Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Ich will ganz ehrlich zu dieser ewigen Debatte mit den Kettenduldungen sagen: Sie wollen die Kettenduldungen abschaffen – ja, wir auch. Aber das tun Sie mit diesem Beschluss, der hier gefasst wurde, nicht. Im Gegenteil, die

Kettenduldungen werden weitergehen bzw. es wird der Aufenthalt von Geduldeten mit Stichtagsregelungen verschärft und erschwert; und dies halten wir für sehr, sehr schwierig.

Zweiter Gedanke – Aufenthaltszeiten. Es ist bereits etwas zu den Begünstigungen für Familien gesagt worden, die mindestens ein minderjähriges Kind haben, das unbedingt in der Kita bzw. in der Schule sein muss. Warum, das versteht niemand. Was ist mit denen, die kleiner sind und die später dran sind? Das ergibt überhaupt keinen Sinn, aber gut. Schaut man sich das an, gibt es diese acht Jahre sogar für traumatisierte Opfer rassistischer Gewalt und, was ich besonders frech finde, für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Dazu muss ich ganz ehrlich sagen: Wer für solche Flüchtlinge eine solche Regelung zustande bringt, handelt in meinen Augen nicht menschlich. Es gab sehr viele Anfragen, viele Proteste und Meinungsäußerungen zu genau dieser Frage, und es ist nichts passiert.

Das Dritte – dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis. Zum Nachweis eines dauerhaften Beschäftigungsverhältnisses muss ich sagen: Das ist bei Beibehaltung der nachrangigen Arbeitsmarktzugänge natürlich ein Witz, da die sogenannte Nachrangregelung, nach der zuerst Deutsche bevorrechtet sind, eben nicht aufgehoben wird und sich auch in der schönen Galgenfrist in Sachsen bis zum 30. September 2007 überhaupt nichts geändert haben wird. Wir wissen dies alle und tun so, als ob wir eine großzügige Frist für diese Menschen geschaffen hätten. Hinzu kommt, dass bei Geduldeten, wenn sie ihre Papiere bei irgendeinem Arbeitgeber vorlegen, drinsteht: „Arbeit nicht gestattet“. Bis heute steht dieser Vermerk noch darin, und solange er darin steht, frage ich mich: Warum soll der Arbeitgeber einstellen?

Vierter Punkt – Sicherung des Lebensunterhalts. Das ist der wirksamste Rausschmeißer für Geduldete – ganz klare Sache; denn nicht arbeiten zu können und im Asylbewerberheim zu hocken – wie soll das funktionieren? Besonders schlimm fand ich, dass eine Regelung enthalten ist, in der dies für die Sicherung des Lebensunterhaltes auch bei Pflegebedürftigen zur Pflicht gemacht wurde. Für Pflegebedürftige! Darüber kann ich schon nicht mehr lachen, und ich frage mich: Wie soll das passieren? Dann sollte man doch gleich schreiben: Nein, wir wollen diese Leute nicht! Das wäre seriöser.

Fünftens – ausreichender Wohnraum, pro Person 12 Quadratmeter. Schauen wir einmal, wie es im Asylbewerberheim aussieht: 5 Quadratmeter pro Nase. Da wissen wir, welche „glanzvollen“ Chancen auf ein Bleiberecht die allermeisten haben.

Sechstens – Sprachkenntnisse. Es ist schon vermessen, auf der einen Seite der Masse der Asylsuchenden abzuverlangen, dass sie alle schön deutsch sprechen können, und auf der anderen Seite gibt es kaum bzw. nicht ausreichende Deutschkurse für sie und Integrationskurse gleich gar nicht.

Siebentens – das ist die sogenannte Sippenhaft, die bereits Frau Herrmann angesprochen hat, was die Familien

angeht. Ich will ganz offen sagen: Selbst diejenigen, die zufälligerweise in den Genuss dieser Regelung kommen, müssen nach 24 Monaten noch einmal alles auf den Tisch legen, wie wir alle wissen, und danach beginnt die ganze Prozedur von vorn.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sage Ihnen: Dieser IMK-Beschluss vom 17. November 2006 ist ein Bleiberechtsverhinderungsbeschluss. Das ist die Wahrheit!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich füge hinzu: Man kann diesen miesen Kompromiss, der zulasten der Mehrheit der Asylsuchenden geht, nicht wirklich verbessern, Frau Herrmann. Das kann man nicht, so restriktiv, wie dies hier gehandhabt wurde. Was Sie tun, ist ehrenwert, aber es ändert nichts Substanzielles, auch wenn wir diese ganzen Kannbestimmungen natürlich ausnutzen können; das ist möglich. Es ist ein untaugliches Mittel am untauglichen Objekt. Insofern bin ich ein wenig verwundert über den Antrag; denn das, was Fakt ist und worauf wir drängen müssen, ist: Diese Verordnung muss schnell kommen, die Staatsregierung muss sie umsetzen. Dazu sage ich: Das ist der Job des Innenministers. Ende der Durchsage. Wenn diese Verordnung Ende Dezember kommt, hat er dies damit realisiert.

