Die heutige Änderung beruht auf der 1998 von der Bundesrepublik unterzeichneten Aarhus-Konvention. Sie hatten also nunmehr ganze 16 Jahre Zeit, sich auf den Paradigmenwechsel einzustellen, den der freie Zugang zu Umweltinformationen einläutet.
Ich möchte Ihnen auch erklären, warum die Umweltinformation zu einem wichtigen Instrument zur Umsetzung des Umweltrechtes und damit zum Schutz der Gesundheit und der natürlichen Lebensgrundlagen werden kann. Das deutsche Recht beruht auf dem Grundsatz, dass nur
derjenige gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann, der in seinen eigenen Rechten verletzt ist. Die Umweltgüter, wie Boden, Wasser, Luft, der Luchs, die Distel oder Euphydrias Aurinia, haben kein Klagerecht. Das übliche Rechtsschutzsystem läuft daher leer. Auch die Klagerechte der anerkannten Naturschutzverbände, die Sie oft in negativer Diktion bemühen, sind derart eng, dass sie diesen Mangel nicht ausgleichen können. Die Umweltgüter sind daher de facto darauf angewiesen, dass die Umweltgesetzgebung sie schützt, die von der Umweltverwaltung ausgeführt wird. Leider – das wissen wir – geschieht dies keineswegs in ausreichendem Maße; denn wir dürfen nicht vergessen, dass sich der Zustand von Umwelt und Natur im Ganzen fortgesetzt verschlechtert.
Politik, Gesetzgebung und Verwaltung waren also bei ihrem erklärten Ziel eines nachhaltigen Schutzes der Lebensgrundlage gerade nicht erfolgreich.
Auch die Verwaltung, die zur Umsetzung des Umweltrechtes aufgerufen ist, ist leider oft kein zuverlässiger Sachwalter der Umweltinteressen. Dies liegt in aller Regel nicht – das sage ich ausdrücklich – an den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern daran, dass die Verwaltung dem Druck von angeblichen Wirtschafts- und Investitionsinteressen ausgeliefert ist, die einen klaren Gesetzesvollzug erschweren.
Ich erinnere an den Fall Feralpi Riesa. Wir hatten das im letzten Plenum. Dort hat die Staatsregierung – ich wiederhole es – seit nunmehr zwölf Jahren sehenden Auges entgegen dem Gesetz und den eigenen Verwaltungsentscheidungen Emissionen des hoch giftigen Dioxins im Ergebnis geduldet und damit die Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohner erheblich belastet. Daher ist das umfassende Umweltinformationsrecht von der EU als Möglichkeit der Bürgerinnen und Bürger konzipiert worden, sich selbst über den Zustand der Umwelt ins Bild zu setzen und diese so zu ermächtigen, gegenüber der Verwaltung und den politischen Entscheidungsträgern aktiv zu werden. Die Umweltinformationsrichtlinie fördert und unterstützt daher den mündigen und politisch aktiven Bürger, und genau den wollen wir.
Diesem Anspruch muss das Umweltinformationsgesetz genügen. Das Gesetz muss daher sehr exakt den Behörden Anweisungen geben, damit die Behörden Rechtssicherheit und klare Handlungsanweisungen erhalten.
Dabei – das muss man auch sagen – sind die größten Fortschritte, die dieses Informationsgesetz in Sachsen jetzt durchaus bringt – das gestehen wir zu –, durch das EU-Recht vorgegeben gewesen. Ich erinnere an die Einbeziehung privater Stellen, insoweit sie Umweltverwaltungsaufgaben wahrnehmen. Es ist keineswegs so, wie
es von manchen in der FDP kolportiert wurde, dass der private Betrieb von Herrn Günther eine Umweltverwaltungsdienststelle sei und Daten herausgeben müsste. Aber das Gesetz gilt auch für funktional privatisierte Trinkwasserversorger, die über die Nitratwerte im Trinkwasser verfügen. Meine Damen und Herren, ich kenne diese Probleme, weil meine Kanzleikollegin die diesbezüglichen Rechte eines Bürgers erst gerichtlich durchsetzen musste.
Herr Kollege Martens hat eben in seiner von uns allen so sehr geliebten lustigen Art und Weise darauf hingewiesen, dass der Schutz der Betriebsgeheimnisse nicht ausreichend sei. Er hat dafür ein Beispiel bemüht, welches zeige, dass es möglich sei, mit Hilfe geschickter Anfragen von Anwälten zu Emissionen und Immissionen chemische Verfahren herauszubekommen. Herr Kollege Martens, da Sie mir doch eine gewisse Kompetenz zugestanden haben, die ich ehrlicherweise für mich auch in Anspruch nehme – ich bin ja so frech –,
sage ich Ihnen einfach: Das ist Quatsch! Das, was Sie hier gesagt haben, ist völliger Blödsinn. Offensichtlich kennen Sie sich bei der Struktur von Emissions- und Immissionsdaten im Vergleich zu chemischen Verfahren oder Verfahrenstechniken nicht aus. Es ist völlig absurd zu glauben, dass Betriebsgeheimnisse dadurch gefährdet werden könnten, weil das, was aus dem Schornstein herauskommt, oder das, was in der Erde oder in der Luft ankommt, tatsächlich herausgefunden werden könnte. Herr Martens, ich sage Ihnen, Ihre Ausführungen sind diesbezüglich nicht von Sachkenntnis geprägt.
