Ich schlage Ihnen vor, dass wir jetzt in die Mittagspause eintreten. Wir treffen uns 14:25 Uhr wieder.
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, SPD, Linksfraktion.PDS, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Der fraktionslose Abg. Schmidt hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet. Ich erteile den Fraktionen von CDU und SPD als Einreicherinnen das Wort; Frau Abg. Schmidt, bitte.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen hier im Saal und in den Büros an den Lautsprechern!
Unser gesamter Mittelstand und besonders das sächsische Handwerk kämpfen seit Jahren verzweifelt mit der sich permanent verschlechternden Zahlungsmoral. Nicht erfolgte oder deutlich verspätete Zahlungen durch Auftraggeber bringen unsere Unternehmen an den Rand ihrer Existenz.
Nach einer Umfrage des deutschen Baugewerbes ist jede vierte Insolvenz in Deutschland auf schlechte Zahlungsmoral zurückzuführen. Was bedeutet Insolvenz für den Handwerker, für den Einzelunternehmer? Er haftet mit seinem gesamten Eigentum, mit seiner Vorsorge für das Alter – zum Beispiel dem selbst genutzten Einfamilienhaus –, und fällt dann in die Sozialhilfe. In den meisten Fällen musste auch die mithelfende Ehefrau für einen Kredit selbstschuldnerisch bürgen – und ich weiß, wovon ich rede.
Ein wenig Abhilfe hat hierbei die Möglichkeit der freiwilligen Beitragszahlung von Einzelunternehmern in die Arbeitslosenversicherung seit dem 1. Februar dieses Jahres gebracht. Somit können nach einer Frist auch Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung geltend gemacht werden.
Meine Damen und Herren! Im Jahr 2004 hat das deutsche Handwerk laut Erhebung des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks durch Zahlungsausfälle 5,2 Milliarden Euro verloren. Weitere 66 Millionen Euro wurden durch säumige Auftraggeber verspätet gezahlt. Das sind Einbußen, die unsere Unternehmen vor dem Hintergrund niedriger Kapitalausstattung dringend zum Überleben brauchen. 47 % der Handwerksbetriebe in den neuen Bundesländern verfügen über eine Eigenkapitalausstattung von unter 10 % der Bilanzsumme. Die Folgen
sind: Liquiditätsengpässe, Personalabbau, Mehrkosten für Zwischenfinanzierung und der Verlust von Aufträgen.
Das Handwerk wird an die Wand gedrängt und sitzt in der Kostenfalle; denn während auf der einen Seite Löhne, Lohnnebenkosten und Material sofort vorfinanziert und gezahlt werden müssen, werden dem gegenüberstehende Rechnungen auch für ordnungsgemäß erbrachte Leistungen nicht fristgerecht, nur in Teilbeträgen oder gar nicht beglichen. Darüber hinaus ist der Unternehmer noch verpflichtet, seine Umsatzsteuer als gestellte, jedoch nicht beglichene Rechnung an das Finanzamt zu leisten. Dieses Geld steht ihm bei den nicht bezahlten Rechnungen nicht zur Verfügung. Diese Situation hat im Jahr 2004 – man beachte die Zahl – 81 % der Handwerksbetriebe in Deutschland betroffen. 56 % von ihnen hatten Komplettausfälle. 17 % der Handwerksbetriebe mussten Personal entlassen und 2 % des Gesamtumsatzes des deutschen Handwerks gingen verloren.
Dass unser Handwerk zwangsläufig daran kranken muss, liegt angesichts der vorgenannten Zahlen auf der Hand, obwohl die Handwerksdichte in Sachsen mit 12,8 Betrieben pro 1 000 Einwohner noch deutlich über dem bundesdeutschen Mittel von 10,5 Betrieben liegt.
In einer Obermeisterrunde in Leipzig machte ein Wort die Runde: „Das Handwerk stirbt leise.“ Gemeint ist, dass aufgrund der eingangs benannten finanziellen Situation bei den meisten unserer Handwerksbetriebe die Zahl der Beschäftigten zwischen 1995 und 2004 um 26,4 % gesunken ist. Hatte so mancher Sanitär- und Heizungsbetrieb oder Malerbetrieb 1995 noch mehrere Beschäftigte, arbeitet heute der Meister mit vielleicht einem Gesellen und einem Lehrling.
Noch bildet das Handwerk über Bedarf aus. Aber auch hier sind deutliche Einschnitte sichtbar. Hinzu kommt als Folge der Novellierung der Handwerksordnung zum 01.01.2004, dass in Handwerksbetrieben, in denen NichtMeister ihr Gewerbe ausüben, keine Lehrlinge ausgebildet werden dürfen. Noch betroffener macht mich jedoch die Tatsache, dass bei der Problematik der schlechten Zahlungsmoral die öffentlichen Auftraggeber nicht ausgenommen werden können und teilweise noch mit schlechtem Beispiel vorangehen. Fast die Hälfte aller öffentlichen Aufträge wird verspätet bezahlt. Während der durchschnittliche Zahlungsverzug in Deutschland bei privaten Aufträgen bei etwa 15 Tagen liegt – der Verzug
nach der ordentlichen Zahlung, die gezahlt werden müsste –, lassen sich öffentliche Auftraggeber mitunter Wochen, wenn nicht sogar Monate Zeit, um ihre Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.
