Protokoll der Sitzung vom 22.06.2006

Ich kann hinter einer solchen, alles andere als modernen Ausbildungspraxis nur einen politischen Willen erkennen, allerdings einen bösen. Mit solchen, auf den Schultyp festgelegten Lehrerinnen und Lehrern kann man natürlich versuchen, die Endlosigkeit des eigenen Schulsystems abzusichern. Man hofft – die Hoffnung hat durchaus einen realen Hintergrund –, solche Lehrerinnen und Lehrer werden sich gegen Veränderungen im Schulsystem wehren; weil sie nie gelernt haben, sich auf andere Möglichkeiten einzustellen.

Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, wollen weiß-grüne Lehrerinnen und Lehrer für ein ewig währendes schwarzes Schulsystem. Nicht einmal schwarz-rotgoldene wollen Sie dulden. Herr Rohwer hat es in seinem Beitrag ausdrücklich gesagt.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Ziehen Sie sich an der eigenen Nase!)

Mein lieber Herr Hähle, Sie haben noch geschlafen, da bin ich schon schwarz-rot-gold aufgestanden. Wenn es überhaupt etwas gibt, was dem Schwarzen und dem Roten in der Fahne produktiv entgegensteht, dann ist es das Gold der Linkspartei.

(Heiterkeit im Saal)

Jedenfalls können Sie zum Fußballfest in jeder Maskerade und Kleidung gehen, die Sie haben wollen, aber schwarzrot-goldene Lehrerinnen und Lehrer wollen Sie nicht. Eigentlich bräuchten wir europäische.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren von der SPD! Frau Staatsministerin! Gehen Sie doch nicht auf diesen schwarzen Leim!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die Fraktion der GRÜNEN, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben bei der modernen Lehramtsausbildung, bei der Umstellung auf Bachelor und Master in Sachsen zwei nebeneinander existierende Modelle. Wir haben es vorhin mehrfach gehört. Es geht um die Lehramtsausbildung an der Universität in Leipzig mit dem polyvalenten Bachelor. Wir haben von Herrn Rohwer gehört, dass die CDU eine Ausschließlichkeit quasi verbindlich vereinbaren wollte. An der TU Dresden haben wir die Möglichkeit, während der Masterphase nicht auf Schularten zu orientieren, sondern nach Altersstufen auszubilden.

Wir GRÜNEN – Karl-Heinz Gerstenberg hat es vorhin gesagt – favorisieren den Ansatz der TU Dresden. Ich möchte Ihnen aus schulpolitischer Sicht eine Begründung liefern, und zwar eine Begründung jenseits der Gemeinschaftsschule. Ich denke, die Emotionen müssten gar nicht so hochkochen, wenn man sich bewusst machen würde, dass es nicht vorwiegend darum geht, heute oder morgen das mehrgliedrige Schulsystem abzuschaffen, sondern moderne, kompetente Lehrkräfte auszubilden.

Auch im derzeitigen sächsischen Schulsystem haben Lehrerinnen und Lehrer mit heterogenen Lerngruppen zu tun. Das wird sich im Laufe der Zeit noch verschärfen. Diese Kompetenzen, die man braucht, um mit Unterschiedlichkeit umgehen zu können, werden an einem solchen Modell, wie es an der TU Dresden vorgesehen ist, den angehenden Lehrerinnen und Lehrern beigebracht. Es gibt kein Durchreichen nach unten mehr. Sitzen bleiben, Verlassen des Gymnasiums oder Nichterreichen des Hauptschulabschlusses wären keine Alternativen mehr, die ein Lehrer hat; denn er müsste binnendifferenzierten Unterricht gestalten. Es wird keine Ausrede mehr geben, wie das gehen soll, sondern ein Lehrer kann dann in einer Lerngruppe mit Unterschiedlichkeit umgehen.