Ich kann Ihnen dennoch mitteilen, dass die Änderungsvorschläge der Koalition ebenso wie der Gesetzentwurf selbst in den Beratungen in den Ausschüssen ausführlich vertieft wurden und dass die Beratungen – ich sage das trotz meiner harten Worte am Anfang ausdrücklich – sogar konsensorientiert verlaufen sind. Sie von der Koalition haben sich ebenfalls bemüht, die Anregungen der Anhörung aufzugreifen. So kam es zu dem überraschenden Ergebnis, dass Sie und die Fraktion der GRÜNEN zum Teil identische Änderungsanträge einbrachten, die auch in die Beschlussempfehlung eingegangen sind.
In einem wesentlichen Punkt – das wurde schon mehrfach angesprochen – können wir dem Gesetzentwurf dennoch nicht zustimmen. Es handelt sich hierbei um die Frage der Gebühren. Darüber, Herr Prof. Mannsfeld, können wir bei der Behandlung der Änderungsanträge nachher noch diskutieren. Es ist keineswegs so, dass wir bei den Ausgaben für Kopien dieselben Preise wie in den Copyshops zahlen, nämlich nach dem Sächsischen Verwaltungskostengesetz 51 Cent pro Kopie. Also, da gibt es durchaus noch Haken und Ösen.
Ungeachtet dessen bleibt das Gesetz für uns ein Fortschritt. Dieser Fortschritt ist nicht groß genug. Wir werden weiterhin sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die Umwelt- und Naturschutzverbände unterstützen,
Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Wenn nicht, frage ich die Staatsregierung. – Frau Staatsministerin Orosz, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich spreche in Vertretung meines Kollegen Tillich. Ich sage Ihnen das, damit Sie sich nicht wundern. Ich habe also nicht das Ressort gewechselt.
Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf dient dem Ziel der Transparenz und Bürgernähe. Er soll das Verwaltungshandeln verbessern und dadurch einen freien Zugang zu Umweltinformationen für die Bürgerinnen und Bürger ermöglichen. Der Gesetzentwurf basiert auf der Umweltinformationsrichtlinie der Europäischen Union, die eins zu eins in nationales Recht umgesetzt wird. Dabei ist es in einigen Punkten sogar gelungen, auch bundesweit beachtete Ansätze zu finden, um dem Erfordernis einer schlanken Verwaltung gerecht zu werden, Bürokratisierung zu vermeiden und damit auch den Gesetzesvollzug zu erleichtern.
Der Gesetzentwurf, der Ihnen heute zur abschließenden Debatte vorliegt, trägt all diesen Zielen Rechnung. Durch das Sächsische Umweltinformationsgesetz wird der Zugang zu Umweltinformationen für die Bürgerinnen und Bürger deutlich verbessert. So werden alle Stellen der öffentlichen Verwaltung zur Herausgabe von Umweltinformationen verpflichtet, unabhängig davon, ob sie Umweltrecht vollziehen. Die Fristen für die Bearbeitung von Anträgen werden halbiert und dürfen in der Regel einen Monat nicht überschreiten. Die Gründe für einen Informationsausschluss werden eingeschränkt. Emissionsdaten sind nunmehr fast unbegrenzt zugänglich.
Außerdem wird die Verwaltung verpflichtet, Orientierungshilfen bei der Suche nach Umweltinformationen zu geben und diese umfassender als bisher aktiv zu verbreiten. Dabei soll zunehmend das Internet als modernes und schnelles Medium genutzt werden. Das Projekt „Verbreitung von Umweltinformationen nach dem Umweltinformationsgesetz“ wurde im Government-Fahrplan der Staatsregierung mit dem Ziel eingeführt, den Auskunftsersuchenden eine für den Freistaat Sachsen zentrale elektronische Adresse anzubieten, über die sie zu den verschiedenen Umweltinformationen der sächsischen Behörden gelangen. Auch die Kommunen werden an diesem komplexen System partizipieren können.
Meine Damen und Herren, durch den Gesetzentwurf wird den informationspflichtigen Stellen die Möglichkeit eingeräumt, bei der Zurverfügungstellung von Umweltinformationen in besonders aufwändigen Fällen Gebühren
bis zu 1 000 Euro zu erheben. Über diese Regelung wurde in den Beratungen teilweise kontrovers diskutiert.
