Protokoll der Sitzung vom 23.06.2006

Was wir machen wollen, Herr Dr. Martens, ist nicht sofort schnell schießen, sondern sorgfältig anschauen und prüfen, ob dabei tatsächlich etwas herauskommt. Wir wollen das seriös machen. Deswegen haben wir uns die BertelsmannStiftung ins Boot geholt. Davon habe ich in Ihrem Antrag überhaupt nichts gelesen, sondern Sie wollten wieder von vornherein über das Ziel hinausschießen und sagen: Wir verändern die Welt. – Wir machen das seriös in kleinen Schritten, dann schauen wir, was hier im Landtag politische Mehrheiten findet, und danach entscheiden wir es.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Also noch einmal: Meine Damen und Herren, nur wenn Sie hier im Plenum überflüssigen Regelungen nicht zustimmen und Gesetzen, die in das Vorschriftendickicht hineinschlagen wollen, zustimmen, dann kann in Sachsen der Bürokratieabbau weiter erfolgreich sein.

Lassen Sie mich bitte mit einer versöhnlichen Bemerkung und einer Bitte an das gesamte Haus schließen. Wir alle – das gilt auch und gerade im Hinblick auf das, was Frau Hermenau gesagt hat – kommen beim Bürokratieabbau weiter, als wir bisher gedacht haben, wenn wir uns disziplinieren, wenn wir inhaltliche Themen nicht immer wieder mit dem eigentlichen Thema Bürokratieabbau vermischen. Wir werden sofort in den alten Schützengräben sitzen und aufeinander schießen, wenn sich der Verdacht verfestigt hat, dass wir den Bürokratieabbau gebrauchen wollen, um inhaltliche Probleme, über die wir uns im Streit befinden, über dieses Vehikel Bürokratieabbau zu lösen. Das, meine Damen und Herren, wird nicht gelingen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Genau das machen Sie!)

Wir müssen exakte, saubere Bürokratieabbauvorschläge machen und dürfen nicht versuchen, durch die Hintertür die Inhalte zu verändern.

(Beifall des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS)

Wer dies versucht, der behindert sogar den Bürokratieabbau und dieser ist – das entnehme ich der Debatte – zu Recht ein Anliegen des gesamten Hauses.

Ich glaube, in dieser Selbstdisziplin liegt eine wichtige Methodik, um weiterzukommen als bisher. Das hat die Bundesregierung verstanden, das haben viele Länder schon lange kapiert und das wird auch die FDP irgendwann begreifen. Lassen Sie uns auch im Freistaat Sachsen gemeinsam so verfahren! Lassen Sie uns jetzt in den Gremien das, was unstreitig gestellt werden kann, zügig

umsetzen – für die Bürgerinnen und Bürger, für unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen, für mehr Arbeitsplätze und damit für den Freistaat Sachsen insgesamt!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die 1. Aktuelle Debatte, beantragt von der Fraktion der FDP zum Thema „Fehlender Mut der Staatsregierung beim Abbau von Bürokratie – Reformflop Paragrafenpranger“, beendet.

Wir kommen zu

2. Aktuelle Debatte

10 % Ökolandbaufläche in Sachsen – Landesentwicklungsplan umsetzen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zunächst hat die Fraktion der GRÜNEN das Wort, danach CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, NPD, FDP, Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet. Die Fraktion der GRÜNEN hat das Wort. Herr Weichert, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor 14 Tagen hat die Supermarktkette ALDI eine ganzseitige Anzeige in allen deutschen Tageszeitungen geschaltet. In diesem Inserat stellt ALDI seine neue Produktlinie vor: Lebensmittel aus biologischem Anbau. ALDI ist damit der letzte der Handelskonzerne, der in den Biomarkt einsteigt. Das Problem des Discounters war es, die nötigen Mengen an ökologischen Lebensmitteln zu bekommen, sonst wären sie vermutlich schon viel eher eingestiegen: Es gibt zu wenig.

