Protokoll der Sitzung vom 06.04.2006

(Johannes Lichdi, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Jetzt nicht, später.

Lassen Sie mich trotzdem feststellen: Es gibt ihn nicht, den totalen Schutz vor Naturkatastrophen. Ich möchte mich an dieser Stelle jedoch ausdrücklich bei den Menschen im Land und ihren Helfern dafür bedanken, wie besonnen sie ihr Hab und Gut und sich selbst in Sicherheit gebracht haben.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Was wir tun können, um solcher Situationen besser Herr zu werden, müssen wir jetzt und auch zukünftig tun. Jetzt verteidigen wir die Deiche. Jetzt helfen wir den Bürgern und scheuen dabei keine finanziellen Mittel, ob es die Kommunen sind oder das Land. Die Art und der Umfang der finanziellen Hilfe danach hängen im Wesentlichen von den Schäden selbst und ihrer Art ab. Deshalb nehmen wir jetzt gemeinsam mit den Vor-Ort-Behörden Schäden auf, und wir werden den Betroffenen und den Kommunen zur Seite stehen.

Im Namen der Staatsregierung darf ich erklären, dass wir den in Not geratenen Bürgern, aber auch Unternehmen helfen werden, und wir werden uns anstrengen, dies auch mit den eigenen Kräften und Mitteln zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und der Staatsregierung)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort; Herr Kupfer, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gewaltige Fluten, verwüstete Landstriche, zerstörte Existenzen – nach sintflutartigen Niederschlägen beginnt im August 2002 die Hochwasserkatastrophe in der Erzgebirgsregion. Eine verheerende Flutwelle rollt wochenlang von Tschechien durch Dresden, Dessau, Bitterfeld und Wittenberg bis nach Hitzacker in Niedersachsen.

Im Dauereinsatz versuchen Zehntausende von Helfern und Soldaten, die Fluten mit Sandsäcken und Barrieren aufzuhalten. Dennoch brechen zahlreiche Dämme. Im Osten Deutschlands sterben mehr als 20 Menschen in den Fluten von Elbe, Mulde und Weißeritz. Zehntausende müssen auf der Flucht in Notunterkünfte. Viele verlieren ihre Existenzgrundlage. Zehntausende Häuser werden beschädigt, hunderte sind komplett zerstört. Allein in Sachsen, dem Land mit den größten Schäden, fallen mehr als 25 000 Häuser den Wassermassen zum Opfer. Straßen und Bahndämme werden unterspült und Kulturgüter beschädigt. Die Fluten verursachen nach Angaben der Bundesregierung Schäden in Höhe von etwa neun Milliarden Euro.

Meine Damen und Herren! Keiner hätte gedacht, dass uns dieses Thema so kurze Zeit nach dem Hochwasser 2002 schon wieder ereilt und es erneut Betroffene, ja Opfer der Wassermassen gibt. Entlang der sächsischen Fließgewässer, insbesondere der Elbe, sind zahlreiche Privatpersonen, Bundeswehrsoldaten, Feuerwehrleute, Polizisten und Mitglieder des THW im Einsatz. Die Bilder von 2002 kamen sofort in Erinnerung.

Wie 2002 konnten wir eine außerordentliche Solidarität und Unterstützung für die Betroffenen feststellen. Diese Situation, wie sie durch die Schneeschmelze im Gebirge verursacht wurde, führt Menschen zusammen. Entgegen aller Schwarzmalerei von Ellbogengesellschaft und Vereinzelung haben die meisten Menschen bewiesen, dass sie in der Not füreinander einstehen. Viele haben mehr als ihre Pflicht getan und kämpfen immer noch. All diesen Menschen gilt unser herzlicher Dank und unser Respekt.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Es gibt aber auch andere Menschen, dies möchte ich ebenfalls erwähnen. Es gibt Menschen, die nicht unmittelbar an der Elbe, aber auch nicht weit weg von ihr wohnen und sich beklagen, weil nun sonntags Lkws mit Sand und Kies fahren, um die Dämme zu verstärken. Diese Menschen sollten sich einfach nur schämen.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Meine Damen und Herren! Es scheint, als hätte die Scheitelwelle des Hochwassers Dresden und die anderen Elbanlieger erreicht. Wir können hoffen, dass die Elbe in den nächsten Tagen zurückgeht und ihren Normalzustand wieder erreicht. Unsicherheitsfaktor ist immer noch das Wetter, und unsicher ist auch, ob die Dämme der Dauerbelastung widerstehen. Vielerorts sind sie durchweicht und drohen zu durchbrechen. Wir hatten erst gestern in Prettin die Horrormeldung, dass der dortige Deich zu brechen droht. Die Gefahr ist gebannt, wie man jetzt weiß. Prettin – für diejenigen, die nicht ganz genau wissen, wo es liegt – liegt ein Stück oberhalb der Stelle, wo 2002 in Dautzschen der Deich gebrochen war. Es hätte also wieder die gleiche Anzahl von Menschen und die gleichen Menschen getroffen, wenn dieser Deich gebrochen wäre.

