Protokoll der Sitzung vom 23.06.2006

(Beifall bei den GRÜNEN)

damit wir mit der Landwirtschaftspolitik wieder auf einen zukunftsorientierten Weg gelangen.

Auf meine Presseerklärung dieser Woche zum Thema „Landesentwicklungsplan einhalten“ hat das Ministerium geantwortet, man wolle sich keine unrealistischen Ziele setzen. Dazu, Herr Staatsminister, muss man ergänzen, dass die Zielvorgabe von 10 % nicht von uns, sondern aus Ihrem Hause kommt.

Wenn Sie meinen, der Landesentwicklungsplan sei in diesem Punkt unrealistisch, dann müssen Sie im Kabinett eine Novellierung beantragen. Die Vorgabe von 5 %, die Sie im Dezember 2005 in der Umweltallianz nennen, ist, um im Jargon der Landwirtschaft zu sprechen, wieder allein auf Ihrem Mist gewachsen. Heute wissen wir, dass die Halbwertzeit Ihrer Ausführungen zum ökologischen Landbau, selbst wenn sie im Rahmen eines Vertrages gemacht werden, sehr begrenzt ist.

Natürlich müssen wir uns fragen, warum bei bis dahin guten Fördersätzen – das ist unbestritten – nicht schon in den Jahren bis 2004 eine größere Anzahl von Betrieben in Sachsen auf den ökologischen Landbau umgestellt haben. Die Antwort ist das Delta. Und zwar jene Differenz in der Förderung zwischen ökologischem und konventionellem Landbau. Über das Programm UL – Umweltgerechte Landwirtschaft – und andere hat der Freistaat Sachsen allen Landwirten eine vergleichsweise gute Förderung zukommen lassen. Ich möchte an dieser Stelle nicht auf die Frage der Sinnhaftigkeit einzelner Bausteine des Programms und die Fragen der Mitnahmeeffekte – Herr Schmidt, da hatten Sie vorhin völlig Recht – eingehen; fest steht aber, dass der finanzielle Anreiz zum Umstieg gering war. Dass – ich zitiere wieder den Landesentwicklungsplan – „der Ökolandbau die höchste Stufe der Umweltentlastung bei Wasser- und Bodenschutz, Artenvielfalt und Klimaschutz erreicht“, fand in dieser Politik nur ungenügend Ausdruck.

Die Kosten, die der Umwelt durch den Ökolandbau erspart bleiben, spielen in den Berechnungen keine oder eine unzureichende Rolle. Ich verweise in diesem Zusammenhang nur einmal auf das Beispiel Talsperre Koberbach, bei der nach Ihren Angaben, Herr Minister, neben den Direkteinleitern die Landwirtschaft ein Mitverursacher für die katastrophale Wasserqualität ist.

Meine Damen und Herren! Warum brauchen wir mehr Ökolandbau in Sachsen? Warum sind aus unserer Sicht 10 % der landwirtschaftlichen Fläche ökologisch zu bewirtschaften, eigentlich viel zu wenig? Wir wollen gesunde Lebensmittel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen das Beste für unsere Böden, unsere Luft und das Grundwasser. Wir wollen eine Landwirtschaft, die auf Futtermittelimporte verzichtet. Wir wollen keine Turbokühe und Hormonschweine.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Wir wollen verhindern, dass die letzten Reste des Regenwaldes von unserem Mastvieh in Form von Soja aufgefressen werden. Wir wollen keinen Export unserer Lebensmittelüberschüsse in die Dritte Welt, wo lokale Märkte zerstört werden und Hunger produziert wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Wir wollen eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Wir wollen, dass Sachsen von diesem Markt nicht abgekoppelt wird und die Chancen, mit unseren Produkten Geld zu verdienen und Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen, genutzt werden. Kurzum, wir wollen in der Landwirtschaftspolitik einen modernen, zukunftsfesten Weg, und das ist für unsere Bürgerinnen und Bürger, für unsere Umwelt und Natur und für unser Land der beste denkbare Weg.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der CDU-Fraktion das Wort. Herr Schmidt, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe vorhin schon von verschiedenen Wegen gesprochen, die dazu führen, das Ziel, wie es im Landesentwicklungsplan steht, Boden-, Wasser- und Artenschutz unter Anwendung von bodenschonenden und umweltgerechten Bewirtschaftungsverfahren, zu erreichen. Der Ökolandbau ist ohne Zweifel einer dieser Wege, aber ich halte eine gesetzlich verordnete Vervierfachung der Produktion innerhalb von drei Jahren nicht für sinnhaft. Das würde letztendlich zum Zusammenbrechen der Preise führen. Man kann anderer Meinung sein, ich bin dieser Meinung. Wer die Marktwirtschaft ein bisschen kennt, sieht, dass es wohl so kommen wird.

