Protokoll der Sitzung vom 21.06.2006

Sehr geehrte Damen und Herren, der Sächsische Landtag hat es – ein halbes Jahr früher – in der Hand, den Gesetzentwurf zur Juniorprofessur nach entsprechender Behandlung in den Ausschüssen schon im Juli 2006 im Plenum zu beschließen. Ich lade Sie alle im Interesse der sächsischen Hochschulen zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit an diesem Gesetzentwurf ein.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Änderung des Sächsischen Hochschulgesetzes an den Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien zu überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung an diesen Ausschuss zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gibt es Stimmen dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist das einstimmig so beschlossen und der Tagesordnungspunkt 4 beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zum

Tagesordnungspunkt 5

Lage und Perspektive des Handwerks in Sachsen

Drucksache 4/3704, Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD, und die Antwort der Staatsregierung

Als Einbringer sprechen zunächst die Fraktionen der CDU und der SPD. Es folgen in der ersten Runde Linksfraktion.PDS, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Meine Damen und Herren, die Debatte ist eröffnet. Ich bitte, dass die Fraktion der CDU und nachfolgend die der SPD das Wort nimmt. Frau Schmidt, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keiner kommt ohne die vielfältigen Leistungen der Handwerker aus. Es beginnt beispielsweise früh mit den frischen Brötchen vom Bäcker, belegt mit Wurst vom Fleischer, und geht weiter bis hier hinein in den Plenarsaal mit der Haustechnik, installiert durch Elektriker und die Klima- und Heizungstechniker.

Aber, meine Damen und Herren, wie geht es dem Handwerk in Sachsen? Diese Frage ist in der vorliegenden Großen Anfrage der Koalition in 34 Punkten der Staatsregierung gestellt worden. Der Betriebsbestand im Handwerk nimmt zu, nicht zuletzt durch die Novellierung der Handwerksordnung, die auch Nichtmeistern das Führen eines Handwerksbetriebes ermöglicht. Der Bestand in Sachsen beträgt 55 314 Betriebe. 89 % der Handwerksbetriebe haben weniger als 50 Beschäftigte. Da haben wir einerseits die Erhöhung der Anzahl der Handwerksunternehmen, andererseits ist die durchschnittliche Anzahl der Mitarbeiter einschließlich der Betriebsinhaber von 7,3 Mitarbeitern seit dem letzten Herbst auf 6,2 Mitarbeiter gesunken.

Nach den Ergebnissen der Handwerkszählung 1995 gab es im sächsischen Handwerk im Vollhandwerk und im handwerksähnlichen Gewerbe 408 000 beschäftigte Personen. Nach den Schätzungen der sächsischen Handwerkskammern beträgt die Zahl der Ende 2005 im Handwerk Beschäftigten nur noch 350 000 Personen. Das sind 68 000 Personen weniger. Das sind schon alarmierende Zahlen. Alarmierend sind insbesondere die Zahlen der Zugänge aus Erwerbstätigkeit in die Arbeitslosigkeit bei Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen. Dabei lag der Anstieg in Sachsen bei knapp 65 %. Aus den Geschäftsaufgaben hat sich oftmals eine soziale Notsituation ergeben, denn bei den hier erfassten Geschäftsaufgaben kommt die im Jahr 2005 in Kraft getretene Arbeitslosenversicherung für Selbstständige noch nicht zum Tragen.

Die geschäftliche Situation wird seit 1995 als kontinuierlich schlechter werdend eingeschätzt. Diese Entwicklung spiegelt sich beim Umsatz des sächsischen Handwerks wider. Durch die Frühjahrskonjunkturumfrage des Sächsi

schen Handwerkstages erfahren wir von Präsident Dirschka: „Die Stimmung ist besser als die Lage. Es herrscht momentan das Prinzip Hoffnung.“

