Protokoll der Sitzung vom 11.05.2006

Hier wurde die Frage gestellt: Wollen Sie widersprechen? – Darauf gab es eine Antwort aus Ihrer Fraktion: „Warum sollten wir?“

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Genauso war es!)

Das heißt, dass der gegen Ihre Fraktion im Raum stehende Vorwurf, Sie würden verfassungswidrig agieren und die verfassungsmäßige Ordnung nicht akzeptieren, sondern

alles daran setzen, diese verfassungsmäßige Ordnung aus unserem Land zu vertreiben, Realität ist.

Sie haben heute noch einmal deutlich gemacht, dass Sie zum Dritten Reich und zu den Verbrechen, die dieses Dritte Reich begangen hat, eine Wiederholung wünschen – mit diesen Zügen, die Sie rollen lassen wollen! Ich halte das für widerlich und beschämend. Unser Land ist weder rechtsradikal noch in Gänze linksradikal. Hier wohnen viel mehr demokratisch gesinnte Menschen, als uns mancher aus anderen Ländern manchmal zugestehen möchte. Hier wohnen Demokraten, die anständig sind. Sie haben vielleicht auch Fehler, neigen aber nicht so zu Radikalen, wie Sie, Herr Leichsenring, es heute hier demonstriert haben.

Herr Präsident, ich bitte Sie, nach Vorliegen des Protokolls zu prüfen, ob für diese widerlichen Äußerungen der Ordnungsruf ausreichend ist.

(Anhaltender Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Herr Leichsenring, ich würde Sie bitten, diesen Ausspruch klarzustellen.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Es gibt keine Klarstellung!)

Moment!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will die 44 Sekunden nutzen, um das in der Tat klarzustellen. Es ging hier nicht um die Züge, die Herr Schiemann angesprochen hat. Es ging um die Tatsache, dass zwei Verdächtige mit einem Hubschrauber nach Karlsruhe geflogen wurden.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Sie lügen!)

Da habe ich gesagt: Wenn das bei jedem linken Gewalttäter auch so gemacht würde, dann bräuchten wir Sonderzüge. In der Tat, ich wäre dafür, dass die Sonderzüge mit diesen Linksradikalen auch nach Karlsruhe fahren. Aber ganz genau!

(Jürgen Gansel, NPD: Das war der Tenor!)

Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.

Vielen Dank.

Wird weiter das Wort gewünscht? – Herr Prof. Porsch, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird sicherlich aus dem Stenografischen Protokoll hervorgehen, dass ich auf diese Äußerung hin den Zwischenruf gemacht habe: „Es sind schon einmal solche Züge durch das Land gerollt, und das haben Ihre Vorfahren zu verantworten!“ Erst daraufhin hat Herr Leichsenring gesagt, es wäre gut, wenn sie manchmal wieder fahren würden.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der CDU, der SPD und der FDP – Jürgen Gansel, NPD: Quatsch!)

Herr Leichsenring, ich frage Sie deshalb noch einmal, ob Sie das in diesem Sinne so gemeint haben oder nicht.

(Unruhe bei der Linksfraktion.PDS)

Ich muss nachfragen.

Bitte.

Ich denke, ich habe ausreichend dargelegt, wie ich es gemeint habe. Ich habe mich auf meinen vorhergehenden Satz berufen, in dem ich gesagt hatte, dass ich der Meinung bin, dass dann ganze Züge gebraucht würden, um Linksradikale nach Karlsruhe zu fahren. Ich habe „Karlsruhe“ nicht gesagt. Aber was ich gesagt haben soll, was man mir unterstellt, habe ich auch nicht gesagt.

Dann bitte, Herr Dr. Hahn.

Herr Präsident, das, was soeben hier gesagt worden ist, war die Unwahrheit. Alle hier haben es gehört. Es wird im Protokoll stehen, dass Herr Leichsenring genau das gesagt hat, was ihm vorgeworfen wird. Deshalb möchte ich Sie bitten, eine Sitzung des Präsidiums anzuberaumen, um zu prüfen, ob eine Maßnahme nach § 95 der Geschäftsordnung ergriffen werden muss.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der FDP, den GRÜNEN und des Abg. Enrico Bräunig, SPD)

Danach machen wir das?

