Sie haben vielleicht schon gehört, dass wir auch am heutigen Tag einen Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf der Staatsregierung vorgelegt haben. Genau in diesem Änderungsantrag wird deutlich, worin wir nach wie vor unterschiedlicher Meinung sind. Dies am Beispiel von Mammographie durchsichtig zu machen kann durchaus interessant sein – wenn es denn gelingt. Ich wundere mich über die Vorstellung mancher Parlamentarier hier im Hohen Hause, die eine solche inhaltliche Auseinandersetzung unter dem Thema „Gequatsche“ abhandeln.
Frau Schütz sagte es bereits, vier bis 6,2 Millionen Mammographien im Jahr konnten – zumindest in Deutschland – die Sterblichkeit der Frauen an Brustkrebs nicht signifikant senken. Deshalb haben wir im Gesetz Änderungen gefordert und auch erreicht. (Beifall bei den GRÜNEN, der FDP und der Staatsministerin Helma Orosz)
Im Übrigen sind Männer ebenfalls betroffen, und Männer kommen im Gesetz überhaupt nicht vor. Sie sind viel gefährdeter, weil kein Mann damit rechnet, Brustkrebs zu bekommen. Frauen unter 50 Jahren stehen auch nicht darin.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Früherkennung ist eben nicht das Nonplusultra. Es ist nicht so, dass mit genügend Screeningmaßnahmen, gleich, welcher Art, Krankheit, Sterben und Tod der Vergangenheit angehören, und statistische Zahlen sagen nun einmal nicht viel über das Risiko eines Einzelnen aus. Beispielsweise sterben von tausend heute 60-jährigen Frauen in den nächsten zehn Jahren, statistisch gesehen, sieben Frauen an Brustkrebs. Das heißt, 993 Frauen sterben nicht an Brustkrebs, und genau diesen 993 Frauen können Sie mit der Screeninguntersuchung auch nicht helfen, sie profitieren nicht davon. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie keinen Nachteil daraus haben. Die Gründe dafür, dass Frauen einen Nachteil daraus haben bzw. dass im Endeffekt wirklich nur zwei und nicht sieben Frauen davon profitieren, liegt in der momentanen Qualität von Mammographie begründet.
Jetzt ist das Widerspruchsrecht im nachgebesserten Gesetzentwurf der Staatsregierung enthalten. Wir haben uns angenähert, auch über die Stelle, an der das Widerspruchsrecht einsetzen kann.
Wir hatten eine zweite Kritik, und zwar am Titel des Gesetzes. Wir wollten nicht, dass es dort „Prävention“ heißt. Es handelt sich nicht um Prävention, sondern es handelt sich um Früherkennung. Dann wird auch klar, dass mit dieser Früherkennung die Krankheit nicht zu verhindern ist. Man kann sie früher erkennen und früher eine Therapie einleiten, und dies kann für die Frauen lebensverlängernd sein. Wenn wir „Prävention“ draufschreiben, muss jedoch auch Prävention drin sein, sonst wecken wir falsche Hoffnungen.
Es gibt verschiedene Formen von Brustkrebs. Sie reichen von langsam wachsenden, nicht metastasierenden bis zu sehr aggressiven und sehr schnell metastasierenden Formen. Diese Formen sind derzeit zumindest mit Mammographie nicht zu unterscheiden. Dafür müssen Sie im Anschluss daran andere Diagnoseverfahren einsetzen. Das heißt, Sie belasten auch Frauen, die niemals an Brustkrebs sterben würden. Frau Lauterbach hat insofern nicht Recht, wenn sie sagt, pro Jahr sterben so und so viele Frauen, weil der Brustkrebs nicht früh genug erkannt wird; denn es gibt Krebsarten, an denen die Frauen auch sterben, wenn der Krebs im Frühstadium erkannt wird. Diese Diskussion muss man ebenfalls führen. Es gibt Formen, bei denen sie nichts machen können. Das bedeutet dann aber für die Frauen auch: Sie leben zwar nicht länger, aber sie leiden länger, da sie es eher wissen.
