Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

Unerlässlich für eine funktionierende Lebensmittelkontrolle ist aber auch, dass die vorhandenen Sanktionsmöglichkeiten ausgeschöpft werden.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Sanktionen sollen wirksam, angemessen, aber auch abschreckend sein, so der Tenor des neuen EULebensmittelrechts. Dazu muss der bereits vorhandene Strafrahmen konsequent ausgeschöpft werden. Wenn wir dann zu den bereits bestehenden Möglichkeiten noch die durch das Verbraucherinformationsgesetz künftig gegebenen hinzurechnen, dann ist eigentlich ein hinreichendes Abschreckungspotenzial vorhanden.

Gefordert wird bei der Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit, dass die zuständigen Behörden dem folgen. Verantwortlich für die Sicherheit und Qualität der von ihnen stammenden Erzeugnisse sind vorrangig – das sage ich auch noch einmal ganz deutlich – zunächst die Lebensmittelunternehmer selbst. Sie tragen bei der Kontrolle nach wie vor die Primärverantwortung. Sicher, die Wareneingangskontrollen waren bei den in Rede stehenden tiefgefrorenen Lebensmitteln, die bei den jüngsten Vorkommnissen an sächsische Betriebe geliefert wurden,

schwierig. Sensorische Veränderungen, insbesondere der durch Alterung einsetzende Fettverderb, sind eigentlich erst am aufgetauten Erzeugnis feststellbar. Gleichwohl möchte ich an dieser Stelle auch an die sächsischen Lebensmittelbetriebe appellieren, ihre Eigenkontrollen und hier ganz besonders die Wareneingangskontrollen zu verstärken. Ich habe schon im Januar dieses Jahres eine Allianz der redlichen Lebensmittelunternehmen – Fleischhändler inbegriffen – gefordert. Dieses Bündnis sollte dafür Sorge tragen, dass die schwarzen Schafe der Branche isoliert und geächtet werden. In diesem Sinne werde ich den Dialog mit den Wirtschaftsverbänden und maßgeblichen Unternehmen fortsetzen, um gemeinsam nach Wegen zur Umsetzung der Beschlüsse der Verbraucherschutzministerkonferenz zu suchen.

Meine Damen und Herren! Lebensmittel sind Mittel zum Leben. Sie müssen sicher sein. Genau dies ist die Herausforderung für Unternehmen und Behörden, die als wesentlicher Teil des gesundheitlichen Verbraucherschutzes aber auch eine eigenständige politische Aufgabe mit Vorrang geworden ist.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Frau Schmidt, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es stinkt zum Himmel, nicht nur das vergammelte Fleisch!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Es stinken auch die Machenschaften von Menschen mit krimineller Energie zum Himmel, die Fleisch überlagern, umetikettieren und bewusst überlagert in den Handel bringen, also in die Nahrungskette an den Verbraucher. Da, wo der Verbraucher es an den Ladentheken merken würde, umgehen sie dies und geben es an Gaststätten und Imbissbetriebe. Damit bekommen sie die vergammelte Ware unter Preis noch an den Mann bzw. die Frau. Das stinkt zum Himmel!

Wo müssen wir, da Lebensmittelüberwachung Ländersache ist, ansetzen? – Bei der Kontrolle.

In dem zweijährlich herausgegebenen Verbraucherschutzindex belegt Sachsen im Jahr 2006 den 14. Platz von den 16 Bundesländern. Im Teil Lebensmittelüberwachung dieses Indexes erreichen wir bundesweit das beste Teilergebnis: den 1. Platz.

Die Kontrollierenden, das sind die Lebensmittelkontrolleure, die Tierärzte und die Lebensmittelchemiker vor Ort, die in einem Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramt zusammengefasst sind, haben ein geballtes Mandat, denn sie sind zugleich Fach- und Vollzugsbehörde. Dies ist in Sachsen übrigens schon seit 1990 so.

Von diesen Ämtern wurden in Sachsen 63 192 Betriebe erfasst. Der Anstieg der Betriebe gegenüber dem Bericht des Vorjahres resultiert aus der Zunahme in der Gruppe

der Erzeuger und Einzelhändler. Von diesen Betrieben wurden 49 021 kontrolliert. Das entspricht einer Kontrolldichte von 77,6 %.

In den kontrollierten Betrieben erfolgten 124 967 Kontrollbesuche. Daraus errechnen sich 2,5 Kontrollbesuche je Betrieb.