Spricht man mit den Handwerkern oder zum Beispiel auch mit den Unternehmerfrauen im Handwerk, dann höre ich keine gute Stimmung. Vom Schwung der frühen neunziger Jahre ist nichts mehr zu hören und zu spüren. Die Probleme: mangelnde Zahlungsmoral, die verzögerte und verringerte Zahlung von ordnungsgemäß erbrachten Leistungen, die Überbürokratisierung, zum Beispiel die Übernahme von staatlichen Kontrollfunktionen bei der Regelung mit Freistellungsbescheinigungen zum Steuerabzug bei Bauleistungen, komplizierte und langwierige Genehmigungsverfahren, die Verzerrung des Wettbewerbs durch kommunale Unternehmen, die Belastung durch Steuern, Abgaben, Gebühren und hohe Energiekosten, die hohen Lohnnebenkosten, die Beitragszahlung zur Unfallversicherung an die Berufsgenossenschaften – übrigens ist diese von den Arbeitgebern allein zu tragen –, die schädigenden Arbeitsmarktaktivitäten bei den Ein-Euro-Jobs und durch die Ich-AGs.

Obwohl sich das sächsische Vergaberecht laut Vergabebericht 2004 bewährt hat, wird beklagt, dass die Vergabestellen dem Wirtschaftlichsten den Zuschlag geben, aber oftmals den Aufwand scheuen, dies auch selbst zu überprüfen, und das sowohl im Verfahren als auch bei den Nachforderungen.

Trotzdem ist das Handwerk ein Motor am Beschäftigungs- und Ausbildungsmarkt. Es stellt ein Fünftel aller Arbeitsplätze und etwa 29 % der betrieblichen Ausbildungsplätze. Das Handwerk versteht sich als Ausbilder der Nation.

(Beifall bei der CDU)

Hier hat sich die duale Ausbildung bestens bewährt. Gesellen, im Handwerk ausgebildet, werden sehr gern auch von der Industrie übernommen. Dennoch bleiben Lehrstellen unbesetzt, weil Schulabsolventen die Eignung fehlt. Handwerksmeister beklagen schon allein die Form der Bewerbungen, die bei ihnen eingehen.

Allein im Handwerk sind in den nächsten zehn Jahren bis zu 15 000 Betriebsübergaben zu erwarten. Nach Einschätzung der Handwerkskammern ist aufgrund der Altersstruktur im Handwerk in den nächsten Jahren mit einer Zunahme des Bedarfs an Nachfolgern zu rechnen, der nur zum Teil durch eigene Familienmitglieder gesichert werden kann. Da weiß ich, wovon ich rede.

In Sachsen besteht nach wie vor ein Mangel an Unternehmern. Gibt es in Sachsen je 1 000 Einwohner 47 Selbstständige einschließlich der mithelfenden Familienangehörigen, liegt die Selbstständigenquote in den westlichen Flächenländern bei 52. Dazu sind in den westlichen Bundesländern noch mehr Personen in den Unternehmen beschäftigt. Wir müssen – auch das gehört zur Lageeinschätzung – mehr Mut zur Selbstständigkeit machen.

(Beifall bei der CDU)

Zur Lage des Handwerks gehört auch die Lagebeschreibung seiner Organisationen. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks hat auf seiner Herbstvollversammlung ein Konzept zur bundesweiten Organisationsreform beschlossen. Zu diesem Zweck wurde unter dem Dach des sächsischen Handwerkstages eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit der Umsetzung dieser Maßnahmen befasst. Damit sind auch hier erste Schritte zur effizienteren Gestaltung begonnen worden.

Meine Damen und Herren! Ich wünsche mir und uns, dass die weltmeisterschaftliche Stimmung auch auf das sächsische Handwerk überschwappt,

(Beifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Glasermeister!)

dass bestellte und gelieferte Leistungen sowohl von Privatpersonen als auch von den öffentlichen Auftraggebern fristgemäß bezahlt werden, dass wir den viel zitierten goldenen Boden des Handwerks wieder durch eine stärkere Nachfrage nach handwerklichen Leistungen bei den Kammerbetrieben aufpolieren helfen und dass sich damit die gesamtwirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Situation des Handwerks in Sachsen verbessert. Gott schütze das ehrbare Handwerk!