Im Schnelldurchlauf habe ich Ihnen nun vielleicht die Illusion genommen, dass wir mit irgendwelchen Früherkennungsprogrammen alle sehr gesund und sehr alt werden. Dafür müssen wir alle viel mehr tun, als der Aufforderung zur Früherkennungsuntersuchung zu folgen. Und dies entscheiden wir schließlich ganz allein. Das ist auch richtig so. Wichtig ist, dass wir über unser Verhalten überhaupt nachdenken. Deshalb muss auch bei Screeningmaßnahmen die eigene Entscheidung der Frauen berücksichtigt werden.
Ich möchte noch ein Wort zum FDP-Entwurf sagen, zu dem ich jetzt nicht gesprochen habe. Weder die Anmerkungen des Datenschutzbeauftragten noch die frühzeitig von unserer Fraktion geäußerten Bedenken wurden in diesen Entwurf eingearbeitet. Er wurde auf einer Sondersitzung vorgelegt, ohne dass überhaupt eine Änderung daran vorgenommen wurde. Insbesondere fehlt im Entwurf der FDP die klare und genaue Bestimmung der durch das Gesetz zu erlaubenden Vorgänge der Verarbeitung personenbezogener Daten. Zweitens ist kein Widerspruchsrecht enthalten. Drittens weiß ich nicht, wie die Anonymisierung sichergestellt werden soll.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt falsch-negative Ergebnisse, die zur Beruhigung führen. Frauen nehmen Anzeichen nicht mehr ernst und sagen: Ich habe ja erst eine Mammographie machen lassen. Viel häufiger jedoch gibt es falschen Alarm, und dieser wiederum wird von weiteren Untersuchungen und Ängsten bei den Frauen begleitet, möglicherweise auch von Schäden als Folge dieser Untersuchungen.
Insgesamt ist Früherkennung ein Tauschgeschäft: Risiko gegen Risiko; und genau weil dem so ist, wollten wir ein Widerspruchsrecht im Gesetz haben. Wir wollten, dass Frauen ihr verfassungsrechtlich verbürgtes Recht auf Nicht-Wissen wahrnehmen können. Es muss möglich sein, eigenverantwortlich mit diesem Risiko umzugehen und nicht alle zwei Jahre aufgefordert zu werden und gezwungen zu sein, sich erneut mit diesem Thema auseinander zu setzen. Davon ist unter anderem das informationelle Selbstbestimmungsrecht tangiert. Sie bekommen eine Screeningnummer. Ursprünglich war im Gesetz nicht klar, was wird, wenn sie nicht hingehen. Wird anonymisiert? Ist es nachvollziehbar, dass sie dort nicht hingegangen sind? Kann in zehn Jahren einmal jemand fragen: Warum waren Sie nicht da?
Wir werden den Gesetzentwurf aus diesem Grund ablehnen. Ich bringe später noch einen Änderungsantrag ein.
Das war die erste Diskussionsrunde der Fraktionen. Gibt es weiteren Redebedarf? – Frau Nicolaus, CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf das, was Sie, Kollegin Herrmann von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, so engagiert vorgetragen haben, muss man einfach erwidern.
Zweifelsohne gibt es bei diesen Früherkennungsmaßnahmen Risiken, aber der präventive Charakter und die Möglichkeiten der Früherkennung überwiegen das, was Sie vorgetragen haben, bei Weitem.
Ich habe einige Zahlen genannt. Sie können diese Zahlen auch im Internet nachlesen. Wenn man das ausdruckt, bekommt man dicke Papiere. Diese Zahlen zeigen, wie viele Frauen gerettet werden können, nachdem sie eine Screening-Maßnahme durchlaufen haben. Ich habe vorhin von den 500 000 Frauen gesprochen, die in den USA, in Schottland, in Schweden und in Kanada über einen Zeitraum von 18 Jahren untersucht worden sind. Wenn sich dabei gezeigt hat, dass die Sterblichkeit um 25 bis 30 % gesenkt werden konnte, so ist es meiner Ansicht nach mehr als gerechtfertigt, dass wir diese Maßnahme hier ergreifen, um den Frauen eine Chance zu bieten. Und es ist eine wirkliche Chance.
