Protokoll der Sitzung vom 21.06.2006

In der Begründung zu ihrer Großen Anfrage hat die Koalition bereits darauf verwiesen, dass in den zurückliegenden Konjunkturumfragen die Handwerksunternehmen keine allzu rosigen Erwartungen formulierten. Dies möchte ich um den Hinweis ergänzen, dass die kurzfristig erhellenden Hoffnungsschimmer des Handwerks auf eine anziehende Binnenkonjunktur durch die Mehrwertsteuererhöhung von CDU und SPD nachhaltig getrübt werden. Auch wird in dieser Großen Anfrage nach der Handwerkspolitik der Staatsregierung gefragt, um sich in der Manier einer Selbstbeweihräucherung die Richtlinien und Verordnungen aufzählen zu lassen, welche die eigenen Parteigänger aufgestellt haben.

Meine Damen und Herren! Der Umstand, dass ein Zuwachs an Betrieben mit einer zeitgleichen Verringerung der Beschäftigungszahlen einherging, lässt aufhorchen – und dies nicht allein aufgrund der ohnehin angespannten Arbeitsmarktlage. Dieser Prozess wurde noch mit einer Verkleinerung der Betriebsgröße kommentiert. Ich befürchte angesichts dieses Trends eine damit auch künftig einhergehende negative Entwicklung hinsichtlich der beruflichen Erstausbildung. Daher sollte sich die Staatsregierung vorausschauend auf dieses Szenario im sächsischen Handwerk einstellen.

Der Antwort der Staatsregierung können wir hinsichtlich Beschäftigung und Ausbildung im KMU-Bereich die mit den üblichen Worthülsen erfolgende Fokussierung auf die „Erschließung neuer Märkte“ und „dienstleistungsbezogener Komponenten“ entnehmen. Dies stellt überdeutlich dar, dass man die bisherigen Märkte bereits „hinwegglobalisiert“ hat, und wirft die Frage auf, wo bei schrumpfendem produzierendem Gewerbe die dienstleistungsbezogenen Komponenten in Zukunft überhaupt zu suchen sind.

Speziell zu den Ausbildungsmöglichkeiten äußerte sich die Staatsregierung in Bezug auf hoch qualifizierte Fachkräfte im zulieferorientierten Bereich, schweigt sich jedoch zu den übrigen Bereichen komplett aus. Vielleicht erfahren wir ja heute noch etwas mehr darüber.

Weiterhin vermisse ich, inwiefern Prognosen aufgestellt wurden, wie sich – nicht zuletzt durch die demografische Situation bedingt – der erwartete bzw. notwendige Anstieg von Betriebsübernahmen auf die Ausbildungssituation auswirken wird. – Auch hier sollte man sich darauf gefasst machen, dass sich bei einer Betriebsübernahme derjenige, der übernimmt, nicht zwingend zugleich der Aufgabe des Ausbildens stellt. Hier sollte folglich über politische Anreize nachgedacht werden.

Laut Staatsregierung wurde eine Studie zum unternehmerischen Generationswechsel in Auftrag gegeben, die Handlungsempfehlungen für die sächsische Wirtschaftspolitik geben soll. Ich denke, dass nicht nur die NPDFraktion an den Ergebnissen dieser Studie interessiert ist.

Meine Damen und Herren! Es dürfte allgemein bekannt sein, dass in der heutigen Bankenlandschaft nicht leicht an Investitionskredite zu kommen ist. Insbesondere die NPD-Fraktion hat dies im Hause schon mehrfach thematisiert. Eine traurige Bestätigung dafür finden wir auch in der Antwort der Staatsregierung. Gern wären wir hier widerlegt worden.

Wenn allerdings regierungsseitig festgestellt wird, dass ein Beschäftigungspotenzial in der Angleichung der Selbstständigenquote an die alten Bundesländer verborgen liegt, dann muss hieraus konsequenterweise politischer Handlungsbedarf abgeleitet werden. Leider stellen wir fest, dass Förderdarlehen von SAB und KfW häufig daran scheitern, dass keine Hausbankfunktion übernommen wird. Ich glaube nicht, dass wir uns diesen Zustand noch länger leisten können.

