Mit Begriffen wie „Vergreisung der Gesellschaft“, „Pensionslastenwucht“ wird Stimmung gemacht. Frührentner und Pensionäre werden als Belastung der Sozialsysteme verunglimpft und die Wortwahl von Politikern, aber auch Redakteuren bleibt auch in dieser Frage meistens unbeanstandet.
In Zeiten der Propagierung von Ich-AGs ist der demografische Wandel willkommener Anlass zur Erzeugung von massiven Turbulenzen und wir erleben das fast täglich. Gegen europaweite Vergreisung hat jüngst eine Tageszeitung in Deutschland geschrieben: „Alter gilt als Makel, Kinderlosigkeit komischerweise nicht.“
Meine Damen und Herren! Die Politik muss sich der Aufgabe stellen und auch die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, um die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft entsprechend mit zu gestalten. Ich fordere auch namens der Seniorenunion der Sächsischen Union eine Änderung der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung mit dem Ziel, Altersgrenzen grundsätzlich abzuschaffen.
Das betrifft auch, meine Damen und Herren, Rechtsvorschriften. Nach meinen Recherchen gibt es in der Bundesrepublik mindestens 500 Verordnungen mit Altersbegrenzungen, ohne dass man eine Begründung für die Altersbegrenzungen angibt. Wir sollten damit auch nicht warten – Sie haben es schon genannt –, bis die EnqueteKommission zur demografischen Entwicklung, die zwischen den Koalitionspartnern verabredet ist, ihre Empfehlungen vorlegt. Meine Damen und Herren! Ich habe inzwischen in meinem Abgeordnetenbüro zunehmend auch Zuschriften, die ihr Unverständnis über solche Diskriminierung allein wegen des Lebensalters zum Ausdruck bringen.
Ich erinnere, nebenbei gesagt, auch daran, dass die Bundesfamilienministerin, Frau Schmidt, kürzlich angekündigt hat, dass sie die Adoption von Kindern erleichtern will. Wir wissen zum Beispiel, dass vierzigjährige Mütter heute in unserer Gesellschaft keine Seltenheit mehr sind und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften die Adoption von Kindern ja wesentlich erleichtert worden ist. Es ist bis heute Eltern in der Regel nicht gestattet, wenn sie älter als 40 Jahre sind, Kinder zu adoptieren. Das wird in der Regel von den Jugendämtern ebenfalls verweigert. Die Seniorenunion wird deshalb, meine Damen und Herren, beim Bundesverfassungsgericht Klage einreichen, und zwar in diesem umfassenden Sinn und nicht nur wegen der eventuell geringfügigen Änderung von Altersgrenzen. Diskriminierungen aufgrund von Lebensalter sind grundgesetzwidrig. Deshalb geht der Antrag der FDP schon in die richtige Richtung, aber er geht nicht weit genug. Deshalb haben wir diesen Änderungsantrag eingebracht, um diese Frage grundsätzlich auf den Weg zu bringen.
Ich danke für das Plädoyer. Ich frage die Staatsregierung. – Ja, die Staatsregierung will sprechen, Herr Dr. de Maizière.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach diesem grundsätzlichen und nachdenklichen Beitrag des Herrn Jähnichen will ich Sie, Herr Abgeordneter, nur auf eine altersbeschränkende Vorschrift im Grundgesetz hinweisen, die wir ganz in Ihrem Sinne nicht streichen sollten. Es gibt nämlich eine Untergrenze für ein öffentliches Amt, und zwar für das des Bundespräsidenten: Der Bundespräsident darf kein Youngster sein. Da muss man nach meiner Erinnerung 45 Jahre oder älter sein. Das würden Sie sicher unterstützen und nicht kippen wollen. Dann habe ich mir überlegt, meine Damen und Herren, was wohl unser Abg. Weiss und unser ehemaliger Ministerpräsident Biedenkopf im Stillen gedacht haben oder hätten, wenn sie der Debatte gelauscht haben oder hätten. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir als Staatsregierung begrüßen die Anregung insbesondere bei den – ich sage jetzt einmal untechnisch – ehrenamtlich kommunal Engagierten. Da sehe ich auch überhaupt kein Problem. Ich bin auch dankbar, was die hauptamtlichen
