Protokoll der Sitzung vom 16.11.2006

Verantwortungsvolle Berufsorientierung muss sich stärker an tatsächlichen Beschäftigungschancen als an überkommenen Klischees orientieren.

Damit bin ich schon beim EFRE-Schwerpunkt: Stärkung von Innovation, Wissenschaft, Forschung und Bildung. Wir begrüßen die Aufstockung dieses Blocks vor allem für die gute Dotierung der Forschungs- und Entwicklungsprojekte in der Technologieförderung. Das schafft finanzielle Planungssicherheit. Forschung und Innovation kosten Geld, und hier ist es gut angelegt. Entscheidend ist für uns, dass die Forschungsergebnisse nicht in Schubladen verstauben oder irgendwo in der Welt in neue Produkte umgesetzt werden, sondern dass dies bei uns in Sachsen und in Deutschland geschieht.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Hier gilt es weiterzuarbeiten. Stichwort Technologietransfer, Vermarktung von Forschung und Innovation.

Doch nicht nur die Produkte müssen innovativ sein, wenn wir erfolgreich sein wollen, sondern auch die Forscher selbst. Gezielte Nachwuchsförderung gerade in den Wachstumsbranchen unserer Wirtschaft ist daher unverzichtbar. Da schließt sich dann wieder der Kreis zur bereits erwähnten Reform der gymnasialen Oberstufe.

Insgesamt erscheint uns die von der Staatsregierung vorgeschlagene Gewichtung der einzelnen Schwerpunkte

und Maßnahmen im EFRE als sinnvoll und geeignet, die bestehende Strukturschwäche weiter abzubauen, damit Sachsen den Anschluss an die westlichen Bundesländer finden und seine beste Position im Osten weiter ausbauen kann.

Was den ESF betrifft, so will ich mich kurzhalten – einfach deshalb, weil uns hierzu erst seit Kurzem einige Informationen vorliegen. Teilweise finden sich in den Einzelplänen zum Doppelhaushalt bereits Hinweise, wofür die ESF-Mittel eingesetzt werden sollen, zum Beispiel im Einzelplan des Kultusministeriums: flächendeckende Einführung des Berufswahlpasses, Verbesserung der Berufsorientierung und der Ausbildungsfähigkeit, Abschluss gefährdeter Hauptschüler, Auslandspraktika für Berufsfachschüler. Das sind konkrete Maßnahmen, die den Einstieg unserer jungen Menschen ins Berufsleben erheblich fördern. Hierzu soll der ESF einen wertvollen Beitrag leisten und das unterstützen – was wir aus voller Überzeugung tun.

An entsprechende Anträge aus der Vergangenheit darf ich in diesem Zusammenhang erinnern. Vom Entwurf des Operationellen Programms für den ESF erwarten wir einen hinreichenden Überblick über den gesamten Einsatzbereich des ESF. Er wurde uns in den vergangenen Tagen zugeleitet. Als Wirtschaftspolitiker liegt mir dabei die Verzahnung mit den übrigen Arbeitsmarktförderungsmaßnahmen von Bund und Freistaat besonders am Herzen.

Meine Damen und Herren, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der EU-Förderung für den kommenden, aber auch für die späteren Haushalte ist es uns wichtig, die Einbindung der im Doppelhaushalt veranschlagten Jahresscheiben in das größere Ganze der EU-Förderung deutlich werden zu lassen. Deshalb schlagen wir Ihnen vor, den Antrag am Ende dieser Debatte zur weiteren Beratung an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen und diese zeitgleich mit den abschließenden Beratungen zum Doppelhaushalt durchzuführen. Wir halten es für sinnvoll, bei der Beratung der jeweiligen Einzelpläne auch über die europäische Dimension des Haushaltes zu beraten. Das ist sicher in unser aller Interesse. Dies wird die Qualität der anstehenden Haushaltsberatungen positiv beeinflussen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. – Herr Abg. Pecher, Sie sprechen für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen, auch zur fortgeschrittenen Stunde: Was sind nun die Ausgangspunkte für diese neue Förderperiode? Es geht um die Fortführung der LissabonStrategie, die bekanntermaßen in 2005 evaluiert wurde. Nun hat man festgestellt, dass man nicht so recht von der Stelle gekommen ist.

