Ob uns das Ergebnis passt oder nicht, es ist nun einmal so: Die Bundesregierung hat sich entschlossen, dem EUModellversuch nicht beizutreten. Die drei Gründe dafür hatte ich soeben genannt: Die Preise sind nur minimal gesunken, Arbeitsplätze sind kaum entstanden, die Steuerausfälle waren zu hoch.
Nur Strempel! Am Rande sei bemerkt: Sie kommen auch viel zu spät mit Ihrem Antrag. Es gab nämlich eine Frist für die Beantragung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes. Diese Frist ist am 30. April EU-weit abgelaufen.
Jetzt zu Ihrem zweiten Antrag, der an Populismus wirklich nicht zu übertreffen ist. Sicherlich ist es für die
Bürgerinnen und Bürger schön, wenn Arzneimittel mehrwertsteuerfrei abgegeben werden, zumal die Bürgerinnen und Bürger immer tiefer in die Tasche greifen müssen, weil sie die Arzneimittel zum größten Teil selbst bezahlen. Aber ich bleibe dabei: Unser Ziel muss es sein, das Steuerrecht zu entschlacken, endlich zu vereinfachen, Subventionen zu überprüfen und abzubauen und ehrlich zu sagen, wo der Bürger Verantwortung hat und wo nicht.
Lassen Sie mich noch eines erwähnen: Laut EU-Recht ist es gar nicht zulässig, eine Umsatzsteuerbefreiung für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel durchzuführen. Wir sind nun einmal an das EU-Recht gebunden. Das müssen Sie der Ehrlichkeit halber dazusagen.
Der gleiche Populismus gilt auch für Ihre Forderung nach einer gesetzlichen Preisobergrenze für Medikamente. Wir haben in Deutschland soziale Marktwirtschaft, in der die Preise durch den Markt bestimmt werden. Aber es gibt Festbeträge für Erstattungen der gesetzlichen Kassen. Die Kassen, die Ärztekammern und die Kassenärztlichen Vereinigungen sind souverän – es wird über Preise verhandelt, aber das verschweigen Sie. Weitere Einschränkungen würden sich natürlich auch bei den Herstellern auswirken.
Die Koalition spricht sich dafür aus, dass die Hersteller die Möglichkeit für Entwicklungs- und Forschungskosten haben müssen und nicht ins Ausland gehen. Wenn diese das machen würden, dann wären Sie die ersten, die danach schreien, dass sie nach Deutschland zurückkommen sollen. Wir sprechen uns dafür aus, dass Forschung und Entwicklung bei den Herstellern in Deutschland bleibt.
Jetzt wäre die Linksfraktion.PDS an der Reihe. Es wurde niemand gemeldet. Bleibt das so? – Frau Strempel hat für die SPD mit gesprochen. Die FDP-Fraktion hat niemanden gemeldet. – Herr Weichert spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Kunstgriff beginnen, und zwar mit einer Unterstellung. Unterstellen wir hilfsweise der NPD-Fraktion einmal die Absicht, etwas in die richtige Richtung bewegen zu wollen. In diesem Fall hätte die NPD-Fraktion spätestens nach Erhalt der Stellungnahme der Staatsregierung merken müssen, dass die gute Absicht allein nicht ausreicht.
Eine Befreiung von der Mehrwertsteuer für bestimmte Produkte und Dienstleistungen im medizinischen Bereich
das hätten Sie lernen können – muss sich in die gegebenen gesetzlichen Regelungen einfügen. Dabei spreche ich noch nicht einmal von der weitaus schwierigeren Frage der Abgrenzung, von der Steuersystematik insgesamt und von der Finanzierung solcher Vorschläge. Schon beim Lesen der Stellungnahme der Staatsregierung hätte Ihnen auffallen müssen, dass Ihre Initiative lediglich gut gemeint war, Sie es aber versäumt haben, sich die Rahmenbedingungen genauer anzuschauen. So etwas passiert. Man lässt dann den Antrag einschlafen. Was machen Sie? Sie legen einen neuen Antrag vor und wollen zusätzlich einen reduzierten Mehrwertsteuersatz auf eine Reihe von arbeitsintensiven und konsumnahen Dienstleistungen.
