Die Reihenfolge in der ersten Runde: FDP, CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, NPD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile nun Herrn Herbst das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 1,56 Millionen Euro – das ist der Betrag, den der Freistaat im aktuellen Doppelhaushalt in den Aufbau einer Evaluationsagentur zur Qualitätsmessung an sächsischen Schulen investiert. Das ist eine ganze Menge Geld. Wir halten diese Investition trotzdem für gut angelegt.
Wenn wir darüber sprechen, Bildungsqualität zu verbessern, dann bedarf es einer Voraussetzung: Wir müssen wissen, wo wir stehen. Orientierungsarbeiten und auch die Tätigkeit der Evaluationsagentur haben das Ziel, die Qualität an einzelnen Schulen objektiv zu messen.
Transparenz und Vergleichsmöglichkeiten führen natürlich auch zu mehr Wettbewerb. Das halten wir nicht für einen Makel. Das ist nicht falsch, sondern ein sinnvoller Anreiz, über Verbesserungen nachzudenken, um Stärken und Schwächen einschätzen zu können und daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.
Ein Wettbewerb um die beste Schulqualität ist ein Wettbewerb, den wir uns ausdrücklich wünschen. Qualitätskontrolle kann aber langfristig nur funktionieren, wenn Ergebnisse öffentlich und transparent gemacht werden.
Das Kultusministerium will, dass die Ergebnisse des so genannten Schul-TÜVs lediglich an die Kultusverwaltung und die betroffene Schule gehen. Das öffentliche Interesse, das mit Sicherheit groß sein wird, wird damit völlig ignoriert.
Der Giftschrank des Kultusministeriums ist nach unserer Auffassung der falsche Aufbewahrungsort für die gesamten Evaluationsergebnisse. Das kommt mir vor, als wollte man sich das Herrschaftswissen sichern. Wenn beispielsweise Abgeordnete zu dem Thema etwas sagen wollen, dann wird darauf verwiesen, dass ihnen gar nicht alle
Wir sind der Auffassung, dass Eltern, Schüler, Lehrer und auch Schulträger das Recht haben zu erfahren, wo jede einzelne Schule im Leistungsvergleich steht. Wir müssen die öffentliche Debatte darüber nicht fürchten. Ich glaube, wir sollten sie besser als Chance begreifen.
Nun gibt es Argumente, in der Öffentlichkeit könne man mit diesen Ergebnissen nicht umgehen. Es wird das Wort „Pranger“ verwendet. Ich glaube, meine Damen und Herren, das Kultusministerium unterschätzt, wie so oft, die Bürger. Daraus resultiert vielleicht eine gewisse Staatsgläubigkeit. Man ist der Meinung, eine Verwaltung weiß immer alles besser als die Bürger im Lande. Ich glaube, das ist falsch.
Die Diskussion um die Pisa-Ergebnisse hat gezeigt, was es bringt, Transparenz zu schaffen, und welche Bewegung es insgesamt im Schulsystem gab. Wir dachten vorher, wir sitzen ganz oben auf dem Bildungsolymp und niemand kann uns etwas anhaben. Das Ergebnis war eher ernüchternd. Das hat das Land aufgerüttelt. Ich traue den Sachsen zu – das sind findige Bürger –, dass sie die richtigen Schlüsse aus den Ergebnissen eines Schul-TÜVs ziehen können.
Nun sagen Sie, eine Veröffentlichung wäre schlecht, solange wir über Schulstandorte sprechen. Ich glaube, es wäre überhaupt nicht schlecht. Denn wir müssen doch ein hohes Interesse daran haben, qualitativ gute Schulen zu erhalten. Vielleicht ist es auch besser, wenn Qualität die Richtschnur für die Anmeldung von Schülern ist und nicht nur die Werbekünste der einen oder anderen Schule.