Kurios finde ich auch den Lobgesang der Staatsregierung auf die EU-Osterweiterung im Zusammenhang mit der Situation des sächsischen Handwerks. Hier versteift man sich sogar darauf, von einer Erfolgsgeschichte zu sprechen, und führt den Exportanstieg an, wobei man zwölf Seiten vorher noch ausführt, dass sich das Handwerk überwiegend auf Märkten mit begrenzten Expansionschancen bewegt und lediglich sage und schreibe 2 % des Handwerksumsatzes dem Export zuzuordnen sind. Gerade das sächsische Handwerk ist durch den EUExpansionismus mit einem hohen Lohngefälle konfrontiert. Es ist daher kaum zu erwarten, dass aus dem Anpassungsdruck für arbeitsintensive Bereiche und dem Marktzutritt für die Beitrittsländer großartige Chancen entstehen werden.

Zum Schluss sei zum Entschließungsantrag von CDU und SPD gesagt, dass wir diesem natürlich zustimmen können. Er enthält ja nichts anderes als Allgemeinplätze. Allerdings frage ich mich, wie viele – wenn überhaupt – und welche von diesen Allgemeinplätzen Sie umsetzen können und werden.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Herr Günther erhält das Wort für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die sächsischen Handwerker haben sich gefreut auf diesen Tag heute, bei dem das sächsische Handwerk hier die richtige Würdigung finden sollte.

(Zuruf des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

Als ich allerdings, liebe Freunde, den Entschließungsantrag der Koalition in den Händen hielt, musste ich feststellen, dass dieser Entschließungsantrag kein Meisterstück und auch kein Gesellenstück war. Es ist höchstens eine kleine Praktikumsarbeit im Rahmen eines Schnupperkurses.

(Beifall bei der FDP)

Die Fakten besagen, dass wir über 56 000 Handwerker hier in Sachsen haben. Frau Schmidt, Sie haben Recht, die Zahl steigt, und zwar deshalb, weil immer mehr Handwerksbetriebe angemeldet werden, ohne dass ein Großer Befähigungsnachweis vorhanden ist. Das ist ein Problem. Bei meiner Kleinen Anfrage zum sächsischen Handwerk hat sich herausgestellt, dass sich allein die Zahl der Klempner- und Installateurbetriebe innerhalb von zwei Jahren vervierfacht hat, ohne dass das der Markt hergegeben hat, weil es nur Ausgründungen waren. Das ist kein gesunder Markt. Deshalb kann man mit diesen Zahlen hier auch nicht arbeiten.

Wie sieht es im Sächsischen Landtag aus? Nur drei Mitglieder haben den Großen Befähigungsnachweis. Das ist wesentlich zu wenig,

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

um hier über die Problematik zu diskutieren und etwas für das sächsische Handwerk zu tun.

Die Forderungen des sächsischen Handwerks – Bürokratieabbau, flexiblerer Kündigungsschutz für kleinere Unternehmen, Verbesserung der Ausbildungsreife – sind seit Jahren bekannt, aber es wird seit Jahren nichts dafür getan, im Gegenteil. Ein Hauptkritikpunkt des Handwerks ist zum Beispiel die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen über ihre Beteiligung an so genannten kommunalen Betrieben. Das stört den Markt ganz erheblich und verbessert die Lage des sächsischen Handwerks in keiner Weise.

(Beifall bei der FDP)

Allein zwischen 1999 und 2004 hat sich die Zahl der Betriebe mit kommunaler Beteiligung auf 1 048 erhöht. Sie haben allerdings einen Verlust von 330 Millionen Euro eingefahren. Das ist – auch für das Handwerk – nicht akzeptabel. Die Kritik des Handwerks daran, dass dort Marktnischen weggenommen werden, findet die volle Unterstützung von uns Liberalen im Sächsischen Landtag.

Wie die Unterstützung der Staatsregierung für das Handwerk in Sachsen aussieht, wurde im vorigen Jahr, am 8. November 2005, deutlich, als hier in diesem Haus ein Parlamentarischer Abend stattgefunden hat. Von der Staatsregierung wurde schnell der Staatsminister Hermann Winkler herbeigerufen. Ansonsten war die Staatsregierung an diesem Abend nicht vertreten. Das kritisieren wir Liberalen deutlich.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Aber gestern waren viele da. Da gab es Bier!)

Ich gebe Ihnen selten Recht, Herr Porsch.

Unser nächster Kritikpunkt bezüglich des Handwerks sind die Berufsgenossenschaften. Wir als Politiker haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Belastungen des sächsischen Handwerks durch die Berufsgenossenschaften minimiert werden.