An dieser Stelle zeigt der Antragsteller seine wahren Absichten. Sie führen hier alle Gewerke auf, denen Sie mit dem geringeren Mehrwertsteuersatz angeblich etwas Gutes tun wollen. Dahinter steckt Methode. Wahrscheinlich ziehen Sie nach der heutigen Debatte mit diesem Antrag übers Land und sagen allen: Wir haben es versucht, die anderen haben es verhindert.
Dabei ist aus europäischen Feldversuchen, wie zum Beispiel in Frankreich, Holland oder Großbritannien, bekannt, dass es im Verhältnis zum Aufwand kaum nennenswert neue Arbeitsplätze gibt, dass die Schwarzarbeit nicht verringert wird, dass die Löhne nicht steigen und die Preise nicht sinken. Das Einzige, was passiert, ist, dass die Unternehmerlöhne steigen. Das kann man wollen oder auch nicht, aber es muss nicht die Allgemeinheit finanzieren.
Meine Damen und Herren! Beide zu beratenden Anträge der NPD-Fraktion sind ein Beitrag zur Volksverdummung. Zum einen hat die Staatsregierung bereits das Richtige geantwortet, zum anderen wäre zu ergänzen: Als Sie Ihren Antrag zur Bundesratsinitiative für einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz am 21. April im Sächsischen Landtag eingebracht haben, waren die Debatten im Bundestag schon längst gelaufen. Längst abgelaufen war auch die Frist, die von der EU ermöglichte Ausnahmeregelung zu beantragen. Die Länder, die das wollten, konnten das bis zum 31. März 2006 tun.
Damit ist klar, Ihr Antrag hat keinerlei Bezug zur Realität. Darum geht es Ihnen aber auch gar nicht. Sie bringen hier zwei Anträge ein, die nur einen Zweck haben: nützlich zu sein für Ihre Propaganda.
Ich sage Ihnen voraus: Die Menschen in Sachsen sind nicht so dumm, auf solche billigen Taschenspielertricks hereinzufallen. Deshalb müssen Sie sich auch nicht wundern, wenn wir die Anträge ablehnen.
Das war die erste Runde der Abgeordneten. Die NPD-Fraktion hat zwei weitere Redner angekündigt. Herr Abg. Apfel, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich auf den zweiten Antrag konzentrieren, nachdem Kollege Delle bereits den ersten erläutert hat.
Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 % gilt für vieles, was nicht besonders gesund ist: für Schokolade, für Kaffee und sogar für mit Nitrophen verseuchte Tierfuttermittel. Mit anderen Worten: Bonbons, die mithelfen, die Zähne zu ruinieren, sind mit 7 % belastet, ein Mittel, das gegen Parodontose hilft, dagegen mit 16 %. Für Medikamente aber, meine Damen und Herren, gilt nach wie vor kein ermäßigter Steuersatz.
Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung haben deshalb wiederholt von der Bundesregierung gefordert: Weg mit der Mehrwertsteuer auf Medikamente oder halbiert sie zumindest! Denn mit Ausnahme von Dänemark ist Deutschland das einzige europäische Land, das den vollen Steuersatz auf Arzneimittel erhebt. Doch bisher blieben die Proteste ohne Erfolg. Der Finanzminister möchte auf keinen einzigen Cent der rund drei Milliarden Euro Steuereinnahmen aus der Umsatzsteuer auf Arzneimittel verzichten. Würde die Mehrwertsteuer nur auf 7 % gesenkt, ergäbe sich eine Kostenersparnis von rund 1,5 Milliarden Euro. Dabei gibt es bereits ermäßigte Steuersätze im Gesundheitswesen. Sie gelten für eine Reihe medizinischer Produkte, zum Beispiel für Rollstühle, Prothesen, Hörgeräte oder Herzschrittmacher.
Eine Studie der Universität Duisburg/Essen zur Preisbildung auf dem Arzneimittelmarkt im internationalen Vergleich kam 2005 zu dem Ergebnis, dass das Niveau der Publikumspreise für Arzneimittel in Deutschland im internationalen Vergleich sehr hoch ist. Sowohl umgerechnet nach Devisenkursen als auch kaufkraftbereinigt weist mit Ausnahme Österreichs kein anderes Vergleichsland ein ähnlich hohes Preisniveau wie die Bundesrepublik auf. Der Publikumspreis einschließlich Mehrwertsteuer liegt damit bei uns wesentlich höher als in den USA, der Schweiz, Großbritannien, Kanada oder den Niederlanden. Dies ist deshalb so bemerkenswert, weil die Herstellerabgabepreise für patentgeschützte Arzneimittel, wieder ausgehend von einer Umrechnung nach Devisenkursen, hierzulande vergleichsweise moderat sind.
