Protokoll der Sitzung vom 15.03.2006

Darüber hinaus wurde beschlossen, die bisherigen Quoten bei der Verteilung der Mittel beizubehalten, nach denen ein Siebentel der Mittel für die westdeutschen Länder und sechs Siebentel für die ostdeutschen Länder bestimmt sind.

Zwei Tage später hat die Bundesregierung den Entwurf des Bundeshaushaltes 2006 beschlossen. In diesem Entwurf sind die Mittel für die GA um 100 Millionen gekürzt. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das eigentliche Problem.

Für die GA-Mittel gibt es im Bundeshaushalt einen einheitlichen Haushaltstitel für die westdeutschen und die ostdeutschen Länder gemeinsam. So standen die ostdeutschen Wirtschaftsminister bei der Entscheidung über die Aufteilungsquote vor einer einfachen Wahl: entweder jetzt etwas zu verlieren oder am Ende alles.

Wir waren überzeugt, eine Neuaufteilung der Quote, bei der die Westländer keinen Cent mehr für die Verbesserung ihrer regionalen Wirtschaftsstruktur erhalten, legt die Axt an die gesamte Gemeinschaftsaufgabe. Wir hätten quasi ein Erbrecht für ein Linsengericht verkauft. Jeder, der das Instrument der GA näher kennt, weiß, dass es nicht funktionieren kann, wenn ein Großteil der Länder kein Eigeninteresse mehr hat, daran mitzuwirken. Das war immer Konsens aller Fachleute und es war die Grundlage für die gleiche Entscheidung meines Amtsvorgängers Dr. Martin Gillo vor zwei Jahren.

Der Protest gegen die Verringerung der GA-Mittel ist berechtigt. Er sollte sich aber gegen die Kürzung der Mittel für dieses sehr effektive Instrument der regionalen Wirtschaftsförderung richten und nicht gegen den Verteilungsschlüssel.

Nun hörte ich in den vergangenen Tagen auch den Vorwurf, dass Sachsen eine andere Interessenlage habe als all die anderen ostdeutschen Länder. Die anderen könnten angeblich leichter auf Geld verzichten, da sie ohnehin nicht in der Lage seien, alle Mittel abzunehmen und mit Landesmitteln kozufinanzieren. Dieses Argument ist falsch.

Nach den uns vorliegenden Informationen haben alle ostdeutschen Länder im Jahr 2005 die ihnen zugewiesenen Verpflichtungsermächtigungen zu 100 % in Anspruch genommen; lediglich Sachsen-Anhalt hat zirka sechs Millionen Euro nicht belegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zustimmung des Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit bei Enthaltung eines westdeutschen Landes, das keine GA mehr bekommen wird, zu diesem einstimmig gefassten Beschluss des GA-Planungsausschusses ist nach meiner

Überzeugung ein Gebot der politischen Klugheit. Es ging und es geht um die langfristigen und nachhaltigen Interessen des Freistaates Sachsen. So haben das meine Kollegen aus den anderen neuen Bundesländern auch für ihre Bundesländer definiert.

Das Kabinett in Brandenburg hat sogar einen Kabinettsbeschluss gefasst, der dieses Abstimmungsverhalten meines Kollegen von der CDU ausdrücklich bestätigt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben klar Position bezogen für den langfristigen Erhalt der Grundlagen der deutsch-deutschen Solidarität. Das ist in unserem ureigensten sächsischen Interesse. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass dies nicht nur Gegenstand von Sonntagsreden oder wohlfeilen Sätzen am 3. Oktober sein kann.

Dazu kommt, dass wir auch den Kritikern und Gegnern einer Verlängerung des Investitionszulagengesetzes damit ein wichtiges Argument genommen haben. Die Verlängerung des Investitionszulagengesetzes wird im Freistaat Sachsen übrigens ein Vielfaches von dem bringen, worauf bei den GA-Mitteln vermeintlich hätte bestanden werden können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Ausgangspunkt zurückkehren und wiederholen: Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ spielt nach wie vor eine herausragende Rolle bei der Unterstützung und Förderung der sächsischen Wirtschaft. Genau deshalb muss uns allen an der Sicherung der Finanzierung dieses Instruments nicht nur kurzfristig, sondern auch mittel- und langfristig gelegen sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was uns dabei ganz und gar nicht weiterhilft, sind politische Plänkeleien und Rüpeleien. Wir sollten genau dort zusammen ansetzen, wo das Problem liegt: bei der von der Bundesregierung beabsichtigten Kürzung der GA-Mittel insgesamt.