Dieser Markt boomt mit zweistelligen Wachstumsraten. In Sachsen, genauer in der Lommatzscher Pflege, hat das Unternehmen Elbtaltiefkühlkost in den letzten Wochen Informationsveranstaltungen in einzelnen Landwirtschaften durchgeführt. Ziel der Veranstaltung: Elbtal braucht mehr Zulieferer für die Bioproduktkette, denn die Nachfrage steigt ständig. Wir beobachten eine sehr erfreuliche Entwicklung, eine Entwicklung, die unser Kollege Jähnichen von der CDU vorausgeahnt hat. Als er noch in der Funktion des Ministers für die Landwirtschaft zuständig war, hat er die nötigen Vorarbeiten für den Landesentwicklungsplan veranlasst, der dann per Kabinettsbeschluss Landesrecht wurde.

In diesem Landesentwicklungsplan können Sie auf Seite 76 lesen – ich zitiere –: „Mit dem Bewirtschaftungsverfahren des ökologischen Landbaus kann dabei die höchste Stufe der Umweltentlastung (Wasser- und Boden- schutz, Artenvielfalt und Klimaschutz) erreicht werden, da unter anderem auf chemisch-synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel vollständig verzichtet wird. Der derzeitige Flächenanteil des ökologischen Landbaus an der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Sachsen liegt bei

zwei Prozent (17 500 Hektar). Dieser Anteil soll bis 2009 auf zehn Prozent ansteigen.“ – Das ist auch der Grund, warum wir heute darüber debattieren. So weit zum sächsischen Landesrecht und den Zielen von Herrn Jähnichen, an die sich auch sein Nachfolger, Herr Flath, gehalten hat und was bis dahin vorbildlich gelaufen war.

Aber, meine Damen und Herren, mit Antritt der Koalition im Jahre 2004 – liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich kann Ihnen den Hinweis auf Ihre Mitverantwortung, bestehend aus Unterlassung und mangelndem Einsatz nicht ersparen – und des neuen Staatsministers für Umwelt und Landwirtschaft weht in diesem Ressort ein anderer Wind. Wohin dieser Wind weht, haben wir zum ersten Mal bei den Beratungen zum Haushalt gespürt. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde der Koalitionsvertrag gebrochen; denn bei der Absatzförderung für den Ökolandbau – Seite 62 Ihres Koalitionsvertrages – sollte es keine Kürzungen geben. Dennoch haben Sie diese Kürzungen vorgenommen und den Ökolandbau aus der Umstellungsförderung nach dem Programm „Umweltgerechte Landwirtschaft“ gestrichen. Das war der stärkste Schlag gegen den Ökolandbau, den man führen kann.

Wir wissen, glaube ich, sehr genau, dass der Schlüssel für mehr ökologischen Landbau in der Förderung der umstellungswilligen Betriebe von konventionellem auf ökologischen Landbau liegt. Entweder wir haben den Schlüssel in der Hand und nutzen ihn oder wir legen ihn weg und nutzen ihn nicht.

Als bekannt wurde, dass es zwei Jahre lang keine Umstellungshilfen in Sachsen gibt, haben sich viele gefragt, wie die Regierung Zielvorgaben des Landesentwicklungsplans umsetzen will. Dabei hatten Sie, Herr Staatsminister Tillich, längst beschlossen, dass Sie sich um die Ziele dieses Landesentwicklungsplanes nicht mehr kümmern wollen. Bereits im Dezember 2005 haben Sie im Vertragstext zur Umweltallianz Sachsen schriftlich dokumentiert, dass Sie die Verordnung nicht einhalten wollen.

Auf Seite 11 Ihrer Broschüre heißt es – ich zitiere –: „Ferner sollen mittelfristig fünf Prozent der Landwirtschaftsfläche in Sachsen nach den Grundsätzen des ökologischen Landbaus bestellt werden.“

