Protokoll der Sitzung vom 19.07.2006

Zweitens. Fällt das Zauberwort „Wettbewerb“, bekommt er glänzende Augen, so, als ob ein Staatskonzern nicht wettbewerbsfähig sein könnte. Man sehe sich nur den Staatskonzern Vattenfall an, der sich reichlich in Europa als Wettbewerber tummelt.

Drittens. Wenn er uns unterstellt, dass wir Verantwortung für die Politik in der DDR gehabt hätten, dann gebe ich diesen Vorwurf zurück, weil zwischen SED und CDU-Blockflöten nun wahrlich kein großer Unterschied innerhalb der DDR in ihrer Politik bestand.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der NPD – Klaus-Jürgen Menzel, NPD: Das stimmt!)

Die CDUFraktion, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Runge, glänzende Augen habe ich nicht bekommen, mir sind sie eher fast zugefallen. Aber jetzt sprechen wir trotzdem über die Sache.

Auch wenn die Große Anfrage der Linksfraktion in weiten Teilen am eigentlichen Problem, nämlich der Zukunft der Eisenbahn Sachsen, vorbeigeht,

(Lachen bei der Linksfraktion.PDS)

diskutieren wir heute ein für die Entwicklung der Infrastruktur und der Transportrelation auf der Schiene sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr wichtiges Thema. Wir diskutieren heute über den Börsengang der Deutschen Bahn AG in den verschiedenen Varianten.

Mit dem Anfang dieses Jahres durch ein Gutachterkonsortium vorgelegten Ergänzungsgutachten werden insbesondere die Auswirkungen der weiteren Privatisierung mit und ohne Netz beleuchtet. Gerade hier scheiden sich die politischen Geister. Unsere Fraktion tritt wie unser Koalitionspartner ebenfalls für eine weitere Privatisierung der Deutschen Bahn AG im Zuge des geplanten Börsenganges ein. Dieser Schritt schafft für das Unternehmen Bahn mehr Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit sowie die Möglichkeit, bestehende Betriebsstrukturen zu optimieren und damit Kostennachteile gegenüber Wettbewerbern zu beseitigen.

Hierzu müssen jedoch dem Unternehmensvorstand besonders im Bereich der Konzernbestandteile des Transports größere Spielräume eingeräumt werden. Man kann nicht auf der einen Seite eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der Deutschen Bahn AG erwarten und gleichzeitig fordern, dass bestehende tarif- und beamtenrechtliche Bestimmungen vollumfänglich erhalten bleiben und die vereinbarte Beschäftigungssicherung weiterhin wirken soll. Ein Zukunftsunternehmen Bahn muss sich aus den bisherigen staatsbetrieblichen Strukturen im Transportbereich lösen können, um mit den bereits im Wettbewerb stehenden Eisenbahnverkehrsunternehmen in Deutschland und Europa konkurrieren zu können.

Natürlich ist der Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein wichtiger Aspekt bei der Beurteilung der weiteren Privatisierungsbestrebungen. Dieser jedoch muss im Einklang mit dem Willen nach Deregulierung und Marktfähigkeit stehen. Die Verhandlungen zwischen dem Bund als Eigentümer und dem Konzernvorstand

werden auch hier für Klarheit sorgen, um einen Börsengang nicht zu gefährden.

Sie sehen, dass es noch eine Vielzahl von Unklarheiten und Verhandlungspositionen gibt, die vor einer endgültigen Entscheidung über die weitere Privatisierung der Deutschen Bahn AG zu beachten und auszuräumen sind.

Einen wesentlichen Knackpunkt im bevorstehenden Börsengang bildet die Entscheidung darüber, ob nun das Schienennetz unmittelbar Bestandteil dieser Privatisierung ist. Das Netz in Deutschland ist unmittelbarer Bestandteil der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur. Deren weitere Entwicklung muss verkehrspolitisch gesteuert werden und unter Beachtung demografischer und wirtschaftlicher Tendenzen gestaltbar bleiben. Gerade diese Einflussnahme sehe ich bei einer Privatisierung der Deutschen Bahn ohne Abstriche beim Schienennetz gefährdet.

In einer Erklärung der Deutschen Bahn AG vom November 2005, welche in der Broschüre „Weichen stellen für einen integrierten internationalen Mobilitäts- und Logistikkonzern“ der DB AG niedergelegt ist, heißt es: „Die DB AG trägt ein Finanzierungsrisiko, das einerseits von der Ertragskraft der Infrastruktur und anderseits von den Bedingungen der Finanzierungsvereinbarung abhängig ist. Dabei trifft die DB AG ihre Investitionsentscheidungen nach Rentabilitätskriterien. Investitionsbestandteile hingegen, die der Daseinsvorsorge zuzurechnen sind, fallen grundsätzlich dem Bund, den Ländern, den kommunalen Gebietskörperschaften wie auch der Europäischen Union zu.“

Meine Damen und Herren! Was bedeutet das konkret für Sachsen? Bei einer integrierten Lösung – Privatisierung inklusive Netz – wird die Bahn ihre Bestrebungen verstärken, die Investitionen nur auf solche Strecken zu konzentrieren, die aus ihrer Sicht profitabel sind und – so meine Befürchtung – auch von ihr selbst betrieben werden. Wie anders sollte man die Aussage der Investitionsentscheidung nach Rentabilitätskriterien deuten? Bund und Länder brauchen auch weiterhin die Einflussmöglichkeiten auf die Entwicklung des Schienennetzes in Deutschland. Demografische Entwicklung, strategische Maßnahmen zur Entwicklung wirtschaftlicher Zentren und die Umsetzung landesplanerischer Zielstellungen erfordern eine weiterhin gesicherte Beteiligung des Bundes und der Länder an der Fortentwicklung der Schieneninfrastruktur.

