Wenn aber die Mitarbeiterbeteiligung nicht der Alterssicherung dienen soll, dann kann sie ohne Weiteres veräußert, also gehandelt werden. Solche Modelle gibt es durchaus. Sie werden praktiziert, und zwar ohne dass es eine besondere gesetzliche Regelung gibt. Aber auch hier tragen die Arbeitnehmer das unternehmerische Risiko natürlich mit. Bereits in der sogenannten New Economy vor einigen Jahren, als viele Unternehmen Modelle der Mitarbeiterbeteiligung einführten, waren viele Aktien am Ende wertlos. Sie können sich an den Crash am neuen Markt erinnern.
Da die Mitarbeiterbeteiligung diesen spekulativen Charakter hat, muss sie – das ist auch betont worden – freiwillig bleiben. Momentan wird aber kein Unternehmer, kein Beschäftigter daran gehindert, eine Vereinbarung über Mitarbeiterbeteiligung abzuschließen. Allerdings sind unsere Erfahrungen in Sachsen – auch wir beschäftigen uns seit Jahren mit Modellen der Mitarbeiterbeteiligung – nicht so wirklich ermutigend. Wir haben in der Vergangenheit mit großem Aufwand ein Projekt zur Mitarbeiterbeteiligung durchgeführt. Die Resonanz darauf war gering, was mich bei der Situation unserer kleinen und mittleren Betriebe auch nicht sonderlich wundert.
Die Mitarbeiterbeteiligung kann auch kein Ersatz für Mitbestimmung im Unternehmen darstellen. Denn egal, wie hoch die Mitarbeiterbeteiligung ausfällt: Bis der Anteil der Arbeitnehmer am Unternehmenskapital hoch genug für eine Sperrminorität ist, werden sehr, sehr lange Zeiträume vergehen. Ein Investivlohn könnte deswegen auch kaum einen Vorfall wie jetzt bei der Stilllegung der Fahrradproduktion bei Biria in Neukirch verhindern.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Idee der Mitarbeiterbeteiligung geht von der richtigen Vorstellung vom modernen Arbeitnehmer und dem Wunsch einer demokratischen Kultur der Teilhabe in den Unternehmen aus. Ich glaube, das ist die Diskussion, die wir führen müssen. Denn genau hier, in der Mitbestimmung und der Beteiligung der Arbeitnehmer, liegt eine der Kernkompetenzen der deutschen Wirtschaft. Sie besteht darin, die Fähigkeiten und das Engagement ganz unterschiedlicher Beschäftigungsgruppen produktiv und innovativ im Interesse des Betriebes zusammenzubringen. Früher, und leider noch in vielen Teilen unserer Welt, hieß „Ressource Mensch“ gleich disziplinierte, kontrollierte, maschinengleiche Arbeitskraft. Die Folge waren unwürdige Arbeitsbedingungen, die auch aus der Kapitalperspektive viele Potenziale verschenken.
Es geht heute um ein neues, überzeugendes Konzept lebendiger Arbeit. Es geht um eine innovative Arbeitspoli
tik für mitdenkende und mitentscheidende Beschäftigte. Es geht um kreative, selbstständig und selbstverantwortlich agierende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Eine solche Arbeitspolitik ermöglicht oft erst erfolgreiche Produkt- und Prozessinnovationen und hohe Qualitätsstandards. Für die Beschäftigten bringt sie einen doppelten Vorteil: Ihr konstruktiver Beitrag erhöht die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens und vergrößert damit die eigene Arbeitsplatzsicherheit. Gleichzeitig wird ihre Arbeit anspruchsvoller und beruflich herausfordernder. Deshalb bedauere ich es auch ganz außerordentlich, dass die Bemühungen der Kommission unter Vorsitz von Kurt Biedenkopf, eine moderne und europataugliche Weiterentwicklung der deutschen Unternehmensmitbestimmung zu formulieren, leider am Widerstand der Arbeitgeberseite gescheitert sind.