Man muss nach anderen Wegen suchen. Herr Weichert hat es schon angesprochen. In Sachsen gibt es diese. Es gibt ganze Maßnahmenpakete zum Thema umweltgerechte Landwirtschaft, die zukünftig im ELER-Programm als Agrar-Umweltmaßnahmen definiert sind. Dabei hat Sachsen frühzeitig damit begonnen, solche Wege zu gehen. Das ist beispielgebend für viele andere, auch unsere benachbarten neuen Bundesländer. So wurden zirka 490 000 Hektar im Programm Umweltgerechter Ackerbau, 95 000 Hektar im Programm Extensive Grünlandbewirtschaftung, 9 500 Hektar im Programm Umweltgerechter Gartenbau bewirtschaftet, weitere

34 000 Hektar im Programm Naturschutz und Erhalt der Kulturlandschaft. Das sind insgesamt mehr als 50 % der gesamten Landwirtschaftsfläche des Freistaates Sachsen.

Speziell das letztgenannte Programm Naturschutz und Erhalt der Kulturlandschaft setzt Maßstäbe an die Bewirtschaftung, die über die Ansprüche des Ökolandbaus hinausgehen. Es wird für jeden einzelnen Schlag mit der Naturschutzbehörde ein Vertrag abgeschlossen, in dem genau drinsteht, was man dort machen darf und was nicht. Das ist im Ökolandbau nicht notwendig. Wir sollten, wenn wir von ökologischer Bewirtschaftung sprechen, das Feld etwas weiter stecken. Wenn wir die Vorlage des ELER-Programms vor uns haben, wird gerade die Förderung dieses letztgenannten Programms Naturschutz und Erhalt der Kulturlandschaft als naturschutzgerechter Ackerbau, naturschutzgerechte Wiesennutzung – ich will nicht alles aufzählen – Bestandteil sein. Andere Teile sind sicherlich aufgrund der zurückgegangenen Mittel, aber auch aufgrund der Verankerung in bereits bestehenden Cross-Compliance-Anforderungen reduziert, aber trotzdem auch enthalten.

Meine Damen und Herren! Das ELER-Programm ist nach wie vor ein Entwurf. Veränderungen können noch immer vorgenommen werden. So halte ich zum Beispiel eine erhöhte Einstiegsförderung der ersten beiden Jahre im Ökolandbau für sinnvoll. Ich denke, so etwas wird noch umsetzbar sein. Auch die angestrebten Hektarwerte, die als Zielsetzung im Programm genannt und auch hier immer wieder diskutiert werden, sind keine Deckelungen. Es kann durchaus mehr werden, und es wäre wünschenswert, wenn sich der Markt so entwickelt, dass die angestrebte Fläche erreicht wird.

Ich bin der Meinung, von Gesetzesbruch kann keine Rede sein, sondern eher von pragmatischer, zielorientierter und ideologiefreier Umsetzung des Landesentwicklungsplanes. So sollten wir das auch sehen.

(Beifall bei der CDU)

Wird von der Linksfraktion.PDS noch das Wort gewünscht? – Nein. Dann die SPDFraktion; Frau Dr. Deicke, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Weichert hat es bereits gesagt. In den letzten Jahren ist in Sachsen der ökologische Landbau sehr gut gefördert worden. Bei einem Vergleich der flächenbezogenen Förderung muss man feststellen, dass sowohl bei der Einführung als auch bei der Beibehaltung ökologischer Wirtschaftsweisen Sachsen in der Vergangenheit sehr gut dastand. Wie das zukünftig aussieht, darüber lässt sich sicher noch verhandeln, aber eine Benachteiligung für den ökologischen Landbau kann ich nicht erkennen.

