Protokoll der Sitzung vom 10.05.2006

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Herr Lichdi, Sie hatten eigentlich selbst sehr richtig gesagt – Sie können es dann im Protokoll nachlesen –, wie das ganze Verfahren laufen muss: dass sich die Staatsregierung und die Koalitionsparteien eine Meinung bilden müssen. Dabei sind wir gerade. Ich erlaube mir, mich bei dieser Meinungsbildung von Vertretern der kommunalen Seite beraten zu lassen, indem ich einfach zu einigen Details mit ihnen in die Diskussion eingetreten bin. Ich sehe darin keinen Verstoß, keine Missachtung des Parlaments. Vielmehr gehe ich davon aus, dass ich sehr gut im Zeitplan liege. Denn – ich darf Ihnen das noch einmal ins Gedächtnis zurückrufen, Herr Abg. Lichdi – der 31.05. ist der Termin, zu dem wir den ersten Abschnitt erledigt haben sollen: Welche Aufgaben sind kommunalisierbar? Der zweite Abschnitt ist für den 31.08. terminiert. Das ist der Abschnitt, zu dem wir Vorschläge für die staatliche Struktur, aber auch Vorschläge für die kommunale Struktur bringen sollen.

Ich gehe davon aus, dass ich sehr bald das Kabinett – und zuvor den Lenkungsausschuss – über meine Vorstellungen zu dieser Reform unterrichten kann.

Ich glaube, Herr Lichdi, Sie schätzen die Reaktionen des Ministerpräsidenten falsch ein, wenn Sie meinen, dass er sich halbherzig hinter meine Reformabsichten stellt. Er

Ich bitte Sie einfach, den Blick zu heben. Wir haben das Jahr 2006. Erklärtermaßen soll diese Reform für 15, besser 20 Jahre, im Prinzip für ein bis zwei Generationen halten. Es verbietet sich aus unserer Sicht von selbst, diese Reform auf dem Tisch des parteipolitischen Hickhacks zu opfern, sondern hier sollte doch mindestens genau das, was Kollege Lichdi zuletzt sagte, angestrebt werden: dass zumindest in den Grundfragen ein Konsens zum Beispiel zum Leitbild hergestellt wird, der von allen demokratischen Parteien getragen wird.

verteidigt diese Absichten sehr konsequent und dafür bin ich ihm dankbar.

Ich würde abschließend nur um Folgendes bitten: Zerreden wir diese notwendige Reform nicht dadurch, dass wir uns ständig damit beschäftigen, welche Details man schon herauslassen möge und welche nicht. Ich brauche erst ein rundes Konzept. Ein Konzept, das tatsächlich auch im Land vermittelbar ist, das klar macht: Wir bauen eine leistungsfähige Verwaltung so, wie wir sie im Jahr 2020 brauchen, jetzt schon auf. Wir werden Bürgernähe garantieren, wir werden sehr viele Aufgaben auf die kommunale Ebene übertragen.

Kollege Bandmann, zu Ihnen nur so viel. Ich kann nur mit der bekannten Frage kontern: Väterchen, wovon sprichst du? Ich habe es nicht verstanden. Ich möchte diese Chance haben, damit ich mit einem runden Entwurf in die Öffentlichkeit gehen kann, und ich glaube, das sieht die Koalition genauso.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Offenbar missverstehen Sie jegliche konstruktive Opposition. Sie werden der damaligen PDS-Fraktion zugestehen, dass wir uns sowohl bei der Kreisgebiets- als auch bei der Gemeindegebietsreform niemals als Fundamentalopposition geriert, sondern immer konstruktive Vorschläge unterbreitet haben. Sie stört das alles offensichtlich von vornherein nach dem archimedischen Motto: Störet meine Kreise nicht! Nur, dass zwischen Archimedes und Ihnen wirklich Lichtjahre liegen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Das Schlusswort hat die Linksfraktion.PDS. Herr Abg. Friedrich, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Abermals hatten wir die Freude, eine interessante und teilweise mit durchaus hohem Unterhaltungswert versehene Debatte über diese wichtige Reform zu haben. Ich denke aber, es ist ein hinreichend ernstes Thema, und es gab gute Gründe, dass die Linksfraktion.PDS heute wiederum dieses Thema aufgerufen hat.