Die jetzige Debatte über Investivlöhne und Mitarbeiterbeteiligung könnte hier aber ein neuer Anstoß sein, nicht als Ersatz für die Mitbestimmung, aber als ergänzendes Element. Ich habe die Debatte sehr interessiert verfolgt. Ich stelle fest, der Abg. Morlok hat zu Recht gefragt, was die Staatsregierung unternommen hat. Sie wissen, Herr Abgeordneter, wir haben uns im März im Wirtschaftsausschuss über das Thema verständigt. Wir haben unsererseits mit den Kammern gesprochen und festgestellt, dass die Kammern selbstverständlich in der Lage und auch
bereit sind, über die Chancen von Investivlöhnen und Mitarbeiterbeteiligung aufzuklären. Allerdings haben sie berichtet, dass die Formen der Mitarbeiterbeteiligung und Investivlöhne durchaus in der Wirtschaft bei den Unternehmen bekannt sind, aber kaum nachgefragt werden. Wir haben auch gehört, dass bei der Sächsischen Aufbaubank jährlich etwa zwei Anfragen nach Unterstützung in Fragen des Investivlohnes gestellt werden. Das ist eher als sehr gering einzuschätzen. Bei aller Hochachtung vor denjenigen, die dieses Modell in Sachsen bereits in Angriff genommen haben, stelle ich fest, dass das Interesse sehr, sehr verhalten ist.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden schauen, was sich in Berlin bewegt. Wir werden sicherlich in dieser Frage im Bundesratsverfahren eingebunden sein und uns dann einbringen, auch mit unseren sächsischen Erfahrungen, allerdings auch mit Blick auf die Problemlagen, die ich versucht habe zu beschreiben.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Debatte ist damit abgeschlossen.
Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion GRÜNE das Wort. Die weitere Reihenfolge: CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung, wenn gewünscht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute über aktuelle Entwicklungen des Rechtsextremismus in Sachsen sprechen, dann müssen wir erst in dritter oder vierter Linie über die NPD-Fraktion im Landtag sprechen – ich sage das ausdrücklich in Richtung Linksfraktion.PDS, die das angekündigt hat –, auch erst in fünfter oder sechster Richtung über den Fall Nitzsche. – Aber wir werden später darauf zurückkommen.
Die NPD-Fraktion im Landtag ist die Anzeige, dass wir in Sachsen ein Problem haben. Sie ist für das Ansehen Sachsens eine schwere Bürde, aber sie ist angesichts ihrer nachgewiesenen personellen und inhaltlichen Unfähigkeit nicht das Problem selbst. Die Herren und die eine Dame hier sind so etwas wie die mediale Spitze des Eisberges. Insoweit können wir Ihnen sogar dankbar sein; denn Sie verhindern, dass das Problem rechtsextremistischer Einstellungen, Verhaltensweisen und Gewalttaten so
Wir müssen klar erkennen, dass die Selbstauflösung der NPD-Fraktion nicht das Ende des Rechtsextremismus in Sachsen bedeutet.
Wenn sich die NPD-Fraktion in diesem Hause endgültig in ihre Einzelteile zerlegt haben wird, wird sich das Problem des Rechtsextremismus in Sachsen noch lange nicht erledigt haben. Dies ist die wichtigste Erkenntnis, die wir uns heute vergegenwärtigen müssen.
Aber, meine Damen und Herren, die Entwicklung der letzten Tage erfordert doch einige Worte zu den Restbeständen der NPD-Fraktion. Immerhin sind von den vor zwei Jahren zwölf eingezogenen Abgeordneten nur noch sechs Mitglieder der Fraktion übrig geblieben.
Erstens. Der Fall des Matthias Paul, dessen Büroräume wegen des Verdachts der Kinderpornografie durchsucht wurden, zeigt, dass Anspruch und Wirklichkeit gerade bei
Ich halte das nicht für einen Zufall. Gerade unter der unbarmherzigen und menschenfeindlichen Ideologie der Neonazis können sich so manche Abartigkeiten verbergen. Gerade deshalb wird ja offiziell so wütend darauf eingehackt.
Zweitens. Am Ausschluss des Herrn Menzel aus der NPD-Fraktion ist nur bemerkenswert, dass er gerade nicht wegen seiner glühenden Liebeserklärung an seinen Führer ausgeschlossen wurde, sondern wegen angeblicher finanzieller Verfehlungen. Daraus ist doch nur der Schluss zu ziehen, dass die NPD es gerade nicht für unvereinbar hält, mit erklärten Hitler-Anhängern zusammenzuarbeiten. Der Versuch des Hitler-Verehrers Menzel, eine Waffe in den Landtag zu schmuggeln, zeigt, dass die NPD-Fraktion offensichtlich zwei Jahre lang geduldet oder vielleicht sogar unterstützt hat, dass Herr Menzel im Landtag mit Waffen herumläuft und hantiert.