Binnen zweier Jahre, Herr Minister, haben Sie die Vorgabe der Verordnung kurzerhand halbiert. Am Rande ist zu bemerken, meine Damen und Herren, dass man die Einhaltung der Gesetze durch die Bürgerinnen und Bürger schwerlich verlangen kann, wenn ein Minister derartig lax mit Verordnungen des Landes umgeht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war schon ein dicker Hund, aber es kommt noch dicker. Im Entwurf zum ELER, der uns dieser Tage zuging, geben Sie für das Jahr 2013, also vier Jahre nach der eigentlichen Erfüllung des Landesentwicklungsplanes von 10 %, ganze 28 800 Hektar als Ziel für den ökologischen Landbau an. Haben Sie gedacht, wir können nicht rechnen? Im Jahre 2003 heißt das gesetzlich fixierte Ziel des Landesentwicklungsplanes 10 % bis zum Jahre 2009. Im Jahre 2005 kürzen Sie das um die Hälfte auf 5 % und ein halbes Jahr später nennen Sie als Ziel 28 800 Hektar. Herr Minister, das sind nicht einmal 3,2 %!

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

Meine Redezeit ist leider abgelaufen. Ich mache bei der nächsten Runde weiter.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile der CDU-Fraktion das Wort; Herr Schmidt, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der GRÜNEN, „10 % Ökolandbau in Sachsen – Landesentwicklungsplan umsetzen“, ist nicht die Zielvorgabe, die direkt im Landesentwicklungsplan steht. Im Landesentwicklungsplan steht – ich zitiere –: „Es ist darauf hinzuwirken, dass der Anteil ökologisch bewirtschafteter Flächen an der landwirtschaftlichen Nutzfläche auf zehn Prozent erhöht wird.“

Es ist also keine Erhöhung des Ökolandbaus an sich. Auch in der Begründung, warum das so erfolgen soll, steht mehr drin, als uns Kollege Weichert gerade gesagt hat. Es geht darum, eine nachteilige Beeinträchtigung von Böden, Grundwasser und Artenvorkommen zu vermeiden. Dies soll unter Beachtung der guten fachlichen Praxis sowie durch die Anwendung bodenschonender und umweltgerechter Bewirtschaftungsverfahren geschehen.

Nun kommt der Vorschlag, dass der Ökolandbau, wie Herr Weichert bereits gesagt hat, den höchsten Effekt bringt. Deshalb sollen bis zum Jahre 2009 10 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche auf Ökolandbau ausgedehnt werden; auch um die steigende Nachfrage an ökologisch erzeugten Lebensmitteln zu bedienen. Hierbei wird schon auf den Zusammenhang von Produktion und Markt verwiesen.

Meine Damen und Herren! Ich habe großen Respekt vor erfolgreich wirtschaftenden Ökobetrieben. Ökolandwirt zu sein setzt hohes Fachwissen voraus. Fehler bei der Bewirtschaftung werden sofort und oft nachhaltig mit drastischen Mindererträgen bestraft. Es ist oftmals nur mit extrem hohem Aufwand zu schaffen, solche Fehler zu korrigieren. Eigentlich müssten sich die besten der Landwirte auf ökologischen Landbau umstellen. Es ist mit Sicherheit der falsche Weg, wenn ein Landwirt, der schon nicht in der Lage ist, konventionell zu wirtschaften, sagt, ich spare mir das Geld für Dünger und Pflanzenschutzmittel, nehme noch ein paar Fördermittel mit und betreibe jetzt Ökolandbau. Dieser Weg wird in eine Sackgasse führen und zum Scheitern verurteilt sein. Es wird auch – das ist der entscheidende Punkt, denn es könnte uns bei einem einzelnen Landwirt egal sein – dem Image des gesamten sächsischen Ökolandbaus schaden. Genau dieses Image ist die Voraussetzung, wenn man die sich entwickelnden Märkte bedienen und ausbauen will.

Es ist richtig, wenn Herr Weichert sagt, dass sich diese Märkte entwickeln. Aber wenn ALDI oder andere Nahrungsmittelkonzerne beklagen, dass sie nicht genügend Ökoprodukte über ihre Filialen vermarkten können, liegt es dann nicht auch an dem Preis, den sie dafür bezahlen wollen? Ist das nicht der Grund, warum es nicht möglich ist, Ökoprodukte erfolgreich und Gewinn bringend über diese Schiene zu vermarkten?