Wir bedauern allerdings sehr, dass in den letzten zwei Jahren der Einstieg in den ökologischen Landbau nicht gefördert worden ist. Das ist primär den unkalkulierbaren

Zuwendungen aus Brüssel über das Jahr 2006 hinaus geschuldet gewesen. 2005 konnten aus diesem Grund 17 Betriebe nicht auf Ökolandbau umstellen. Aber alle Förderung und Unterstützung wird nichts daran ändern, dass wir das im Landesentwicklungsplan formulierte ehrgeizige Ziel von 10 % ökologisch bewirtschafteter Anbaufläche bis 2009 nicht realisieren können. Dieser Tatsache müssen wir ins Auge blicken und wir sollten nicht einem Phantom nachjagen.

Wie unrealistisch dieses Ziel ist, kann man durch folgende kleine Rechnung verdeutlichen. Im Entwurf zum Entwicklungsprogramm ist die durchschnittliche Hektargröße bei einem Ökohof genannt. Sie beträgt danach 76 Hektar. Wenn man diese Zahl nimmt und entsprechend rechnet, müssten innerhalb der nächsten drei Jahre 946 Höfe auf ökologischen Landbau umstellen. Das bedeutet jährlich 315 neue Ökobetriebe. Zum Vergleich der Stand 14.09.2005: Da hatten wir 223 Ökobetriebe. Wie schon erwähnt, 2005 gab es 17 Antragsteller, wobei die Fläche insgesamt 600 Hektar betrug. Das entspricht gerade einmal einer Erhöhung von sage und schreibe 0,06 %. Wir bewegen uns hier also im hundertstel Prozentbereich.

Bitte zum Schluss kommen!

Der Wiedereinstieg wird hoffentlich hier dazu beitragen, dass die Anbaufläche ausgeweitet wird. Aber wichtig ist mir, noch darauf hinzuweisen, dass sich die Staatsregierung schon jetzt Gedanken machen muss, dass der Übergang zur nächsten Förderperiode nicht noch einmal mit einem solchen Bruch wie im letzten Haushalt geschieht.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Wird von der NPD-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Nicht. Die FDP? – Auch nicht. Dann die GRÜNEN, bitte. Herr Weichert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will noch einmal zusammenfassen, weil so viele Zahlen genannt wurden. Die Zahlen sind nur zur Verdeutlichung. Es geht darum, dass wir einen Markt haben. Der Markt boomt, der Markt wächst. Man kann in dem Markt Geld verdienen, man kann Arbeitsplätze schaffen und erhalten. Das ist die eine Seite.

Wenn man an diesem Markt teilnehmen, Arbeitsplätze schaffen und erhalten und Geld verdienen will, muss man Betriebe fördern, um in dem Markt arbeiten zu können. Dazu brauchen sie die Unterstützung von uns allen und der Landesregierung. Was wir im Moment machen, ist genau das Gegenteil davon, nämlich von 10 % auf 5 %, von 5 % auf 3,2 %. Das kann ja wohl nicht die sächsische Logik und Antwort sein auf das, was hier in der Landwirtschaft geschieht. Deshalb kann ich nur noch einmal bitten, dass wir uns für die nächsten Programme, die wir uns vornehmen, im Haushalt entsprechend einstellen und diesen marktgerecht gestalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wird von der CDU-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Herr Heinz.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich vor, wir machen ökologische Landwirtschaft und keiner geht hin. Nun könnte man sich in der ersten Runde die Frage stellen, wer denn hingehen müsste, nämlich richtigerweise in der Marktwirtschaft die Teilnehmer am Markt. Das sind zum einen die Kunden, die etwas kaufen sollen, zum anderen die Verkäufer, die etwas verkaufen wollen. Dazu wird ein jeder für sich in seinem Betrieb eine Kalkulation anfertigen: Kann ich denn ein ausreichendes Einkommen erwirtschaften, wenn ich mich auf diesem Marktsegment bewegen möchte? Dann kommt er zu seinen betrieblichen Schlüssen, die die bekannten Zahlen hier widerspiegeln.

Es wurde verschiedentlich die Zahl im Landesentwicklungsplan angesprochen. Wir können dort lesen: Es ist darauf hinzuwirken, dass der Anteil ökologisch bewirtschafteter Nutzfläche auf 10 % erhöht wird. Jetzt könnte man fragen: Welche Möglichkeiten hat der Staat denn, darauf hinzuwirken, den Anteil dieser Fläche zu erhöhen? Er kann also nicht, wie wir das aus Zeiten des demokratischen Zentralismus kennen, festlegen, wer was zu produzieren hat. Er kann lediglich Anreize in Form von Fördermitteln setzen.