Man kann natürlich sagen, dass auf die Frauen dann Röntgenstrahlen einwirken und dass es Ängste und psychische Belastungen gibt. Aber es gibt auch psychische Belastungen, die man verdrängen kann, indem man Dinge in sich aufsaugt, aber nicht nach außen gibt.
Frau Nicolaus, haben Sie bemerkt, dass ich nicht das Screening-Programm insgesamt infrage gestellt habe, sondern lediglich bestimmte Aussagen dazu, und dass ich zu dem Schluss gekommen bin, dass aus diesen Gründen das Widerspruchsrecht eingeführt werden sollte?
Das ist klar. Das, was Sie gesagt haben, steht aber nach wie vor im Protokoll. Wenn man das so liest, gewinnt man den Eindruck, dass die Risiken, wenn man zur Früherkennungsuntersuchung geht, größer sind, als wenn man nicht geht oder wenn die Frauen nicht angeschrieben werden.
Wir stehen auf dem Standpunkt, dass es richtig ist, dass die Frauen alle zwei Jahre angeschrieben werden. Auch hinsichtlich der Wahl des Altersspektrums von 50 bis 70 Jahren gibt es Erkenntnisse. Frauen im Alter von 40 bist 49 Jahren wurden über einen Zeitraum von sieben bis neun Jahren untersucht. Dabei gab es so signifikante Erkenntnisse wie bei den Frauen zwischen 50 und 70 Jahren nicht. Die Sterblichkeit konnte also nicht entsprechend gesenkt werden. Das ist auch der Hintergrund dafür, dass wir das Altersspektrum auf 50 bis 70 Jahre begrenzt haben.
Wir vertreten die Ansicht, dass bei allen Risiken, die mit einer solchen Untersuchung verbunden sind – das möchte
ich noch einmal deutlich sagen –, das, was an präventiven Maßnahmen erbracht werden kann, in jedem Fall überwiegt. Ich werbe hier noch einmal für unseren Gesetzentwurf.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nur ganz kurz: Wenn Sie, Frau Nicolaus, sagen, dass das Gesetz sowieso im Jahre 2007 wirkt, so halte ich Ihnen entgegen, dass sämtliche Behörden mit der Vorbereitung der Umsetzung dieses Gesetzes natürlich erst beginnen können, wenn das Gesetz tatsächlich beschlossen ist. Da werden Sie mir Recht geben, nicht wahr?
Das andere: Frau Herrmann, wenn Sie es als konstruktive Zusammenarbeit empfinden, wenn Sie erklären, dass Ihnen die Stellungnahmen noch fehlen und dass Sie deshalb keinen Vorbehaltsbeschluss fassen möchten, und wenn Sie der Presse gegenüber äußern, Sie seien gegen eine Verabschiedung, weil die Frauen natürlich selbst das Recht auf Nicht-Wissen haben, dann halte ich das nicht für eine konstruktive Arbeitsweise.
(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS: Ich wollte Ihre Redezeit verlängern, aber wenn Sie nicht wollen!)
Gibt es aus den Fraktionen weitere Redewünsche? – Das ist im Moment nicht der Fall. Dann frage ich die Staatsministerin Frau Orosz. – Bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich bitte Sie, dem vorliegenden Gesetzentwurf der Staatsregierung in der Fassung der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend zuzustimmen. Mit Ihrer Zustimmung, meine Damen und Herren, verfügen wir über eine landesrechtliche Grundlage für die Durchführung des Mammographie-Screenings. Mit dieser ergänzenden Reihenuntersuchung wird eine notwendige und zielgerichtete Früherkennung etabliert.
