Protokoll der Sitzung vom 15.12.2006

Ich habe deutlich gemacht, dass es, wenn es um einen Lohnverzicht geht, eine freiwillige Entscheidung des Arbeitnehmers sein muss, einen Teil seines Bruttolohnes in eine Beteiligung umzuwandeln. Eine freiwillige Entscheidung!

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wer das nicht macht, wird entlassen!)

Was uns beide unterscheidet, ist, dass ich dem Mitarbeiter zutraue, dies sachgerecht zu entscheiden, während Sie ihn bevormunden wollen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion.PDS)

Hinsichtlich des Risikos ist es ganz klar: Was nicht geht, ist das, was ich vorher schon sagte: eine Beteiligung ohne Risiko mit garantiertem Ertrag und voller Mitbestimmung. Das wird nicht funktionieren. Wer das Risiko trägt, muss mitentscheiden können, gar keine Frage. Wer aber eine Beteiligung ohne Risiko mit garantiertem Ertrag haben möchte, muss auf Mitbestimmung verzichten. Das ist auch nichts Neues, das kennen Sie aus dem Aktienrecht heute schon.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Das sind die sogenannten stimmrechtslosen Vorzugsaktien. Das ist doch selbstverständlich. Wer einen garantierten Ertrag haben möchte, der bekommt ihn garantiert, er muss aber im Nachhinein auch auf die Entscheidung verzichten.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Ich wollte noch auf einen Punkt eingehen: die Mittelstandsproblematik. Wir haben in Deutschland ungefähr zwei Millionen Mitarbeiter, die an Unternehmen beteiligt sind. Darunter sind aber 1,4 Millionen, die Belegschaftsaktien haben, die also an Aktiengesellschaften beteiligt sind. Das zeigt, wie der Mittelstand hinten herunterfällt. Das ist auch das Problem in Sachsen. Wir haben nicht die großen Aktiengesellschaften, wir haben hier den Mittelstand und müssen uns um den Mittelstand Gedanken machen.

(Beifall bei der FDP)

Hier geht es genau um das Thema Nachgelagerte Besteuerung. Das haben Sie schon angesprochen. Nur frage ich mich, warum Sie in der Bundesregierung nichts getan haben, um diese nachgelagerte Besteuerung hinzubekommen. Wir setzen die falschen Rahmenbedingungen. Bei der Riesterrente haben wir die Möglichkeit der Unternehmensbeteiligung geschaffen, haben aber durch die engen Kriterien für die Anlageform nur ganz bestimmte Beteiligungen möglich gemacht. Dabei ist der Mittelstand vollkommen hinten heruntergefallen.

Hätte man sich damals schon für die nachgelagerte Besteuerung auch von Beteiligungen an mittelständischen Unternehmen, an GmbHs zum Beispiel, starkgemacht und eingesetzt, hätte man das auch besser regeln können. Dann hätten wir auch mehrere Möglichkeiten für den Mittelstand. Es geht eben darum, tatsächlich die Besteuerung dahin zu verlagern, wenn das Geld an den Mitarbeiter ausgezahlt bzw. die Einlage aus Unternehmen entnommen wird. Dahin müssen wir kommen. Ich erwarte auch von der Staatsregierung, dass sie auf der Bundesebene tätig wird und sich dafür einsetzt, weil es hier

Vorteile gerade für mittlere Unternehmen gibt, wie wir sie in Sachsen haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Wird von der CDU-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Herr Pietzsch, bitte.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Es geht doch gar nicht um die Feuerwehr!)

Herr Hahn, es gibt auch andere wichtige Probleme.

Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte daran anschließend noch ein paar Bemerkungen machen und vielleicht die wichtigsten Punkte zusammenfassen. Wir liegen mit unseren Auffassungen gar nicht so weit auseinander, auch wenn wir natürlich unterschiedliche Sichtweisen haben. Die einen gehen von Zwang aus, die anderen reden von Freiwilligkeit. Das ist der gravierende Unterschied dabei.

(Torsten Herbst, FDP: Ja!)

Wenn wir uns dann darüber verständigen, dass wir eigentlich das Gleiche meinen, es nur aus einem anderen Blickwinkel betrachten, reduziert es sich auf ein paar Grundprobleme, die wir dringend lösen müssen.