(Volker Bandmann, CDU: Das ist lange her!)

Kollege Brangs, es ist ja recht nett, dass Sie sich klar von Ihrem Koalitionspartner abgehoben haben, für den Sie nichts können. Ich möchte noch einmal an Sie appellieren: Stimmen Sie dem für richtig Erkannten zu und unterwerfen Sie sich nicht einer falsch verstandenen Koalitionsdisziplin! Es ehrt Sie, dass Sie das Richtige wollen. Zeigen Sie es jetzt in der Abstimmung!

Uns ging es heute weniger um die materiellen Eckpunkte dieser Reform. Das beinhaltet unser Antrag ausdrücklich nicht. Herr Staatsminister Buttolo, Sie haben es richtig gesagt: Es geht heute allein um eine Verständigung des Parlaments nicht zu der unstrittigen Frage, dass am Ende natürlich das Parlament bestimmen muss – das stellt ja niemand in Zweifel –, sondern der Streit geht darum, wann der richtige Zeitpunkt ist, das Parlament oder ein geeignetes Untergremium in diesen Entscheidungs- und Diskussionsprozess einzubinden. Ich erinnere ausdrücklich an Artikel 39 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung. Wir sind eben nicht nur Gesetzgeber, sondern auch Stätte der politischen Willensbildung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Ich rufe den Änderungsantrag der NPD-Fraktion auf. Er ist schon eingebracht worden. Gibt es dazu noch Redebedarf? – Das sieht nicht so aus. Dann lasse ich abstimmen über den Änderungsantrag der NPD-Fraktion in der Drucksache 4/5225. Wer möchte die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einigen Stimmen dafür ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Genau um politische Willensbildung geht es, und zwar rechtzeitig – nicht erst, wenn das Hühnerei gelegt worden ist, dass wir es dann nur begackern können oder notfalls umfärben. Uns geht es darum – ich will es auf den Punkt bringen –: Wir wollen von Anfang an mitbestimmen, ob es ein Straußenei, ein Hühnerei oder ein Wachtelei werden soll, und wir wollen auch über die Zubereitung mitbestimmen. Allein deshalb, weil diese Reform – –

Ich rufe die Drucksache 4/4906 auf und bringe sie zur Abstimmung. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer ganzen Anzahl von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt ist damit beendet. Ich rufe auf (Volker Bandmann, CDU: Sie wollen ein Kuckucksei legen!)

Tagesordnungspunkt 11

Bundesratsinitiative für die Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 7 Prozent auf arbeitsintensive und konsumnahe Dienstleistungen

Drucksache 4/5117, Antrag der Fraktion der NPD

Mehrwertsteuer bei von Krankenkassen bezahlten Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln

Drucksache 4/0794, Antrag der Fraktion der NPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Eine der Hauptursachen für Schwarzarbeit ist nach wie vor die Belastung der Arbeitsleistung mit hohen Steuern und Abgaben. Je höher die Steuer- und Abgabenlast, desto stärker der Anreiz, sich diesen Belastungen durch Ausweichen in die Schattenwirtschaft zu entziehen. Das ist bedenklich; denn die Schwarzarbeit entzieht sich der Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Zweitens muss der Staat als Folge ausbleibender Steuereinnahmen Kürzungen auf der Ausgabenseite vornehmen. Eventuelle Kürzungen der Transferleistungen aufgrund der fehlenden Einnahmen verstärken unter Umständen die ungleiche Einkommensverteilung. Des Weiteren mindert die Schwarzarbeit durch ihre fehlenden Möglichkeiten des beruflichen und sozialen Aufstiegs sowie einen unsicheren und temporären Charakter die individuelle Motivation für Weiterbildung und berufliche Qualifizierung. Sie sorgt für Effizienzverluste, da Ressourcen des Staates aufgewandt werden müssen – beispielsweise für verstärkte Kontrollen, die Schwarzarbeit einzudämmen –, während die Schattenwirtschaft selbst Ressourcen verschwendet, um ihre Aktivitäten zu verschleiern.