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Ja!)

Ich frage, ob die Staatsregierung noch das Wort wünscht? – Bitte, Herr Innenminister.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle Jahre wieder veranstalten Rechtsextremisten Demonstrationen am 1. Mai in Leipzig. Alle Jahre wieder nehmen Linksextreme diese Demonstrationen zum Anlass für szenetypische Straftaten. Alle Jahre wieder kommt es zu einer Debatte im Landtag.

Meine Damen und Herren! Warum schützt die Polizei Demonstrationen der Rechtsextremen? Die Rechtsextremen wollen doch in erster Linie provozieren. Sie haben vom Massenmörder Goebbels gelernt, der seine Schlägerkolonnen mit Vorliebe gerade in den Roten Wedding schickte. Da konnte er sich publikumswirksamer Reaktionen der Linksextremen sicher sein. Darauf kam es Goebbels an.

Darauf kommt es auch Goebbels’ geistigem Nachfolger Worch und seinen Gesinnungsgenossen an. Die heutigen Linksextremen verhalten sich genau wie ihre Vorgänger: Sie schlagen drauflos und verletzen 49 Polizisten, obwohl

Ja, bitte.

sie wissen, dass davon nur einer profitiert: der Rechtsextremismus.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Das ist ja unglaublich!)

Denn so bekommen die Rechtsextremisten – ansonsten durchaus zu gefährlichen und menschenverachtenden Gewalttaten bereit – von den Linksextremisten die Möglichkeit geboten, sich hier als Saubermänner, gesetzestreue Bürger, kurz: als staatstragend darzustellen.

Aber lassen Sie mich auf meine Frage vom Anfang zurückkommen: Warum schützt die Polizei eigentlich diese rechtsextremen Demonstrationen? Die Antwort ist ganz einfach: Es geht hier gar nicht um die rechtsextremen Demonstrationen; es geht um die Frage, wer eigentlich zu entscheiden hat, wer in unserem Land wofür demonstrieren darf. Lassen wir es zu, dass man nur für das demonstrieren darf, was einer Mehrheit oder einer propagierten Moral oder gar einer Regierung passt? – Dann ist das Demonstrationsrecht am Ende. Damit wären wir alle unfreier.

Gerade der 1. Mai ist ein gutes Beispiel dafür, wie Demonstrationen in totalitären Staaten aussehen. Gerade dieser Tag wurde vom Nationalsozialismus des so genannten Dritten Reiches und vom Sozialismus der DDR mit Massendemonstrationen begangen.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Wissen Sie überhaupt, was Sie für einen Mist erzählen? Sie sollten sich schämen, dass Sie einfach so eine Debatte hier führen!)

Wer also fordert, nur Demonstrationen zuzulassen, die sich letztlich mit der eigenen Gesinnung vertragen, gefährdet – ob gut gemeint oder nicht – ein wichtiges Freiheitsrecht. Er gefährdet ein Grundrecht, das sich die Bürger in den neuen Ländern erkämpft haben.

Das heißt natürlich nicht, dass sich Demonstranten außerhalb unserer Grundordnung stellen dürfen. Demonstrationen, die gegen die für alle gleich geltenden Gesetze verstoßen, also zum Beispiel den Völkermord der Nazis leugnen, sind verboten und werden auch nicht zugelassen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Minister, möchten Sie angesichts der Ausführungen von Herrn Leichsenring nicht zu dem Stellung nehmen, was von ihm gesagt wurde?

Frau Abgeordnete, ich bin sehr empört über das Gesagte und würde mich aus diesem Grunde auch nicht weiter an mein Redekonzept halten,

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Dafür wären wir Ihnen dankbar!)

sondern ich möchte artikulieren: Es ist nicht gut, dass wir uns in diesem Landtag eine derartige Situation einfach überstülpen lassen müssen. Es ist nicht gut, wenn hier in dem Sinne an Verbrechen in der Vergangenheit erinnert wird, dass diese noch bagatellisiert werden.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren! Ich bin empört über diese Äußerungen, die eigentlich jedes Mal von der rechten Seite hier im Landtag kommen. Die Schärfe hat in den letzten Reden sehr zugenommen. Ich bin sehr gespannt, zu welchem Ergebnis das Präsidium kommen wird.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)