Protokoll der Sitzung vom 19.07.2006

Die Wirtschaft verlangte nach gut ausgebildeten, flexiblen Arbeitskräften. Der Staat hatte mit dem Bildungssystem und mit Angeboten zur Familienbetreuung die Voraussetzungen zu schaffen.

Und die Familien? Die Familien verlangten nach finanzieller Unterstützung. Wenn Kinder dann auffällig wurden, wurde gleich gefragt: Aus was für einer Familie kommt denn der oder die?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, und wie das mit Liedern manchmal so ist: Wenn sie viele Strophen haben, landet man am Ende im Keller. Das ergibt nicht unbedingt mehr einen Wohlklang. So war es auch da. Der Wohlklang der verschiedenen Akteure vor Ort war nicht mehr gegeben und wenn dann noch Land und Bund mitsangen, na ja …

Seit geraumer Zeit – die Lokalen Bündnisse für Familien entstanden unter Rot-Grün – gibt es nicht nur neue Sänger, sondern auch neue Melodien. Eine davon heißt Rahmenbedingungen für Familien. Denn jetzt gibt es den Spielplatz. Es gibt auch Bänke und eine Verkehrsberuhigung in der Innenstadt. Aber es gibt immer weniger Familien und immer weniger Kinder. Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen, leisten wir es uns, dass Schulabgänger eines Jahrganges zu 10 % ohne Abschluss die Schule verlassen.

Um im Lied zu bleiben: Lokale Bündnisse für Familien sind der Text einer Strophe unter der Überschrift „Familienfreundliche Rahmenbedingungen“. In einem Interview mit Prof. Dr. Hans Bertram, er ist der Vorsitzende der Sachverständigenkommission zum Siebenten Familienbericht, habe ich folgenden Satz gelesen: „Es muss im Interesse aller sein, Lebensverläufe der Menschen so zu organisieren, dass die notwendige Zeit der Sorge für andere Teil des eigenen Lebenslaufes werden kann.“ Frau Orosz hat ja in ihrer Regierungserklärung zur Fami

lienpolitik gesagt: „Familie ist dort, wo Generationen Verantwortungen füreinander übernehmen.“

Wo leben Familien? Sie leben in den Städten und Gemeinden; also Lokale Bündnisse für Familien. Was ist nötig für Familien? Die eine braucht vielleicht eine Schuldnerberatung, eine andere einen Krippenplatz für Kinder, die noch nicht drei Jahre sind, und eine dritte hat sich mit ihrer benachteiligten Situation abgefunden und eventuell auch eingerichtet.

Da ist nun die neue Botschaft, dass in einer Kommune die eigenen Aktivitäten stimuliert werden sollen. Dafür braucht es nicht nur Ehrenamt, sondern Profession. Es muss gelingen, zivilgesellschaftliches Engagement in einer breiten Mischung zu aktivieren. Deshalb brauchen wir eine neue Vernetzung zwischen den staatlichen bzw. kommunalen Angeboten und der Familie. Das können und sollen Lokale Bündnisse für Familien im Sinne des amerikanischen Familienforschers Bronfenbrenner leisten.

„Kinder brauchen eine verlässliche Umwelt, um seelisch und körperlich wachsen zu können. Kommunale Politik muss demnach sicherstellen, dass solche Umwelten entstehen. Dabei müssen Professionelle und Laien zusammenarbeiten und diese Umwelt so strukturieren, dass Familien und Kinder sich wohl fühlen können.“

Vielleicht geht das Lied dann in freier Improvisation weiter, aber auf alle Fälle macht es Spaß.

Ich erlebe gerade die ersten Schritte hin zu einem Bündnis in einer Stadt mit zirka 20 000 Einwohnern. Das ist ungeheuer spannend, kann ich Ihnen sagen. Manche Akteure reden tatsächlich zum ersten Mal miteinander. Schon diese Tatsache lohnt den Einsatz. Keck wandle ich den Spruch ab „Wo man Lokale Bündnisse hat, da lass dich ruhig nieder“.

Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Falk Neubert, Linksfraktion.PDS)

Danke schön. – Das war die erste Runde der Abgeordneten. Gibt es weiteren Aussprachebedarf seitens der Koalition? – Der anderen Fraktionen? – Nein. Frau Staatsministerin, Sie möchten sprechen? – Bitte schön, Frau Staatsministerin Orosz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Familien bilden Sachsens Zukunft. Es ist heute schon von vielen Vorrednerinnen und Vorrednern die Regierungserklärung, die ich vor einigen Wochen gehalten habe, zitiert worden. Das freut mich sehr, beweist es doch, dass Sie sich mit diesem Inhalt auseinander setzen.

Ich möchte deswegen noch ein oder zwei Zitate aus der Erklärung bringen, weil sie ganz einfach zum Thema passen. Herr Neubert, ich bin schon der Meinung, dass dieses Thema hier in das Hohe Haus gehört. Wenn wir

von Familie sprechen, müssen wir ganz einfach auch von den Lokalen Bündnissen sprechen.

