Das ausgegebene Geld wird also schon von der Konstruktion der Förderrichtlinie her den vorgeblich angestrebten Zweck nicht erfüllen können. Zudem ist zu hören, dass sich insgesamt nur zehn Kommunen in Sachsen bewerben können, mehr nicht. Ich frage mich, was das für ein Blödsinn ist! Es werden wieder nur einige Vorzeigeprojekte installiert und der Rest wird fallen gelassen.
Zweitens. Das Bundesprogramm ist ungeeignet, weil damit nur Projekte für Jugendliche gefördert werden sollen. Ich empfinde das als absurd. Das ist ein Rückfall in die Zeit Anfang der Neunzigerjahre, als nach den Pogromen und Ausschreitungen in Rostock und Hoyerswerda ein bundesstaatliches Jugendprogramm mit viel Geld installiert wurde, das dann von den Neonazis gekapert wurde, weil vor Ort die fachliche Betreuung fehlte.
Meine Damen und Herren! Wenn die Diskussion der letzten zehn Jahre etwas gebracht hat, dann ist es die Erkenntnis, dass die Schwäche demokratischen Denkens und Handelns eben kein Jugendproblem ist, sondern bis in die „Mitte der Gesellschaft“ reicht, wie die Formel lautet. Wenn dem so ist, dass eine Forderung aus haushaltsrechtlichen Gründen nur mit der Jugendausrichtung des Programms möglich sein sollte, dann darf sich die Bundesregierung nicht hinstellen und behaupten, sie würde die Förderung der demokratischen Zivilgesellschaft in Ostdeutschland aufrechterhalten. Das ist nicht der Fall. Die bisherige Planung von Frau von der Leyen ist ein Abbruchprogramm für die erfolgreichen Initiativen in Ostdeutschland.
Anlass des Antrages der PDS, dem wir natürlich zustimmen werden, ist unser Ergänzungsantrag dieses Jahres, den der Landtag angenommen hat. Darin forderten wir die Staatsregierung auf, sich bei der Bundesregierung für den Erhalt der Bundesprogramme einzusetzen. Wir haben dazu nicht viel bis gar nichts gehört.
So waren wir darauf angewiesen, den Versprechungen mancher Kollegen der SPD zu lauschen, die versicherten,
dass ein Abbruch der Strukturprojekte in Sachsen – sei es im Rahmen der Bundesprogramme oder einer gesonderten Förderung – verhindert werden würde. Diese Versprechungen haben sich bis jetzt als leer erwiesen. Ich sage ganz deutlich, dass die Glaubwürdigkeit der SPD in dieser Frage deutlich auf dem Spiel steht. Herr Dulig, wenn Sie gerade in dieser Debatte wieder von Signalen gesprochen haben, würde ich Ihnen ja gern glauben. Aber seit wie vielen Monaten sprechen Sie und Ihre Kollegen von positiven Signalen? Bis heute liegt nichts auf dem Tisch!
Wir haben bis jetzt nur die Zusage von Frau von der Leyen in der Hand, die die Strukturprojekte für ein halbes Jahr verlängert, mehr nicht. Hier liegt der Verdacht doch mehr als nahe, dass die Bundesregierung nur dem Aufreger über den Einzug der NPD in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ausweichen wollte, um die Projekte Mitte 2007 umso heimlicher sterben lassen zu können.
Meine Damen und Herren! Aus sächsischer Sicht lautet doch die Kernfrage: Warum sollten wir uns die in Sachsen in jahrelanger Arbeit erworbene Kompetenz und Qualität vom Bund zerschießen lassen? Wer soll die Gemeinden, die jetzt die Anträge stellen, beraten und die fachliche Kompetenz zur Verfügung stellen? Dass die Initiativen in Sachsen erfolgreich arbeiten, ist offensichtlich. Ich bin Kollegen Rohwer ausdrücklich dankbar, dass er dies deutlich bestätigt hat. Dennoch – ich denke, das ist unstreitig – müssen sich die Initiativen der öffentlichen Debatte stellen. Wir wissen, dass kein Projekt eine Ewigkeitsgarantie genießen kann und sich jedes Projekt kritische Fragen gefallen lassen muss. Ich bin mir sicher, dass das die Projekte selbst wollen. Die wissenschaftliche Evaluierung des Landesprogramms zur weltoffenen Toleranz wird im Dezember vorliegen. Ich bin sicher, dass sie den geförderten Initiativen und vor allem den Strukturprojekten eine professionelle und erfolgreiche Arbeit bescheinigen wird.
Ich fordere die Staatsregierung, insbesondere den verantwortlichen Leiter der Staatskanzlei, Herrn Staatsminister Winkler, auf, die Ergebnisse in geeigneter Weise zu veröffentlichen und gemeinsam mit dem Beirat eine breit angelegte Konferenz zu den Ergebnissen zu veranstalten, um der Öffentlichkeit und der Wissenschaft kritische und weiterführende Anfragen zu ermöglichen. Dafür steht aus unserer Sicht im Öffentlichkeitsetat genügend Geld zur Verfügung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über die Erhaltung der Projekte
gegen Rechtsextremismus. Dabei möchte ich Ihnen verdeutlichen, warum wir diese in vollem Umfang weiterhin brauchen.