Das wurde in den ganzen Debatten viel zu wenig beleuchtet. Wir haben immer von Willkür und Vertragsbruch gehört, dem von dieser Stelle aus entschieden zu widersprechen ist. Die Anreize, die durch den Freistaat gesetzt wurden, lassen uns im Konzert der Bundesländer deutlich an vorderster Spitze stehen. Wenn sich dann die Marktteilnehmer trotzdem nicht entschieden haben, sich auf diesem Segment zu bewegen, haben wir das als Politiker im Prinzip mehr oder weniger zur Kenntnis zu nehmen und wir tun gut daran, wenn wir mit den Erfahrungen der letzten Jahre nicht die unrealistischen Ziele weiter fortschreiben und uns in den nächsten Legislaturen wieder anhören, was wir alles falsch gemacht haben, sondern wenn wir die Ziele der realen Wirklichkeit anzupassen versuchen. Auch das gehört zur Klarheit und Wahrheit.

Ich möchte noch darauf hinweisen, weil hier auch gesunde Lebensmittel angesprochen worden sind. Da muss ich im Interesse derjenigen, die sich nicht für ökologische Produktion entschieden haben, sagen: Die Lebensmittel, die in deutschen Regalen stehen, sind in der Regel gesund, sind nach entsprechenden gesetzlichen Vorschriften hergestellt.

(Beifall bei der CDU)

Die Skandale durch einige schwarze Schafe will ich hier einmal nicht überbewerten. Die Probleme, die wir mit Adipositas und damit einhergehender Folgemorbidität haben, lassen sich auch mit einhundertprozentiger Ernährung durch Produkte aus dem ökologischen Landbau nicht lösen, denn es kommt darauf an, dass das Verhältnis der

aufgenommenen Nahrungsmenge im Verhältnis zur verbrauchten Energie des entsprechenden Körpers steht und dann – jetzt sage ich Ihnen das auf Deutsch – werden die Probleme mit Fettleibigkeit und der damit verbundenen früheren Sterblichkeit auch zurückgehen.

Wir haben noch gehört, dass der Bedarf steigt. Nun ist es in der Marktwirtschaft ja so, wenn der Bedarf steigt, muss man nicht nach dem Staat schreien, dort zu subventionieren, sondern dass die, die mehr Ware haben wollen, vielleicht auch einen höheren Preis zahlen könnten. Dann werden die Marktteilnehmer von sich aus dahinter kommen, dass es auch ganz klug wäre, sich in dem Geschäft zu betätigen. Der angesprochene Gemüseverarbeitungsbetrieb sollte einfach einmal versuchen, über den Preis etwas zu machen. Das muss dann vom Kunden wieder eingeworben werden. Hoffentlich kaufen all die die ökologischen Produkte, die uns allen Versagen vorwerfen.

Warum sind die Discounter nicht eher eingestiegen? Dazu könnte man auch ein paar Worte sagen. Wir haben in Deutschland – ich möchte fast sagen – eine fast unübersichtliche Szene an Öko-Verbänden, von denen jeder seine eigene Duftmarke setzte und demzufolge die Mengen, die die großen Discounter brauchen, so nicht in der Konzentration entstehen. Das wurde erst besser, nachdem die europaweite EU-Verordnung eingeführt wurde.

Wir haben des Weiteren gehört, dass nur noch ganze Betriebe umgestellt werden dürfen. Das ist auch jetzt schon so. Man muss das natürlich nicht vom ersten Tag an, sondern hat eine gewisse Zeit. Ich kann an dieser Stelle kein Versagen der Staatsregierung feststellen. Ich kann nur feststellen, dass der Freistaat äußerst lukrative Rahmenbedingungen gesetzt hat, um die Betriebe dazu zu bewegen, sich diesem Produktionssegment nicht zu verschließen.

Ansonsten rufe ich alle diejenigen, die sich wirklich für dieses Thema interessieren, auf, den Worten auch Taten folgen zu lassen und, wenn sie vorm Regal stehen, die entsprechenden Produkte zu kaufen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)