In meiner Regierungserklärung im April dieses Jahres hatte ich bereits dargelegt, dass Politik für Familien eben nicht singulär zu betrachten ist, sondern dass familienorientierte Politik eine Querschnittsaufgabe darstellt. Querschnitt heißt in diesem Fall Unternehmen, Medien, Kommunen, Kultureinrichtungen, Sportvereine, Gaststätten, Ferienanbieter, Wohnungseigentümer, Nachbarn etc. pp. Alle tragen zu den verbesserten Lebensbedingungen von Familien bei.

Wir haben in der Regierungserklärung auch sehr deutlich darauf hingewiesen: Wir in Sachsen wollen das familienfreundlichste Land werden. In der Tat habe ich auch darauf hingewiesen, dass wir dazu noch viel zu tun haben. Aber wir haben uns auf den Weg begeben. Doch dieser Weg kann nicht nur allein von der Politik beschritten werden, sondern es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir brauchen dafür das Engagement aller Bereiche.

Dieses Engagement, meine Damen und Herren, gibt es bereits in Sachsen und – Gott sei Dank – schon an vielen Stellen. Nämlich: Die Lokalen Bündnisse für Familien sind ein Paradebeispiel, sind ein gutes Beispiel dafür, dass es bereits funktioniert. Hier haben sich auf lokaler Ebene viele Akteure zusammengeschlossen, um ihre Kommunen, Städte und Kreise familienfreundlicher zu machen, und zwar ganz konkret mit Maßnahmen vor Ort, die den Familien dort zugute kommen.

Wir haben es heute schon gehört: Zehn Lokale Bündnisse für Familien haben sich in den letzten Wochen und Monaten in Sachsen etabliert. Ich möchte sie nicht noch einmal aufzählen. Trotzdem werden nachhaltige Gespräche mit weiteren Partnern geführt und es macht schon Sinn, ab und zu einmal nachzufragen oder im Internet nachzuschauen, ob es bereits neue Anwärter gibt, denn nicht jeder steht sofort drin. Auch das ist ein Beispiel, bei dem wir als zuständiges Ministerium versuchen, zu vernetzen und Hilfestellung zu geben.

Die Bündnispartner kommen, wie wir wissen, aus den unterschiedlichsten Bereichen und haben sich in den unterschiedlichen Regionen etabliert. Nicht nur soziale Einrichtungen, sondern eine Vielfalt von Verbänden und Vereinen, aber auch – und das ist lobenswert – Verwaltungen sind dabei. Sehr wichtig ist aber vor allem, dass sich viele Wirtschaftsunternehmen bereits aktiv einbringen. Ich darf an dieser Stelle noch einmal Dank dafür sagen, dass vor allen Dingen die Wirtschaftsjunioren fast bei allen Lokalen Bündnissen als Geburtshelfer dabei waren. Das halte ich für sehr lobenswert und ich hoffe auf eine vielfältige Erweiterung.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Die Fachabteilung meines Hauses steht mit den Initiativen bereits seit Längerem in engem Kontakt. Ich habe vor zwei Wochen zum ersten Mal persönlich alle Bündnisse aus Sachsen zu einem

gemeinsamen Erfahrungsaustausch in meinem Haus empfangen. Ich war in der Tat sehr beeindruckt von dem kreativen und sehr umfangreichen Engagement, das, wie heute schon angesprochen, weitestgehend ehrenamtlich realisiert wird. Die Projekte und Vorhaben umfassen eine beeindruckende Themenpalette. Davon konnten wir uns bereits auf dem Sächsischen Familientag im vergangenen Monat in Görlitz überzeugen.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Zu diesem hatten wir auch die Lokalen Bündnisse eingeladen, um ihnen dort auf einer Familienveranstaltung die Möglichkeit zu geben, sich den interessierten Bürgern, aber vor allen Dingen den Familien vorzustellen. Das hat sehr gut funktioniert. Die Bündnisse konnten dabei schon potenzielle Interessenten für Neugründungen beraten und haben vielen Tausenden Eltern ihre Arbeit vorgestellt.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal auf einige besonders kreative Beispiele hinweisen. Heidenau ist heute schon genannt worden, Frau Schütz hat es angesprochen. Ich darf noch einmal erwähnen: Heidenau ist eine Stadt, die im letzten Jahr familienfreundliche Gemeinde geworden ist. Daran sieht man, welche Kontinuität solche Aktivitäten mit sich bringen. Sie haben es schon erwähnt: Dieser Kinderstadtplan ist wirklich eine hervorragende Idee.

Im Vogtlandkreis dagegen gibt es bereits einen regionalen Familientag. Freiberg wiederum hat einen Katalog mit Informationen und Angeboten für die Familien in der Region zusammengestellt. Dresden will eine Beratungsstelle für kleine Unternehmen anbieten, die auf die Beine zu stellen ist, um die entsprechenden Interessenten auf dem Weg zu mehr Familienfreundlichkeit zu unterstützen.

All diese Initiativen, meine Damen und Herren, kommen direkt den Familien in Sachsen, in den Kommunen zugute. Ich denke, an dieser Stelle auch in Ihrem Namen all denen, die sich daran beteiligen, ein ganz herzliches Dankeschön zu sagen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Volker Bandmann, CDU: Da hätte die PDS auch klatschen können!)