Die amtliche Kontrolle erfolgte bereits 2005 zunehmend risikoorientiert. Seit April 2006 erfolgt die Kontrolle auf der Grundlage eines bundesweit einheitlichen Konzepts zur risikoorientierten Kontrolle.

Bei 14 685 Kontrollen, das waren 12,6 %, wurden Verstöße festgestellt, die zu amtlichen Maßnahmen führten. Der Schwerpunkt lag wie auch 2005 bei den Hygienemängeln.

In 10 858 Betrieben, das sind 22,1 %, wurden Proben entnommen. Im Ergebnis dieser Untersuchungen wurden 4 726 Verstöße gegen einschlägige lebensmittelrechtliche Bestimmungen festgestellt, die zu behördlichen Maßnahmen führten. Fast jede zweite Beanstandung ging auf nicht rechtskonforme Kennzeichnung zurück, gefolgt von mikrobiologischen Beanstandungen.

Es ist das Anliegen der amtlichen Lebensmittelkontrolle – die Frau Ministerin hat darauf hingewiesen –, nicht 100 % aller Betriebe zu kontrollieren, sondern dies stichprobenartig und risikoorientiert zu tun.

In Sachsen übrigens kommen auf einen Lebensmittelkontrolleur 324 Betriebe. Als Vergleich dazu nenne ich Ihnen: In Hessen kommen 520 Betriebe, in Baden-Württemberg 650 Betriebe und in Rheinland-Pfalz sogar 706 Betriebe auf jeweils einen Lebensmittelkontrolleur.

Das ist, meine Damen und Herren, die Feststellung des Istzustandes. Aus dem aktuellen Fall müssen aber konkrete Schlussfolgerungen gezogen werden. Der Landesinnungsverband des Sächsischen Fleischerhandwerks hat sich ein Leitbild gegeben: erstens die Öffentlichkeit für Qualität aus den Regionen zu sensibilisieren; zweitens den Konsumenten für regionale Vielfalt zu motivieren; drittens den Mehrwert der Produkte aus den Regionen zu honorieren; viertens das Qualitäts- und Regionalitätsbewusstsein zu profilieren und fünftens dem Konsumenten die Vorteile des Handwerks für ihr persönliches Leben zu demonstrieren.

Wenn auch wir diesem Leitbild folgen, können wir eine Wiederholung eines derartigen Vorfalls nahezu ausschließen. In unserer globalen Welt des Marktes kann es sich dabei nicht nur um die Kontrollen in den jeweiligen Bundesländern handeln, sondern hier müssen bundesweite Standards greifen.

Die Ministerin hat in ihren Ausführungen die Schlussfolgerungen für Sachsen schon benannt. Aber, meine Damen und Herren, dies alles ist nicht zum Nulltarif zu haben. Auch hier müssen wir in den vor uns stehenden Haushaltsverhandlungen – –

Bitte zum Schluss kommen.

– das Ziel immer vor Augen haben. Nur so können wir gemeinsam dafür sorgen, dass getreu dem Motto der Lebensmittelkontrolleure „Gesunde Tiere, gesunde Lebensmittel, – –

Bitte zum Schuss kommen!

– gesunde Menschen“ derartige Vorkommnisse der Vergangenheit angehören.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Martin Dulig, SPD)

Ich erteile der SPD das Wort. Frau Dr. Deicke, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem letzten Gammelfleischskandal wurde sehr viel darüber diskutiert, wie man Lebensmittelskandale zukünftig wirksamer bekämpfen kann.

Jeder kann sich noch gut an das Seehofer’sche 10-PunkteProgramm erinnern. Getan hat sich danach offensichtlich nicht sehr viel. Da muss man sich doch fragen, wie vieler Fleischskandale es noch bedarf, um den nötigen Handlungsdruck zu erzeugen.

Auf der am 7. September stattgefundenen Krisensitzung der Verbraucherschutzministerkonferenz hat man sich nunmehr auf ein 13-Punkte-Programm verständigt. Es ist zu hoffen, dass jetzt endlich den bereits wiederholt formulierten Forderungen Taten folgen.

