Protokoll der Sitzung vom 05.04.2006

Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren, wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 5

Notare im Freistaat Sachsen

Drucksache 4/4770, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Als Einreicherin des Antrages beginnt die CDU-Fraktion, danach folgt die SPD-Fraktion, danach die gewohnte Reihenfolge. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Schiemann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal weiß man nicht, woher es kommt.

(Heiterkeit bei der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Mir ist gerade auf den Weg gegeben worden, dass ich von der FDP-Fraktion dazu etwas zu erwarten habe. Dennoch glaube ich, es ist an der Zeit, den Notaren im Freistaat Sachsen ganz herzlich für ihren Beitrag beim Aufbau des Freistaates Sachsen zu danken. Ich danke den sächsischen Damen und Herren in den Notariaten ganz herzlich, denn ihrer zügigen Arbeit ist es mit zu verdanken, dass die Investitionen im Freistaat Sachsen sehr schnell umgesetzt werden konnten. Dazu gehört auch die gute Zusammenarbeit mit den Grundbuchämtern.

Der heute vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen, zu dem mir vom Kollegen Dr. Martens Kritik angedroht worden ist,

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Zu Recht!)

auch von den GRÜNEN, dann kann ich mich warm anziehen –, zielt aber auf den Erhalt der Ländernotarkasse Leipzig.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Dafür sind wir auch!)

Dafür sind Sie auch, dann habe ich wenigstens eine Sache weg.

Nach der friedlichen Revolution im Jahre 1989 entstand in den fünf ostdeutschen Flächenländern diese gemeinsame Einrichtung Ländernotarkasse Leipzig. Durch die Existenz dieser Kasse wird nicht nur die Altersversorgung der Notare, die Besoldung der Notarassessoren und die Förderung der wissenschaftlichen und praktischen Fortbildung der Notare sichergestellt, sondern auch das Berufseinkommen der Notare ergänzt.

Letzteres sichert insbesondere in dünn besiedelten Gebieten und damit im ländlichen Raum ein bestimmtes Minimum an Einkommen. Dieses dient der Unabhängigkeit der Notare und damit der Aufrechterhaltung einer geordneten versorgenden Rechtspflege. Es stellt in diesen Gebieten die Versorgung mit notariellen Leistungen für die sächsischen Bürgerinnen und Bürger langfristig sicher.

Die heutige Debatte ist aus Sicht der Koalitionsfraktionen dennoch notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 13. Juni 2004 Regelungen der Bundesnotarordnung wegen Verstoßes gegen Artikel 12 Grundgesetz als teilweise verfassungswidrig beurteilt hat. Die Regelungen betreffen die Organisation der Kassen; das ist letztendlich unser Thema. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass im Gesetz eine Regelung über die Zusammensetzung des Verwaltungsrates, über die Art seines Zustandekommens, über die Ermittlung und

Bestellung des Präsidenten und über die jeweils angemessene Beteiligung der Notare aus den Ländern fehlt. Der Gesetzgeber müsse hierzu selbst Regelungen treffen. Der Bundesgesetzgeber hatte das bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nicht getan.

Das Gericht hat dabei aufgegeben, dass bis Ende des Jahres 2006 den Vorgaben der Verfassung entsprechende gesetzliche Grundlagen zu schaffen sind. Tritt diese Gesetzesänderung nicht bis zum 31. Dezember 2006 in Kraft, gibt es keine Rechtsgrundlage für die Abgabenerhebung durch die Kassen und damit für die Versorgung der Notare in unseren Ländern. Aufgrund des sozialen Aspekts der Ländernotarkasse wäre dies sehr zu bedauern.

Sollte Kollege Martens mich dahin gehend belehren, dass dies alles schon geregelt sei, würde ich mich sehr freuen. Wenn es aber nicht dazu gekommen sein sollte, müsste hierzu noch Eile an den Tag gelegt werden.

Aufgrund von Artikel 74 Abs. 1 Ziffer 1 des Grundgesetzes unterfällt die Gesetzgebungskompetenz für das Recht des Notariats der konkurrierenden Gesetzgebung. Der Bund hatte mit dem Erlass der Bundesnotarordnung von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und ist damit zuständig für die Änderung des Gesetzes, das heißt, wir als Land haben dabei derzeit keine Gesetzgebungskompetenz.

Aus den vorgenannten Gründen bitten wir, die Koalitionsfraktionen, heute die Staatsregierung, alles Mögliche auf Bundesebene dafür zu tun, dass bis Ende des Jahres eine Regelung in Kraft treten kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Länderinitiative ist notwendig, weil die Bundesregierung bzw. der Bundestag bisher nichts Ausreichendes unternommen hat, um die Frist des Bundesverfassungsgerichts einzuhalten. Nach meiner Kenntnis ist es im Gegenteil vielmehr so, dass die Bundesregierung bisher ein Gesetzesvorhaben nicht verfolgen will. Sie begründet dies mit der Möglichkeit, dass im Rahmen der Föderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz für das Notariat auf die Länder übertragen wird.