Ich möchte die Abgeordneten des Deutschen Bundestages aus allen Parteien dazu ermuntern, sich dafür einzusetzen, dass sich die GA-Mittel für die kommenden Jahre ungeschmälert im Bundeshaushalt wiederfinden. Dafür, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollten wir alle gemeinsam mit guten Argumenten, vertrauensvoll und ohne öffentliche Aufgeregtheit werben.

(Beifall bei der SPD)

Herr Morlok spricht jetzt für die einreichende Fraktion Nummer eins zur Drucksache 4/4448.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon etwas auffällig, wie sich Herr Jurk für die Staatsregierung zu rechtfertigen versucht.

Ich habe noch einmal unseren Antrag durchgelesen und überlegt, wo er denn den Grund sieht, sich hier rechtfertigen zu müssen. Dem Antrag ist es offensichtlich nicht zu entnehmen.

(Mario Pecher, SPD: Er hat nur Tatsachen genannt!)

Ich glaube, dass Herr Jurk sehr wohl erkannt hat, dass es Rechtfertigungsbedarf gibt, weil er nämlich in seiner Arbeit als Minister an einer entscheidenden Stelle eklatant versagt hat; deswegen die gerade gehörte – ich nenne es mal so – „Vorneverteidigung“.

Wir anerkennen als FDP-Fraktion ausdrücklich den Einsatz des Ministerpräsidenten Prof. Milbradt in der Vergangenheit im Rahmen der Sicherstellung der Solidarpaktmittel für die neuen Bundesländer, für den Freistaat Sachsen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Wir waren daher im höchsten Maße überrascht, als – und da helfen auch Ihre Erläuterungen von gerade eben nicht weiter – Sie bzw. Ihr Ministerium in der benannten Beratung mal so einfach locker auf 22 Millionen Euro verzichtet haben.

(Staatsminister Thomas Jurk: Stimmt nicht!)

Verzichtet haben.

(Staatsminister Thomas Jurk: Falsch!)

Und das, obwohl wir im Frühjahr letzten Jahres in diesem Hause mehrheitlich die gesetzliche Festschreibung des Solidarpaktes gefordert haben.

Sie haben mit Ihrer Interpretation dieser Beratungen versucht, sich zu rechtfertigen. Es gibt aber verschiedene Leute, die auch nicht gerade dumme Jungs sind, die es unter Umständen anders sehen, zum Beispiel Ihr Kabinettskollege, der Staatsminister der Finanzen, Herr Metz, der Ihr Verhalten einfach als unverständlich bezeichnet hat. Hat Herr Metz keine Ahnung? Oder wie würden Sie es bezeichnen? Er nannte es unverständlich.

Bitte, erlauben Sie uns, wenn es im Kabinett Ihr Kollege Metz als Koalitionspartner als unverständlich bezeichnet, dass wir an dieser Stelle kritisch nachfragen.

Herr Jurk, Sie haben ohne Not verzichtet. Denn im Koalitionsvertrag – wohlgemerkt, in dem aus Berlin – vom 11.11.2005 ist nämlich der Solidarpakt, die GAFörderung festgeschrieben. Ich zitiere: „Die Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur’ bleibt erhalten. Sie wird in der aktuellen und in der mittelfristigen Finanzplanung in gleich bleibender Höhe fortgesetzt.“

(Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD)

So steht es im Koalitionsvertrag. Warum Sie dann ohne Not in dieser Beratung die Zugeständnisse gemacht haben, ist für mich vollkommen unverständlich.

(Staatsminister Thomas Jurk: Was ist mit Herrn Rehberger?)

Ich denke, dass wir hier in diesem Hause über das Verhalten der Staatsregierung des Freistaates Sachsen

diskutieren. Wir würden uns auch verbeten, wenn die Kollegen in Sachsen-Anhalt über unsere Politik diskutieren würden.

(Staatsminister Thomas Jurk: Aha! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Können die gar nicht!)