Unabhängig davon, dass wir natürlich heftig gegen die sogenannte Bleiberechtsregelung sind, werden wir dennoch – weil es Aspekte gibt, die wirklich vernünftig sind, zur Auslegung im Sinne des Klienten – diesem ersten Teil, dem Teil I und II Ihres Antrages, ohne Frage zustimmen. Ganz klar.

Zu dem, was die Teile III bis IV angeht, muss ich sagen, dass ich nicht weiß, was Sie wollen. Da ist vieles unpräzise, da wird suggeriert, man könne doch irgendwie damit leben. Wir können das nicht, will ich ganz ehrlich sagen. Sie müssen dann schon deutlich machen – gesetzliche Regelung Aufenthaltsgesetz –, was Sie wollen und wie Sie es tatsächlich zukünftig ändern und im Bundesrat einbringen wollen.

Ich sage auch, wenn ich den Teil III anschaue: Wenn man für Geduldete wirklich etwas tun will, dann muss man fordern, dass das Integrationskonzept, das von der Koalition versprochen worden ist, schleunigst auf den Weg gebracht wird und dass darin die Geduldeten eine entsprechende Rolle spielen. Mit dem vorliegenden Text im Antrag können wir wenig anfangen.

Was das Vierte angeht, wäre es mir wichtiger – das sage ich Ihnen ganz ehrlich, Frau Herrmann –, eine parlamentarische oder außerparlamentarische Initiative zu starten, die sich gegen die Erleichterung von Abschiebungen und gegen die Verschärfung des Asylrechtes richtet. Damit hätten wir sicherlich mehr getan.

So weit zunächst einmal unsere Stellungnahme.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Danke schön. – Als Nächster spricht Herr Bräunig von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema, wie aufenthaltsrechtlich mit den langjährig geduldeten Ausländern verfahren werden soll, wird seit Monaten heiß diskutiert. Es wird immer noch diskutiert, wie wir sehen.

Im Gegensatz zu der Debatte von heute Morgen auf Antrag der NPD-Fraktion bietet der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN allerdings eine seriöse Beratungsgrundlage, sodass wir uns hier ein wenig intensiver mit diesem Thema befassen können.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Aber die Ablehnung ist unseriös!)

Wie Sie wissen, hat der Minister heute schon die Details der Beschlüsse der Innenministerkonferenz vom 17.11. im Hause vorgestellt. Aus sozialdemokratischer Sicht ist dieser Beschluss der Innenministerkonferenz sicherlich keine Eins-zu-eins-Umsetzung unserer Migrationspolitik, sondern ein in Teilen durchaus schwieriger Kompromiss gewesen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich die sozialdemokratische Seite eine großzügigere Lösung hätte vorstellen können.

Nichtsdestotrotz musste im Interesse der Betroffenen endlich eine Lösung gefunden werden. Die hier im Sächsischen Landtag am 23. Juni dieses Jahres beschlossenen Eckpunkte waren dabei durchaus hilfreich. Ich verkenne nicht, dass es im Detail noch Differenzen zwischen CDU und SPD auf Bundesebene gibt und dass noch nicht alle Fragen der Umsetzung abschließend geklärt sind. Allerdings bin ich angesichts der schon vorliegenden Verständigung zuversichtlich, dass die noch offenen Fragen, die im Wesentlichen den Zugang zum Arbeitsmarkt bzw. die mögliche Dauer einer Jobsuche betreffen, letztendlich in Berlin – notfalls durch Bundesgesetz – gelöst werden.

Die beiden verantwortlichen Minister, Dr. Schäuble und Müntefering, sind im ständigen Dialog, eine Klärung herbeizuführen. Diesen Konsultationen möchten wir als SPD-Fraktion heute nicht vorgreifen, sondern zunächst die endgültigen Ergebnisse abwarten, die im Augenblick gerade Gestalt annehmen. Wichtig ist, dass sich alle Seiten erst einmal darin einig sind, dass die Notwendigkeit einer humanitären Bleiberechtsregelung für sogenannte Altfälle besteht. Diese Einigung ist da. Wie Sie sich sicherlich erinnern können, war das nicht immer so.

Als Landtag sind wir derzeit lediglich aufgefordert, das, was bereits Kompromiss ist, in der Umsetzung zu begleiten. Der Minister hat dargestellt, dass ein Bleiberecht und damit einen gesicherten Aufenthaltsstatus in Gestalt einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes erhalten wird, wer sich seit mindestens acht Jahren ununterbrochen in Deutschland aufhält und seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeit bestreiten kann. Für Familien mit minderjährigen Kindern, die bereits zur

Schule bzw. in den Kindergarten gehen, ist bereits ein Aufenthalt von sechs Jahren ausreichend.

Des Weiteren gibt es bestimmte Personengruppen, zum Beispiel Auszubildende, kinderreiche Familien, Alleinerziehende, für die es besondere Regelungen gibt. Das gilt auch für die in Deutschland aufgewachsenen ausländischen Jugendlichen. Ihnen wird bei zu erwartender dauerhafter Integration eine Aufenthaltsperspektive eröffnet, wenn sie sich noch in der Schul- oder Berufsausbildung befinden.

