei Ihnen und bei uns allen natürlich, aber jetzt sind wir natürlich speziell bei euch, ganz klar –,

(Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS)

die dem Sozialministerium Versagen vorgeworfen haben, belegen dies nicht im Einzelnen. Ich bin ja dann ganz Ohr, Herr Dr. Pellmann. Offenbar sind Sie der Auffassung, dass jeder Fehler der LVA, jedes beanstandete Verwaltungshandeln auch der Aufsicht zuzurechnen ist,

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS: Niemals!)

weil sie es nicht verhindert hat. Aber das geht nun einmal nicht. Das ist ja umfänglich beschrieben worden.

Anders wäre es nur, wenn die Aufsicht konkreten Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten, auf Korruption, auf rechtswidriges Handeln nicht nachgegangen wäre, wenn sie Augen und Ohren verschlossen hätte, falls sie von Dritten darauf aufmerksam gemacht worden wäre.

Eben das ist gerade nicht der Fall. Vielmehr ist es so, dass Unregelmäßigkeiten aufgedeckt worden sind. Wir, die Koalitionsfraktionen, haben in unserem Antrag eine Reihe von Fragen gestellt. Wenn unser Antrag von der Staatsregierung beantwortet worden ist, werden wir beurteilen, ob das Sozialministerium seinen Aufgaben als Rechtsaufsicht in vollem Umfang nachgekommen ist oder sich Versäumnisse vorhalten lassen muss. Bis dahin sollten wir alle hier im Hohen Hause von voreiligen Schuldzuweisungen Abstand nehmen.

Die Ausführungen haben gezeigt, es kommt in Zukunft darauf an, dass einige Regelungen verändert werden müssen. Daher bin ich der Staatsregierung sehr dankbar, dass sie sich dafür einsetzt, das „Rechtsaufsichtsschwert“ deutlich zu schärfen. Die Erweiterung der Kompetenzen der Rechtsaufsichtsbehörden ist in den letzten Jahren mehrfach diskutiert worden. Erst 2001 war bei der Organisationsreform der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung für die landwirtschaftlichen Alterskassen und Berufsgenossenschaften ein mindestens fünfjähriger Prüfturnus vorgeschrieben worden – aber eben nicht für die Rentenversicherungsträger und damit auch nicht für die LVA Sachsen. Die Staatsministerin hat bereits auf den erfolglosen Vorstoß hingewiesen.

Wie Sie vielleicht wissen, sind nach handelsrechtlichen Vorschriften bereits Gesellschaften, die um ein Vielfaches kleiner sind als die frühere LVA, von einem externen Wirtschaftsprüfer zu prüfen. Bei einer Anstalt wie der LVA, die ein Milliardenvermögen verwaltet, entfällt die unabhängige Kontrolle völlig. Man kontrolliert sich einfach selbst. Daher unterstützen wir ausdrücklich die Initiative der Staatsregierung, sich beim Bund für eine entsprechende Gesetzesregelung einzusetzen. Sie soll so aussehen, dass die Jahresrechnung der Rentenversiche

rungsträger von einem sachverständigen externen Prüfer zu prüfen ist. Bislang hat dies in der Regel die eigene Innenrevision getan.

Die vorgeschlagene Änderung liegt sicher auch im Interesse des Vorstandes des Trägers, der eine Stellungnahme zu den Festlegungen des Prüfberichtes zur Jahresrechnung abzugeben hat und so in die Verantwortung genommen wird. Noch mehr müsste es im Interesse der Vertreterversammlung liegen, die auf der Grundlage der Jahresrechnung, des Prüfberichtes und der dazu abgegebenen Stellungnahme des Vorstandes über die Entlastung des Vorstandes und des Geschäftsführers wegen der Jahresrechnung zu beschließen hat.

Wir appellieren von hier aus an die Mitglieder der Selbstverwaltung, an Vorstand und Geschäftsführung, in Zukunft darauf zu achten, dass es eine große Gefahr in sich birgt, wenn man sich bei der Beurteilung von Vorgängen auf andere Gremien in der Kette verlässt. Jede Ebene muss ihrer Verantwortung gerecht werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition! Polemik ist fehl am Platz; hier geht es um die Versicherten und deren Alterssicherung. Daher stehen die Koalitionsfraktionen für eine rückhaltlose Aufklärung. Mir ist durchaus bewusst, dass überall dort, wo Menschen handeln, auch Fehler passieren. Deshalb muss ein Regelwerk geschaffen werden, damit so etwas nie wieder vorkommen kann.

Ich bin der Staatsregierung sehr dankbar, dass sie frühzeitig Maßnahmen ergriffen hat, um die erkannten Missstände abzustellen. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, nutzen dieses Thema offensichtlich – wie leider allzu oft – wieder nur dazu, politisches Profil zu gewinnen, und dies aber auf Kosten der versicherten Menschen im Freistaat Sachsen. Die Aufklärung der Vorfälle sowie die Schlussfolgerungen, die daraus gezogen werden, müssen ausschließlich aus dem Blickwinkel der Rentenversicherten gesehen werden. Dieses Thema eignet sich nicht dafür, vorzeitig Schuldzuweisung zu betreiben, ohne Ergebnisse zu haben. Insofern erwarte ich auch von Ihnen das notwendige Maß an Verantwortung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Die SPD-Fraktion, bitte. – Nicht. Dann die Linksfraktion.PDS; Herr Abg. Pellmann, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Nicolaus, ich bin schon einigermaßen erstaunt über Ihren Redebeitrag, dass Sie bereits anzunehmen glaubten, was wir denn zu sagen hätten,