Wir hatten bei der Diskussion über den FDP-Antrag im Januar festgestellt, dass es zu wenig war, es nur für Sachsen zu fordern, zu überprüfen, anzubieten, zu beraten. Das ist meiner Ansicht nach ein Folgeschritt von dem, was an Richtlinienkompetenz vonseiten des Bundes bezüglich des Gesetzesvorhabens vorzuschlagen ist. Das streben wir jetzt auch an. Es muss ein einfaches, klares, unbürokratisches Gesetz auf den Weg gebracht werden.

Ich nenne noch einmal die Punkte, auf die es ankommt:

Erstens. Freiwilligkeit – wir wollen keinen dazu zwingen, sondern wollen die Menschen von den Vorteilen überzeugen, die mit Investivlöhnen verbunden sind.

Zweitens wollen wir viele Möglichkeiten für eine Mitarbeiterbeteiligung schaffen. Jeder soll die Form der Beteiligung wählen, die zu seinem Unternehmen und zu seinen Mitarbeitern passt. Das ist ein wichtiger Aspekt. Es reicht von der Mitarbeiterbeteiligung in kleinen und mittelständischen Unternehmen bis hin zu Belegschaftsaktien bei großen Kapitalgesellschaften.

Drittens. Kernpunkt für den Erfolg ist natürlich die nachgelagerte Besteuerung. Steuern und Beträge sollen erst dann fällig werden, wenn man das Geld am Ende in der Hand hält. Das ist eine wichtige Forderung.

Viertens. Wir wollen die Mitarbeiterbeteiligung in die steuerlich geförderte Altersvorsorge einbauen und mit der betrieblichen Altersvorsorge verbinden.

Fünftens. Wer seinen Arbeitsplatz wechselt – das ist auch ein wichtiger Aspekt –, soll seine Beteiligung mitnehmen können, ohne dass sofort Steuern fällig werden.

Sechstens. Viele haben Angst, dass sie bei einer Pleite des Unternehmens – das kam hier auch schon zur Sprache – nicht nur ihren Job, sondern auch das Geld verlieren, das sie investiv eingebracht haben. Diese Angst wollen wir ihnen nehmen. Dazu ist eine passgenaue Lösung für Insolvenzen diskutiert worden. Ich erinnere an die Konkursversicherung bzw. außerbetriebliche Fonds. Unter diesen beiden Begriffen hat die Diskussion stattgefunden.

Mitarbeiterbeteiligung fördert die betriebliche Partnerschaft. Betriebsräte sollen dabei ein Informationsrecht erhalten. Darüber hinaus gelten die schon im Gesellschaftsrecht verankerten Regelungen, wenn es um Mitwirkung und Mitsprache geht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle Verbesserungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen – so notwendig sie auch sind – bringen nichts, wenn wir die Menschen nicht davon überzeugen. Auch wenn der Begriff „Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand“ etwas angestaubt sein sollte, so ist die Idee, die dahintersteckt, doch hoch aktuell. Wir müssen uns um die Beteiligung der Arbeitnehmer am Erfolg der Unternehmen bemühen. Das ist auch beschäftigungspolitisch geboten. Nur so lassen sich Arbeitskosten begrenzen und zugleich eine faire Teilhabe der Beschäftigten sichern. Nur so erreichen wir, dass sich Beschäftigte bei der Politik der Lohnzurückhaltung nicht über den Tisch gezogen fühlen.

Hans-Werner Sinn sagte erst kürzlich: „Die Arbeitnehmer brauchen ein zweites Standbein. Zu dem Lohneinkommen muss ein Kapitaleinkommen als Einkommensquelle hinzutreten.“ Dies spricht für eine Politik der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand und für eine Mitbeteiligung an den Unternehmen. Dafür ist es noch nicht zu spät.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Herr Staatsminister Jurk, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir genau die gleiche Debatte im Januar hier im Landtag führten, klingelte, kaum dass ich zu sprechen begonnen hatte, mein Handy. Das hat damals bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, für eine gewisse Heiterkeit gesorgt und war mir durchaus peinlich. Diesmal habe ich es vorsorglich auf lautlos geschaltet.