Ausgeschlossen von der Bleiberechtsregelung – und das ist auch Teil des Kompromisses – sind hingegen solche Personen, die innerhalb ihrer Aufenthaltsfrist untergetaucht waren, sich illegal hier aufhielten, die über aufenthaltsrelevante Umstände getäuscht haben, aufenthaltsbeendende Maßnahmen hinausgezögert bzw. behindert haben. Des Weiteren wird grundsätzlich nicht begünstigt – und das ist Kompromisslinie –, wer Ausweisungstatbestände erfüllt, wobei geringfügige Straftaten unberücksichtigt bleiben.

Diese Kompromisse, meine Damen und Herren, sind aus Sicht meiner Fraktion tragbar. Hinterfragt werden muss indes in der Tat, wie viel Zeit zur Jobsuche gewährt werden soll. Nach dem gegenwärtigen Stand erhalten diejenigen Ausländer, die nicht in einem dauerhaften Beschäftigungsverhältnis stehen, aber alle übrigen Kriterien der Bleiberechtsregelung erfüllen, Duldungen bis zum 30.09.2007 zum Zweck der Jobsuche. Sobald sie einen Arbeitsvertrag vorlegen, nach dem ein Einkommen vereinbart wurde, das für die zukünftige Sicherung des Lebensunterhalts ausreichend ist, erhalten sie eine Aufenthaltserlaubnis.

Meine Damen und Herren, der Beschluss der Innenministerkonferenz ist sofort wirksam. Das ist er. Allerdings bedarf es zur Umsetzung in den Ländern noch entsprechender Verwaltungsanordnungen der obersten Landesbehörden, was in unserem Fall durch eine Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern geschehen wird. Ich weiß, dass die Sächsische Ausländerbeauftragte – sie wird sicherlich hier auch noch sprechen – mit den ersten Entwürfen dieser Verwaltungsvorschrift nicht ganz glücklich ist. Meine Fraktion möchte aber zunächst die endgültige Vorschrift, die noch für diesen Monat angekündigt ist, abwarten und die weitere Entwicklung im Bund begleiten, sodass wir heute Ihrem Antrag unsere Zustimmung nicht geben werden.

Meine Damen und Herren! Wir wollen, dass jeder langjährig geduldete Ausländer, der sich angemessen in die wirtschaftliche, soziale und rechtliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland integriert hat, zum Wohle unseres Landes beitragen kann; denn nur so werden wir, wie wir glauben, die Migrationsprobleme in unserem Land in der Zukunft in den Griff bekommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Danke schön. – Der Vertreter der NPD-Fraktion hat jetzt das Wort. Herr Apfel, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Frage, was das hervorstechende Merkmal bundesrepublikanischer Politik und ihrer politischen Akteure ist, treten drei Eigenschaften besonders stark hervor: die Heuchelei, die Bigotterie und der Narzissmus.

Die Heuchelei spiegelt den Widerspruch zwischen Selbstdarstellung und Realität wider. Heuchelei dient der Manipulation der Öffentlichkeit oder der Aufrechterhaltung eines positiven Selbstbildes. Heuchelei wird auch als Scheinheiligkeit oder Doppelmoral bezeichnet. Verwendet man das Wort „scheinheilig“ im eigentlichen, engeren Sinne von scheinbarer, das heißt vorgetäuschter Heiligkeit, spricht man von Bigotterie.

Bigotterie ist die Bezeichnung für ein unreflektiertes, übertrieben frömmelndes, anderen Auffassungen gegenüber ausgesprochen intolerantes, scheinbar ganz der Religion oder einer religiösen Autorität gewidmetes Wesen oder Verhalten. In der Bundesrepublik gilt diese religiöse Verehrung dem Ausland und den hier lebenden Ausländern.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie verehren die Fremdwörter!)

Bei der Bigotterie geht es weniger um die Ausübung der Religion als solcher, sondern es soll aus Motiven des Narzissmus Eindruck auf andere Menschen schinden.

Der Narzissmus wiederum ist eine Charaktereigenschaft, die sich durch geringes Selbstwertgefühl bei gleichzeitig übertriebener Einschätzung der eigenen Bedeutung und dem großen Wunsch nach Bewunderung auszeichnet.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Das immer wieder beschworene Weltbürgertum und die von Ihnen angestrebte Internationalität sind der Ausfluss genau dieses bundesdeutschen Narzissmus.

(Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Damit ist eigentlich alles über die Mentalität der Akteure bundesdeutscher Politik gesagt.

Herr Apfel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte keine Zwischenfrage. – Die Antragsteller selbst, die GRÜNEN mit ihrer infantil marktschreierischen Chefin Claudia Roth, verkörpern diesen bundesdeutschen Typus in reinster Form.

Die NPD ist in diesem Hause schon mehrfach Zeuge davon geworden, wie in einträchtig frömmelndem Blockflötenkonzert über eine wieder einmal neue Bleiberechtsregelung für illegale Ausländer debattiert wird. Alle drei

skizzierten Wesensmerkmale haben diese Debatte um ein Bleiberecht bestimmt.