Besonders für den Wettbewerb auf der Schiene, der ein erklärtes Ziel der Koalitionsfraktionen ist – nicht nur auf Bundesebene –, ist die Sicherung des Einflusses der Politik auf Entscheidungen zur weiteren Netzentwicklung äußerst wichtig.

Ich begrüße ausdrücklich die sich auf Bundesebene vollziehende Annäherung der großen Koalition an ein Modell, welches gerade diese Einflussnahme beinhaltet. Wir sollten diesen Prozess begleiten und ihn nicht durch Debatten gefährden, die den erarbeiteten Erfolg im Interesse des Unternehmens Deutsche Bahn, des Wett

bewerbs auf der Schiene und der Nutzer, sowohl der Fahrgäste als auch der Transporteure, infrage stellt.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Lassen Sie mich abschließend noch zum Entschließungsantrag der Linksfraktion.PDS Stellung nehmen. Dass Sie das vorliegende Gutachten zur Privatisierung der Deutschen Bahn AG nicht als Entscheidungsgrundlage anerkennen können, liegt an der politischen Ausrichtung Ihrer Fraktion. Sie wollen die Abkehr von der Privatisierung und nehmen somit in Kauf, dass sich in Deutschland ein wettbewerbsfähiges Bahnunternehmen nicht entwickeln und am europäischen Markt teilnehmen kann. Sie wollen einen Staatsbetrieb, der möglichst alle Schienenverbindungen mit noch mehr Personal und niedrigsten Preisen anbietet, der allerdings aufgrund seiner Nichtwettbewerbsfähigkeit dann wohl an der Erhaltung des Netzes und der eingesetzten Technik spart.

(Zurufe der Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS, und Jürgen Gansel, NPD)

Das Ergebnis dieser Politik ist uns wohl bekannt: Es rumpelte bis 1990 über desolate Schienennetze mit teils abenteuerlicher Transport- und Signaltechnik,

(Heiterkeit im Saal)

verdreckten Zügen und Bahnhöfen und nannte sich Deutsche Reichsbahn. Wenn Sie sich danach zurücksehnen, tun Sie mir Leid.

Wir brauchen eine leistungsfähige Eisenbahn in Deutschland, eine auf Wettbewerbskurs befindliche Deutsche Bahn AG, die mit Wettbewerbern auf gut ausgebauten Schienennetzen fährt, die im Einklang mit den verkehrspolitischen Zielstellungen auf Bundes- und Landesebene stehen. Dafür kann das favorisierte Modell geeignet sein. Die weiteren Diskussionen auf Bundesebene werden wir verkehrspolitisch begleiten und unseren Einfluss geltend machen, um die Umsetzung der landesplanerischen Zielstellungen und die weitere Ausgestaltung des Schienennetzes in Sachsen zu sichern.

Wir lehnen also den Entschließungsantrag der PDS ab und bitten um Zustimmung zum Entschließungsantrag der Koalition.

Recht vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Abg. Dr. Simone Raatz, SPD, und der Staatsregierung)

Die SPD-Fraktion, bitte. Frau Dr. Raatz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mein Kollege hat es gerade gesagt: Wir sollten den Prozess der Privatisierung der Deutschen Bahn begleiten. Aber in welcher Art und Weise? Da ist viel im Gespräch, und die Bundesebene ist hierfür zuständig. Diese Debatte hier im Landtag zu führen macht sicherlich Sinn, wenn wir

einfach unsere Meinung austauschen wollen. Jeder hat eine andere. Das können wir gern machen. Entschieden wird im Endeffekt im Bundestag. Wir wissen selbst, dass in den nächsten Monaten ein intensiver Austausch auf dieser Ebene erfolgen wird.

Ich habe mich persönlich erkundigt, sowohl bei der SPD- als auch bei der CDU-Bundestagsfraktion. Bei drei Anrufen habe ich zirka zehn verschiedene Meinungen gehört. Es ist alles noch sehr in der Diskussion und wird auf jeden Fall nicht einfach. Ich gebe Ihnen, Frau Runge, Recht, dass man hier im Landtag als Fraktion sicherlich eine Meinung haben sollte, aber diese Meinung muss man dann mit den Bundestagsabgeordneten austauschen. Ich weiß nicht, in welchen Gremien Sie das durchführen. Ich persönlich nutze die Sprecherkonferenzen dazu, die Ebene der Sprecher der Länder, aber dann auch gemeinsam mit unseren Bundestagsabgeordneten. Das ist meiner Meinung nach die Ebene, auf der etwas passieren muss und auf der man die Meinungen austauschen sollte.