Ausgehend von über 50 Initiativen hat sich nun die Kommission verstärkt auf Mehrwert konzentriert, auf Schlüsselmaßnahmen, Unterstützung von Wissen und Innovation in Europa, Verbesserung und Vereinfachung des Regelungsumfeldes für Unternehmen, die Vollendung des Binnenmarktes – das ist zurzeit auf einem vernünftigen Weg –, die Beseitigung von Hindernissen für die Mobilität in den Bereichen Transport etc. – acht Schwerpunktmaßnahmen. Daraus abgeleitet wurden praktisch vier Schwerpunktbereiche: mehr Investitionen in Bildung und Forschung, mehr Unterstützung für kleine und mittlere Betriebe und höhere Beschäftigungsraten und dazu eine gemeinsame Energiepolitik.

Das führte dazu, dass insbesondere die Verordnungen zu EFRE, ESF und ELER geändert und angepasst, im Wesentlichen auch vereinfacht und neu ausgerichtet wurden. So gibt es jetzt statt der alten Ziele I, II und III die neuen Ziele Konvergenz, regionale Wettbewerbsfähigkeit und territoriale Zusammenarbeit. Beim ESF zum Beispiel macht es sich bemerkbar, dass dort ebensolche Dinge auftauchen wie Erleichterung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für benachteiligte Menschen oder Förderung von Partnerschaften zwecks Reform in den Bereichen Beschäftigung und Integration.

Aus diesem Grund sind die Punkte 1 und 2 dieses Antrages ausgesprochen sinnvoll und es ist wichtig, dass die Staatsregierung dazu ihre Schwerpunkte und die Baustellen noch einmal darlegt.

Der Punkt 3 hat natürlich schon für einen gewissen Wirbel gesorgt. Ich denke einmal, dass die letzte Diskussion gestern gezeigt hat, wo ein Antrag zum OP ESF gebracht wurde. Dieser zeigt eigentlich, wie wichtig es ist, dass diese OPs jetzt da sind und besprochen werden können, denn man kann nicht einfach losgelöst in diese Strategien hinein einzelne Bausteine einbauen. Vor allem wenn man sich einmal das Verfahren anschaut, was dahintersteckt, werden praktisch das gemeinschaftliche Förderkonzept und die einheitliche Programmplanung entwickelt. Dann geht es praktisch in die Erarbeitung der Operationellen Programme – sie liegen ja jetzt vor; das sind einige hundert Seiten starke Dokumente.

Diese werden eingereicht. Dann entscheidet die Kommission darüber.

An dieser Stelle sei angemerkt: Die Kommission muss Hunderte Operationelle Programme bearbeiten. Es ist nicht damit zu rechnen, dass vor Ablauf von vier, fünf oder sechs Monaten die entsprechenden Entscheidungen fallen und ein Mittelabfluss in Gang kommt. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, nachdem das Operationelle Programm von der Kommission bestätigt worden ist, entsprechende Ergänzungen zu Programmplanungen, zum Beispiel einen fortgeschrittenen Dialog innerhalb eines Landes, einzureichen, die nicht einmal eine formelle Genehmigung brauchen.

Die Mitgliedsstaaten legen die einzelnen Sektoren fest. Die Operationellen Programme werden erstellt und untersetzt. Das Ergebnis liegt jetzt vor. Das Operationelle

Programm für EFRE liegt seit dem 20. Oktober vor und hat ein Volumen von 3,1 Milliarden Euro. Das Operationelle Programm für den ESF liegt seit gestern vor und hat ein Volumen von 872 Millionen Euro. Das ELER – es kommt in der Debatte häufig zu kurz – liegt seit dem 10. November mit rund 1,2 Milliarden Euro vor.

Ich freue mich auf eine spannende Diskussion darüber, welche strategischen Ausrichtungen in den Operationellen Programmen noch zu ändern sind. Im Zuge der Haushaltsdiskussion kann sicherlich noch die eine oder andere Anregung einfließen. Aber auch darüber hinaus sind Vorschläge möglich, da es sich um eine siebenjährige Programmplanung handelt. Zu diesem Diskurs lade ich recht herzlich ein.

Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Danke schön. – Für die Linksfraktion.PDS spricht Frau Mattern.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalition möchte wissen, welche geänderten Rahmenbedingungen für die neue Förderperiode der Europäischen Union von 2007 bis 2013 gesetzt sind. SPD und CDU möchten die Eckpunkte für die drei Strukturfonds von der Staatsregierung vorgelegt bekommen. Das, meine Damen und Herren, ist nicht nur reichlich spät; es ist zu spät.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Weil dem so ist, musste SPD-Wirtschaftsminister Jurk in der letzten Ausschusssitzung spüren, wie recht Michail Gorbatschow hatte, als er sagte, dass derjenige vom Leben bestraft werde, der zu spät kommt.