Aufgrund der kontroversen Diskussion über die Inhalte der Föderalismusreform und des In-Kraft-Tretens einer Änderung des Grundgesetzes frühestens im Sommer 2006 wäre es jedoch außerordentlich schwierig, eine derartige Regelung in den fünf ostdeutschen Ländern bis Ende des Jahres 2006 abzustimmen. Aufgrund der kurzen Zeitspanne besteht deshalb auf jeden Fall die Gefahr, dass die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist nicht mehr eingehalten werden kann. Eine sichere Lösung bietet deshalb lediglich eine Regelung durch den Bund, solange er die Gesetzgebungskompetenz hat. Dieses Gesetz würde dann trotz einer Änderung der Gesetzgebungskompetenz Bestand haben, weil es als Bundesrecht fortgilt.

Ich weiß, dass eine entsprechende Initiative am 7. April, das heißt, diesen Freitag, auf der Tagesordnung des Bundesrates steht. Diese Initiative geht vom Freistaat Sachsen aus. Ich halte den heute vorliegenden Antrag als

Unterstützung für die Sächsische Staatsregierung aber dennoch für notwendig. Ich hoffe, sie findet genügend andere Bundesländer, damit die Initiative in den Bundestag eingebracht werden kann. In diesem Fall ist dann auch alles Mögliche dahin gehend zu unternehmen, dass sich der Bundestag dieser Initiative annimmt und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes entsprechend regelt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte auch um Zustimmung zu Punkt 2 der Initiative. Wie bereits oben dargestellt, ist Voraussetzung für eine geordnete Rechtspflege die Gewährleistung eines bestimmten Berufseinkommens der Notare. Dies kann trotz der Ausgleichsfunktion der Ländernotarkasse nur gewährleistet werden, wenn jeder Notar einen entsprechend großen Versorgungsbereich hat. Deshalb stellt sich auch hier das Problem der demografischen Entwicklung und der Ausdünnung des ländlichen Raumes. Wir fordern deshalb die Staatsregierung auf, uns darüber zu berichten, wie sich Notare und Staatsregierung auf diese Entwicklung einstellen.

Ich bitte Sie herzlich um die Zustimmung zu dem Antrag der beiden Koalitionsfraktionen.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Danke schön. Für die SPD-Fraktion Herr Abg. Bräunig, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schiemann hat unseren Antrag ausführlich begründet. Ich will mich deshalb auf einige wenige Ergänzungen beschränken.

Notare sind Dienstleister, Dienstleister im Namen des Rechts. In einer Gesellschaft, in der Rechtsgeschäfte fast ebenso dynamisch zunehmen wie der technische Fortschritt oder wirtschaftliche Umbruchprozesse, gewinnen notarielle Dienstleistungen immer mehr an Bedeutung. Deshalb ist ein effektives, effizientes Notariatswesen auch im Freistaat Sachsen unbedingt notwendig.

Die flächendeckende Versorgung gerade des ländlichen Raumes mit notariellen Dienstleistungen ist eine bedeutende gemeinsame Aufgabe der Notarkammer und der Sächsischen Staatsregierung. Deshalb muss auch vor dem Hintergrund des laufenden und teils dramatischen demografischen Wandels frühzeitig auf diese Entwicklung reagiert werden.

Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir zum einen erreichen, dass sich die Staatsregierung frühzeitig mit diesem Thema befasst, und zum anderen zielt unser Antrag natürlich auf eine gesetzgeberische Aktivität des Bundes, mit der die notwendige Beibehaltung der Ländernotarkasse in Leipzig auch über den 31. Dezember 2006 hinaus gesetzlich sichergestellt wird. Die Föderalismusdebatte bremst uns etwas in dieser Frage. Selbst für den Fall, dass die Zuständigkeit auf die Länder übergehen sollte, würde das frühestens zum

01.01.2007 in Kraft treten. Dort wäre es eigentlich schon zu spät. Deshalb muss hier der Bund gesetzgeberisch aktiv werden, und das noch in diesem Jahr. Die gemeinsame Ländernotarkasse hat, wie schon dargelegt wurde, derzeit in der Bundesnotarordnung keine ausreichende gesetzliche Grundlage mehr. Das Bundesverfassungsgericht hat das festgestellt. Dem wollen wir abhelfen, und wir bitten deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Für die Linksfraktion.PDS wird zur Abwechslung wieder einmal Herr Bartl sprechen.