Bürgermeister, Landräte usw. angeht, dass es da zunächst nur um einen Prüfauftrag geht, und zwar aus folgendem Grund: Wir bewegen uns hier im Beamtenrecht. Ich würde gern einmal etwas genauer prüfen, welchen Spielraum uns das Beamtenrechtsrahmengesetz lässt, da wir wegen des Scheiterns der Föderalismusreform noch nicht ganz Herr der Dinge im Beamtenrecht sind. Ich würde gern mit den kommunalen Spitzenverbänden über die Fragen reden, die dort noch nicht so eindeutig entschieden sind. Wir haben ja auch eine Vorschrift in der Verfassung, dass wir in den Fragen, bei denen es um kommunale Belange geht, die kommunalen Spitzenverbände vorab beteiligen. Es gibt auch möglicherweise Rückwirkungen im Hinblick auf Versorgungsfragen. Diese Prüfungen würden wir gern aufnehmen, aber, Herr Abg. Friedrich, durchaus in dem Sinne, dass wir der ganzen Sache aufgeschlossen und wohlwollend gegenübertreten und nicht als Prüfung zum Sankt-Nimmerleins-Tag oder als Prüfung, dass man das eigentlich alles gar nicht wollen darf. Also volle Zustimmung bei den Ehrenamtlichen und eine seriöse und aufgeschlossene Prüfung bei den Hauptamtlichen. Das ist das, was ich zum Abschluss dieser Debatte für die Staatsregierung gern erklären möchte.
Danke sehr. – Wir haben jetzt die Gelegenheit für eine zweite Runde der allgemeinen Aussprache. Ich schaue in die Runde: Wo gibt es Redebedarf? – Ich stelle fest: Offensichtlich gibt es keinen. Dann kommen wir zum Schlusswort seitens der FDP-Fraktion. Herr Zastrow, der Vorsitzende der Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lichdi, Herr Friedrich, wenn wir geahnt hätten, dass hier einmal ein FDP-Antrag mehrheitsfähig ist, wären wir vielleicht auch mutiger gewesen. Aber ansonsten denke ich, ein kleiner Schritt ist besser als gar kein Schritt. Ich freue mich vor allem über den Änderungsantrag der Regierungskoalition, weil er, glaube ich, auf die Möglichkeit setzt, noch weiterzugehen, als es unser ursprünglicher Antrag gewollt hat. Ich denke, dass wir damit heute die richtige Diskussion zum richtigen Zeitpunkt angestoßen haben. Man muss eines zur Kenntnis nehmen – das vielleicht zum Schluss –: Unsere Gesellschaft hat sich verändert. Mit 65 gehört man heute eben nicht zum alten Eisen.
Mit 65 stehen die meisten unter uns noch mitten im Leben, erbringen – das kann ich für meine eigene Partei sagen, aber auch für viele Vereine, und in Ihren Parteien wird es ähnlich sein – hervorragende Leistungen und
machen vor allem ehrenamtlich eine richtig wichtige Arbeit. Sie geben ihre Erfahrungen auch an Jüngere weiter. Wenn wir die Älteren, die hier in der Gesellschaft etwas machen, nicht hätten, hätten wir oftmals überhaupt niemanden, der gerade vor Ort in den Kommunen noch etwas tut.
Ich würde vorschlagen, dass Sie diesem Antrag und dem Änderungsantrag zustimmen und wir heute den Weg dafür freimachen, dass mehr Ältere aktiv für unsere Gesellschaft arbeiten können. Danke schön.
Danke schön. – Es besteht sehr viel Übereinstimmung. Trotzdem gibt es erst einmal noch zwei Änderungsanträge. Einmal einen Änderungsantrag der Koalition CDU/SPD. Soll er noch einmal eingebracht werden? – Nein, das ist nicht der Fall. Dann, Herr Lichdi, Ihr Antrag seitens der GRÜNEN. Ich habe Sie vorhin so verstanden, dass Sie darauf verzichten. Habe ich das richtig gehört?
Herr Präsident! Trotz der Unzulänglichkeiten des Koalitionsantrages, der Unzulänglichkeiten des FDP-Antrages und der zugegebenen Unzulänglichkeiten des GRÜNEN-Antrages habe ich jetzt einfach angeregt, dass wir unseren Antrag zurückziehen, uns dem Koalitionsantrag anschließen
und dann die ganze Sache durch die weitere Beratung in den Ausschüssen ein bisschen sauberer hinbekommen. Danke.