(Beifall bei der FDP)

Da Sie es nicht schafften, die aktuellen Entwürfe der Operationellen Programme dem Ausschuss vorzulegen, mussten Sie und Ihre Mitarbeiter zu einer Sondersitzung antanzen. Diese Sondersitzung zum Haushalt des Wirtschaftsministeriums ist einmalig in der Geschichte des Landtages. Nicht einmal Ihre eigenen Kollegen, Herr Pecher und Herr Brangs, wollten Ihnen diese Blamage ersparen.

Nicht bestraft allerdings wurde Landwirtschaftsminister Tillich; denn er hat das Landwirtschaftsprogramm ELER nicht nur ausgearbeitet, sondern auch schon in Brüssel eingereicht. Insofern muss ich ihm bestätigen: Er hat das Klassenziel erreicht. Aber wie Sie wissen, gebe ich hier – bildlich gesprochen – nur ein Fach, nämlich Haushalts- und Finanzpolitik. Insofern möchte ich mich davor hüten, die vorhin geäußerte Kritik der fachpolitischen Sprecher zu relativieren. Aber in diesem Falle sieht man sehr deutlich den Unterschied, Herr Jurk: Das Handeln von Herrn Tillich weist aus, dass es auch anders geht.

Meine Damen und Herren von der Koalition! Über die Diskussion von Eckpunkten, wie Sie es im Antrag formulieren, ist die Zeit allerdings hinweggegangen. Wir sind längst einen Schritt weiter. Das betrifft auch EFRE und ESF. Beide Operationellen Programme sind zwar noch nicht in Brüssel eingereicht worden, liegen aber inzwischen in Programmform vor.

Das Ihnen gestern im Plenum dargestellte Desaster beim ESF und das diesbezügliche Totalversagen des Wirtschaftsministers ändern nichts an der Tatsache, dass eine Diskussion über Eckpunkte ein völlig an der Zeit vorbeigehendes Verlangen der Koalition ist. Das hätten Sie haben können, wenn Sie einem einzigen Antrag der Linksfraktion.PDS oder der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom Frühjahr dieses Jahres gefolgt wären. Aber das wollten Sie nicht.

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion.PDS)

Jetzt muss man konstatieren: Die Messen sind gesungen. In kürzester Zeit müssen die Operationellen Programme bei der Bundesregierung vorliegen. Das Parlament hat keine Möglichkeit, sich einzubringen. Das haben Sie von CDU und SPD verhindert, als Sie im Frühjahr hier jeden unserer Versuche abgeschmettert haben. Aber auch dann wäre es äußerst schwer gewesen, auf gleicher Augenhöhe mitzubestimmen. Kein einziges parlamentarisches Gremium kann über irgendeinen Teil der Operationellen Programme abstimmen. Das macht die Exekutive allein. Ich sage es ganz offen: Ich halte das für ein großes Demokratieproblem.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Staatsminister Thomas Jurk: Das ist nirgendwo anders! Nennen Sie mir ein Land, wo es anders ist!)

Überall ist diese Art und Weise, das Parlament auszuschließen, vorgesehen. Wenn Sie mich direkt ansprechen, Herr Jurk, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass bereits im Frühjahr letzten Jahres der damals in MecklenburgVorpommern zuständige Minister, Helmut Holter, mit den Eckpunkten in das Parlament in Schwerin gegangen ist und mit den Abgeordneten darüber debattiert hat, welcher Konsens insoweit hergestellt werden kann. Von Ihnen ist mir so etwas nicht bekannt geworden, ganz zu schweigen von den Zeitabläufen, die ich auch benannt habe.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

Unsere Staatsregierung hatte nicht vorgesehen, das Parlament zu beteiligen. Erst nach Protest durch uns und andere Oppositionsfraktionen – die FDP nicht zu vergessen – wurde die bestehende Pflicht der Regierung auf Zuleitung der Entwürfe des Operationellen Programms zum ESF und dessen Beratung im zuständigen Wirtschaftsausschuss durchgesetzt. Anders lief es beim ELER und beim ESF, die zumindest rechtzeitig veröffentlicht worden sind.

(Staatsminister Thomas Jurk: Sie meinen EFRE?)

Habe ich „ESF“ gesagt? Pardon. Ich habe „EFRE“ und „ELER“ gemeint.