Patentgeschützte Arzneimittel sind in der Schweiz, in den USA und in Japan teurer als in Deutschland. Generika dagegen sind in Deutschland zwar deutlich preiswerter als in der Schweiz und in Japan, aber teurer als in den USA und anderen Vergleichsländern. Die Differenzen müssten also nicht zuletzt auch aus der bei uns erhobenen Mehrwertsteuer auf Medikamente herrühren. Betrachtet man die Steuersätze innerhalb der Europäischen Union, so fällt auf, dass Großbritannien, Irland und Schweden ganz darauf verzichten, eine Mehrwertsteuer auf erstattungsfähige Arzneimittel zu erheben.
Insofern zieht Ihr Argument, Frau Strempel, nicht und auch nicht das Argument der Staatsregierung, dass eine Steuerbefreiung durch eine entsprechende EU-Richtlinie
nicht durchsetzbar sei. Sie geht am Thema vorbei, denn ganz offensichtlich scheint in diesen Ländern, wo ein Wille ist, auch tatsächlich der Weg dafür geebnet zu sein. Wenn Sie dann tatsächlich auf der EU-Richtlinie herumreiten wollen, steht es Ihnen ja frei, Frau Strempel, einen Änderungsantrag einzubringen, der dann einen verringerten Steuersatz von 2 oder 3 % wünschenswert erschienen ließe. Es ist im Übrigen so, dass in anderen Ländern Europas auch ermäßigte Steuersätze gang und gäbe sind. In Frankreich beispielsweise sind es eben gerade einmal 2,1 %, in Luxemburg werden 3 % erhoben, in Spanien 4 %, in Portugal 5 %, in Belgien und den Niederlanden sind es jeweils 6 %. Sie liegen damit deutlich unter dem Satz von sage und schreibe 19 %, wie es am 01.01.2007 in Deutschland der Fall sein wird.
Meine Damen und Herren! Gerade Sie, die Sie sonst ständig von der Vereinheitlichung, von der Harmonisierung von Steuern und Rechtsnormen innerhalb der Europäischen Union reden – wenn es im Ansatz vielleicht einmal sinnvoll wäre, eine Vereinheitlichung umzusetzen, wollen Sie davon nichts wissen, nicht mal nur von einer Anpassung. Dabei hat sich doch selbst Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt schon vor fünf Jahren mit ebendiesem Argument für eine Senkung des Steuersatzes auf Medikamente ausgesprochen. Sie befürchtete sogar eine nicht mehr gegebene Vergleichbarkeit der Preise innerhalb der Europäischen Union, falls man diesen Schritt nicht gehen würde.
Auch die Union hat sich noch vor der letzten Bundestagswahl für eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel ausgesprochen. Uns Nationaldemokraten geht es dabei natürlich nicht um den von ihnen praktizierten Vereinheitlichungswahn im Rahmen der EU-Politik. Wir wollen einfach nicht länger hinnehmen, dass sich der Staat weiterhin an den Kranken, vor allem den chronisch Kranken, in unserer Gesellschaft bereichert. Auch die gesetzlichen Krankenkassen würden ihre Kosten um einen Milliardenbeitrag senken können, denn die Belastung durch das Wegbrechen staatlicher Einnahmen würde durch die gleichzeitige Entlastung der Beitragszahlung kompensiert werden.
Meine Damen und Herren! Die NPD-Fraktion ist der Ansicht, dass lebensnotwendige Medikamente nicht höher besteuert werden dürfen als Blumen oder manches Genussmittel. Im Übrigen würde die von der Bundesregierung vorgesehene Erhöhung des Steuersatzes auf 19 % für die gesetzlichen Krankenkassen sogar eine erneute Mehrbelastung von über 700 Millionen Euro Jahr für Jahr bedeuten. Die Besteuerung von Medikamenten wird so im Vergleich zu unseren Nachbarländern immer absurder, vor allem, wenn man bedenkt, dass in fast allen EU-Ländern selbst rezeptfreie Arzneimittel nur mit einem ermäßigten Satz von unter 10 % besteuert werden.
