Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Zukunft bleibt offen, wie die Stadt Dresden langfristig ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden will. Wie, wenn nicht über ihre Wohnungsbaugesellschaft, will eine Stadt denn sonst bezahlbaren Wohnraum für alle Einkommensschichten garantieren? So verlockend Verkäufe im großen Stil auch sein mögen, sie sind – darin stimmt meine Fraktion mit den Antragstellern ausdrücklich überein – keine Lösung zur Behebung kommunaler Finanzprobleme.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Meine Fraktion ist nicht gegen einzelne Veräußerungen. Auch maßvolle Teilverkäufe können im Einzelfall gerechtfertigt sein, wenn Mehrheitsbeteiligungen und weitgehende vertragliche Gestaltungsräume erhalten bleiben. In Dresden ist diese Grenze mit dem WobaTotalverkauf doch bei Weitem überschritten. Aus diesem Grund hat die Stadtratsfraktion der SPD gegen den Verkauf gestimmt und ein klares Bekenntnis zur Zukunft
der Woba abgegeben, ein Bekenntnis, das Vertreter der PDS, schon das viele Geld vor Augen, nicht abgeben wollten. Sonst in der Heuschreckenkritik um keine Silbe verlegen, suchte die selbst ernannte Partei der kleinen Leute nicht, wie eigentlich zu vermuten, die Nähe zur Mieterschaft.
Ich will Sie nur fragen, ob die SPD beim Verkauf der Eisenbahnerwohnungen durch die Bundesregierung und beim Verkauf der Heimstätten zum Beispiel nicht beteiligt war.
Wir reden jetzt und hier über kommunales Wohneigentum, über das, worüber wir vor Ort entscheiden können. Es wird Ihnen nicht gelingen, von Ihrem Versagen in Dresden abzulenken.
Nein, ich möchte jetzt weitermachen. – Sonst also in der Heuschreckenkritik um keine Silbe verlegen, sucht die selbst ernannte Partei der kleinen Leute nicht, wie eigentlich zu vermuten, geschlossen die Nähe zur Mieterschaft, sondern die des Geldes, und vertraut scheinbar blind den Versprechungen eines amerikanischen Pensionsfonds, dessen soziales Engagement an anderer Stelle bereits hinreichend bekannt ist.
Dass Ihnen die Diskussion bei der Linksfraktion.PDS nicht schmeckt, ist mir klar. Aber da kommen Sie auch nicht raus.
Ihre Stadtratsfraktion hat sich erst dafür bekannt. Dann gab es Ärger in der Partei. Dann hat sich die Linkspartei der Bürgerinitiative gegen den Woba-Verkauf angeschlossen und die Mehrheit der Stadtratsfraktion hat trotzdem den Totalverkauf vertreten. Daraus wurde eine halbherzige Unterstützung der Initiative, und das Scheitern des Bürgerbegehrens ist deshalb auch Ihnen zuzuschreiben. Ich bin gespannt, wie Sie das Ihren Wählerinnen und Wählern erklären wollen.
Ob Fortress seine Zusagen zur Sozialcharta einhält, bleibt abzuwarten. Die 20 Millionen Euro Konventionalstrafe sind doch längst einkalkuliert. Das sind im Übrigen 200 Euro pro Wohnung.
Sicher ist aber, dass die Zusagen, egal ob man sie für ausreichend hält oder nicht, eines Tages auslaufen und die Frage nach dem „und dann?“ unausweichlich auf Dresden zukommt.
Offen bleibt auch, wie lange es Dresden tatsächlich gelingt, den plötzlichen Reichtum zu halten, oder ob sich wie schon so oft die alte Weisheit bewahrheitet: „Wie gewonnen, so zerronnen.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte für meine Fraktion klar sagen, wir unterstützen den Antrag der GRÜNEN voll und ganz, auch wenn der Adressat die Kommunen selbst sind und nicht der Landtag. Es gehört zum kommunalen Selbstverwaltungsrecht, die Dinge zu entscheiden.
In einer Koalition gilt jedoch, wenn beide Partner kein Einvernehmen erzielen, darf kein Koalitionär den Anträgen anderer Fraktionen, und seien sie auch gut, folgen. Aus diesem Grunde wird meine Fraktion den Antrag der GRÜNEN heute ablehnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe es ungern zu, aber mit dem vorliegenden Antrag zeigen die GRÜNEN, dass sie in der Frage der Privatisierung kommunalen Wohneigentums bemerkenswert viele inhaltliche Schnittmengen mit der NPD aufweisen.
Wir haben uns gefreut, dass die Grünen-Stadtratsfraktion in Dresden als einzige Kraft neben dem Nationalen Bündnis Dresden geschlossen gegen den Woba-Verkauf gestimmt hat.
In Sachen Doppelzüngigkeit, Herr Prof. Porsch, seien die Heuchler der PDS angeführt oder auch die SPDStadtratsfraktion, die nicht geschlossen dagegen gestimmt hat.
In den letzten Jahren müssen wir vielerorts feststellen, dass die Finanznot der Städte tiefe Spuren hinterlassen hat, und zwar in der Form, dass man immer wieder die Verscherbelung kommunalen Tafelsilbers als letzten Rettungsanker ausgeworfen hat.