Auch hier ist Redezeit vorgesehen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: NPD, CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der NPD-Fraktion das Wort, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Neben den Begriffen „Inflation“ und „Arbeitslosigkeit“ drückt wohl kaum ein anderes Wort Deutschlands Verbrauchern auf das Gemüt wie das einer drohenden Mehrwertsteuererhöhung. Umfragen haben ergeben, dass allein die Erwähnung eines solchen Vorhabens einen Reflex auslöst: Hand auf das Portmonee und dieses dann gut zuhalten.

Aus diesem Grunde begrüßen wir die Initiative der FDP gegen die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes von 16 auf 19 %, die wir dann morgen im Plenum verhandeln werden.

Allerdings gerade im Handwerk wird der Gedanke an die höhere Mehrwertsteuer zu massiven Bauchschmerzen führen, haben doch die Handwerksbetriebe mit ihrer Kundennähe kaum die Möglichkeit, einen höheren Mehrwertsteuersatz auf ihre Produkte und Dienstleistungen umzulegen. Doch unter Volkswirtschaftlichkeitsaspekten steht zur Frage, wann eine Erhöhung der indirekten Steuern sinnvoll sein kann, obwohl das zarte Pflänzchen der konjunkturellen Belebung gehegt und gepflegt werden will und seine Wachstumskräfte nicht schon im Entstehungsstadium gebremst werden sollten. Die Binnennachfrage lässt sich dadurch wohl kaum beleben.

Genauso wichtige und eindeutige Argumente gegen die Schwarzarbeit liegen im gesellschaftspolitischen Bereich. Durch die Ausdehnung der Schattenwirtschaft kommt es zur Verletzung des Gesellschaftsvertrages eines ganzen Volkes. Die Schwarzarbeit ist inzwischen durch ihre starke Verbreitung in vielen Ländern zu einem Massenphänomen geworden. Deutschland bildet hier leider keine Ausnahme. Ganz im Gegenteil – bei einem Vergleich zeigt sich, dass Deutschland eine negative Führungsrolle im Bereich Schwarzarbeit hatte und hat. Eines sollte der Politik in jedem Fall klar sein: Die im historischen Maßstab einmalige deutliche Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte lässt die Diskussion um einen reduzierten Mehrwertsteuersatz für konsumnahe und arbeitsintensive Dienstleistungen, insbesondere im Handwerk und in der Gastronomie, zu Recht wieder aufleben. Die Voraussetzungen dafür existieren schon lange. Im Oktober 1999 hatte die EU beschlossen, im Rahmen eines befristeten Modellversuches ihren Mitgliedsländern freizustellen, den Mehrwertsteuersatz für bestimmte, relativ eng begrenzte Dienstleistungen herabzusetzen, der bis in das Jahr 2010 verlängert wurde. Die Richtlinie beschränkt sich dabei auf arbeitsintensive Dienstleistungen, die in weitgehendem Maße an den Endverbraucher gebracht werden und besonders von Schwarzarbeit bedroht sind.

In einer umfassenden Untersuchung zu diesem Thema ermittelte Prof. Friedrich Schneider von der Universität Linz, dass die Schattenwirtschaft in Deutschland 2002 einen Rekordumfang von zirka 350 Milliarden Euro erreichte. Das sind 16 % der offiziellen deutschen Wirtschaftsleistung. Der von Schneider für Ende 2002 veranschlagte Umfang der Schwarzarbeit in allen Bundesländern hätte damit allein seit 1995 um knapp 43 % zugelegt. Diese Zahlen sind ein ganz klares Signal an die Politik, ein wirksameres Anreizsystem zur Verringerung der Schwarzarbeit zu schaffen.

Die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf arbeitsintensive Dienstleistungen wäre einer der wichtigsten Bausteine

Herr Präsident, ich heiße schon seit Jahren nur noch Strempel. Das „Keller“ ist schon lange im Keller!

dieses Anreizsystems. Deshalb, meine Damen und Herren, auch unser Antrag.