Wir haben schon mehrfach gehört, dass wir, wenn wir von diesen Projekten reden, in erster Linie von den Opferberatungsstellen, den mobilen Beratungsteams und den Netzwerkstellen sprechen. Beim Betrachten der Statistiken der Polizeidirektion Oberlausitz/Niederschlesien ist mir etwas aufgefallen: Es erscheint dort im ersten Halbjahr 2006 keine Körperverletzung im Phänomenbereich politisch motivierter Kriminalität von rechts.
Ich hätte gern Herrn Buttolo gebeten, noch einmal nachzuschauen; denn mir sind andere Zahlen und Ereignisse bekannt, zum Beispiel am 12. Februar 2006 in Großpostwitz oder am 26. März in Görlitz. Ich hätte ihn gern gebeten, sich zu erkundigen, was an diesen Tagen passiert ist.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Es geht mir nicht um Details, Einzelfälle oder Zahlenstreitereien. In einer Pressemitteilung der Beratungsstellen für die Opfer rechtsextremer Straf- und Gewalttaten für das erste Halbjahr 2006 werden in Sachsen 81 Fälle bekannt gemacht. Die Beratungsstellen schreiben, dass es sich in 90 % dieser Fälle um Körperverletzungsdelikte handelt. Das ergibt eine Zahl von 73 Delikten mit Körperverletzung.
Die Angaben, die meine Kollegin Kerstin Köditz mittels Kleiner Anfragen von Herrn Innenminister erhalten hat, sehen aber anders aus. Der Staatsregierung sind im ersten Halbjahr 2006 nur 38 Delikte mit Körperverletzung in diesem Phänomenbereich bekannt. 73 und 38 Delikte – das ist ein deutlicher Unterschied. Ein nicht unwesentlicher Grund dieser Verschiebung in den Zahlen ist, dass sich viele Betroffene rechter Gewalt gar nicht erst an die Polizei wenden und es somit nicht zu einer Anzeige kommt.
Wenn die Förderung der Beratungsstellen für die Opfer rechter Gewalt wegfällt, bleibt nur noch der Weiße Ring als letzte Hoffnung für die Geschädigten. Ich weiß die Arbeit des Weißen Ringes sehr wohl zu schätzen, aber die Leute arbeiten ehrenamtlich, sie sind oftmals nicht spezialisiert, sie sind vielerorts mit den Problemen der Opfer häuslicher Gewalt schon mehr als genug beschäftigt und sollen nun noch die Opfer rechtsextremer Gewalt auffangen. Ich denke, meine Damen und Herren, das ist nicht leistbar.
Im Zuge der Debatten um die Projekte von Rechtsextremismus wird darüber nachgedacht, die Mittel künftig den Kommunen zur Verfügung zu stellen. Das ist von den Kollegen hier schon angesprochen wurden. An dieser Stelle möchte ich Herrn Heitmeyer zitieren, der im Interview von „Spiegel Online“ am 26. September 2006
gesagt hat: „Lokale Politiker dürfen nicht allein entscheiden, denn Zivilgesellschaft funktioniert anders als Verwaltung. Verwaltungen verwalten, Initiativen müssen aufrütteln.“
Es gibt eine Informationspflicht seitens der sächsischen Kommunen gegenüber dem Verfassungsschutz. Beim Durchsehen des Verfassungsschutzberichtes habe ich mich allerdings an einigen Stellen gefragt, wie viele Informationen von den Kommunen bzw. auf Ersuchen des Verfassungsschutzes denn bei ebendiesem angekommen sind. Dies ist im Verfassungsschutzgesetz des Freistaates Sachsen in den Artikeln 10 und 11 geregelt. Ich bezweifle, dass dieses Informationssystem funktioniert.
Das hat viele Ursachen. Zwei, meines Erachtens sehr grundlegende, möchte ich hier nennen. Es ist ebenfalls von den Kollegen Dulig und Lichdi angesprochen worden, wofür ich mich an dieser Stelle bedanken möchte. Die zwei Gründe sind: Erstens. Sind die Kommunen wirklich in der Lage, die Probleme vor Ort zu erkennen? Zweitens. Wollen die Kommunen die Probleme überhaupt erkennen?
An dieser Stelle möchte ich noch einmal Herrn Heitmeyer zitieren: „Auch manche demokratischen Politiker sorgen sich immer noch mehr um das Image ihrer Kommune als um eine wirkliche Intervention.“
Die für uns entscheidende Frage lautet: Kann in einem solchen Fall eine Kommune die Mittel beantragen, um den Problemen der rechten Gewalt entgegenzuwirken? Unsere Antwort lautet: nein. Es ist auffällig, dass viele Kommunen eben erst bei Straftaten oder entsprechenden Wahlergebnissen reagieren. Die Gefahr für die Demokratie aber lässt sich nicht auf diese Punkte reduzieren.