Ich denke, dass der Ministerpräsident das ganz genauso sieht. Wir können den Ministerpräsidenten heute in einem Interview in der „Sächsischen Zeitung“ nachlesen. Da äußert er sich im Zusammenhang mit dem Koalitionsvertrag und den dortigen Festschreibungen, die ich gerade zitiert habe, wie folgt – ich zitiere –: „Wenn man den“, also den Koalitionsvertrag, „so einfach zur Disposition stellte, dann wäre er ja nichts wert.“

Herr Jurk, sind Sie denn der Auffassung, dass der Koalitionsvertrag, den Ihre Parteifreunde auf Bundesebene ausgehandelt haben, nichts wert ist?

Wenn man dieser Auffassung ist, dann kann man natürlich auch auf etwas verzichten, weil man sagt, es ist nichts wert.

(Zuruf des Staatsministers Thomas Jurk)

Aber wenn diesem Koalitionsvertrag, wie es der Ministerpräsident auch richtig ausführt, ein gewisser Wert beizumessen ist, wäre das nicht notwendig gewesen.

Wenn wir dies zusammenfassend feststellen, kommen wir zu dem Ergebnis, dass Sie als Minister mit Ihrem Verhalten bzw. Ihr Haus den Interessen des Freistaates Sachsen geschadet haben. Das ist nicht nur die Meinung der FDP-Fraktion, sondern diese Meinung wird von vielen Teilen in diesem Hause getragen. Ich denke da nur an die Äußerung von Herrn Zais von der Linksfraktion, der von einem „peinlichen Arbeitsfehler“ sprach. Ich denke an Herrn Luther, seines Zeichens Sprecher der CDUAbgeordneten aus Sachsen im Deutschen Bundestag. Er sprach von einer „Laienspielschar im Wirtschaftsministerium“. Ich möchte auch zitieren, wie Ihr Fraktionskollege und – bis vor wenigen Stunden noch, muss man sagen – Wirtschaftspolitischer Sprecher diesen Vorgang bewertet hat. Herr Nolle sprach von einem „schweren, blamablen Fehler“, von einem „Schlag gegen die Interessen Sachsens und der sächsischen Wirtschaft“. – Also tun Sie doch nicht so, als ob hier nur die böse FDP Kritik üben würde, sondern diese Kritik ist fraktionsübergreifend in einem sehr, sehr großen Maße vorhanden. Auf die Äußerungen von Herrn Staatsminister Dr. Metz habe ich bereits hingewiesen: „Unverständlich!“

Ich bin noch nicht so lange Mitglied dieses Hauses, erst seit anderthalb Jahren. Aber in diesen anderthalb Jahren habe ich noch nicht erlebt, dass ein Minister des Freistaates Sachsen öffentlich von Mitgliedern der Oppositions-, aber vor allem auch der Regierungsfraktionen, von seinen Kabinettskollegen und von seinen eigenen Parteifreunden so abgewatscht wurde wie Sie, Herr Jurk. Ich habe in den anderthalb Jahren auch noch nicht erlebt, dass für Rücktrittsforderungen an Minister nicht einmal die Opposition

und die Regierungsparteien zuständig sind. Auch dies, Herr Jurk, ist ein einmaliger Vorgang in diesem Hause. Er zeigt, wie brisant dieses Thema ist und wie groß der von Ihnen angerichtete Schaden allgemein eingeschätzt wird.

Mit unserem Antrag wollen wir der Staatsregierung und insbesondere auch dem Ministerpräsidenten den Rücken stärken. Wir haben gesehen, dass sich Verhandlungen, wenn man sie ernsthaft führt, ganz offensichtlich lohnen; denn was wir den Medien in den letzten Tagen entnehmen konnten – ich gehe einmal davon aus, dass die Medienberichte stimmen –, zeigt, dass man bei entsprechender Nachverhandlung – dies hat der Ministerpräsident auch getan – noch Dinge korrigieren kann. Wir hoffen, dass dies in den nächsten Tagen in den Verhandlungen korrigiert wird.

Ich denke, wir alle haben ein Interesse daran, dass diese Verhandlungen für Sachsen mit dem entsprechenden Ergebnis abgeschlossen werden können. Daher bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die Linksfraktion.PDS spricht die Abg. Mattern.