Um Produktion und Markt in Einklang zu bringen, nützt eine ideologische Herangehensweise nicht. Der Markt muss erschlossen werden. Auch im neuen ELERProgramm ist für Informations- und Absatzfördermaßnahmen wieder eine Projektförderung von 70 % vorgesehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir schon die angestrebten Ziele zum Schutz von Böden, Wasser und Artenvorkommen nicht erreichen können, müssen wir andere Wege gehen. Etwas bildlich gesprochen: Wenn ein 40-Tonner-Lkw vor einer Brücke steht und es steht daran „Nur für 10 Tonnen zugelassen“, habe ich drei Möglichkeiten, wie ich zu meinem Ziel komme. Entweder ich sage, ich habe Pech gehabt, und erreiche das Ziel eben nicht – das wollen wir wahrscheinlich alle nicht. Die zweite Möglichkeit wäre: Augen zu und drüber, das Ding wird schon halten! Das ist der Weg, den uns die GRÜNEN vorschlagen. Die Linksfraktion steht am Straßenrand und sagt: Fahrt nur endlich los!

(Antje Hermenau, GRÜNE: Solch ein Quatsch!)

Oder man macht sich Gedanken darüber, ob es nicht vielleicht andere Möglichkeiten gibt, dieses Ziel zu erreichen. Diesen Weg schlagen wir Ihnen vor. Wie er aussieht, sage ich Ihnen – da jetzt meine Redezeit zu Ende geht – in der zweiten Runde.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Darauf sind wir schon sehr gespannt!)

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Frau Altmann, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Schmidt, Sie haben uns soeben vorgelesen, was die Staatsregierung im Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum zum Ökolandbau sagt. Genau das, was dort geschrieben ist – diese schwammige Formulierung –, hält die Linksfraktion für nichts anderes als für ein Lippenbekenntnis für den ökologischen Landbau in Sachsen, und das schon seit Jahren.

Dass es sich nur um ein Lippenbekenntnis handelt, deutete sich für uns schon beim Landesentwicklungsplan 2003 an. Natürlich kann man sagen, 10 % Ökolandbau ist für Sachsen perspektivisch eine tolle Sache. Wir waren schon damals der Meinung, bei den damals prognostizierten Steigerungsraten für den ökologischen Landbau deutschland- und europaweit könnte sich Sachsen durchaus ein ehrgeizigeres Ziel stellen. Damals haben wir einen Änderungsantrag zum Landesentwicklungsprogramm – genau zu diesem Punkt – eingereicht. Wir forderten 20 % Ökolandbau in diesem Zeitraum. Das sind sehr hochgesteckte Ziele; aber wenn man sich keine hohen Ziele steckt, kann man auch nicht wirklich etwas erreichen.

Eine für uns besonders traurige Fortsetzung von Lippenbekenntnissen war dann die Aufstellung des Doppelhaushaltes für den Freistaat Sachsen 2005/2006. Dazu muss ich nichts weiter sagen. Kollege Weichert hat schon ausgeführt, welche Einschnitte es für den sächsischen Ökolandbau dabei gegeben hat.

Bei diesem Vergleich mit einer landwirtschaftlichen Anbaumethode, die nachweislich die von Kollegen Weichert vorgetragenen unbestrittenen Effekte nicht nur für die Umwelt, sondern aus unserer Sicht auch für Arbeitsplätze im ländlichen Raum und für Chancen von regionaler Entwicklung und Wirtschaft im ländlichen Raum bietet, braucht man sich dann über die Folgen nicht zu wundern. Das, was der Doppelhaushalt 2005/2006 dem Ökolandbau gebracht hat, war ein Bruch in seiner kontinuierlichen Entwicklung.

Es scheint uns folgerichtig, dass die Staatsregierung im uns vorliegenden Entwurf des Entwicklungsplans für den ländlichen Raum im Freistaat Sachsen für 2007 bis 2013 zu der folgenden Einschätzung kommen musste – ich zitiere –: „Es scheint momentan nicht realistisch, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen.“ Wie auch?, muss man sich fragen, wenn man die Politik wie in den vergangenen Jahren verfolgt.