Meine Damen und Herren! Haben wir Mut! Trauen wir unseren Bürgern mal etwas zu! Veröffentlichen wir die Ergebnisse! Ich glaube, das bringt uns alle voran.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, der vorliegende Antrag bietet die Möglichkeit, für die weitere Qualitätssicherung und Entwicklung unseres Schulsystems auch parlamentarisch erneut ins Gespräch zu kommen. Die seitens des Kultusministeriums zukünftig vorgesehene Evaluation – ein schwieriges Wort, das man immer langsam aussprechen sollte – unterstützen wir voll und ganz. Letztlich wird auch der in der Schulgesetznovelle vorgesehenen Einrichtung einer Evaluationsagentur entsprochen. Wir haben die Einrichtung einer Evaluationsagentur bereits im Sächsischen Schulgesetz verankert. So weit zum derzeitigen Stand.
Gleichwohl muss man darauf hinweisen, dass die Idee eines Schul- und Leistungsvergleichs nicht neu ist. Initiativen hierzu gab es bereits in der letzten Legislaturperiode. Ich kann problemlos aus dem damaligen Redebeitrag meines Kollegen Thomas Colditz im Rahmen einer Aktuellen Debatte zitieren: „Wir wollen die Entwicklung eines Berichtswesens, das a) die Schulentwicklung der einzelnen Schulen vor Ort, einschließlich der vielfältigen Einflussfaktoren, analysiert und bewertet; b) daraus abgeleitet und anhand objektiver Leistungsparameter belegt, geht es um einen transparenten Vergleich zur Qualitäts- und Leistungsentwicklung der einzelnen Schulen untereinander und damit quasi um die Anregung eines selbstlernenden Systems. Dabei sind die jetzt möglichen und angedachten vergleichenden Darstellungen natürlich als Einstiegsphase für eine weiterführende qualifizierende Betrachtung zu sehen, in der die Schulverwaltung gefordert ist, Schulentwicklungsprozesse komplexer zu analysieren. Aber auch positive Erfahrungen auf der örtlichen Ebene sollen dabei im Sinne eines Qualitätsbegriffes verallgemeinert werden.“
Auf die damals geäußerte Kritik, dass nur die Abschlussnoten des Abiturs berücksichtigt wurden, wird jetzt reagiert. Nunmehr werden die Leistungskriterien komplexer analysiert. Grundsätzlich ändert sich nichts an der Tatsache, dass intern bewertende und analysierende Vergleiche für unser Schulsystem von Bedeutung sind. Insofern kann diese Betrachtung, wie in der Vergangenheit leider passiert, nicht verteufelt werden, denn:
Erstens bietet sie die Grundlage für die vertiefte Diskussion um die Qualifizierung des angestrebten Berichtswesens.
Zweitens ist davon auszugehen, dass vergleichende Leistungsbetrachtungen ohnehin bereits im internationalen Maßstab stattfinden. Diese auf die nationale Sicht bis zur Betrachtung einzelner Schulen herunterzubrechen ist konsequent, macht Sinn und erhöht die Transparenz der Betrachtung.
Drittens wollen wir, wie gesagt, bei der Beförderung der Qualitäts- und Leistungsentwicklung von Schulen die Bewertungskriterien im Sinne des Qualitätsbegriffes anreichern und uns nicht allein auf den Vergleich von erzielten Abschlussnoten stützen.
Im Blick auf das bisher Gesagte können wir den Intentionen des vorliegenden Antrages und damit der Schaffung von Transparenz und Wettbewerb im sächsischen Schulwesen grundsätzlich zustimmen. Gleichwohl erscheint im Blick auf den aktuellen Entwicklungsstand der Evaluationsagentur eine Zustimmung zum vorliegenden Wortlaut nicht möglich, denn Zweck der Untersuchungen soll eben gerade kein Schulranking sein.
Jede Schule soll vielmehr eine Hilfe zur Verbesserung ihrer Arbeit erhalten und dazu angehalten werden, mit den Ergebnissen der Evaluation eigenverantwortlich umzugehen.