– Herr Präsident, ich bedanke mich für Ihre Geduld.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gelegentlich wird beklagt, dass es zu wenig sei, nur drei Anträge pro Fraktion einbringen zu dürfen. Manche beklagen, dass es zu viel ist. Es ist ein Präzedenzfall da, dass wir viel zu viel Redezeit haben und viel zu viele Möglichkeiten. Es erschließt sich mir einfach wirklich nicht, beim allerbesten Willen, wenn ich den Gesetzesantrag der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in Drucksache 2106 vom 24.03.2006 im Bundesrat vor mir liegen habe, wo unter anderem der Freistaat Sachsen den Gesetzentwurf exakt zu dem Thema vorlegt, was wir jetzt im Landtag befeiern sollen. Was soll denn das?! Die Staatsregierung hat gemeinsam mit den Ländern Sachsen-Anhalt und Thüringen bereits eine entsprechende Vorlage in den Bundesrat eingebracht, und die Vorlage im Bundesrat liegt nächste Woche auf dem Tisch. Das sagt Kollege Schiemann selbst.

(Marko Schiemann, CDU: Diese Woche!)

Diese Woche. Na also. Was sollen wir dann der Staatsregierung noch aufgeben? Sie hat doch ihre Schularbeiten gemacht! Punkt 1.

Punkt 2. Der Ausgangspunkt, dass wir die Not haben, war ja bekanntermaßen dieses Verfassungsgerichtsurteil, das ich mit Vergnügen gelesen habe. Da hat der Freistaat Sachsen die Verfassungsbeschwerde für den Notar, der gewissermaßen vom Fiskus beerbt werden sollte, erhoben. Nun wollte er die Kohle reinholen. Da hat ihm aber das Verfassungsgericht mit der entsprechenden Entscheidung vom 25. April gesagt, dass der Fiskus keine Grundrechtsbeschwerde erheben kann, denn er ist kein Individuum, auf das die Grundrechtsbeschwerde der Erben übergeht. Wir haben uns als Freistaat doch schon einmal in dieser ganzen Konstellation blamiert. Deshalb denke ich, jetzt einen Beschluss zu fassen, nachdem das, was wir aufgeben sollen, schon auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung ist, dafür fehlt mir einfach außer der Kategorie Lobby-Politik jedes Verständnis und jedwede Nachvollziehbarkeit. Es ist aber unschädlich. Wir wollen den Kollegen Notaren gerne helfen, sie liegen mir auch am Herzen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Für die NPD-Fraktion Herr Abg. Delle, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird dem Antrag von CDU und SPD zustimmen.

Zu den wichtigsten Grundsätzen nationaler Politik und somit natürlich auch der NPD-Fraktion hier im Landtag gehört die Forderung nach der Sicherstellung der ökonomischen, sozialen und kulturellen Überlebensfähigkeit aller Landesteile und die Stärkung ihrer gewachsenen Strukturen. Natürlich gehört dazu auch die Erhaltung einer ausreichenden flächendeckenden Versorgung mit Notariatsdienstleistungen im ganzen Freistaat, denn von der kompetenten und zügigen Abwicklung von Rechtsgeschäften im Zusammenhang mit Vermögensfragen, Grundstücksüberschreibungen usw. können wirtschaftliche Vorhaben von großer Bedeutung für eine Region abhängen. Wir halten deswegen sowohl die regionale Bindung der Notare als auch ihre berufsständische Selbstverwaltungsstruktur für wichtig und erhaltenswert, Letzteres ist mit einem öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungsorgan wie der Ländernotarkasse in Leipzig am besten gewährleistet.

Beides, wie erwähnt, ist durch eine neue Rechtsprechung des BVG infrage gestellt, ausgelöst durch Klagen von Notaren gegen die derzeitige rechtliche Regelung in der Bundesnotarordnung. Schuld daran ist natürlich nicht das Gericht, sondern der Bundesgesetzgeber, der durch seinen mangelnden Gestaltungswillen die Urteile notwendig gemacht hat. Dadurch verzögern sich wichtige Regelungen, und zwar ganz offensichtlich zum Nachteil unseres Landes.

Der Bundesgesetzgeber hat in mindestens dreierlei Hinsicht versäumt, die Existenzfähigkeit des an sich sehr guten deutschen Notarwesens rechtlich abzusichern:

Erstens sind die organisatorisch-rechtlichen Vorkehrungen für die Arbeit der Ländernotarkasse in Leipzig unvollständig und vom BVG für verfassungswidrig erklärt worden. Dadurch ist die ganze berufsständische Selbstverwaltung der Notare der neuen Bundesländer infrage gestellt.