Die findet das Thema ja nicht wichtig.

(Heinz Lehmann, CDU: Die sind doch gar nicht da! – Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion.PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Solche Gespräche mit den Lokalen Bündnissen werden wir auch weiterhin führen. Alle Beteiligten haben den Wunsch geäußert, sich periodisch bei uns im Haus zu Gesprächsrunden zu treffen. Ich hoffe, dass jedes Mal eine Vielzahl von neuen Bündnispartnern dabei sein wird. Wir haben festgestellt, dass es wirklich sehr interessant und wünschenswert ist, wenn man in den Gesprächen die unterschiedlichen Ansichten und Erfahrungen austauscht, aber auch durch persönliches Kennenlernen eine bessere Vernetzung der Akteure vor Ort erreicht.

Mein Haus unterstützt diese Vernetzung, wie gesagt, auch durch das neue Internetportal „Familienfreundliches Sachsen“. Es war mit allen Bündnispartnern abgestimmt, dass sie die Möglichkeit erhalten, dieses Internetportal mit zu bedienen. Wir sind derzeit dabei, das technisch vorzubereiten und damit auch Kontaktdaten, aber darüber hinaus vor allen Dingen Informationen, Ansprechpartner und vieles andere mehr zu präsentieren. Die Hoffnung, die wir alle haben, ist, dass diese umfangreiche Informationspalette Nachahmer anregt und vor allen Dingen neue Initiativen hervorruft.

Der Vorteil dieser Bündnisse ist, meine Damen und Herren, dass sie ihre Schwerpunkte auf die konkreten lokalen Probleme und auf ihre eigenen Stärken ausrichten können. Lokale Bündnisse sind – so wird es bezeichnet – die so genannten sozialen Intelligenzverstärker. Sie führen die Kompetenzen und Ideen zusammen, die vor Ort vorhanden sind, sie kennen die Probleme vor Ort und sie können vor allen Dingen die Lösungen vor Ort schaffen.

Gerade diese Kompetenz, meine Damen und Herren, stand auch im Mittelpunkt des Interesses eines vor wenigen Tagen stattgefundenen Gesprächstermins, zu dem ich gemeinsam mit meinem Kollegen Jurk eingeladen hatte. Es waren die Vertreter der Wirtschafts- und Handwerkskammern von Sachsen bei uns im Haus zu Besuch, denn auch mit ihnen gemeinsam wollen wir enger als bisher das Thema „Familie, Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ und die Möglichkeiten, die ein Unternehmen hat, ein familienfreundliches Unternehmen zu werden, besprechen. In diesem Gespräch sind wir unweigerlich auf die Kompetenzen und auf die vor Ort vorhandenen Bündnisse gestoßen, denn sie sind eigentlich diejenigen, die die Informationen von oben nach unten bekommen und vor Ort entsprechend agieren können.

Ich habe mich sehr gefreut, dass alle anwesenden Vertreter selbstverständlich diese Lokalen Bündnisse unterstützen und in ihren Gremien und Mitgliedsverbänden darauf hinwirken werden, dass die weißen Flecken, die wir in Sachsen noch haben, bald nicht mehr vorhanden sein werden, sondern dass – auch auf Initiative der Wirtschaft gemeinsam mit anderen Akteuren vor Ort – ganz Sachsen von Lokalen Bündnissen übersät wird, die sich für familienfreundliche Bedingungen und Möglichkeiten vor Ort einsetzen. Das, meine Damen und Herren, macht die Lokalen Bündnisse nicht nur erfolgreich, sondern es schafft auch Raum für neue familienfreundliche Ideen, und das ist es – ich hoffe, darüber sind wir uns einig –, was wir in Sachsen für unsere Familien brauchen.

Herzlichen Dank für Ihr Interesse.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Gibt es daraufhin noch einmal Aussprachebedarf? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zum Schlusswort. Frau Dr. Schwarz von der SPD spricht für die Koalition.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das mag kein spektakulärer Antrag sein, aber ich denke, die Redebeiträge aus allen Fraktionen haben deutlich gemacht – vielleicht mit Ausnahme der PDS und der NPD –, dass uns dieses Thema wichtig sein muss,

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung – Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion.PDS)

denn das, was vor Ort passiert, muss gewürdigt werden.

Frau Kollegin Herrmann, für mich schließen sich Ehrenamt und Profession nicht unbedingt aus. Natürlich würde man sich noch mehr materielle Unterstützung wünschen.

(Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion.PDS)

Auch darüber müssen wir noch nachdenken. Aber mir hat es schon gefallen, dass die Beispiele, die gebracht wurden und die auch Frau Staatsministerin noch einmal angeführt hat, anregen, mehr zu initiieren. Ich denke, wir können alle ein Stückchen dazu beitragen, vor Ort so etwas zu unterstützen.

Dass Sie, Frau Schüßler, in diesem Zusammenhang von „Schwatzbude“ sprechen, lässt tief blicken.

(Gitta Schüßler, NPD: Das war ein Zitat!)