Wir benötigen eine möglichst breite Akzeptanz für die internen Evaluationsvorhaben und den weiteren Aufbau der Agentur. Eine Veröffentlichung von Berichten, die derzeit ohnehin nicht flächendeckend vorliegen, würde dem entgegenwirken. Die Einrichtung einer sächsischen Evaluationsagentur ist ein wichtiger und vor allem richtiger Schritt für eine weitere Verbesserung der sächsischen Unterrichtsqualität. Damit bekommen wir eine objektive Grundlage zur Bewertung des Unterrichts in der jeweiligen Schule.
Wer sich darüber genauer informieren möchte, den lade ich von dieser Stelle aus ganz herzlich zu einem Bildungsforum ein, das am kommenden Mittwoch im Evangelischen Kreuzgymnasium stattfindet und auf dem die Geschäftsführerin der Evaluationsagentur Rede und Antwort stehen wird über die erste Situation der Evaluation, also die Erprobung. Der Staatssekretär wird auch einiges dazu sagen und dann, denke ich, können wir auf der Grundlage dieses Wissens erfolgreich weiter diskutieren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Ihrem Antrag fordern Sie, liebe Kollegen der FDP, die Veröffentlichung der Ergebnisse des Schul-TÜVs sowie die Veröffentlichung der Ergebnisse von Vergleichstests – wobei ich nicht weiß, welche Sie damit meinen – und der Orientierungsarbeiten, um die Qualität der einzelnen Schule genau messen zu können.
Grundsätzlich – das möchte ich vorausschicken – sind auch wir in der Linksfraktion.PDS der Auffassung, dass Daten, die im Freistaat Sachsen erfasst werden, veröffentlicht und der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Aber worüber sprechen wir hier eigentlich? Dieses sensible Thema in der Schule müssen wir etwas genauer betrachten. Schul-TÜV – ich frage Sie hier im Landtag; ich traue mich gar nicht, jemanden anzusprechen –, was ist das eigentlich? Was verstehen wir darunter und wie sind die Aufgaben und Zielstellungen eines SchulTÜVs?
Wir in diesem Sächsischen Landtag haben dazu bisher keine offiziellen Informationen durch den Kultusminister erhalten. Nein, es gibt eine Information – Herr Herbst hat sie bereits dargestellt –, denn wir haben in dem derzeit existierenden Doppelhaushalt richtig viele Mittel dafür eingestellt. Das halten wir für notwendig und richtig; denn auch wir sind der Auffassung, eine Evaluationsagentur soll und muss Schule evaluieren.
Ich möchte die Zahlen aber trotzdem nennen, weil ich sie schon für sehr wichtig halte: Für das Jahr 2005 wurden 586 000 Euro eingestellt, für das Jahr 2006 900 000 Euro. Dazu wurden Stellen aus dem Lehrerbereich – nämlich zirka 20 – in den Stellenbereich des Kultusministeriums umgewandelt, also aus der Schule heraus ins Ministerium.
Was passiert aber nun mit und durch die Evaluationsagentur? Wir wissen nicht, wie sie wirklich zusammengesetzt ist, wie Ziele, Aufgaben und Inhalte durchgeführt werden und mit welchen Inhalten die Schulen evaluiert werden sollen. Ich habe gehört, dass im sächsischen Bildungsrat sehr oberflächlich Informationen mitgeteilt worden sind. Nun wissen wir alle, dass wir als Landtagsabgeordnete natürlich gern Informationen vom Hörensagen aufnehmen und diese gern verwenden.
Trotzdem bin ich der Auffassung: Bei einem so wichtigen Thema ist es schon notwendig – wenn wir unsere Aufgaben als Landtagsabgeordnete ernst nehmen und diese auch erfüllen wollen –, dass das Staatsministerium umfassend, vollständig und zeitnah – vielleicht fällt jemandem ein, wo die Begriffe herkommen – informiert,
damit wir unsere Kontrollpflicht und die Einflussnahme, die wir unseren Wählerinnen und Wählern nun einmal schuldig sind, auch wirklich im Bildungsbereich ausüben können.