Dennoch ist der parlamentarische Einfluss weiterhin viel zu gering. Die Beratungszeit ist zu kurz und eine gründliche Mitsprache faktisch unmöglich. Überhaupt ist nur eine Mitsprache, keine Mitentscheidung vorgesehen.

Nach dem Beschluss im Kabinett besteht überhaupt keine Einflussmöglichkeit für das Parlament mehr, obwohl das angebliche Kronjuwel der parlamentarischen Arbeit, der Haushalt, betroffen ist. Aus der Planung der Operationellen Programme wird das Parlament gänzlich herausgehalten. Damit wird jedoch nicht nur der Landtag degradiert, sondern es wird auch wertvolle Kompetenz bei der Ausgestaltung der Strukturfonds verschenkt. Auf der Strecke bleibt am Ende eine adäquate und ernsthafte Haushaltsdebatte. Wie soll eine Fraktion passfähige Änderungsanträge zum Haushalt des Wirtschaftsministeriums einbringen, wenn die beiden wesentlichen Operationellen Programme EFRE und ESF nicht rechtzeitig und nicht in unterschriftsreifer Form vorliegen?

Das könnte nur dann funktionieren, wenn das Parlament in die Belange der Planung einbezogen würde, wenn es ein echtes Vertrauensverhältnis zwischen Wirtschaftsministerium und Ausschuss gäbe, dass das, was vereinbart worden ist, eingehalten wird. Das würde nur dann funktionieren, wenn man sich sicher sein könnte, dass im SMWA nicht hinter dem Rücken der Parlamentarier alles über den Haufen geworfen und nach Gutdünken verändert wird. Das würde bedeuten, dass es einen heißen Draht zwischen Ministerium und Parlamentsausschuss gäbe, dass man sich kennt und berechenbar bleibt, dass man offen und ehrlich miteinander umgeht. Das alles, Herr Jurk, existiert nicht.

(Staatsminister Thomas Jurk: Das stimmt doch nicht!)

Herr Jurk, Sie haben nie versucht, ein solches Verhältnis herzustellen. Sie fallen in dieser Frage meilenweit hinter Ihre Vorgänger von der CDU zurück. Das ist der Grund für Ihre tragische Situation. Niemand springt Ihnen bei, wenn Sie Termine nicht einhalten und Zusagen nur widerwillig erfüllen. So nimmt die Zahl der Parlamentarier hier im Landtag ab, die mit Ihnen solidarisch umgehen. Daran, Herr Jurk, kann ich nichts ändern. Ich kann Ihnen nur ans Herz legen, einmal darüber nachzudenken.

Meine Damen und Herren! Den drei Strukturfonds der Europäischen Union kommt beim Aufbau Ost eine zentrale Rolle zu. So standen in der laufenden Förderperiode 2000 bis 2006 für Ostdeutschland 21,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Für EFRE und ESF waren es 17,2 Milliarden Euro. Diese Milliarden geben den ostdeutschen Bundesländern die Möglichkeit, eigenständige struktur- und beschäftigungspolitische Strategien zu verfolgen. Sachsen hat dabei frappierende Fehler begangen. 60 Millionen Euro allein in diesem Jahr werden nicht etwa für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ausgegeben, sondern müssen aufgrund fehlender Ideen nach Brüssel

zurückgezahlt werden. Das allerdings wäre allein schon Stoff genug, sich damit in einer separaten Debatte auseinanderzusetzen. Wir sprechen heute aber über die Zukunft und auch da brauen sich die gleichen dunklen Wolken über dem SMWA zusammen, wie wir das schon früher beobachten konnten. Ich möchte Ihnen das anhand eines Beispiels verdeutlichen.

Staatsminister Tillich hat sein OP zum ELER am 10. November in Brüssel eingereicht und dazu erklärt: „Mit der Meldung nach Brüssel haben wir die Weichen gestellt, damit im neuen Jahr schnellstmöglich mit der Bewilligung und Auszahlung von Fördergeldern begonnen werden kann.“ Ja, vor so viel Weitsicht kann man nur den Hut ziehen und den Landwirten gratulieren, dass ihr zuständiger Minister Druck macht, damit alsbald mit der Antragsbearbeitung begonnen werden kann und hoffentlich kein Geld verloren geht wie beim SMWA. Dass hier nämlich 60 Millionen Euro an Brüssel zurückgegeben werden müssen, hängt auch damit zusammen, dass man eben vieles schleifen ließ, nicht rechtzeitig Programme auflegte, über die das Geld hätte abfließen können. Aber daraus wurde beim SMWA offensichtlich nichts gelernt.