Protokoll der Sitzung vom 15.03.2006

Nein, es geht um die Beobachtung und darum, in der politischen Auseinandersetzung das zu demaskieren, was hier allzu bieder und bürgerlich daherkommt. Wir müssen klar machen, dass der Rechtsextremismus ein Angriff auf die Werte dieses Staates, die Werte der Demokratie, die Menschenwürde der Andersdenkenden und der anders Aussehenden ist. Wir müssen klar machen, dass dieser Rechtsextremismus in Sachsen keinen Platz hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion.PDS, der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Herr Lichdi für die GRÜNE-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen versichern, dass ich Grüner bin und bleiben werde, und zwar mit voller Wonne.

Ich wollte eigentlich zum Antrag sprechen, aber das fällt nach den Ausfällen von Herrn Leichsenring schwer.

(Uwe Leichsenring, NPD: Dann setz dich doch wieder hin!)

Mein Vorredner hat zu Recht gesagt, dass Sie die übliche Strategie verfolgen: Sie seien das unschuldige Opfer und die einzigen Vertreter der Demokratie. Alle anderen Parteien verstünden die Verfassung nicht. Sie nehmen sie dann in die Hand und haben sogar die Stirn, die Verfassung als „abgegriffen“ zu bezeichnen.

(Uwe Leichsenring, NPD: Nein, das Heft!)

Ich finde das unerhört. Das ist eine Schweinerei. Für mich ist die Verfassung nicht etwas Abgegriffenes, sondern der Leitstern unseres Handelns. Das sollte auch so bleiben in diesem Haus.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Herr Leichsenring, Sie hatten die Stirn, Herrn Dulig als „Kleinkriminellen“ zu bezeichnen.

(Uwe Leichsenring, NPD: Stimmt! – Holger Apfel, NPD: Sie auch! Sie sind nicht besser! Ein Gesindel!)

Ich weiß, dass Sie nicht sehr von Kenntnissein getrübt sind, wenn Sie hier vorn an das Pult treten; sonst hätte Ihnen die Pressemitteilung auffallen können, dass die Staatsanwaltschaft Dresden das entsprechende Verfahren eingestellt hat.

(Uwe Leichsenring, NPD: Das ist doch kein Wunder in diesem Land!)

Ich nehme auch an, dass dieses Haus sehr wohl weiß, dass Sie, Herr Leichsenring – ich weiß nicht, ob im Zusammenhang mit der SSS, aber ich nehme es an –, einen Strafbefehl akzeptiert haben.

(Uwe Leichsenring, NPD: Nein, habe ich nicht, Herr Lichdi!)

Wenn Sie hier von „Kleinkriminellen“ reden, dann, denke ich, ist völlig eindeutig, wer hier kriminell ist und wer nicht. Herr Leichsenring, auch wenn die Frau Präsidentin mir vielleicht einen Ordnungsruf erteilt,

(Holger Apfel, NPD: Doch nicht von der PDS-Präsidentin!)

sage ich Ihnen: Sie sind ein unflätiger Rüpel. Ich wünsche mir, dass Sie uns möglichst bald von Ihrer Anwesenheit befreien. Ich habe Ihnen schon öfters in diesem Hause die Frage gestellt: Sie Neonazis von der NPD-Fraktion, sind Sie bereit, sich von der NSDAP und der Politik von Adolf Hitler zu distanzieren oder sind Sie es nicht?

(Uwe Leichsenring, NPD: Habe ich Ihnen doch schon erklärt!)

Ich habe darauf seit über einem Jahr keine Antwort bekommen. Es ist bezeichnend, warum ich keine Antwort bekomme: Sie distanzieren sich nämlich nicht von diesem Verbrecher.

(Zuruf von der NPD: Warum sollten wir? – Unruhe bei den übrigen Fraktionen)

„Warum sollten wir?“ Sie hören es. Genauso ist es. Genau deswegen werden Sie hier und sonst im Lande auf unseren erbitterten Widerstand stoßen. Sie sollten sich schämen!

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU – Alexander Delle, NPD: Ich bin Jahrgang 1973!)

Wir haben keinerlei Zweifel, dass die NPD und ihre Fraktion im Sächsischen Landtag Mitglieder und ihnen nahe stehende Szenen bei Gewalt gegen Andersdenkende und gegen Personen, die nicht ihrem völkischrassistischen Weltbild entsprechen, zumindest mental und – bei Herrn Menzel sind Verdachtsmomente durchaus vorhanden – auch aktiv unterstützen. Sie, Herr Abg. Leichsenring, Herr Abg. Müller und Herr Abg. Menzel, tun sich dabei bekanntermaßen besonders hervor.

Ich möchte aber zum Antrag sprechen. Er trägt den Titel „Bekämpfung des Rechtsextremismus in Sachsen“ und meint damit die Gewaltanwendung von Rechtsextremisten. Mich stört – erstens – der unklare Begriff „Bekämpfung“; Frau Köditz hat etwas Ähnliches ansprechen wollen. Aus rechtsstaatlicher Sicht ist darauf zu bestehen, dass es keine „Bekämpfung“ gibt, sondern dass es in der Sache um Gefahrenabwehr im polizeirechtlichen Sinne und um Strafverfolgung im strafrechtlichen Sinne geht.

Zweitens. Es irritiert mich ganz erheblich, Herr Buttolo, dass die Zahlen der Polizei, die Sie über die Anzahl der Opfer rechtsextremistischer und rassistischer Gewalt jetzt erst veröffentlicht haben, immer noch erheblich von den Erkenntnissen der Beratungsstellen RAA und AMAL abweichen. Ich weiß, dass die statistischen Kriterien der Polizei von denen der Beratungsstellen teilweise erheblich abweichen. Dennoch ist die erhebliche Abweichung allein dadurch meines Erachtens nicht zu erklären. Herr Buttolo, ich weiß, dass es, wenn auch regional durchaus verschieden, eine gute Zusammenarbeit zwischen den Beratungsstellen und der Polizei gibt. Dennoch bleiben die großen Unterschiede ein Ärgernis. Ich bitte Sie, dass wir gemeinsam dafür Sorge tragen, dass wir hier zu einem einheitlichen Bild über das tatsächliche Ausmaß der rechtsextremen Gewaltszene kommen. Insoweit ist Ihr Bericht, den Sie gegeben haben, leider noch nicht vollständig.

Drittens darf die Hervorhebung der Gewalt durch Neonazis nicht den Blick verstellen, dass die notwendige Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus in erster Linie eine politische sein muss, wenn sie denn wirksam sein soll. Dies bedeutet die öffentliche Herausarbeitung der fundamentalen politischen Wertdifferenzen zwischen Demokraten und Neonazis.

Herr Leichsenring hat es gerade schon wieder in seiner unnachahmlichen unverschämten Art kundgetan, worum es dabei geht, indem er ein Wort für farbige Menschen gebraucht hat, das ich hier nicht wiederholen möchte. Genau das ist das, was wir zutiefst ablehnen und verabscheuen.

Die Demokratie hat auf dem Fundament der Menschenrechte, der Gleichheit und Freiheit aller Menschen zu beruhen. Sonst ist sie keine Demokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD und der FDP)

Die Neonazis und auch Sie lehnen dies explizit ab. Unsere Aufgabe ist es, für dieses Wertefundament zu kämpfen und auch seine praktische Überlegenheit zu beweisen.

Dazu sage ich selbstkritisch, hierbei liegt auch noch der Mangel der demokratischen Parteien und Fraktionen in diesem Hause. Hierbei müssen wir uns anstrengen. Dazu würde ich mir an gegebener Stelle und zu gegebener Zeit hier in diesem Haus eine Debatte wünschen.

Meine Kollegin Astrid Günther-Schmidt wird noch fortsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD und der FDP)

Gibt es aus den Fraktionen noch Redebedarf? – Herr Schiemann, CDUFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich betone nochmals, die CDU-Fraktion bleibt bei ihrer Meinung: Wir lehnen jegliche Form von Extremismus ab. Wir wollen, dass der Staat weder auf dem linken noch auf dem rechten Auge blind ist.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich spreche von Extremismus. Ich bitte auch, dass Sie nicht den Versuch machen, Extremismus noch gesundzubeten.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Gewalt ist nicht links! – Lachen bei der NPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Staatsregierung in ihrem Bemühen bestärken, Extremismus in diesem Land entsprechend den Möglichkeiten, die Kollege Lichdi angesprochen hat, einzudämmen, zu beobachten und dann strafrechtlich, wenn es notwendig ist, entsprechend zu verfolgen.

Herr Staatsminister Dr. Buttolo, herzlichen Dank auch dafür, dass insbesondere das Innenministerium diese Arbeit leistet.

Es macht mich schon sehr betroffen, wenn sich jemand hier vorn hinstellt und den Vergleich führt, dass der Freistaat Sachsen vergleichbar wie Stalin handelt.

(Holger Apfel, NPD: Das ist aber wahr! – Uwe Leichsenring, NPD: Geh’ in dich!)

Ich weiß nicht, ob Sie das Recht haben, den Vergleich von Millionen Opfern, die weggeholt worden sind, die im Gulak ihr Leben verloren haben, mit der Situation im Freistaat zu vergleichen. Im Namen der Opfer spreche ich es Ihnen einfach ab, dass Sie so eine Frechheit hier im Sächsischen Landtag besitzen.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Wir haben immer auch in den Debatten gesagt, dass wir den Stalin-Gewaltherrschaftsopfern unseren Respekt zollen, weil sie ihrer Menschenwürde beraubt worden sind, nicht nur ihres Lebens, sondern zuerst ihrer Menschenwürde.

Wenn Sie davon sprechen und wenn Sie es ernst meinen würden, dann kommen Sie nicht umhin, die Verbrechen des Nationalsozialismus ebenfalls zu benennen und hier im Sächsischen Landtag auch zu äußern, wie sie zustande gekommen sind: Millionen Tote, Millionen Europäer und Millionen deutsche Landsleute, die Hitler in den Tod geschickt hat.

Mein Vater ist in Russland gewesen. Er ist als Kriegsversehrter nach Hause gekommen und wir haben in der Familie gespürt, was es bedeutet, wenn ein Mensch durch dieses verbrecherische System seiner Gesundheit beraubt ist, das Sie hier hochleben lassen.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Uwe Leichsenring, NPD: Nein!)