Es sind schon jetzt wieder Schäden entstanden, meine Damen und Herren. Jeder einzelne Schaden ist ein Schaden zu viel. Er schmerzt die Betroffenen. Einen hundertprozentigen Schutz vor Hochwasser wird es nicht geben. Das hat der Minister schon gesagt.

Im September 2002 waren wir uns hier im Hause darüber einig, dass die Verbesserung des Hochwasserschutzes entlang der sächsischen Fließgewässer eine Generationenaufgabe ist, die nicht von heute auf morgen gelöst werden kann. Wer dies verlangt, betreibt aus meiner Sicht eine unseriöse Politik und macht Hoffnungen, die niemand einhalten kann.

In den vergangenen vier Jahren ist in Sachsen Gigantisches geleistet worden. Neben dem Wiederaufbau entstanden 47 Hochwasserschutzkonzepte einschließlich der Erstellung von Gefahrenkarten. Insgesamt sind darin 1 600 Maßnahmen enthalten, die zu einer Verbesserung des Hochwasserschutzes führen. Der Finanzbedarf dafür beträgt eine Milliarde Euro. Das ist kein Pappenstiel und muss neben den vielen anderen Aufgaben, die der Freistaat zu erfüllen hat, in den kommenden Jahren weiter kontinuierlich abgearbeitet werden.

Seit 2002 ist viel geschehen. Sachsen ist das erste Bundesland, welches flächendeckend den Hochwasserwarndienst auf den modernsten Stand gebracht hat. Sachsen ist das erste Bundesland, welches flächendeckend Überschwemmungsgebiete ausgewiesen hat. Zahlreiche Hochwasserrückhaltebecken und Polder wurden entlang der Elbe, der Mulde und anderer Zuflüsse gebaut. Die Wiedererrichtung von gebrochenen Dämmen wurde zu deren Sanierung und Festigung genutzt: Dommitzsch, Dautzschen, Nünchritz, Kreinitz, Dresden-Kaditz usw. Elbdeiche wurden auf einer Länge von 50 km nach aufwändiger Planung und Genehmigung neu gebaut. Zahlreiche Planungen laufen. An den Zuflüssen der großen Fließgewässer wurden ebenfalls zahlreiche Neubaumaßnahmen, insbesondere was den Rückhalt des Wassers betrifft, realisiert. Am einfachsten war die Erhöhung des Rückhaltes in den Talsperren.

Wir haben auch ein Beispiel hier im Hause, das ich noch erwähnen möchte: Es sind Brunnen zur Grundwasserabsenkung und mit den Brunnen Pumpen zum Abbau des hydraulischen Druckes errichtet worden. Das schützt nicht nur das Gebäude des Landtages, sondern auch die Gebäude der Semperoper und der Hofkirche.

Ich möchte noch eine Sache erwähnen, deren Durchsetzung in den letzten Jahren ebenfalls gelungen ist, nämlich die Zusammenarbeit der Landestalsperrenverwaltung mit den sächsischen Schäfern. Wir wissen, dass gerade im Augenblick die Deiche durch Durchweichung gefährdet sind. Warum sind sie durchweicht? Weil sie in ihrer Festigkeit nicht so sind, wie sie sein sollten. In den letzten Jahren ist es gelungen, aufgrund von Verträgen mit Schäfern dazu überzugehen, dass mehr und mehr Deiche eben nicht abgemäht, sondern durch Schafe abgehütet werden. Das hat nicht nur den Effekt, dass das Gras herunterkommt, sondern das hat insbesondere den Effekt, dass die Deiche durch die Schafe verdichtet werden und so standhafter sind.

(Horst Rasch, CDU: Da könnte man doch Elefanten einsetzen!)

Elefanten fressen kein Gras, Herr Kollege Rasch!

(Heiterkeit)

Bitte zum Schluss kommen!

Meine Damen und Herren, es gibt noch zahlreiche Hindernisse, die überwunden werden müssen. – Ich komme sofort zum Schluss, Herr Präsident. – Es gibt immer noch Grundstückseigentümer, die nicht überzeugt sind, dass hier etwas getan werden muss. Es gibt leider auch Umweltverbände – das sage ich mit Nachdruck –, die eher hinderlich als fördernd sind.

Bitte zum Schluss kommen!

Als Beispiel nenne ich eine Klage des BUND zu einem Deichbau, um das Glaswerk in Torgau zu schützen. Dort sind hunderte von Arbeitsplätzen gefährdet gewesen. Wir haben es durchgesetzt, dass dort ein Deich gebaut wird. Dieser Deich ist erst gebaut worden, nachdem der BUND nach der Zahlung einer sechsstelligen Summe die Klage zurückgezogen hat. Wenn wir so weitermachen, Leute, dann können wir – – Ich sage es nicht.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Frau Dr. Deicke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, noch nie in letzter Zeit war eine Aktuelle Debatte so aktuell wie die heutige zum Thema Hochwasser und gleichzeitig so auf ein Ereignis bezogen, das in der Vergangenheit liegt. Die Jahrhundertflut im Jahr 2002 ist uns allen noch gut in

Erinnerung. Wenn man aus dem Fenster schaut, werden diese Erinnerungen wieder wach.