Ich habe in der Januardebatte gesagt, dass ich die Grundidee der Mitarbeiterbeteiligung mit einer gewissen Sympathie betrachte. Ich habe aber auch deutlich gemacht, welche Schwierigkeiten ich bei der praktischen Umsetzung sehe. Die Idee gibt es schon seit dem vorletzten Jahrhundert. Sie hat allein wegen der praktischen Probleme und Widersprüche den großen Durchbruch noch nicht geschafft. Nun soll es einen neuen Versuch geben. Ob er dieses Mal mehr Erfolg hat, wird auch davon abhängen,

ob alle Beteiligten die gleichen Ziele und Erwartungen mit dem Investivlohn verbinden.

Für mich ist ganz entscheidend, dass es sich bei dem Investivlohn um eine zusätzliche vermögensbildende Maßnahme handeln muss und nicht um einen Ersatz für bessere Löhne. Wir sollten nicht vergessen, dass diese Diskussion zu einem Zeitpunkt kommt, an welchem die Konjunktur deutlich angezogen hat und die Unternehmen mittlerweile gutes Geld verdienen. Nachdem jahrelang, wie Sie wissen, Lohnverzicht geübt wurde und die Löhne seit 2000 nirgendwo in der EU weniger stiegen als in Deutschland, darf es nicht dazu kommen, dass gerechtfertigte Lohnforderungen in Investivlöhne umgewandelt werden.

(Vereinzelt Beifall der SPD und der Linksfraktion.PDS)

„Sparlohn statt Barlohn“ ist nicht der richtige Weg; denn wir brauchen zum jetzigen Zeitpunkt bessere Löhne, auch zur Belebung der Binnennachfrage und zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme.

(Beifall der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS)

Mitarbeiterbeteiligung kann kein Ersatz für ausreichende, dem Wert der Arbeit angemessene Entlohnung sein.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Investivlöhne dürfen auch kein Glücksspiel sein. Der Arbeitnehmer, der an seinem Arbeitgeber beteiligt ist, partizipiert mit seinem Geschäftsanteil an der Wertentwicklung des Unternehmens im Guten wie auch im Schlechten. Was ist, wenn das Unternehmen insolvent wird oder der Kurs zusammenbricht? Wollen wir eine staatliche Risikoabsicherung, die letztlich von allen Steuerzahlern getragen wird, auch von denen, die wegen der Art ihres Arbeitgebers keinen Investivlohn erhalten können, oder sind wir der Meinung, der einzelne Arbeitnehmer, der am Unternehmen beteiligt ist, muss auch das unternehmerische Risiko tragen, oder sollen Private das Risiko abdecken? Genau um diese Fragen wird es in den nächsten Monaten gehen und auch gehen müssen.

Besonders brisant werden diese Fragen natürlich, wenn die Mitarbeiterbeteiligung einen Beitrag zur Alterssicherung leisten soll. Hier müsste es eine Insolvenzsicherung besonderer Art geben. Andernfalls wäre das Risiko viel zu groß, dass ein Arbeitnehmer jahrelang auf einen Teil seines Lohns verzichtet und am Ende davon überhaupt nichts hat. Es darf nicht heißen: Außer Spesen nichts gewesen. Eine solche Insolvenzsicherung würde aber sehr teuer sein, wenn man bedenkt, wie schnelllebig die Wirtschaft geworden ist und wie viele Unternehmen vom Markt verschwinden, aber auch neu gegründet werden.

Wir müssen uns auch fragen, was geschehen soll, wenn der Arbeitnehmer sein Unternehmen verlässt. Schließlich sind bei der heutigen großen Flexibilität unserer Arbeitnehmer Arbeitsverhältnisse, die vom Beginn der Lehre bis

zur Pensionierung beim gleichen Unternehmen bestehen, eher die Ausnahme.

Aus diesem Grund halte ich eine Alterssicherung, die vom Wohlergehen des Unternehmens abhängig ist, für schwierig.

(Beifall der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion.PDS)

Wenn aber die Mitarbeiterbeteiligung nicht der Alterssicherung dienen soll, dann kann sie ohne Weiteres veräußert, also gehandelt werden. Solche Modelle gibt es durchaus. Sie werden praktiziert, und zwar ohne dass es eine besondere gesetzliche Regelung gibt. Aber auch hier tragen die Arbeitnehmer das unternehmerische Risiko natürlich mit. Bereits in der sogenannten New Economy vor einigen Jahren, als viele Unternehmen Modelle der Mitarbeiterbeteiligung einführten, waren viele Aktien am Ende wertlos. Sie können sich an den Crash am neuen Markt erinnern.