Auch wenn der Auftraggeber in der Regel bei öffentlichen Aufträgen sicher sein kann, dass er sein Geld letztendlich doch noch erhält, kann es jedoch nicht angehen, dass öffentliche Auftraggeber die ohnehin schlechte moralische Situation auf dem Handwerksmarkt ihrerseits noch weiter schädigen.
Unsere Forderung an die Staatsregierung lautet daher, sich für eine zügige Verbesserung der dinglichen Sicherung von Werkunternehmeransprüchen und eine effektivere Durchsetzung offener Forderungen einzusetzen. Das wird helfen, einige der jährlich etwa 38 000 Insolvenzen bundesweit abzuwenden und dringend benötigte Arbeitsplätze zu erhalten.
Dabei trifft es sich sehr gut, dass heute zur gleichen Stunde unser Justizminister Mackenroth im Deutschen Bundestag die Notwendigkeit des Forderungssicherungsgesetzes begründet. Es handelt sich dabei um den vom Bundesrat bereits bestätigten Gesetzentwurf zur Zahlungsmoral.
Meine Damen und Herren, wir alle sind in der politischen Pflicht, das Handwerk in dieser schwierigen Situation zu unterstützen. Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, die es ermöglichen, gute und lohnende Geschäfte zu machen und somit zur Wirtschaftsentwicklung unseres Landes beizutragen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat könnte man annehmen, dass so ein Antrag mit nur einem Satz dem Gesamtanliegen nicht Rechnung trägt. Aber in diesem Satz steckt das eigentliche Problem. Wir haben – das hat Kollegin Schmidt schon ausgeführt – eine rückläufige Entwicklung bei der Zahl der Beschäftigten im Bereich des Handwerks. Das hat sicherlich etwas damit zu tun, dass wir in den letzten Jahren einen Nachholbedarf an Infrastrukturmaßnahmen und auch an Neubauten gestillt haben und dass man natürlich auch in Sachsen davon ausgehen muss, dass Neubauvorhaben leider Gottes eher Seltenheitswert haben werden.
Aber natürlich muss man auch berücksichtigen, dass die Prognosen, die wir lesen können, im Bereich des Handwerks alles andere als gute Zahlen erhoffen lassen. Wir haben nämlich gerade im Bereich des Handwerks das Problem, dass sich die Zahl der Beschäftigten weiter verringert. Man könnte auch sagen, dass wir, technisch
ausgedrückt, eine Konsolidierung auf sehr niedrigem Niveau haben. Das hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass die Auftragslage nicht entsprechend ist. Das ist ein Problem.
Aber es gibt ein weiteres Problem, und zwar das, mit dem sich dieser Antrag beschäftigt. Es gibt das Problem, dass wir es in den Handwerksunternehmen oftmals mit Zahlungsunfähigkeit und auch Insolvenz zu tun haben. Vor allem in Baubetrieben besteht die Ursache für dieses Problem darin, dass die Auftraggeber, nachdem die Leistung erbracht worden ist, die Zahlungen nicht leisten. Das ist natürlich eine sehr schlechte Ausgangsposition. Eine Sicherung der Ansprüche über den Eigentumsvorbehalt hinaus ist im Moment kaum möglich. Man könnte ja sagen, dass das Unternehmen versuchen sollte, diesen Anspruch über das bebaute Grundstück zu realisieren. Das ist aber auch nicht möglich, weil in den meisten Fällen die Banken diesen Sicherungsvorbehalt haben.
Das heißt also, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns diesem Thema nähern. Ich als jemand, der gerade in der Oberlausitz aktiv ist, habe diese Problemlage von Handwerkern vermehrt geschildert bekommen. Deshalb habe ich auch meine Kleine Anfrage „Schutz vor Handwerkern als Subunternehmer“ gestellt und deshalb haben wir diesen gemeinsamen Antrag eingebracht.
Es ist also dringend notwendig – und dafür brauchen wir auch die Zustimmung des Landtages –, dass wir das Bestreben der Großen Koalition in Berlin voranbringen und vor allen Dingen Rechtssicherheit für die Handwerker schaffen. Dabei ist für uns als SPD-Fraktion wichtig, dass die Rechtssicherheit die eine Seite ist, dass aber auf der anderen Seite natürlich auch Verbraucherinteressen und insbesondere die Interessen von Privathaushalten nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
Es ist auch klar, dass es nicht sein darf, dass Handwerker eine mangelhafte Leistung erbringen und der Kunde dann den vollen Preis zu zahlen hat und erst im Nachgang über den Rechtsweg zu seinem Recht kommt. Auseinandersetzungen vor Gericht – das ist eine Erfahrung, die wir wohl alle schon gemacht haben – dauern sehr lange. Selbst wenn man ein positives Urteil erreichen kann, kann man den entsprechenden Titel oft nicht vollstrecken, weil der betreffende Handwerksbetrieb nicht mehr existiert. Auch das ist eine Tatsache.
Daraus wird deutlich, dass die von mir beschriebene Problematik tatsächlich zwei Seiten hat. Wir müssen erreichen – das ist wichtig –, dass die beiden Seiten, nämlich das Handwerk und der private Auftraggeber, eine vernünftige Lösung finden. Deshalb unterstützen wir als SPD-Fraktion die gemeinsame Initiative der Bundesländer Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen zu einem Forderungssicherungsgesetz. Das hat meine Kollegin schon gesagt. Wir hoffen, dass es damit möglich wird, eine spürbare Verbesserung von Werksunternehmeransprüchen und effizientere Möglichkeiten zur Durchsetzung offener Forderungen zu erreichen.
Das Kernstück des Gesetzes ist eine Kombination aus prozessualen und materialrechtlichen Maßnahmen, die geeignet sind, die wirtschaftliche Situation von Handwerkern zu verbessern. Damit soll die Möglichkeit eingeräumt werden, dass die Gerichte wesentlich schneller, als dies bisher der Fall ist, mit einem vollstreckungsfähigen Titel auch die vorläufige Zahlungsanordnung beschließen können.
Zudem gibt es im Wesentlichen drei Punkte, die dieses Gesetz beinhaltet. Erstens können Abschlagszahlungen unter leichteren Voraussetzungen gefordert werden, da das Ergebnis einer abgeschlossenen Leistung entfällt. Der Schutz der Verbraucher wäre durch das Erfordernis einer so genannten Sicherheitsleistung in Höhe von 5 % des Anspruchs angemessen berücksichtigt.
Zweitens könnte der Subunternehmer seinen Werklohnanspruch unter erleichterten Voraussetzungen realisieren, da er in Zukunft seine Forderung gegenüber seinem Auftraggeber auch dann einfordern kann, wenn das Werk durch den Auftraggeber als Generalübernehmer oder Bauträger abgenommen wurde.
Und der letzte Punkt: Die Höhe des Betrages, die der Auftraggeber über die Nachbesserungskosten hinaus einbehalten darf, um den Unternehmer zur Mangelbeseitigung zu veranlassen, würde statt wie bisher das Dreifache nur noch das Doppelte betragen.
Insofern möchten wir alle Fraktionen des Hauses bitten, unserem Antrag zuzustimmen, damit die Umsetzung des Forderungssicherungsgesetzes zügig vonstatten gehen kann und damit sowohl die Forderungen als auch das berechtigte Verbraucherinteresse befriedigt werden.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Schmidt, ich möchte meine Sympathie Ihnen gegenüber auch hier laut und deutlich zum Ausdruck bringen. Nur, leider habe ich ein Aber: Es gibt sicherlich keine unwichtigen Themen, aber ich bin der Meinung, dass es beim Handwerk wichtigere Themen gibt als diesess.
Ja, das ist ja richtig, aber wir sind ja hier zum Streiten. Sie müssen mir doch Recht geben, wenn ich sage, dass uns dieses Thema schon seit Langem verfolgt. Es gibt seit dem Jahr 2000 auch ein neues Gesetz. Die Verbesserungen sind allerdings sehr gering. Trotz der Veränderungen des Gesetzes hat sich das Zahlungsverhalten nicht verbessert. Es gibt sogar einen Schrumpfungsprozess im Handwerk. Wir haben diesen Prozess nicht aufhalten können. Sie, Frau Schmidt, haben das hier ausführlich dargelegt.
Sehen wir uns das sächsische Handwerk an. In der Antwort auf Ihre Große Anfrage wurde ja alles bestens
aufgeführt. Von 54 000 Handwerksbetrieben haben nur 5 400 Betriebe – das sind 10 % – erklärt, dass sie ihre Lage als zufrieden stellend einschätzen. Bei steigender Zahl von Firmengründungen durch die Ich-AG und die nicht zulassungspflichtigen Handwerksbetriebe verzeichnen wir in Sachsen einen Umsatzrückgang von 25 % bis 2004. Im Vergleich zum Vorjahr ist es zum Glück zu einer Stagnation beim Umsatz gekommen.
Seit 1995 hat sich die Zahl der Auszubildenden im sächsischen Handwerk halbiert. Rosige Ergebnisse sind das wahrlich nicht. Die Gründe sind einfach: Der Hauptgrund ist die fehlende Binnennachfrage, weil die Handwerksbetriebe nicht am Export partizipieren können.