Ausländische Beteiligungsgesellschaften haben im letzten Jahr nach einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young 29,5 Milliarden Euro in Deutschland investiert,
davon etliche Milliarden Euro in Wohnungen. Besorgnis erregend ist dabei, dass die Wohnungen zum Teil schon zum zweiten oder dritten Mal verkauft werden.
In diesem Jahr erst meldete GE-Real-Estate, eine Tochter des USA-Energiekonzerns, den Kauf von rund 1 400 Wohnungen aus den Händen eines privaten Investors in Deutschland.
Viele der neuen Großeigentümer am Immobilienmarkt haben offensichtlich Interesse, die neu erworbenen Bestände kurz- oder mittelfristig wieder zu veräußern. Anonyme Investoren, die nur darauf aus sind, die Unternehmen mit kurzfristiger Gewinnmaximierung rasch wieder zu verkaufen oder zu zerschlagen, ohne sich um die daraus langfristig entstehenden sozialen Kosten zu kümmern, benennt der Volksmund oder auch der Vizekanzler Franz Müntefering treffend als Heuschrecken.
Erschreckend kommt bei diesem Wohnungsmonopoly hinzu, dass anders als beim Erwerb eines Unternehmens durch eine Beteiligungsfirma die Substanz von Immobilien durch eine Abfolge von Käufen nicht gerade verbessert wird. Auch der Wert der Wohnungsunternehmen insgesamt wird durch das Engagement privater Investoren nicht erhöht. Schon ein einmaliger Eigentümerwechsel kann einen Instandhaltungsstau zur Folge haben, denn zur Befriedigung exzessiver Renditeerwartungen der Investoren wird den Wohnungsunternehmen über Jahre Kapital entzogen. Auch ein zweiter, dritter Erwerber erwartet selbstverständlich eine rasche Verzinsung, die er aber nicht bekommt, wenn er Dächer decken und Fassaden streichen lässt. Der permanente Weiterverkauf der Bestände hat bei gleichzeitiger Stagnation von Investitionen zur Folge, dass die Immobilienqualität immer schlechter wird und ihr Wert sinkt.
Dadurch entsteht ein immenser Schaden, der aber erst in zehn bzw. 20 Jahren sichtbar wird, was verantwortungslosen Politikern von heute egal sein kann.
All diese Punkte sollten gründlich untersucht werden, damit künftig Entscheidungen über den Verkauf kommunaler Wohnungsbestände auf der Basis einer empirisch unterfütterten Evaluierung getroffen werden und nicht etwa aus dem hohlen Bauch heraus bzw. unter dem Druck angeblich unumgehbarer Sparzwänge. Bei einer solchen Untersuchung, meine Damen und Herren, sollte man auch prüfen, inwieweit die Kommunalisierung privaten Wohnungseigentums soziale Entflechtungsprozesse begünstigt, die wiederum die Gefahr einer Ghettobildung in sich bergen oder, wie Dr. Gerstenberg bemerkenswerterweise gewarnt hat, Pariser Zustände heraufbeschwören könnten.
Der sozialdemokratische Münchner Oberbürgermeister Christian Ude äußerte nach dem Woba-Verkauf die Befürchtung, dass die Investoren nach dem Kauf höhere Gewinne erwirtschaften müssen, um die Rendite zu bringen, die den Anlegern versprochen wurde. Das gehe
letztendlich nur über höhere Erträge oder niedrigere Aufwendungen. Mittelfristig sind also kräftige Mieterhöhungen unvermeidbar. Es passt in diesem Zusammenhang ins Bild, dass nach einer Meldung der „Freien Presse“ nur wenige Tage nach dem Woba-Verkauf der Geschäftsführer von Fortress Deutschland, Matthias Moser, bereits rotzfrech die ersten Mieterhöhungen für die Woba-Mieter in Dresden angekündigt hat.
Auf dem gemeinsamen Kongress des Deutschen Städtetages und des Bundesverbandes Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen warnte der frühere französische Wohnungsbauminister Michel Delebarre mit Blick auf die französischen Erfahrungen vor weiteren Privatisierungen: „Sie erzielen damit kurzfristige Erlöse, aber müssen langfristig viel mehr investieren, weil sie die Defizite ausgleichen müssen, die der private Markt produziert haben wird.“
Auch in Dresden wird sich leider noch zeigen, wie kurzzeitig der Triumph jener sein wird, die nach dem WobaVerkauf nun allein den Aspekt der kommunalen Entschuldung abfeiern. Die Veräußerung bringt erhebliche Nachteile für Dresden mit sich, da sich die Stadt sämtlicher Einflussmöglichkeiten auf den Wohnungsmarkt beraubt und jährliche Woba-Gewinne einbüßen wird. Hartz-IV-Empfänger und Niedrigverdiener werden noch schwerer angemessenen Wohnraum finden, und die Absicherung der Interessen von Stadt und Mietern wird durch eine Sozialcharta, die weder insolvenzfest noch unbefristet gültig ist, nicht nachhaltig gewährleistet.
Meine Damen und Herren, das ist eine Sozialcharta, die das geschriebene Papier nicht wert ist und einzig und allein das schlechte Gewissen der neoliberalen Verkäufer der Linkspartei.PDS beruhigen soll!