Wenn wir feststellen, dass durch die Beiträge, die nur die Handwerker tragen, Versicherungsleistungen an Betriebe, die schwarzarbeiten, ausgereicht werden, dann ist das nicht hinnehmbar. Das muss beendet werden.

(Beifall bei der FDP)

Die ganzen Blutsauger, die an den sächsischen Handwerksunternehmen hängen und versuchen, durch Beiträge Geld zu bekommen, um selbst leben zu können, müssen in ihre Schranken verwiesen werden.

(Karl Nolle, SPD: Was ist das denn?!)

Jetzt komme ich zu Ihrem Entschließungsantrag. In Punkt 3 I möchten Sie gern, dass die Entwicklung der Binnennachfrage nach Handwerk und Dienstleistungen besonderen Einfluss auf das Handwerk hat. Außerdem sollen die Außenwirtschaftsaktivitäten für das Handwerk

weiterentwickelt werden. Aber dann erhöhen Sie die Mehrwertsteuer. Das ist ja wohl nicht zu fassen! Die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 % wird der größte Killer für das Handwerk hier in Sachsen.

Wir Sachsen haben eine lange Außengrenze.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: … zu Thüringen!)

Das sächsische Handwerk hat sich mit Konkurrenz und Mitbewerbern auseinander zu setzen, die für Handwerksleistungen in Tschechien mit 5 % und in Polen mit 7 % Mehrwertsteuer besteuert werden – und das bei geringeren Lohn- und Lohnnebenkosten. Jetzt steigern wir auf 19 %. Damit wollen wir im gemeinsamen Europa in Tschechien und Polen Marktanteile erringen? Das wird beim Handwerk nicht gelingen, wenn wir die Mehrwertsteuer von 16 auf 19 % erhöhen. So kann man keine sächsische Handwerkspolitik machen.

(Beifall bei der FDP)

Sie möchten gern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das Handwerk verbessern. Dann schaffen wir doch einfach die Doppelmitgliedschaft in Handwerkskammer und Industrie- und Handwerkskammer ab!

Mit dem Punkt 2 Ihres Antrages wollen Sie die Förderprogramme verbessern. Sie legen dazu ein Mikrodarlehen von 25 Millionen Euro auf, von denen allein 13,9 in die Verwaltung gehen. Das ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der FDP – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Der Rest ist Mehrwertsteuer!)

Wenn ich 25 Millionen auflege, dann brauche ich die für das Handwerk.

In Punkt 5 heißt es: „Bürokratie zugunsten des Handwerks abbauen“. Aber dann lehnen Sie hier im Plenum einen Antrag von uns ab, mit dem wir einen BürokratieTÜV einführen wollten. Stimmen Sie unseren Anträgen zu, dann hat das Handwerk etwas davon!

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion der GRÜNEN erhält das Wort. Herr Abg. Weichert, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei dieser Vorlage kann ich mit einem oppositionellen Lob beginnen. Die Große Anfrage „Lage und Perspektive des Handwerks in Sachsen“ und die Antwort der Staatsregierung geben einen sehr guten Überblick über die Thematik. Daher möchte ich Fragestellern und Bearbeitern im Ministerium Dank sagen.

Eine Frage allerdings, meine Damen und Herren von der Koalition, die auch Herr Günther hatte, haben Sie vergessen, eine Frage, die sich vor allem in diesem Jahr aufdrängt. Und zwar ist das die Frage nach der Wirkung der Mehrwertsteuererhöhung für das Handwerk. Dort, wo

nennenswerte Vorsteuern anfallen, hat die Erhöhung der Mehrwertsteuer eine geringere Wirkung als beim Handwerk. Beim Produktionsfaktor Arbeit – Handarbeit, Handwerk! – kann keine Vorsteuer gezogen werden. Somit wird die Mehrwertsteuererhöhung das sächsische Handwerk in der vollen Wucht der drei Prozente treffen, und zwar ganz besonders dort, wo die geringe Kaufkraft im Land ein Umlegen auf die Preise eben nicht erlaubt.

Sich im Jahr 2006 mit der Lage und der Perspektive des sächsischen Handwerks zu befassen und eines der aktuellen Probleme dieses Berufsstandes außen vor zu lassen, dazu, meine Damen und Herren, bedarf es schon der hohen Kunst der politischen Verdrängung.