(Lang anhaltender Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort; Herr Pecher, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist natürlich jetzt schwierig, nach so einem guten Wort anzuknüpfen. Ich möchte bei dem anknüpfen, was Frau Schmidt auch gesagt hat, am Stichwort: mehr Mut zur Selbstständigkeit. Ich erinnere daran, dass wir zum letzten Plenum einen diesbezüglichen Antrag eingebracht hatten, der nach meinem Kenntnisstand auch mit großer Mehrheit beschlossen wurde. Dort wurde festgestellt, dass wir uns als Koalition durchaus zufrieden zeigen können, denn die Wirtschaft in Sachsen gilt als Erfolgsstory des Ostens und entwickelt sich in den letzten Jahren dynamischer als in den meisten Westländern. Wesentliche Aussagen waren: Wir brauchen mehr gesellschaftliches Klima, geprägt vom Respekt gegenüber Initiativen, sich selbstständig zu machen. Das ist das, was Frau Schmidt schon erwähnt hat. Wir brauchen weitere staatliche Unterstützung bei Existenzgründungen und wir brauchen dringend einen Entlastungsmechanismus für die

außerhalb des Gewerbes liegende Belastung, Stichwort: Bürokratie.

Dieser Antrag mündete in die Evaluierung unserer sächsischen Existenzgründungen und wir wollen versuchen, dass die Wachstums- und Wettbewerbsfähigkeit durch die Festlegung von Rahmenbedingungen durch den Freistaat erhöht wird.

Fakt ist – das habe ich kürzlich schon ausgeführt –, dass wir in Sachsen mehr Wachstum und Beschäftigung brauchen. Aus dem Wachstum heraus müssen mehr Jobs entstehen. Dabei kommt dem Mittelstand, also den kleinen und mittleren Unternehmen, eine ganz besondere Bedeutung zu, denn die Zeiten der großen Ansiedlungen scheinen vorbei zu sein.

Sind wir bei den kleinsten, kleinen und mittleren Betrieben, so sind wir beim Handwerk als Querschnittsbereich in diesem Wirtschaftssektor kleiner und mittelständischer Unternehmen. Ich möchte drei Themenbereiche streifen: Das sind das Potenzial des Handwerks, die Risiken und natürlich, was die Politik in Sachsen insgesamt tun kann. Unstrittig ist, dass das Handwerk mit seinen ständig steigenden Betriebszahlen, mit seiner starken regionalen Verankerung und mit den starken regionalen Kenntnissen, der starken kommunalen Verankerung ein großes Potenzial in Zukunft für die Entwicklung hat. Bereits ein Fünftel der Arbeitnehmer ist heute im Handwerk beschäftigt und ein Drittel an Ausbildungsplätzen wird dort bereitgestellt. Die Ausbildungsqualität ist sehr hoch, was dazu führt, dass das Handwerk sehr gut ausbildet und es passieren kann, dass größere Unternehmen – zum Thema Fachkräftemangel komme ich noch – die Arbeitskräfte abwerben.

Was auch positiv ist: dass ein starker Trend in und aus Richtung verarbeitende und Dienstleistungsbereiche geht.

Herr Tischendorf, haben Sie eine Zwischenfrage?

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion.PDS: Es geht auch um die Mehrwertsteuererhöhung!)

Das donkt immer so bei Ihnen, also donk, donk, donk!

Im Handwerk ist unstrittig Personal mit hohen Fachkenntnissen beschäftigt.

Kommen wir zu den Risiken, Herr Tischendorf. Zu starke Fokussierung und Abhängigkeit vom Binnenmarkt und den dortigen Steuern – ich habe das Thema durchaus drin – ist bei demografischen Betrachtungen noch dazu – Stichwort: rückläufige Kundenzahlen – schlichtweg ein Problem für das Handwerk. Die Betriebsgrößen verringern sich. Handwerk ist personalintensiv. Bei steigender Anzahl von Anbietern auf dem Markt wird der Wettbewerb härter. Dadurch gehen die durchschnittlichen Betriebsgrößen zurück. Starke Einbrüche gibt es im Bauneben- und Bauhauptgewerbe. Das macht sich dort stark bemerkbar. Das hängt aber auch mit den Investitionsmöglichkeiten der Kommunen zusammen. Das hängt auch damit zusammen, dass im Aufbau Ost schon viel passiert ist. Ich denke, das sollten wir an der Stelle nicht unter

schätzen. Im Osten ist in den letzten 16 Jahren viel gemacht worden.