Wir wissen, dass auf der Grundlage des in Berlin ausgehandelten Koalitionsvertrages neben den Kapitalmarktgesichtspunkten insbesondere die verkehrs-, finanz- und haushaltspolitischen, beschäftigungspolitischen, volkswirtschaftlichen, europarechtlichen sowie ordnungspolitischen Gesichtspunkte Berücksichtigung finden müssen. Allein schon die Aufzählung dieser vielen Dinge zeigt ja, dass eine Entscheidung – gerade wenn man die fünf Varianten betrachtet, die Sie angesprochen haben – nicht einfach sein wird.

Eines steht in dem Zusammenhang fest: Die anstehende Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn muss für die Länder vor allem verkehrspolitische Ziele haben. Es geht vor allem darum, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen und dadurch Beschäftigungssicherung zu erzielen. Ich denke, so wird ein Schuh daraus und nicht dadurch, dass man zuerst das Personal sichert und dann schaut, was aus der Bahn wird. Das werden wir nach 2010 kaum in dieser Art und Weise umsetzen können.

Gerade wir Sachsen dürfen aufgrund unserer geografischen Randlage in Deutschland unsere verkehrspolitischen Ziele nicht aus den Augen verlieren. Wir haben es in der Vergangenheit gesehen, wie schnell man infrastrukturell abgehängt wird. Ziel muss es sein, dass wir infrastrukturell dabei sind und nicht so leicht abgehängt werden können, besonders, was den Fernverkehr betrifft.

Ein weiterer Punkt ist die Integration in die transeuropäischen Netze. Ich denke, dass wir hierbei noch lange nicht dort sind, wo wir eigentlich schon sein sollten und wollten. Wir müssen entsprechende Anstrengungen unternehmen, um das in weiten Bereichen gut ausgebaute Schienennetz in Sachsen wesentlich besser im Personen- und Güterverkehr auszulasten. Das ist es, worauf wir als Landtagsabgeordnete mehr als bisher achten müssen. Was kann man tun? Wie kann man im Endeffekt die Bahnen veranlassen, bessere Konzepte zu haben, damit die Sachsen wirklich mit dem Zug fahren? Das ist bisher noch zu wenig.

Als wir noch in der Opposition waren, haben wir gesagt, die Sachsen haben sich eben für das Auto entschieden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wir wurden entschieden!)

Oder wir wurden entschieden, gut. – Aber allein in dieser Position zu verharren ist nicht sinnvoll. Wir wissen, dass wir ein gut ausgebautes Schienennetz haben. Jetzt müssen wir es noch in die Köpfe unserer Bürger bringen, dass man auch mit der Bahn fahren kann. Dazu gehört ein attraktives Konzept.

Grundlage hierfür ist ein modernes, integriertes Verkehrskonzept für Sachsen. Ich bin schon auf den aktualisierten Landesverkehrsplan gespannt, der uns noch in diesem Jahr oder Anfang nächsten Jahres vorgelegt werden soll.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Ach so!)

Ja, so ist das. Anhand dieses Landesverkehrsplanes können wir die Dinge auch noch einmal intensiver diskutieren.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gern. Sie sind ja ganz interessiert, Herr Lichdi. Ich denke, Sie haben nicht zu allem eine Frage?

(Allgemeine Heiterkeit – Beifall bei der Staatsregierung)

Frau Kollegin Raatz! Möchten Sie mir nicht zustimmen – wir haben schon oft von Koalitionsvereinbarungen gesprochen, die dann sehr lässlich ausgeführt werden –, dass in der Koalitionsvereinbarung steht, dass Sie das bis Sommer 2005 vorlegen wollten. Wenn Sie jetzt ankündigen, es Anfang 2007 vorzulegen, würden Sie mir nicht darin zustimmen, dass es etwas spät ist?

Sehr geehrter Herr Lichdi! Ja, es steht so drin: im Sommer 2005. Ich bin allerdings der Meinung, ich möchte nicht irgendetwas vorgelegt bekommen; sondern wenn ich etwas vorgelegt bekomme, dann soll es Hand und Fuß haben. Im Endeffekt wollen wir dem Ministerium eine Chance geben, dies qualitativ hochwertig vorzulegen.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Sie als Sprecher und ich als Sprecherin sollten letztendlich die Chance haben, die Dinge intensiv anzuschauen und die eigene Meinung einzubringen. Aus diesem Grunde wäre ich zufrieden, diesen Plan in diesem Jahr zu Gesicht zu bekommen, und wir könnten darüber diskutieren. Deshalb fände ich es nicht schlimm, wenn wir 2007 sagen: Okay, jetzt haben wir etwas auf dem Tisch; damit können wir leben.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Staatsminister Thomas Jurk: Das wurde anders vereinbart, Herr Lichdi!)