Der schon erwähnte Prof. Schneider rechnet damit, dass durch diese Maßnahme zwischen einem Viertel bis hin zu einem Drittel der schwarz erbrachten Leistungen in die offizielle Wirtschaft überführt werden könnte. Die reduzierten Mehrwertsteuersätze erscheinen angesichts der starken Konkurrenz aus dem Bereich der Schwarzarbeit für den Erfolg der Unternehmen aus den Bereichen der Gastronomie und des Handwerks unerlässlich, sind als alleinige Maßnahme jedoch nicht ausreichend. Im nächsten Schritt sollten sie durch erweiterte Steuervergünstigungen unterstützt werden. Beide Maßnahmen zusammen würden diesen Markt sicherlich beleben und zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit beitragen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Ich spreche für die Koalitionsfraktionen zu den zwei Anträgen: Einmal mehr zeigt die NPD-Fraktion wieder ihr holzschnittartiges Weltbild. Es geht tatsächlich wieder nur um Effekthascherei. Das ist traurig, weil Ihr Populismus den Bürgern, wenn man es dem einen oder anderen nicht eindeutig erklärt, sicherlich gefallen würde. Wenn Sie so fair wären – das sind Sie aber nicht – und diese Dinge genauer, auch mit dem gesetzlichen Rahmen erklären würden, dann sähe die Welt schon anders aus. Aber Ihre Welt ist eh verkehrt.

Erfahrungen aus Frankreich zeigen, dass es trotz unterschiedlicher Ausgangslage positiv gehen kann. Frankreich beteiligt sich an dem EU-Projekt zur Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes seit dem 1. Januar 2000 mit beachtlichem Erfolg. Nach Angaben der „Deutschen Handwerkszeitung“ wurden bis Ende 2004 54 000 neue Arbeitsplätze in Handwerk und Gastronomie geschaffen. Der Versuch wurde jetzt verlängert, um zu eindeutigen Ergebnissen zu kommen. Das Ergebnis bleibt natürlich abzuwarten.

Das Ziel der Koalition lautet: mehr Beschäftigung im Rahmen realistischer Möglichkeiten. Deshalb sind für die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze folgende Vorschläge gekommen: Erstens die Absenkung der Lohnnebenkosten – Stichwort Arbeitslosenversicherung –, zweitens verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten und drittens verbesserte Abzugsmöglichkeiten im Steuerrecht für Handwerkerrechnungen. Genau diese Punkte werden in Kürze sowohl vom Bundestag als auch vom Bundesrat verabschiedet. Das ist verlässliche Politik.

Fest steht jedoch heute schon, dass gerade die neuen osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten ihre Verbraucher und damit ihre mittelständischen Unternehmen mit erheblich niedrigeren indirekten Steuern belasten. Es ist in jedem von meiner Fraktion für einen reduzierten Mehrwertsteuersatz vorgeschlagenen Gewerbe gewährleistet, dass die Mehrwertsteuerausfälle aus der Reduzierung des Steuersatzes durch Zusatzeinnahmen aus Steuern und Sozialabgaben sofort und komplett kompensiert werden.

Es ist richtig, die EU hat den Ländern die Möglichkeit gegeben, auf bestimmte Güter den Mehrwertsteuersatz zu senken. Die Evaluierung dieser Maßnahmen kam jedoch zu ernüchternden Ergebnissen. Diese möchte ich benennen.

Erstens sind die Preise für niedriger besteuerte Güter und Dienstleistungen nur minimal im Umfang gesunken, zweitens sind nur in geringem Maße neue Arbeitsplätze entstanden und drittens waren dagegen die Steuerausfälle einfach zu hoch. Ermäßigte Mehrwertsteuersätze bei arbeitsintensiven und konsumnahen Dienstleistungen haben sich somit als ungeeignetes Mittel für mehr Beschäftigung erwiesen. Ich denke, das Problem der Schwarzarbeit sind eindeutig die Lohnnebenkosten, die zu hoch sind. Es sind nicht die Mehrwertsteuersätze, sondern es sind die Lohnnebenkosten. Diese gilt es zu senken.

Langfristig kann die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und Ausfälle allerdings nur gelingen, wenn wir die Schwarzarbeit zurückdrängen und die Bürgerinnen und Bürger von der Gerechtigkeit und Durchdachtheit unseres Steuersystems überzeugen. Wirtschaftspolitische Entscheidungen dürfen nicht allein fiskalischen, sondern müssen auch sozialen und arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen Rechnung tragen.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Geert Mackenroth)

Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag.