Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorgelegten Antrag möchten wir erneut auf ein Problem reagieren, das wir in den letzten Jahren immer wieder, auch hier im Sächsischen Landtag, angesprochen haben. Wir wollen mit diesem Antrag bewirken, dass uns die Staatsregierung Erfahrungswerte vorlegt, wie sich die Jugendkriminalität entwickelt hat, wo ihre Schwerpunkte liegen und welche Maßnahmen der Staat, aber auch Teile der Gesellschaft gegen die Jugendkriminalität ergreifen können, damit sie eingedämmt wird.
Wichtig ist, dass wir uns hierbei einem ernst zu nehmenden Problem einiger weniger Jugendlicher im Freistaat Sachsen widmen. Wichtig ist aber gleichsam, deutlich darauf hinzuweisen, dass die übergroße Mehrheit der sächsischen Jugendlichen nicht mit Gesetzen in Konflikt kommt. Es ist ganz wichtig zu sagen, dass es immer nur eine kleine Anzahl von Jugendlichen betrifft. Dennoch haben wir die Pflicht, ständig zu prüfen, ob die Sanktionsmöglichkeiten und die präventiven Maßnahmen ausreichend und tauglich sind, Jugendkriminalität zu reduzieren oder zu verdrängen.
Für jedes Volk muss es von großem Interesse sein, dass die heranwachsende Generation mit Fleiß und Leistung und ohne Kriminalität in ihre zukünftigen Aufgaben hineinwächst.
Trotzdem müssen wir uns immer wieder der aktuellen Entwicklung stellen. Deshalb bitten wir die Staatsregierung mit unserem Antrag, uns auch die Zahlen, wie erbeten, vorzulegen. Wir müssen prüfen, ob die Fallzahlen steigen oder ob es neue Schwerpunkte in den Deliktbereichen gibt. Gleichzeitig müssen wir prüfen, ob die präventiven und repressiven Maßnahmen wirkungsvoll und ausreichend sind.
Das gesamte Jugendstrafrecht einschließlich Strafvollzug wird vom Erziehungsgedanken bestimmt. So dienen Erziehungsmaßregeln wie Weisungen und Hilfe zur Erziehung ausschließlich erzieherischen Zwecken. Bei Zuchtmitteln, wie Verwarnung, Auflage und Jugendarrest, steht die neben der Denkzettelfunktion zu erzielende erzieherische Wirkung im Vordergrund. Die Jugendstrafe als einzige echte Kriminalstrafe im Jugendstrafrecht
verfolgt zwar die Ahndung der Tat im Sinne einer vergeltenden Strafe. Aber auch hier spielt der Erziehungsgedanke eine große Rolle. Beim Vollzug der Jugendstrafe spielt dann wieder nur die Erziehung eine entscheidende Rolle.
Das Abstellen auf den Erziehungsgedanken liegt darin begründet, dass junge Menschen strafrechtlich anders behandelt werden müssen als Erwachsene. Das Einsichts- und Handlungsvermögen ist nicht immer ausgeprägt genug. Es fehlt die notwendige Reife, die Verbotsnorm allumfassend zu verstehen. Die größere Formbarkeit der jungen Menschen spielt eine große Rolle bei der Auswahl der Sanktionsmöglichkeiten.
Diejenigen Abgeordneten, die Kinder erziehen oder erzogen haben oder sich an ihre eigene Kindheit erinnern, wissen, dass es bei Verfehlungen wichtig ist, dass die Strafe auf den Fuß folgt. Die Strafe und ihr Vollzug müssen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat stehen. Der zeitliche Zusammenhang muss auch im Freistaat Sachsen dabei deutlich geringer werden.
Auch in der Anhörung im Verfassungs- und Rechtsausschuss im Mai des letzten Jahres, die eigentlich zum Jugendstrafrecht stattfand, wurde seitens der Sachverständigen darauf hingewiesen, dass das geltende Jugendstrafrecht, insbesondere bei Bagatellstraftaten und Straftaten kleinerer bis hin zu mittlerer Kriminalität, ein flexibles und differenziertes Instrumentarium bietet und ein Abgleiten in eine richtige kriminelle Entwicklung verhindert. Wichtig ist die Anwendung des bereits vorhandenen breiten Sanktionsinstrumentariums. Insbesondere wurde betont, dass ein erzieherisch sinnvoll gestalteter Jugendstrafvollzug das beste Mittel zur Verhinderung von weiteren Straftaten ist und dass damit ein konkreter Opferschutz stattfindet. Dabei müssen die Opfer mehr Rechte erhalten als die Täter.
Es wurde aber auch dargelegt, dass es hier Defizite in der Praxis gibt. Es wurde dargestellt, dass es beispielsweise nichts hilft, wenn nach sechs Wochen eine Entscheidung des Gerichts vorliegt, die erst nach drei Jahren vollstreckt wird. Wenn Ladungen zum Jugendarrest erst Wochen oder Monate später vollstreckt werden, kann man nicht mehr davon sprechen, dass die Strafe der Tat auf dem Fuß folgt.
Praktiker berichten auch davon, dass der Jugendarrest nicht effektiv genug für die Erziehung genutzt und eher als erholsam von Jugendlichen beschrieben wird.
Insbesondere ist zu beobachten, dass in den weitaus meisten Fällen gemeinnützige Arbeit verhängt wird. Diese gemeinnützige Arbeit muss aber auch vorhanden sein und angeboten werden. Dies ist ebenfalls äußerst problema
tisch. Hier fordere ich die Gemeinden, aber auch die Landkreise und die Wirtschaft auf, doch ihren Teil dazu beizutragen, damit der Staat bei der Umsetzung nicht allein gelassen wird.
Unser Antrag fordert deshalb Antworten und natürlich davon ausgehend auch Maßnahmen von der Staatsregierung, wie man diese Situation verbessern, eine schnelle und natürlich effektivere Vollstreckung erreichen kann.
Im Bereich der gemeinnützigen Arbeit und des TäterOpfer-Ausgleiches bietet sich dabei auch die Einbindung der Wirtschaft an. Es gibt Unternehmen, die bereit sind, die entsprechende Unterstützung an den Staat oder an die Betroffenen zu leisten. Hier gibt es beispielsweise den Versuch des Leipziger Antigraffitiprogramms, bei dem sich ein freier Träger gebildet hat, der von der Wirtschaft und den Haus- und Grundbesitzern finanziert wird, die natürlich von Graffitimaßnahmen betroffen sind. In diesem Zusammenhang führen Kooperationsverträge zwischen Jugendamt, Justiz und Leipziger Wohnungsbaugesellschaft dazu, dass gemeinnützige Arbeit direkt den Geschädigten zugute kommt.
Aber eines will ich nochmals klar und deutlich sagen: Wer anderer Leute Häuser mit teurer Farbe beschmiert, ist kein Künstler und es ist auch keine Bagatelle. Es bleibt die Beschädigung fremden Eigentums und muss deshalb mehr als bisher unterbunden werden.
Problematisch sind versicherungsrechtliche Fragen während der gemeinnützigen Tätigkeit. Leider sagen viele Vereine ihre Hilfe bei gemeinnütziger Arbeit ab, da sie nicht in der Lage sind, junge Straftäter selbst hierfür zu versichern. Das stellt ein Problem dar, wenn der Verurteilte Schäden zulasten Dritter anrichtet. Auch hier ist Abhilfe notwendig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jugendliche wollen ihre Grenzen ausloten. Sie wollen aber auch ihre Grenzen gezeigt bekommen. Es ist besser, die Grenzen werden zeitiger gezeigt, bevor die kriminelle Karriere beginnen kann. Dabei müssen wir aber auch die Fehler der Achtundsechziger-Hätschelgeneration abstreifen.
Mehrfach- und Intensivstraftäter müssen an einer Kriminalkarriere gehindert werden. In der Haft dürfen sie nicht nur Gutachtern und sich selbst überlassen bleiben, sie müssen einen gesunden Lebensrhythmus erfahren. Das heißt, dass man früh aufsteht und nicht bis zehn Uhr im Gefängnis im Bett liegt. Sie müssen eine Möglichkeit der Arbeit haben. Sie müssen die Möglichkeit haben, die Schulbildung nachzuholen und sich beruflich weiterzubilden. Das ist die einzige Voraussetzung, um letztlich Kriminalkarrieren zu beenden. Das müssen wir im Prinzip auch in Gefängnissen stabilisieren, damit die Ausbildung stärker möglich ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sicherlich haben wir in den letzten Jahren den starken Veränderungsdruck. Das wird für die Menschen, die hier zu Hause und aufgewachsen sind, beim Umbau der Gesellschaft unterschätzt. Ich weiß nicht, ob sich Wissenschaftler einmal damit befasst haben, was in Kindern vorgegangen ist, die die letzten 15 Jahre erlebt haben, in denen Eltern ohne Arbeit und sie psychischem Druck ausgesetzt waren.
Ich glaube kaum, dass sich viele Wissenschaftler an dieses Tätigkeitsfeld herangewagt haben. Kinder und Jugendliche haben diesen Veränderungsdruck am meisten aushalten müssen und konnten sich kaum dagegen wehren. Der Verlust gleichsam angestammter Bindungen, der Werteverlust, die Schwächung der Familie muss uns zum Umdenken in der Gesellschaft drängen. Der politische Ansatz, die Spaßgesellschaft zu begründen, ist längst gescheitert. Ich bin froh, dass die sächsischen Jugendlichen mitbekommen haben, dass das Leben nicht nur aus Spaß besteht, sondern dass man auch Leistung bringen muss. Es gab eine Partei, die die Spaßgesellschaft kreiert hat und die Lüge verbreitet hat, dass das Leben nur aus Spaß besteht.
Das ist richtig. Es sei denn, sie verjubeln das Geld ihrer Eltern. Arbeit ist immer die Grundlage für ein gutes Leben. In der Gesellschaft sollte jede Arbeit stärker anerkannt werden. Jugendliche müssen begreifen, dass das Sprichwort „Ohne Fleiß kein Preis“ oder „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ auch heute noch ein modernes Lebensmotto darstellt.
Ich habe angesprochen, dass Jugendlichen die Chance gegeben werden muss, dass sie arbeiten können und nicht Trübsal blasen müssen.
Jugendliche brauchen Vorbilder. Das sollten wir nicht unterschätzen. Welche Vorbilder? Vorbilder sind nicht die Millionäre, die den Müßiggang pflegen, sondern es sind einfache Leute, die ihre tägliche Arbeit tun. Jugendliche brauchen diese Unterstützung. Sie brauchen gemeinsame Erlebnisse in der Gruppe, in der Klasse. Sie brauchen dabei aber auch die Unterstützung der Erwachsenen. Dabei will die CDU-Fraktion deutlich machen, dass auch die Gemeinden und Landkreise eine Verpflichtung haben, ihre Jugendangebote weiterhin vorzuhalten. Ich warne davor, dass es dort zu starken Reduzierungen kommt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollten mit diesem Antrag erneut darauf aufmerksam machen, dass wir die Jugendkriminalität nicht unterschätzen. Wir wollen uns mit den Zahlen auseinander setzen und ein ehrliches Gespräch mit betroffenen Jugendlichen führen, das sich gegen diese Form der Spaßgesellschaft wehrt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wesensmerkmal des Jugendstrafrechts ist, und hierzu hat sich die Koalition ausdrücklich bekannt, der Erziehungsgedanke.
Jugendstrafrecht und Jugendstrafvollzug stehen sich dabei als gleichwertige Bausteine gegenüber. Der Jugendstrafvollzug ist als wichtiges erzieherisches Element so zu gestalten, dass Jugendliche und Heranwachsende gefördert und gefordert werden, um sie von neuerlichen Straftaten abzuhalten. Die besonderen Instrumente des Jugendstrafrechts geben den Gerichten flexible Möglichkeiten, um einzelfallbezogen auf die individuelle Reifesituation der Jugendlichen und Heranwachsenden zu reagieren.
Herr Schiemann hat die Inhalte unseres Antrages ausführlich begründet. Ich möchte mich deshalb darauf beschränken, die eine oder andere Position zu konkretisieren. Die Koalition ist sich einig, dass Defizite nicht im Bereich des Strafrechts, sondern im Bereich des Strafvollzuges bestehen. Wir wollen diesem in der Gesamtdiskussion um das Jugendstrafrecht vielfach zu kurz gekommenen Aspekt im Vorgehen gegen Jugendkriminalität die notwendige Aufmerksamkeit verleihen. Das ist Hintergrund unseres Antrages. In der Praxis dauert es viel zu lange, bis die erzieherischen Maßnahmen eingeleitet werden. Die Strafe folgt nicht auf dem Fuße und somit geht ein Großteil der erzieherischen Wirkung verloren. Auch können Eindrücke aus Maßnahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs, wenn die Erinnerungen an das Geschehen schon lange zurückliegen, nicht mehr in gleicher Weise aufgearbeitet werden und büßen damit viel von ihrer Wirkung ein. Im Zusammenhang mit Wiedergutmachungsmaßnahmen tritt zudem das Problem schwieriger Versicherungsfragen hinzu, sodass auch dieses Instrumentarium nicht immer voll ausgeschöpft werden kann.
Unser Antrag möchte auch und bewusst den Erfolg anderer Strafvollzugskonzepte ergründen. Aus Skandinavien gibt es beispielsweise zahlreiche unkonventionelle und effektive Vollzugsmaßnahmen, deren nähere Einzelheiten es wert sind, gründlich aufgearbeitet zu werden.
Wichtig erscheint es uns auch, Modelle zu evaluieren, die auf eine bessere Vermittlung gemeinnütziger Arbeit – Herr Schiemann hat darauf hingewiesen – durch die Jugendgerichtshilfen in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und freien Trägern setzen.
Gestatten Sie mir abschließend noch einen Hinweis. Gerade im Bereich des Jugendstrafvollzugs dürfen bewährte Maßnahmen der Jugendhilfe, wie soziale Trainingskurse oder Betreuungszuweisungen, nicht aus Kostengründen zur Disposition gestellt werden. Ansonsten laufen wir Gefahr, dass wir zukünftig weniger präventiven Einfluss auf die jugendlichen und heranwachsenden Täter ausüben können. Die Folge wäre ein Anstieg der Jugendkriminalität. Damit ist weder der inneren Sicherheit noch unserer Jugend gedient.