Sie wusste, dass sich ihr „Mann fürs Grobe“, wie sich Herr Menzel gern selbst bezeichnet, auch mal gern in Schlägereien – –
(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS und der SPD – Jürgen Gansel, NPD: Aber wenn hier Unterstellungen in den Raum gestellt werden, dann lassen Sie sie zu!)
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich wiederhole es auch noch einmal gern: Ich halte es für total unglaubwürdig, dass die NPD-Fraktion davon nichts gewusst haben will. Sie wusste, dass sich ihr „Mann fürs Grobe“, wie sich Menzel gern selbst bezeichnet, auch gern persönlich in Schlägereien einmischt und sich selbst als Kontaktmann zur militanten Kameradschaftsszene versteht.
Aber wie sieht es nun mit dieser Szene in Sachsen aus? – In allen Bereichen haben wir seit 2004 eine Stabilisierung oder einen Anstieg zu verzeichnen. Die Anzahl der Rechtsextremisten in Sachsen liegt weiterhin bei circa
3 200, die Mitgliederzahl der NPD gar bei 1 000. Sachsen liegt mit offiziell 89 rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten insgesamt anteilig an der vierten Stelle in ganz Deutschland. Oberstaatsanwalt Schär hat kürzlich davon gesprochen, dass es in Sachsen 40 Kameradschaften mit circa 1 000 Mitgliedern gibt. Die Hälfte müsse nach seiner Einschätzung eigentlich auf den Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung hin überprüft werden. Aber leider gelinge das nicht wegen Personalmangels. Ich habe bereits in meiner Rede zum Justizhaushalt darauf hingewiesen, dass wir hier einen Schwerpunkt setzen müssen.
Meine Damen und Herren, nun zum Wichtigsten. Auf welchem Resonanzboden, in welche Kommunikationsräume können die Rechtsextremisten denn hineinstoßen? – Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung hat nicht zum ersten Mal bestätigt, dass die Elemente rechtsextremistischen Denkens wie Ausländerfeindlichkeit, Chauvinismus und die Befürwortung einer Diktatur weit verbreitet sind.
Ich kann daran nicht wirklich Neues erkennen. Wir wissen bereits seit mehreren Jahrzehnten, dass gar 15 bis 20 % in West und Ost einem solchen Weltbild huldigen. Dies zeigt, dass nicht alle rechtsextremistisch eingestellten Bürgerinnen und Bürger Neonazis wählen. Viele wählen die großen Parteien CDU, PDS und SPD. Die Ebert-Studie hat vor allem herausgearbeitet, dass selbst Kreise, die nicht anfällig für rechtsextremistisches Denken sind, nicht positiv auffallen. Auch die Mitglieder von Gewerkschaften und Kirchen teilen in gleichem Umfang dieses rechtsextremistische Weltbild.
Meine Damen und Herren! Hier gewinnt die Metapher vom Rechtsextremismus, der längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, tatsächlich Konturen. An dieser Stelle müssen wir auch auf den Fall Nitzsche eingehen. Ich kann der CDU nur gratulieren, dass sie diesen Herrn losgeworden ist. Ich bedaure aber, dass sie nicht stark genug war, dies aus eigener Kraft zu tun.
Herr Nitzsche steht genau für diese Grauzone, die Sie durch Ihre Patriotismusdebatte, die nach rechts Räume erschließt, eröffnet haben. Ihre hilflose Reaktion zeigt, dass Sie dem, was Sie selbst ansprechen, nicht gewachsen sind.
Das Problem rechtsextremistischer Einstellung in Sachsen scheint in einem Konglomerat aus dummen, spießigen, fremdenfeindlichen bis rassistischen Einstellungen bei einer Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern zu liegen. Sie fühlen sich benachteiligt und schlecht behandelt. Sie erwarten vom Staat, dass er sie aus ihrer Misere durch eine gezielte Bevorzugung vor verachteten Bevölkerungsgruppen befreit. Die NPD hat es teilweise geschafft,