Nahezu jede zehnte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Wir haben heute schon einige Zahlen und
Statistiken dazu gehört. Es ist, wie gesagt, nicht nur die häufigste Krebsart bei den Frauen, sondern es ist auch die Krebserkrankung, die am häufigsten zum Tode führt. Eine frühe Diagnose beeinflusst ganz entscheidend die Heilungs- und Überlebenschancen.
Denn Brustkrebs – auch das wissen wir – ist sehr gut heilbar, wenn er sehr früh erkannt wird. 90 % der Patientinnen, bei denen der Tumor bei der Operation kleiner als ein Zentimeter war, überleben die Erkrankung um mehr als 15 Jahre. Dazu kommt, dass die Therapie zu diesem frühen Zeitpunkt wesentlich schonender ist als später.
Auch der Rat der Europäischen Union hat im Jahr 2003 empfohlen, ein Bevölkerungsscreening einzuführen, weil dies als wirksamer erachtet wird als eine individuelle Vorsorge. Daraufhin hat der Bund, wie wir wissen, die Krebsfrüherkennungsrichtlinien geändert. Danach sollen, wie bereits bekannt, Frauen im Alter vom 50. bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres alle zwei Jahre von einer zentralen Stelle persönlich zu einer kostenlosen und freiwilligen Früherkennungsuntersuchung eingeladen werden.
Für diese Aufgabe ist nach dem Gesetzentwurf der Staatsregierung das Sozialministerium verantwortlich. Die Aufgabe – auch das war lange Zeit ein Diskussionspunkt – kann aber an eine andere öffentliche Stelle delegiert werden. Wie Sie bereits wissen, ist in Sachsen vorgesehen, die Kassenärztliche Vereinigung damit zu beauftragen. Wir sind der Meinung, dass die KVS dazu bestens geeignet ist. Dieses Verfahren entspricht auch dem Wunsch der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, auch wenn es – und da gebe ich Ihnen in gewisser Weise Recht, Frau Herrmann – seit Längerem einige andere Diskussionsfelder bezüglich der Arbeit der KV gibt. Aber ich glaube, es wäre nicht adäquat, das eine mit dem anderen zu verbinden.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf schafft die Voraussetzung dafür, dass die notwendigen Daten vom Melderegister an die Einladungsstelle weitergegeben werden dürfen. Dieses Verfahren ist neu und hat in der Gesetzesvorbereitung eine tief greifende und auch zeitaufwändige datenschutz- und verfassungsrechtliche Diskussion ausgelöst. Ich glaube, alle Beteiligten wissen, wovon ich rede. Der Bund hat es nun einmal der Zuständigkeit des Landesgesetzgebers überlassen, diese Frage zu klären, und wir haben sie geklärt. Eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Rechtskonformität des Gesetzes hätte wesentlich mehr Zeit gekostet und außerdem die betroffenen Frauen erheblich verunsichert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den meisten anderen Bundesländern wurde für die Begründung eines Einladungssystems auf Basis der amtlichen Meldedaten lediglich das Meldegesetz geändert. Der Gesetzentwurf der Sächsischen Staatsregierung beinhaltet eine eigenständige Regelung. Diese Regelung ist nicht nur transparenter, sondern auch zukunftsorientierter. Das zeigt sich
zum Beispiel daran, dass die Änderungen des künftigen Kernmelderegisters bereits berücksichtigt wurden. Die Regelung schafft auch eine Rechtsgrundlage für künftige Präventionsmaßnahmen, bei denen eine Datenübermittlung von öffentlichen Stellen notwendig ist.
Ich bin überzeugt, dass wir hier gemeinsam eine gute Lösung gefunden haben. Ich darf an dieser Stelle noch einmal all denen herzlich danken, die in den Gremien, in den Ausschüssen konstruktiv miteinander diskutiert haben. Auch ich empfand diese Diskussion als sehr konstruktiv. Ich bedanke mich auch noch einmal bei den beteiligten Ressorts und beim Datenschutzbeauftragten für diese manchmal etwas zeitraubende Diskussion. Aber sie war wichtig und sie war gut und am Ende zählt das gemeinsame Ziel, das wir in guter Qualität erreicht haben.