Das derzeitige Hochwasser ist aber mit der Jahrhundertflut nicht unmittelbar zu vergleichen und Sachsen ist auch besser auf dieses Hochwasser vorbereitet als im Jahr 2002. Ich bin davon überzeugt, dass Sachsen grundsätzlich gut auf den Ernstfall vorbereitet ist. Damit meine ich nicht nur die staatlichen Maßnahmen. Aber der Freistaat bleibt in der Verantwortung und dieser Verantwortung ist er auch weitgehend gerecht geworden.

Seit 2002 – wir haben es gehört – wurden 400 Millionen Euro für die vielfältigsten Maßnahmen zur Schadensbeseitigung und für den präventiven Hochwasserschutz ausgegeben. Allein für den laufenden Doppelhaushalt stehen jährlich 60 Millionen Euro für Hochwasserschutzmaßnahmen zur Verfügung. Mit dem HochwasserschutzDreijahresplan sollen weitere 310 Millionen Euro verbaut werden. Daher muss auch im nächsten Doppelhaushalt der Hochwasserschutz ein wesentlicher Schwerpunkt sein.

Man muss aber auch klar sagen, dass das zur Verfügung stehende Geld bei Weitem nicht ausreicht, um alle notwendigen Maßnahmen umzusetzen. Nach Schätzungen beträgt der Finanzbedarf für diese Projekte insgesamt eine Milliarde Euro, und es wird bis 2020 dauern, denn die Umsetzung ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch der Baukapazitäten. Deshalb bleibt der Hochwasserschutz nach wie vor eine Generationenaufgabe.

Aber wie wir sehen können, wartet eine Flut nicht, bis alles fertig gebaut ist. Insofern ist eine Priorisierung der anstehenden Maßnahmen sehr wichtig, um wenigstens die essenziell notwendigen Schutzmaßnahmen gewährleisten zu können. Zunächst wurde deshalb ein Maßnahmenkatalog erstellt, der rund 1 600 regionale Vorhaben enthält, die einen effektiveren Schutz vor künftigen Hochwassern gewährleisten sollen. Jede einzelne Maßnahme wurde nach dem Schadenspotenzial, nach der Gefahr für Leib und Leben, nach dem Verhältnis von Kosten und Nutzen, nach Folgegefahren sowie nach Auswirkungen für die Wasserwirtschaft bewertet. Diese Kriterien wurden auf alle Maßnahmen einheitlich angewendet, was im Übrigen eine bundesweit einmalige Strategie darstellt.

Natürlich führt diese Priorisierung dazu, dass Unzufriedenheit entsteht. Jeder möchte möglichst schnell einen reparierten Deich oder ein neues Rückhaltebecken haben. Aber hier sind Entscheidungen gefallen, die anhand der genannten Kriterien objektiv nachvollziehbar sind. Darüber können sich alle Kommunen und Bürger Sachsens im Internet informieren.

Aber auch im organisatorischen Bereich ist einiges geschehen. Die Vorwarnsysteme wurden ausgebaut und die Zusammenarbeit mit der tschechischen Seite wurde wesentlich verbessert. So konnte die Vorwarnzeit auf 60 Stunden erhöht werden. In diesem Zusammenhang hat sich auch das neue Hochwasserzentrum bewährt. Hochwassergefahren werden schneller erkannt, die Informationen werden gebündelt und weitergegeben. Die Akteure werden so in die Lage versetzt, wesentlich früher

Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Das ermöglicht eine bessere Koordination der Einsatzkräfte.

Letztlich muss man aber auch sagen: Einen hundertprozentigen Hochwasserschutz wird es auch in Zukunft nicht geben. Darauf müssen wir uns einstellen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Herr Dr. Hahn.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mit dem Positiven beginnen. Wir haben allen Grund, dankbar dafür zu sein, dass das extreme Hochwasser hier bei uns in Sachsen noch keine Menschenleben gefordert hat, und es steht außer Zweifel, dass die Information der Bürgerinnen und Bürger sowie die erforderlichen Evakuierungs- und Schutzmaßnahmen in aller Regel weitaus geordneter und koordinierter abgelaufen sind als im Sommer 2002.

Ich war am vergangenen Sonntag etliche Stunden in den in meinem Wahlkreis vom Hochwasser betroffenen Orten unterwegs und habe mir in Bad Schandau, Wehlen, Pirna, Heidenau, Königstein und Krippen sowie im Evakuierungslager Sebnitz einen umfassenden Überblick über die konkrete Situation verschafft. In diesem Zusammenhang ist es mir ein Bedürfnis, allen Mitarbeitern der Katastrophenstäbe sowie den unzähligen haupt- und vor allem ehrenamtlichen Einsatzkräften von Polizei, Feuerwehr, THW, Bundeswehr und Rettungsdiensten für ihre engagierte Arbeit ganz herzlich zu danken.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Dank gebührt meiner Ansicht nach auch unseren tschechischen Nachbarn, die durch besonnene Entscheidungen für Entlastung gesorgt und uns hier in Sachsen vermutlich vor noch größeren Schäden bewahrt haben.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)