Schwächen zeigen sich bei den Handwerksbetrieben im kaufmännischen Bereich. Es gibt dort kaum Betriebswirte. Das hängt auch damit zusammen, dass die Eigenkapitaldecke in den Handwerksbetrieben dünn und die Konkurrenz stark ist. Der Bereich setzt dort weniger den Schwerpunkt.

Wir haben eine Überalterung der Belegschaft und der Eigentümer. Das ist teilweise schon angesprochen worden. Wir haben einen sich verstärkenden Kampf um die Fachkräfte.

Was kann und was soll nun die Politik nach unserer Meinung zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für das sächsische Handwerk tun?

Richtig ist die Verstetigung und Beibehaltung des Förderniveaus für kleine und mittelständische Unternehmen. Das wird eine spannende Debatte bei der jetzt anstehenden Haushaltsdiskussion. Ich denke, dass im letzten Doppelhaushalt gute Ansätze gemacht worden sind. Wir wollen die Fortführung der Sicherstellung der Kofinanzierung aus Landesmitteln; GA-Mikrodarlehen – auch wenn sie in der Kritik standen – sind ein ganz wichtiger Beitrag, um entsprechende Mittel bereitzustellen. Aber auch die Kapitalbeteiligung oder das zeitweise Einsteigen wie zum Beispiel über die SAB sind Instrumente, die dem Handwerk durchaus helfen und gut angenommen werden.

Wünschenswert ist eine stärkere Ausrichtung der Förderung auf Zukunftstechnologien. Darin liegt eine Chance des Handwerks; Stichwort neue Energien. Da ist Deutschland Weltmarktführer. Hier kann sich das Handwerk, denke ich, mit gutem Gewissen andocken.

Wir müssen sicherstellen – die FAG-Debatte haben wir vor uns –, dass die Kommunen weiter zu Investitionen bereit sind und dazu befähigt werden. Das ist eine Grundvoraussetzung. Ich glaube, 80 oder 90 % der Aufträge für das Handwerk kommen aus dem kommunalen Bereich.

Wir müssen natürlich auch die Möglichkeiten des Vergaberechts in den Kommunen konsequenter nutzen, obwohl manchmal wirklich die Einschätzung kommt: Das Vergaberecht in Sachsen ist in Ordnung. Es ist richtig und wird auch gut und vernünftig angewandt. Allerdings muss das Handwerk stärker seine regionale Verknüpfung zum Beispiel durch Bietergemeinschaften und entsprechenden politischen Einfluss nutzen, dass vernünftig nach Losen usw. ausgeschrieben wird. Ich denke, da liegen Potenziale, die genutzt werden können.

(Karl Nolle, SPD: Ja!)

Zu der Bewältigung der demografischen Herausforderung, der rückgängigen Binnennachfrage usw. muss man sagen: Man kann dem natürlich nur begegnen, indem man die EU-Dienstleistungsrichtlinie nicht nur als Abschottungsinstrument nach innen sieht, sondern auch als Chance begreift, zum Beispiel sich über Netzwerkbildung und die Exportorientierung sowie durch stärkere Einbin

dung insbesondere in Zulieferketten für größere Unternehmen daran zu beteiligen. Da gibt es auch entsprechende Angebote über die Hochschulen und Fachhochschulen. Ich denke, hier liegt eine Zukunft des Handwerks: weg von der zu starken Binnenorientierung in Richtung Exportorientierung.

Ich komme zu einem Punkt, der mir ganz besonders wichtig ist und der mittlerweile in allen einschlägigen Institutionen, die sich mit Wirtschaft, Handwerk usw. beschäftigen, immer wieder hervorgehoben wird: Wir brauchen ein Umsteuern in der Bildungspolitik, denn wir kommen in den Bereich Fachkräftemangel. Die Aussage ist unbestritten, dass aus unseren Schulen nach wie vor zu viele Abgänger hervorgehen, die nicht in der Lage sind, auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen. Wir müssen begreifen, dass Bildungspolitik der erste Baustein einer vernünftigen Wirtschaftspolitik in einem Land ist.