Ich möchte Sie noch einmal bitten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition: Seien Sie nicht so ängstlich und stimmen Sie unserem Antrag zu! Dieser Antrag überwindet nicht heute und morgen das mehrgliedrige Schulsystem, sondern er stellt sicher, dass kompetente, modern ausgebildete und engagierte Lehrkräfte auf den Markt kommen.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Wird von der CDU noch einmal das Wort gewünscht? – Das sieht nicht so aus. SPD-Fraktion? – Die FDP? – Gibt es noch weiteren Redebedarf? – Herr Staatsminister Flath, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordne

ten! Die Antragstellerinnen gehen von einem zukünftig hohen Lehrereinstellungsbedarf aus. Sie lassen hierbei außer Acht, dass zwar starke Lehrerjahrgänge aus dem Berufsleben ausscheiden, diese Lehrerjahrgänge jedoch in das Berufsleben eintraten, als es starke Schülerjahrgänge gab.

Vor dem Hintergrund des bekannten demografischen Wandels ist die Entwicklung der Schülerzahlen von einem dramatischen Rückgang gekennzeichnet. Deshalb kann von einem Lehrereinstellungsbedarf in Höhe der Abgänge nicht ausgegangen werden. Das möchte ich ausdrücklich unterstreichen, weil Ihr Antrag im Grunde genommen darauf aufbaut, dass es sehr große Möglichkeiten der Einstellung gäbe. Dies sieht mein Haus nicht so positiv wie Sie.

Die vier Lehrer ausbildenden sächsischen Hochschulen – Dresden, Leipzig, die Hochschule für Musik und Theater Leipzig und die Hochschule für Musik Dresden – planen die Umstellung der Lehramtsstudiengänge auf die Bachelor- und Masterstruktur. Dies geschieht auf der Grundlage der Beschlussfassung der KMK, des sächsischen Schulgesetzes und der Lehramtsprüfungsordnung I und II. Die Fachabteilungen meines Hauses befinden sich in engem Diskussionsprozess mit den Hochschulen zu allen Fragen, die sich aus der Arbeit und der Entwicklung der eigenen Lehrerbildungsmodelle ergeben. Dabei verfolgen wir das Ziel eines gesamtsächsischen Modells.

Es war für mich überraschend, dass Sie – zumindest die Oppositionsparteien – eher das Ziel verfolgen, dass es auch mehrere Modelle sein könnten, wobei Sie auf der anderen Seite – das war für mich nicht ganz einleuchtend – für eine größere Einheitlichkeit geworben haben.

Alle vier Hochschulen haben Konzeptionen vorgelegt bzw. in Aussicht gestellt, die den Beschlüssen der KMK, dem Schulgesetz und den Lehramtsprüfungsordnungen entsprechen. Hierzu zählen die im Sächsischen Schulgesetz festgelegten Schularten. Diese Differenzierung ist für die Sicherung des sächsischen Qualitätsanspruches sehr wichtig. Das Kultusministerium hat eine entsprechende Einstellungsprognose vorgelegt, die den schulartspezifischen Bedarf berücksichtigt.

(Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Es gibt eine Zwischenfrage. Wenn ich Sie kurz unterbrechen darf, Herr Minister. Möchten Sie diese erlauben?

Ja.

Herr Flath, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen: Ihre Einheitlichkeit, die Sie angesprochen haben, hat mich sehr an Ihr Positionspapier zur Einheitsschule erinnert. Wollen Sie bitte feststellen, dass unser Konzept zur Lehrerausbildung in unserer Schulstruktur keine Frage der Einheitlichkeit ist, sondern ein Umgang mit Unterschiedlichkeit – ein professioneller und ein chancengerechter?

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Frau GüntherSchmidt, ich habe Ihre Ausführungen vorhin aufmerksam verfolgt. Sie haben eine geradezu künstlerische Ader, wie Sie mit den Argumenten in der Bildungspolitik operieren, dass jeweils genau das Ergebnis herauskommt, das Sie wünschen.

Ich meine überhaupt, dass die Debatte heute ein Nachklapp ist. Es hat sehr große Auseinandersetzungen zwischen Hochschulen gegeben. Aber was dahintersteckt, ist doch, dass die Dresdner, was ich ja verstehe, versucht haben, wie sie sich hier einen Markt erarbeiten könnten. Dann ist es eigentlich keine Kunst, eine Argumentation zu finden, die genau das unterstützt. Aber meines Wissens ist doch die Einigung inzwischen erzielt. Auch Dresden erkennt an, was im Hochschulvertrag festgelegt worden ist.