Ich danke Ihnen, ich habe Sie also richtig interpretiert. Demzufolge käme ich zu dem Änderungsantrag, dem jetzt quasi noch Beitritt signalisiert worden ist. Wer dem Änderungsantrag in Drucksache 4/0564 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind sehr viele. Ich bitte um die Gegenstimmen. – Das sind keine. Und Stimmenthaltungen? – Das sind einige wenige. Demzufolge ist der Änderungsantrag so angenommen worden. Meine Damen und Herren, damit komme ich zum Originalantrag mit Drucksache 4/0250. Ich bitte Sie, wenn Sie dem Antrag der FDP in der geänderten Form folgen wollen, um Ihr Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenstimmen! – Das sind keine. Und die Enthaltungen! – Gleiches Abstimmungsverhalten wie vor einer Minute. Damit ist die Drucksache 4/0250 beschlossen und der Tagesordnungspunkt 16 beendet. Meine Damen und Herren! Ich komme zum
Selbstverständlich hat die einreichende Fraktion das erste Wort und auch das letzte. Dazwischen folgen die CDU, PDS, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Herr Lichdi von den GRÜNEN, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Bereich des ehemaligen Grenzstreifens ist aufgrund der Absperrung durch die DDR-Grenzanlagen eine einzigartige Flora und Fauna entstanden. Das Grüne Band ist schon bald nach der Wende als länderübergreifender Biotopverbund entstanden. Es ist beabsichtigt, es auf den ganzen ehemaligen Eisernen Vorhang an den Blockgrenzen in Europa auszudehnen. Der Freistaat Sachsen hat sich hier durchaus Verdienste um die Sicherung der Flächen für den Naturschutz erworben. Es besteht ein Schutzkonzept. Es sind Naturschutzgebiete ausgewiesen und der Freistaat hat die Flächen als FFH-Gebiet gemeldet.
Die hohe naturschutzfachliche Bedeutung steht außer Frage. Wie ich aber dem Änderungsantrag der FDP entnehmen kann, hat sie sich offensichtlich an der Erwähnung des Teufelsabbiss-Scheckenfalters – lateinisch Euphydrias aurinia – gestoßen. Offenbar findet sie das lächerlich – ein bisschen lächerlich vielleicht –, weil sie den Schutz dieses Schmetterlings in einen Gegensatz zu ihrem Anliegen einer touristischen Erschließung bringt.
Es handelt sich bei dem Teufelsabbiss-Scheckenfalter um eine FFH-Art nach Anhang 2, die dort einen bundesweiten Verbreitungsschwerpunkt hat. Ich darf Sie aufklären: Es geht auch um den Teufelsabbiss-Scheckenfalter, aber in erster Linie geht es um die Erhaltung der Biodiversität, der biologischen Vielfalt, und den Beitrag, den Sachsen dabei zu leisten hat. Es sieht weltweit durchaus katastrophal um den Erhalt der Biodiversität aus.
Ich möchte hier in dem Hause – auch bei geringer Aufmerksamkeit – nicht darauf verzichten, aus dem Umweltgutachten 2004 zu zitieren. Zitat: „Vorsichtigen Schätzungen zufolge wird der Verlust an Arten im nächsten Jahrhundert eine zweistellige Prozentzahl des globalen Artenbestandes ausmachen.“ Wohlgemerkt eine zweistellige Prozentzahl des gesamten Bestandes! „Bei Fortsetzung des gegenwärtigen Trends könnte in absehbarer Zukunft ein Sechstel bis ein Viertel aller Spezies ausgerottet worden sein.“
Das Thema ist also weitaus ernster. Daher ist aus unserer Sicht schnelles Handeln erforderlich. Der Bund hat den Ländern bereits am 17. Juni 2003, also vor nunmehr anderthalb Jahren, die unentgeltliche Eigentumsübertragung dieser Flächen angeboten. Leider hat Sachsen dieses Angebot bisher nicht angenommen. Ich weiß nicht, wo es hier klemmt.