Meine Damen und Herren! Die öffentlichen Haushalte in Deutschland dürfen nicht länger auf dem Rücken kranker Menschen ausgetragen werden. Ich bitte Sie herzlich, unterstützen Sie die Anträge der NPD-Fraktion.
Meine Damen und Herren! Ist jetzt das Bedürfnis geweckt worden, noch einmal an der allgemeinen Aussprache teilzunehmen? – Dann bitte ich die NPD-Fraktion mit ihrem dritten Redebeitrag. Herr Abg. Leichsenring, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die Berliner Notgemeinschaft im Herbst die Erhöhung der Mehrwertsteuer beschlossen hat, war die Konjunktur ziemlich am Boden. Es waren Etatdefizite von 4 % im Gespräch. Das Wachstum dieses Jahr – im Jahr 2006 – sollte bei 1,2 % liegen. Doch es ist jetzt etwas anders gekommen. Selbst 1,8 % Wachstum wird schon als sehr konservative Schätzung gesehen. Plötzlich wird auch gemeldet, dass die Steuereinnahmen im ersten Quartal um 6 % gestiegen sind. Wir denken, dass man diesen Spielraum nutzen sollte, um hier das Volk zu entlasten. Wir denken weiterhin, dass dies genau an den Punkten, die wir vorgeschlagen haben, besonders geeignet ist, nämlich bei Medikamenten und bei konsumnahen Dienstleistungen.
Durch Steuersenkungen entstehen auch neue Steuerquellen, weil – das ist ja nun nichts Neues, darüber gibt es genug empirische Studien – dadurch die Schwarzarbeit zurückgedrängt wird. Genau diese Dienstleistungen, diese konsumnahen Dienstleistungen sind ja am meisten von Schwarzarbeit betroffen. Wir sollten diese konjunkturelle Atempause nutzen.
Höhere Umsatzsteuern, wie sie uns im Januar 2007 bevorstehen, werden nur dann locker weggesteckt, wenn auch die Realeinkommen zulegen. Aber das ist ja in Deutschland seit Jahren nicht der Fall. Selbst bei der kleinsten Konjunkturabschwächung zeigt sich, dass man Etats und Haushalte nicht über Steuererhöhungen sanieren kann. Das geht auf Dauer schief, dann bricht die Konjunktur ein, und man lügt sich von einer Tasche in die andere.
Die Ökonomen der Deutschen Bank zum Beispiel haben gesagt, die Auswirkung der Mehrwertsteuererhöhung 2007 wird dazu führen, dass das Wachstum knapp über null liegt, sodass dann wieder alle Spielräume wegfallen. Wir sollten diese Politik nicht weiterführen.
Frau Strempel, Sie hatten vorhin von Populismus gesprochen, von holzschnittartiger Politik. Wir hörten das Wort Volksverdummung von Herrn Weichert. Ich verzichte an
dieser Stelle auf Zitate. Ich habe davon eine ganze Mappe auf dem Tisch liegen, und zwar Zitate aus Anträgen Ihrer Parteien – ich denke einmal an die CDU Saarland als kleines Beispiel –, ich hatte Ausschnitte oder Zitate aus Reden von ziemlich allen Parteien vorbereitet, die hier im Landtag vertreten sind, die alle genau in diese Richtung gehen.
Bei uns ist das natürlich dann Volksverdummung, Populismus. Ich weiß ja nun, dass Sie so reden müssen. Aber es ist unehrlich. Ihre EU, die Sie hier immer wieder ins Spiel führen, ist Volksverdummung. Sie haben diesen Zustand, dass wir im eigenen Land nichts mehr zu sagen haben, herbeigeführt. Jetzt stellen Sie sich hin und beklagen, dass Sie sich an Richtlinien halten müssen. Das ist Ihre Politik!
Ich denke, diese Anträge, die von uns eingebracht wurden, sind gerechtfertigt, um die Menschen zu entlasten. Dass Sie das nicht wollen, ist eine andere Sache.