Mitunter wurde der Eindruck erweckt, es gehe der Staatsregierung darum, durch Abschreckung das Recht auf freien Zugang zu Umweltinformationen einzuschränken. Dieser Vorwurf geht fehl. Bei der größten Anzahl von Auskunftsersuchen handelt es sich um die Erteilung einer mündlichen oder einer einfachen schriftlichen Auskunft, für die nach dem Gesetzentwurf keinerlei Kosten zu erheben sind. Auch für die Einsichtnahme in Umweltinformationen vor Ort werden keine Kosten erhoben. Die Höchstgrenze von 1 000 Euro kommt nur in besonders aufwändigen und schwierigen Fällen in Betracht, nämlich beispielsweise dann, wenn zum Schutz öffentlicher oder privater Belange Daten umfangreich ausgesondert und neu zusammengestellt werden müssen. In diesen Fällen kann es im Einzelfall durchaus angemessen sein, die Höchstrahmengebühr anzusetzen.
Meine Damen und Herren, die Sachverständigenanhörung hat deutlich gemacht, dass der Gesetzentwurf grundsätzlich auf breite Zustimmung stößt. Auch die innovativen Ansätze des Gesetzentwurfs wurden positiv gewürdigt.
Im Namen der Staatsregierung danke ich Ihnen allen für die konstruktiven Diskussionen in den Ausschüssen und bitte Sie um Ihre Zustimmung zum Gesetzentwurf in der Fassung der Empfehlungen des Umwelt- und Landwirtschaftsausschusses.
Dann kommen wir zu den Einzelberatungen. Ich frage, ob der Berichterstatter des Ausschusses, Herr Zais, das Wort wünscht. – Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, entsprechend § 44 Abs. 5 Satz 3 der Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, über den Gesetzentwurf artikelweise in der Fassung, wie sie durch den Ausschuss vorgeschlagen wurde, zu beraten und abzustimmen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall.
Somit kommen wir zu den Abstimmungen selbst. Aufgerufen ist das Gesetz über den Zugang zu Umweltinformationen für den Freistaat Sachsen. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt und Landwirtschaft, Drucksache 4/4882.
Wir stimmen über die Überschrift ab. Dazu liegt kein Änderungsantrag vor. Wer der Überschrift zustimmt, den
bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen ist der Überschrift zugestimmt.
Wir kommen zum Abschnitt I – Allgemeine Bestimmungen. Aufgerufen ist § 1 – Zweck des Gesetzes. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der NPD zu I Nr. 1, Drucksache 4/5219, vor. Ich bitte um Einbringung. Herr Paul.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin bereits eingangs darauf eingegangen, dass wir den Gesetzeszweck gern deutlicher formulieren würden, auch für jeden eindeutiger erkennbar, und durch die Einführung der Formulierung „aktive und umfassende Verbreitung“ wollen wir die erforderliche Eigeninitiative der informationspflichtigen Stellen ebenfalls sichergestellt wissen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben vorhin in dem Redebeitrag des Kollegen Paul eine ganze Reihe von Erfahrungsangaben über das Klima der Beratungen in den Ausschüssen vernommen. Dazu möchte ich doch erst einmal klarstellen, dass die Vertreter der NPD-Fraktion im federführenden Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft überhaupt nicht anwesend waren, obwohl dieser Antrag dort bereits schriftlich vorlag. Da dieser inhaltlich keine Verbesserung zu dem bringt, was das Bundes- und Europarecht und auch unsere gesetzliche sächsische Spezialregelung bieten, werden wir diesen Antrag ablehnen.
Wird weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann bringe ich den Änderungsantrag der NPD-Fraktion, Drucksache 4/5219, I Nr. 1, zur Abstimmung. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Anzahl von Stimmen dafür ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.
Wir kommen jetzt zu § 2 – Anwendungsbereich. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der GRÜNEN, Drucksache 4/5220, vor. Ich bitte um Einbringung. Herr Lichdi.
Zur Streichung des Satzes 2: Darin geht es um das Verhältnis des Umweltinformationsgesetzes zu anderen Rechtsvorschriften. Herr Prof. Mannsfeld ist darauf eingegangen, dass die Koalitionsfraktionen bestrebt waren, das Gesetz dort so klarzustellen, dass kein unmittelbarer und jederzeitiger Vorrang anderer Gesetze gegenüber dem Umweltinformationsgesetz stattfindet. Allerdings ist ihnen das nach unserer Ansicht nicht in ausrei
chendem Maße gelungen. Wir verweisen insbesondere auf die Richtlinie 2003/04, die diesbezüglich aus unserer Sicht eindeutig ist, und darauf, dass deswegen diese Formulierung, die die Koalitionsfraktionen jetzt noch in ihrem Gesetzentwurf haben, dazu verleiten könnte, den Anwendungsbereich im Verwaltungsvollzug weiter einzuengen. Deswegen begehren wir die Streichung.