Nun noch einmal zurück. Wir haben, um das wieder aufzugreifen, eine entsprechende Einstellungsprognose vorgelegt, die den schulartspezifischen Bedarf berücksichtigt. Aus unserer Sicht ist er eben wesentlich niedriger als zu Beginn des Diskussionsprozesses, insbesondere niedriger als von der Dresdner Universität prognostiziert. An dieser Prognose sollte sich künftig die gesamte Lehrerausbildung orientieren.

Das Bachelor-Master-Modell ermöglicht eine flexible Steuerung hinsichtlich der Fächer und Schularten, weil die Absolventen des polyvalenten Bachelors ohne deutliche Festlegung bei der Fächer- und Schulartwahl ihre Entscheidung für das Lehramt in der Masterphase noch einmal neu treffen können. Gegebenenfalls könnte hierbei durch das Kultusministerium eine Steuerung über Bedarfszahlen erfolgen. Dies sollte auch in die mit den Hochschulen zu vereinbarenden Zielvereinbarungen aufgenommen werden. Solche Zielvereinbarungen wären, denke ich, sehr wichtig, auch als Orientierung für die Studenten.

Unabhängig davon sind Konzeptionen möglich, die über eine Schulart hinaus eine Zusatzqualifikation vorsehen. Das wurde ja in der Debatte ausdrücklich anerkannt. Das sächsische Modell mit einem dreijährigen polyvalenten Bachelor- und zweijährigen schulartspezifischen Masterstudiengang stellt bereits eine ausgewogene Balance zwischen schulartübergreifender und schulartbezogener Ausbildung dar und sichert Professionalität. Ich bin gespannt, wie das mit dem Herbstsemester an der Universität Leipzig beginnende Studienmodell angenommen wird und sich bewährt. Im Übrigen wird vor dem Hintergrund lebenslangen Lernens die laufende Anpassung an sich verändernde fachliche, fachdidaktische und pädagogische Entwicklungen eine beständige Aufgabe für Aus-, Fort- und Weiterbildung sein. – So viel zu den Ausführungen.

Zur Debatte. Ich habe auf Ihre Anfrage schon erwähnt, dass ich es für einen Nachklapp für Auseinandersetzungen

halte, die jetzt Gott sei Dank überstanden sind, und zum anderen, wie bei jeder Bildungsdebatte, im Hintergrund natürlich die Unzufriedenheit der Opposition mit dem bestehenden Schulgesetz deutlich zum Ausdruck kam. Diese Gelegenheit hat man heute auch genutzt. Akzeptieren Sie aber bitte, dass eine Mehrheit das Schulgesetz so auf den Weg gebracht hat. Wir orientieren uns an dem gültigen Schulgesetz.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Schlusswort haben jetzt die Linksfraktion.PDS und die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin schon über die Debatte sehr enttäuscht, weil ich glaube, dass wir sehr viele Argumente genannt haben, angefangen beim Lehrermangel, bei flexiblen Einsätzen, und dass es uns konkret in diesem Fall gar nicht um die Gemeinschaftsschule geht. Es wurde aber überhaupt nicht darauf eingegangen und immer an dem Problem vorbeigeredet. Am liebsten würde ich alle Argumente noch einmal aufzählen. Leider geht das nicht. Nur so viel noch:

Lieber Herr Dulig, Sie haben sinngemäß gesagt, dass im Prinzip weitestgehend die Probleme gelöst werden. Meines Wissens heißt das gelöste Problem, dass die TU Dresden innovative Modelle entwickeln soll. Das ist ein weit gespannter Begriff. Ich kann auch erklären, was das momentan bedeutet. Das heißt, dass Studierende noch zusätzlich andere Befähigungen erwerben dürfen. Ich frage mich, wann das geschehen soll und ob Sie wissen, was an den Hochschulen zurzeit passiert. Die Modularisierung birgt Chancen, aber sie hat auch sehr viele schwierige Momente an sich, das heißt, jedes Modul muss mit einer Prüfung abgeschlossen werden. So ein Modul ist sehr arbeitsintensiv. Studierende müssen nebenbei noch arbeiten gehen, um so ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und das alles noch in der Regelstudienzeit. Das ist kaum leistbar. Aber Sie tun etwas, was wir ganz oft erleben: Sie schieben den schwarzen Peter an die Uni oder an die Studierenden oder an die Schule und verschließen sich der Verantwortung, über 2006 hinaus zu denken.