Unser Antrag soll der Staatsregierung Beine machen; sie sollte doch in der Lage sein, Geschenke anzunehmen. Unser Bundestagsabgeordneter Peter Hettlich hat den Herrn Ministerpräsidenten bereits dazu angeschrieben.
Ich freue mich, dass die FDP-Fraktion den Antrag in seiner Grundansicht offensichtlich doch unterstützt. Sie erweisen sich damit durchaus klüger als Ihre Bundestagsfraktion, die noch in der letzten Sitzung des Bundestages im Jahre 2004 dieses Anliegen als einzige Fraktion im Bundestag abgelehnt hat.
Ansonsten können wir dem Ergänzungsantrag der FDP durchaus zustimmen. Eine touristische Erschließung durch Rad- und Wanderwege und die besondere Bewerbung als Denkmal der deutschen Teilung finden auch wir gut und richtig. Ich bitte daher um breite Zustimmung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Menschen verbinden mit dem Synonym Grünes Band noch die Werbung „Mit dem grünen Band der Sympathie“. Es geht heute jedoch nicht um Werbung für oder Zahlungen von Geldinstituten, sondern um einen grünen Streifen entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Dieser Streifen hat sich durch den rigorosen Schutz des DDR-Systems – das heißt, unberechtigtes Betreten wurde mit der Todesstrafe geahndet – zu einem naturschutzfachlichen Kleinod entwickelt. Wir sollten nicht nur dafür Sorge tragen, dass in diesem Kleinod der Teufelsabbiss-Scheckenfalter sein Refugium behält, sondern dass dieses Refugium zum Beispiel auch vor Bos Taurus geschützt wird, wie auch Bos Taurus generell in manchen Gebieten weniger verbreitet sein sollte. Bos Taurus zu Deutsch: das gewöhnliche Hausrind oder auf vogtländisch: das Rindviech. Dieses Kleinod besteht mittlerweile aus 564 Hektar in acht Naturschutzgebieten, 161 Hektar in drei geschützten Landschaftsbestandteilen, acht Hektar in zwei Flächennaturdenkmalen und zusätzlich gesichert durch ein FFHGebiet. Diese naturschutzrechtlichen Fakten liegen alle auf sächsischem Gebiet und ich denke, auch ohne besondere Begleitung der Fraktion der GRÜNEN wurde bisher durch die Staatsregierung und die kommunalen Gebietskörperschaften alles getan, was ökologisch notwendig und sinnvoll zum Schutz dieses wichtigen Stückes Natur war.
Wie Sie von den GRÜNEN richtig feststellen, eine ziemlich beeindruckende Angelegenheit, auch wenn die meisten DDR-Bürger verständlicherweise auf diese Art der Entstehung gern verzichtet hätten. Ich denke, es gibt bis hierher überhaupt keine Meinungsverschiedenheiten.
Anders verhält es sich dagegen mit Ihrer Forderung, unverzüglich dem Angebot von Bundesfinanzminister
Eichel zuzustimmen, alle Mauergrundstücke schnellstmöglich unentgeltlich zu übertragen. Grundsätzlich haben wir nichts dagegen, wenn es sich um naturschutzrechtlich relevante Flächen handelt. In Berlin handelt es sich aber gerade nicht um solche Flächen. Vielmehr sind dies teilweise sehr wertvolle Bauflächen und insoweit nicht ohne weiteres zu übertragen. Darüber hinaus fehlen bis heute Angaben des Landes Berlin zur Größe der Flächen. Auch eine Wertermittlung wurde bisher aus gutem Grund noch nicht vorgenommen. Im Übrigen bin ich persönlich der Meinung, dass die Sachsen sich zu jeder Zeit überproportional am Aufbau der Stadt Berlin beteiligt haben und dass das Engagement diesbezüglich nicht unbedingt weiter verstärkt werden muss.
Es gibt stattdessen einen Vorschlag aus Sachsen, der vorsieht, dass alle innerstädtischen Berliner Flächen aus der unentgeltlichen Übertragung herausgenommen werden und danach die Übertragung erfolgen kann. Die Berliner Stadtflächen könnten danach vermarktet und jedem neuen Bundesland entsprechend dem nach Mauergesetz zugewiesenen Schlüssel der jeweilige Anteil ausgezahlt werden.