Meine Damen und Herren, uns allen ist klar, dass Lebensmittelsicherheit nicht vor Landes- oder Ländergrenzen haltmacht. Daher ist es wichtig, dass Bund und Länder bei der Umsetzung dieses Programms an einem Strang ziehen und alle Möglichkeiten ausschöpfen, um eine höhere Lebensmittelsicherheit zu erreichen. Die jüngste Schwachstelle, das wissen wir alle, war Bayern. Dort funktionieren offensichtlich die Kontrollmechanismen nicht zufriedenstellend. Auch der Verbraucherschutzindex 2006 offenbarte zum wiederholten Mal erhebliche Defizite bei der Lebensmittelüberwachung.

Erfreulicherweise – und das haben wir heute schon in zwei Beiträgen gehört – ist Sachsen die Nummer 1 bei der Bewertung der Lebensmittelüberwachung der Bundesländer. Sachsen praktiziert bereits viele Vorschläge für einen besseren gesundheitlichen Verbraucherschutz und setzt dabei vor allem auf eine verstärkte Risikokontrolle. Außerdem sind wir Vorreiter, was die Einführung eines einheitlichen Qualitätsmanagementsystems für die Überwachungsbehörden anbelangt. Längst nicht alle Bundesländer haben wie wir einen Notfallplan, um in Krisenzeiten ein klar durchdachtes Handeln zu garantieren.

Trotzdem muss man dieses Ergebnis auch kritisch betrachten. Sachsen erreichte beim Verbraucherschutzindex 2006 nämlich nur 72 % der möglichen Punktzahl. Das bedeutet mit einer Schulnote ausgedrückt „befriedigend“.

Oder anders gesagt: Eigentlich sind wir nur die Einäugigen unter den Blinden.

Nach Einschätzung des Ministeriums ist die Zahl der Kontrolleure ausreichend und die Quote der ermittelten Delikte gut. Auch das muss man relativieren. In einigen Landkreisen ist die Personalausstattung der Lebensmittelüberwachung nicht ausreichend. Damit kann die Lebensmittelkontrolle in Sachsen ihrer Aufgabe eben nicht flächendeckend gerecht werden. Auch wenn die Kontrolldichte auf vergleichsweise hohem Niveau liegt, so ist sie doch leicht rückläufig.

Im Verbraucherschutzindex 2006 liegen wir bei der Einstufung in der Gruppierung 81 bis 90 %. Aktuell – die Zahl haben wir von Frau Schmidt gehört – sind es „nur“ 77,6 %.

Natürlich gibt es viele Vorschläge, wie die Misere besser in den Griff zu bekommen ist. Interessant finde ich zum Beispiel eine Forderung der saarländischen SPD-Fraktion. Sie fordert, dass von den Betrieben durch illegale Machenschaften erzielte Gewinne eingezogen werden und dass dieses Geld zweckgebunden für die personelle Aufstockung der Lebensmittelkontrolle eingesetzt wird.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich einmal aus dem Berliner Koalitionsvertrag zitieren: „Private Eigenkontrollen und Meldepflichten sowie die staatliche Lebensmittelüberwachung und -kontrolle sind entscheidende Instrumente eines effektiven Verbraucherschutzes.“

Einheitliche Standards müssen daher nicht nur für die amtliche Lebensmittelüberwachung, sondern auch für die Eigenkontrolle eingeführt werden. Wer aber über die noch festzulegenden Mindeststandards hinaus mehr tut, der sollte nach unserer Vorstellung durch ein entsprechendes Gütesiegel belohnt werden.

Lebensmittelunternehmen müssen sich der Eigenverantwortung für Sicherheit und Qualität ihrer Erzeugnisse stellen. Das sollte von den für die Lebensmittelkontrolle zuständigen Bundesländern entsprechend unterstützt werden. Sachsen hat mit der im Jahre 2001 ins Leben gerufenen „Allianz für sichere Lebensmittel“ ein bisher in Deutschland einmaliges Instrument zur Stärkung der Eigenverantwortung der Lebensmittelunternehmen begründet. Hierbei geht es vor allem um den Erfahrungsaustausch der Betriebe der sächsischen Fleischwirtschaft.

Bitte zum Schluss kommen!

Dies ist gerade vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung wichtig; denn der Sächsische Jahresbericht belegt, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Beanstandungen bzw. Verstößen auf Unkenntnis der Rechtslage zurückzuführen war.

Bitte zum Schluss kommen!

Noch besser wäre es, wenn man dem Beispiel der Umweltallianz Sachsen folgte, die auf

vertraglichen Vereinbarungen mit der Staatsregierung basiert und so auch den sächsischen Lebensmittelunternehmen einen entsprechenden Wettbewerbsvorteil am Markt verschaffen könnte.