Herr Rohwer, Sie verstecken sich hinter einem Schulgesetz. Wir alle haben es Ihnen gesagt, dass das Schulgesetz so doch gar nicht mehr gilt. Schon heute ist es so, dass an Gymnasien Mittelschullehrer eingesetzt werden, dass an Grundschulen Mittelschullehrer eingesetzt werden, dass wir im Haushalt Personalstellen hin- und herschieben. Sie erwarten von den Lehrerinnen und Lehrern Flexibilität, bilden sie nicht entsprechend aus, und Sie verschweigen das Ganze. Ich glaube, es liegt daran, dass Sie einfach nicht merken, dass sich die Welt ändert, oder dass Sie Angst davor haben. Sie machen es sich leicht, indem Sie die Verantwortung wegschieben. Andere Länder haben sich ein Lehrerbildungsgesetz gegeben. Das steht hier

auch aus. Vorhin wurde schon gesagt, dass eigentlich die LAPO verändert werden muss, weil sie mit den KMKStandards nicht mehr übereinstimmt. Man müsste ein Vorpraktikum gesetzlich regeln usw.

Ein letzter Punkt. Es geht in dem Fall nicht um die Gemeinschaftsschule. Es geht darum, dass wir sehen müssen, wie wir zukünftige Schulstrukturen und solche, die wir jetzt schon haben, abdecken können, wie wir Lehrerinnen und Lehrer fit machen und wie wir auch genügend Lehrerinnen und Lehrer für die verschiedenen Schulbereiche haben. Momentan wissen wir nicht, wie die Prognosen für Sachsen aussehen. Uns wurde zwar seit einem Dreivierteljahr versprochen, dass das Ministerium daran arbeitet. Die Zahlen aber sind nicht vorhanden. Wir erleben jetzt nur den Lehrermangel in allen Bereichen. Wir wissen ja auch, dass sich mit der Umstellung auf Bachelor/Master auch die Kapazitäten an den Hochschulen ändern. Es werden weniger Bachelor-Studenten zugelassen. Es wird also noch weniger Studierende geben, die die Hochschulen tatsächlich mit einem Lehramtsabschluss verlassen. Darin sehen wir sehr große Gefahren.

Wie gesagt, Sie haben die Möglichkeit, dem entgegenzuwirken. Wir können hier ein offenes Modell installieren, wir können den Hochschulen verschiedene Formen offen lassen. Das wäre eine Möglichkeit, ein zukunftsträchtiges Modell für Sachsen zu installieren.

Danke.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Die Fraktion der GRÜNEN. Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Werte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Ende dieser Debatte muss ich auch einmal von meiner Ausbildung sprechen. Ich denke, ich habe, vom ideologischen Überbau einmal abgesehen, in der DDR in der Schule und erst recht an der Hochschule in fachlicher Hinsicht eine gute Ausbildung genossen. Mein Problem ist, dass der Anteil der Logik dort sehr hoch war. Deshalb habe ich bei den Reden der beiden Koalitionsfraktionen aufgemerkt.

Herr Rohwer hat darüber gesprochen, dass der Antrag abgelehnt wird, denn das Dresdner Modell ist nicht geeignet, weil dadurch die neue Schule, die Gemeinschaftsschule, nur durch die Hintertür eingeführt werden soll. Das wird es mit der CDU niemals geben.

Mein geschätzter Kollege Martin Dulig hat davon gesprochen, dass dieser Antrag abgelehnt wird, denn der Antrag fordert ja das, was es bereits gibt. Die Logik sagt mir an dieser Stelle, dass sich die Koalitionsfraktionen wie immer einig sind, allerdings nur in der Frage der Ablehnung.