Ich möchte noch weiter gehen und das tun, was Herr Lichdi nicht getan hat. Ich möchte konkrete Beispiele von Kommunen aufzeigen. In Wurzen wird zum Beispiel derzeit über einen Fernsehbeitrag des MDR gestritten. Die Stadt beschuldigt einen Vertreter des NDK Wurzen, die Stadt wieder einmal mit Äußerungen über das Problem mit Rechtsextremisten vor Ort in Verruf gebracht zu haben. Auf der anderen Seite sucht man aber vergeblich nach einer Erklärung oder anderen Zeichen des Agierens seitens der Stadträte oder des Oberbürgermeisters, zum Beispiel in Bezug auf den Naziversandhandel „Front Records“, der in Wurzen ansässig ist.
In Großenhain wird ein Jugendklub überfallen. Dort werden die Opfer sogar zu Tätern gemacht und wird zunächst die Durchführung kommender Veranstaltungen des Conny-Wessmann-Hauses untersagt.
In Meerane sind die Verhältnisse noch schlimmer. Dort gibt es seit Monaten Bedrohungen und Übergriffe auf Abgeordnete, auf Stadträte und den Oberbürgermeister.
Ich finde es sehr schade, dass der Herr Ministerpräsident nicht anwesend ist. Er war unter anderem am Mittwoch zur Eröffnung der Ausstellung „Tödliche Medizin“ im Hygiene-Museum. Bei dieser Schau handelt es sich ja um die Euthanasie im Dritten Reich. Ich hätte den Herrn Ministerpräsidenten gern gefragt, ob ihm bekannt ist, dass auch in Bezug auf den Meeraner Stadtrat Uwe Adamczyk in Nazi-Internetforen das sogenannte E-Programm der Nationalsozialisten glorifiziert und wieder herbeigewünscht wird. Das ist pervers, aber es ist die Realität in Sachsen und in Deutschland.
Ich habe noch ein letztes Beispiel: Delitzsch. Dort wird betont, dass dies der einzige Landkreis ohne NPDKreisverband ist.
Aber wenn man sich auf den alljährlich wiederkehrenden Demonstrationen des Herrn Worch umschaut, dann stellt man schnell fest, dass ein Großteil der Teilnehmer dieser Demonstration auch von vor Ort ist.
So könnte ich diese Liste sicher noch ein ganzes Stück fortsetzen, aber ich möchte meinen Fraktionskolleginnen und -kollegen für die kommenden Tagesordnungspunkte etwas Redezeit übrig lassen. Ich hoffe aber, dass Ihnen aus diesen angeführten Gründen ersichtlich wird, wie wichtig die weitere Förderung der Strukturprojekte gegen Rechtsextremismus ist, wie wichtig es ist, dass diese weiterhin ihre gute Arbeit fortsetzen können, und das mit Kontinuität und Sicherheit. Deshalb bitte ich Sie eindringlich, unserem Antrag zuzustimmen.
Mir liegen keine Wortmeldungen aus den Fraktionen mehr vor. Wünscht dennoch jemand zu sprechen? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung. Frau Ministerin Orosz.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Sächsische Staatsregierung unterstützt ausdrücklich die weitere Gewährung von Bundesmitteln zur Unterstützung von Projekten gegen Rechtsextremismus. Allerdings muss man im Blick behalten, was tatsächlich vonseiten der Staatsregierung machbar ist. Es liegt schlichtweg außerhalb der Kompetenz der Sächsischen Staatsregierung, über die Höhe von Bundesfördermitteln für Dritte zu befinden.
Der Antrag hat allerdings eine wichtige inhaltliche Komponente, denn er fordert zum wiederholten Male auf, über
die Umsetzung des Beschlusses in der Drucksache 4/5398 zu berichten. Ich weise darauf hin, dass das die Staatsregierung mit dem Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 18.05.2006 bereits getan hat.
Zwischenzeitlich wurde das geplante Bundesprogramm zur Förderung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie fachlich und inhaltlich weiterentwickelt. Entsprechende Gespräche mit den Vertretern der Länder – das sei hier erwähnt – finden auf Arbeitsebene in den nächsten Tagen statt. Nach der Fertigstellung des Programmkonzeptes wird der Bund seinerseits an die Öffentlichkeit treten.
Bezüglich der sogenannten Strukturprojekte plant das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nach meinen Informationen nunmehr, die Förderung im Rahmen einer Weiterführung des CivitasProgramms vorerst bis Mitte des nächsten Jahres fortzusetzen, sich aber darüber hinaus noch einmal zur Weiterführung zu verständigen. Dies entspricht dem sächsischen Interesse und verhindert ein abruptes Ende der betreffenden Projekte. Dazu habe ich auch mit Frau Bundesministerin von der Leyen bei ihrem Besuch in Dresden gesprochen. Sie hat zugesichert, dass derzeit auf Bundesebene eine dauerhafte Lösung diskutiert wird.